Baurecht

Keine Baugenehmigung für Maschinenhalle und Betriebsleiterwohnung bei landwirtschaftlicher Pferdehaltung

Aktenzeichen  M 11 K 17.2874

Datum:
22.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 34611
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Ein Vorhaben dient nur dann einem landwirtschaftlichen Betrieb iSd § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, wenn ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – dieses Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde und das Vorhaben durch diese Zuordnung zu dem konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt wird (hier verneint bezüglich Berge- und Maschinenhalle und Betriebsleiterwohnung für Pferdehaltung). (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Landratsamts vom 24. Mai 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.
Danach war die beantragte Baugenehmigungen nicht zu erteilen, da das beantragte Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist.
Offenbleiben kann vorliegend, ob die Klägerin überhaupt einen landwirtschaftlichen Betrieb i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB führt. Aufgrund des Umstands, dass der überwiegende Teil der der Klägerin zur Verfügung stehenden Flächen lediglich Pachtgrund darstellt, bestehen hieran jedenfalls gewisse Zweifel, weil nicht eindeutig ist, dass sich das aus dem Merkmal des „Betriebs“ ergebende Erfordernis der Dauerhaftigkeit hinreichend gewahrt ist. Bei einem Betrieb, der – wie hier – überwiegend auf Pachtgrund betrieben wird, ist jedenfalls im Einzelfall eine umfassende Betrachtung abzustellen, ob es sich trotz des geringen Anteils an Eigenflächen immer noch um einen auf Dauer angelegten Betrieb handelt.
Dies braucht hier jedoch letztlich nicht entschieden zu werden, da das von der Klägerin zur Genehmigung gestellte Vorhaben in jedem Falle schon nicht dienlich i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dient ein Vorhaben nur dann einem landwirtschaftlichen Betrieb i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, wenn ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – dieses Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde und das Vorhaben durch diese Zuordnung zu dem konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt wird (BVerwG, U. v. 03.11.1972 – 4 C 9.70). Zwar bestehen vorliegend keine Zweifel an der äußerlich erkennbaren Prägung durch die Zuordnung zum Betrieb. Allerdings ist das Merkmal des Dienens deshalb zu verneinen, da ein vernünftiger Landwirt ein Vorhaben unter Berücksichtigung der aktuellen betrieblichen Gegebenheiten des Betriebs der Klägerin jedenfalls nicht in dieser Form errichten würde. In der Baubeschreibung zum Bauantrag vom 11. August 2018 sind als Gesamtbaukosten für den Wohn- und Büroteil 266.304,- € und als Gesamtbaukosten für die Maschinen- und Bergehalle samt Garagen 200.000,- € angegeben. Folglich belaufen sich die Gesamtbaukosten für das klägerische Vorhaben, ohne etwaige Kosten für Erschließung, auf knapp 467.000,- €. Demgegenüber verfügt die Klägerin lediglich über 3,6 ha (laut eigenem Vortrag der Klägerin 3,9 ha Grundstücksfläche abzüglich 0,3 ha versiegelter Flächen) Eigenflächen und darüber hinaus ausschließlich Pachtflächen. Letztere sind zudem allesamt bis maximal Ende 2030 gepachtet, mithin vom heutigen Tage an nur knapp etwas über 11 Jahre, und dies zudem überwiegend von demselben Verpächter. Insbesondere aufgrund des überschaubaren Zeitraums der Restpacht sowie der überwiegenden Abhängigkeit der Klägerin von einem einzigen Verpächter, droht der Klägerin die ernsthafte Gefahr, in knapp über 11 Jahren, mithin in nicht allzu ferner Zukunft, den überwiegenden Teil ihrer landwirtschaftlichen Nutzflächen zu verlieren. Eine Verlängerung der Pachtverträge ist zwar denkbar, stellt aber zum jetzigen Zeitpunkt eine bloße Möglichkeit dar, auf die die Klägerin gerade keinen einklagbaren Anspruch hat. Im Hinblick darauf, dass sich diese Gefahr in etwas über 11 Jahren möglicherweise realisiert und der Betrieb mithin nicht fortgeführt werden kann, würde ein vernünftiger Landwirt vorliegend keine Investition i.H.v. knapp 467.000,- € tätigen. Insbesondere kann aus dem vorgelegten Betriebskonzept nicht entnommen werden, dass eine derartige Investition sich in der genannten Zeitspanne amortisieren würde. Insoweit sei allein darauf hingewiesen, dass der Vortrag der Klägerin hinsichtlich der zu erzielenden Verkaufserlöse aus der Nachzucht bereits in sich widersprüchlich ist. Die