Baurecht

Keine städtebauliche Erforderlichkeit des Bebauungsplans

Aktenzeichen  1 NE 17.716

Datum:
26.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 3 Abs. 2 S. 2
VwGO VwGO § 47 Abs. 6

 

Leitsatz

War zum Zeitpunkt der Beschlussfassung eines Bebauungsplans erkennbar, dass die tatsächliche Verwirklichung nicht vollziehbar ist und in Zukunft auch nicht sein wird, so fehlt es an der städtebaulichen Erforderlichkeit. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bebauungsplan “westlich der L-straße und des W…“ wird bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug gesetzt.
II. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen den Bebauungsplan “westlich der L-straße und des W…“ in seinem nördlichen Teilbereich Sondergebiet „Tourismus“, den die Antragsgegnerin am 24. August 2016 beschlossen und am 12. Oktober 2016 bekanntgemacht hat.
Der Bebauungsplan sieht in seinem nördlichen Teil, in dem die Antragstellerin Eigentümerin eines mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks ist, ein Sondergebiet „Tourismus“, insbesondere mit Übernachtungsmöglichkeiten im mittleren Preissegment sowie weiteren touristischen Dienstleistungen, vor. Dieser Bereich wird durch eine Kletterhalle geprägt. Der Antragsgegner hat insoweit zuletzt am 7. Dezember 2016 beschlossen, eine Kletterhalle im Bereich des geplanten Sondergebiets G… 2020 vorzusehen. Im Süden schließt zunächst ein weiteres Sondergebiet mit der Zweckbestimmung „besonderer Wohnbedarf“ an, anschließend sieht der Bebauungsplan ein allgemeines Wohngebiet vor. In allen drei Teilen des Bebauungsplans findet sich zum Pflanzgebot die Festsetzung „pfg 2“ (Pflanzgebot 2), die gewährleisten soll, dass hochwertig gestaltete, abwechslungsreiche Grün- und Freiflächen entstehen und durch die Vernetzung dieser Flächen eine Durchlässigkeit gegeben ist, die den jeweiligen Bereich für alle Bewohner des Quartiers erlebbar macht.
Die Antragstellerin hat gegen diesen Bebauungsplan Normenkontrollklage erhoben, die beim Verwaltungsgerichtshof unter dem Aktenzeichen 1 N 16.2567 anhängig ist. Sie beantragt, den Bebauungsplan in seinem nördlichen Teilbereich Sondergebiet „Tourismus“ außer Vollzug zu setzen, weil der Bebauungsplan gegen das Gebot der städtebaulichen Erforderlichkeit verstoße. Es handle sich um eine Gefälligkeitsplanung zu Gunsten der Beigeladenen und damit um eine Negativ- bzw. Verhinderungsplanung zu ihren Lasten. Auch sei der Bebauungsplan mit seinen Festsetzungen so nicht vollziehbar. Westlich von ihrem Bestandsgebäude sei auf ihrem Grundstück eine Grün- und Freifläche vorgesehen, die für jedermann, insbesondere für die auf den Nachbargrundstücken in den geplanten Gebäuden untergebrachten Touristen, zugänglich sein solle. Da eine Einigung auf ein zivilrechtliches Betretungs- und Nutzungsrecht auf ihrem Grundstück nicht habe erzielt werden können, sei der Bebauungsplan einschließlich seiner Begründung an dieser Stelle nicht umsetzbar und damit nicht erforderlich. Des Weiteren macht sie die Unbestimmtheit der Planung im Hinblick auf die Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung und zum Maß der baulichen Nutzung geltend. Ihre Belange seien nicht ausreichend abgewogen worden. Ungeachtet der Frage, ob von der Beigeladenen gegenwärtig ein neues aussagekräftiges Bebauungskonzept erarbeitet werde, halte diese an einer touristischen Nutzung fest und habe nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass sie von einer weiteren Vollziehung des Bebauungsplans absehe. Da der Bebauungsplan derzeit noch wirksam sei und jederzeit vollzogen werden könne, fehle es weder am Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag, noch an der Gefahr, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden könnten.