Klägerin trägt vor, der Verkaufserlös betrage durchweg 15.000,- € bis 20.000,- € pro Pferd. Dies wird jedoch in keinster Weise durch die vorgelegten Kaufverträge belegt. Im Schriftsatz vom 17. Juli 2018 führt der Bevollmächtigte der Klägerin zudem selbst sieben Pferdeverkäufe im Zeitraum zwischen 2012 und 2018 auf. Hiervon liegen lediglich drei innerhalb der von der Klägerin angegeben Preisspanne (15.000,- € im Jahr 2018, 19.000,- € im Jahr 2018 und 20.000,- € im Jahr 2012). Die weiteren vier Verkäufe, mithin die Mehrheit, bewegen sich im Bereich eines Verkaufspreises zwischen 8.000,- € und 12.733,- € und mithin weit unter den von der Klägerin angegebenen zu erwartenden Verkaufserlösen. Auch ist den Stellungnahmen des AELF … und des AELF … nicht zu entnehmen, dass das klägerische Vorhaben tatsächlich dienlich ist. Diese Stellungnahmen setzen sich fachlich mit der Frage der Dienlichkeit des Vorhabens nicht konkret auseinander. Insoweit wird lediglich ausgeführt, dass Unterstellbedarf besteht und dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB als gegeben angesehen werden. Zwar mag sein, dass Unterstellbedarf tatsächlich gegeben ist. Dies allein ist allerdings nicht ausreichend, um die Dienlichkeit des Vorhabens zu bejahen. Insbesondere setzen sich die genannten Stellungnahmen nicht konkret mit der Frage auseinander, ob die hohe Investitionssumme angesichts der Pachtdauer des überwiegenden Teils der landwirtschaftlichen Nutzflächen von maximal 12 Jahren von einem vernünftigen Landwirt getätigt worden wäre und ob auf diesen Zeitraum gerechnet Gewinn erwirtschaftet werden kann. Zudem geht die Stellungnahme des AELF … auch von nichtzutreffenden Voraussetzungen aus, weil sich aus den von der Klägerin vorgelegten Kaufverträgen gerade ergibt, dass ein überwiegender Teil der Pferde nur einen Erlös von 8.000,- € bis 12.733,- € erzielt. Der in der Stellungnahme des AELF … angenommene langfristig zu erwartende Gewinn von 40.000,- € bis 45.000,- € jährlich beruht jedoch auf der Annahme von Verkaufspreisen von 20.000,- € bis 25.000,- € pro Pferd.
Eine Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten war auf den in der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2018 hilfsweise für den Fall der Klageabweisung gestellten Beweisantrag hin nicht erforderlich. Bei der Frage, ob die Wohnung für den klägerischen Pferdepensions- und Zuchtbetrieb dienlich ist, handelt es sich schon nicht um eine zum Beweis gestellte Tatsache, sondern um eine dem Beweis von vorneherein nicht zugängliche Rechtsfrage. Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin den Beweis der Tatsache beantragt hat, dass die Möglichkeit besteht, in den Landkreisen …, … … und … Flächen anzupachten, kann dies als wahr unterstellt werden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass zum entscheidungserheblichen jetzigen Zeitpunkt nicht mit hinreichender Gewissheit klar ist, ob und in welchem Umfang die Klägerin über das Jahr 2030 hinaus noch über Pachtflächen verfügt und mithin, ob der Betrieb fortgeführt werden kann. Schließlich kommt es auch auf die zum Beweis gestellte Tatsache, dass die vorgelegte Flächenausstattung für den Betrieb der Klägerin ausreichend ist, nicht an. Im vorliegenden Fall ist das Vorhaben nämlich aufgrund der hohen Investitionskosten und der gleichzeitig unsicheren Situation, ob und in welchem Umfang der Betrieb über das Jahr 2030 hinaus noch über Pachtflächen verfügt, bereits nicht dienlich i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Die Frage, ob eine überwiegend eigene Futtergrundlage i.S.d. § 201 BauGB gegeben ist, ist mithin unerheblich.
Das klägerische Vorhaben stellt folglich ein sonstiges Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB dar, das unzulässig ist, weil es öffentliche Belange beeinträchtigt. Das Vorhaben widerspricht der Festsetzung einer Fläche für Landwirtschaft im Flächennutzungsplan der Beigeladenen, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Ebenso beeinträchtigt das Vorhaben die natürliche Eigenart der Landschaft, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB und lässt die Entstehung oder zumindest die Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB.
Die Klage war daher abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, der Klägerin die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil die Beigeladene sich durch Stellung eines Antrags dem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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