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene treten dem Antrag entgegen. Die Aussetzung des Vollzugs des Bebauungsplans sei nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen Gründen dringend geboten. Die Antragstellerin führe lediglich aus, dass ohne den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung zu befürchten sei, dass Tatsachen geschaffen würden, die später nicht mehr oder nur schwer rückgängig gemacht werden könnten, wenn in der Hauptsache die Unwirksamkeit des Bebauungsplans festgestellt werden würde. Dies gelte für das bereits genehmigte Hostel im nördlichen Bereich des Bebauungsplans nicht. Auch stelle der bloße Vollzug des Bebauungsplans keinen schweren Nachteil dar. Der Bebauungsplan sei auch nicht offensichtlich abwägungsfehlerhaft. Ein sog. „Platz-Erlebnis“ im Bereich des Grundstücks der Antragstellerin sei durch die Festsetzung „pfg 2“ weder vorgesehen noch festgesetzt. Diese Festsetzung beinhalte lediglich einen sich über die Baugebiete erstreckenden innenliegenden Bereich mit geringerer baulicher Dichte und verbesserter Grünausstattung in den Freibereichen. Die Festsetzung sei ohne weiteres umsetzbar. Dem Antragsgegner sei auch bekannt gewesen, dass die auf dem Grundstück der Antragstellerin vorhandene rückwärtige Freifläche (gegenwärtig) nicht für eine „halb“-öffentliche Nutzung zur Verfügung stehe. Aufgrund des durch den Bebauungsplan geschaffenen großen städtebaulichen Potentials sei aber zumindest von einer mittelfristigen Umsetzung der Planung auszugehen. Auch solle die im nördlichen Bereich festgesetzte Kletterhalle dort nicht mehr verwirklicht werden. Die Beigeladene habe aufgrund dieser wesentlichen Änderung der bisherigen Plankonzeption die Einleitung eines förmlichen Verfahrens zur Änderung des Bebauungsplans beantragt und erarbeite ein neues Konzept für diesen Bereich, sodass vor diesem Hintergrund der Bebauungsplan im Sondergebiet „Tourismus“ nicht (weiter) vollzogen werde. Im Übrigen handle es sich nicht um eine Gefälligkeits- oder Negativplanung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Normaufstellungsakten sowie auf die Gerichtsakten im vorliegenden Verfahren und im Verfahren des Normenkontrollantrags (1 N 16.2567) Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig (1.) und begründet (2.).
1. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners fehlt dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Antragstellerin gegen die Errichtung des Hostels vorgehen könnte. Angesichts des unterschiedlichen Streitgegenstands und Prüfungsumfangs der Verfahren kommt den Rechtsschutzmöglichkeiten nach § 80a Abs. 3 und § 123 VwGO nicht der Vorrang vor einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu; vielmehr können die Verfahren grundsätzlich nebeneinander in Anspruch genommen werden (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2016 – 1 NE 16.1765 – juris Rn. 6 unter Hinweis auf B.v. 10.8.2016 – 1 NE 16.1174 – juris Rn. 5 zum Sonderfall, dass mit einer Baugenehmigung die Festsetzungen eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans vollständig umgesetzt worden sind).
Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin fehlt auch nicht im Hinblick auf die angekündigte (wesentliche) Änderung der bisherigen Planungskonzeption im nördlichen Teilbereich des Bebauungsplans. Danach ist beabsichtigt, dass die bisher dort geplante Kletterhalle im Bereich des geplanten Sondergebiets G… 2020 errichtet werden soll (vgl. Niederschrift der Sitzung des Marktgemeinderats vom 7. Dezember 2016, TOP 11). Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin und der Beigeladenen handelt es sich dabei aber nicht um einen gesicherten Verzicht auf den weiteren Vollzug des Bebauungsplans. Denn zum einen liegt nach den vorgelegten Unterlagen noch kein Beschluss zur Änderung des verfahrensgegenständlichen Bebauungsplans vor, sondern nur ein schriftlicher Antrag der Beigeladenen an den Antragsgegner, einen Beschluss über die Aufstellung eines Teiländerungsplans zu fassen. Damit gilt der Bebauungsplan in seiner hier zugrunde liegenden Fassung fort. Zum anderen verdeutlicht die angekündigte Erarbeitung eines neuen Bebauungskonzepts durch die Beigeladene, dass auch weiterhin eine Bebauung im Sondergebiet „Tourismus“ beabsichtigt und – durch die Beigeladene selbst oder durch Dritte – möglich ist. Dass für das Hostel bereits eine Baugenehmigung erteilt wurde, vermag daran nichts zu ändern.
2. Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen zwingend geboten ist. Prüfungsmaßstab bei Bebauungsplänen sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 3.1.2013 – 1 NE 12.2151 – BayVBl 2013, 406). Erweist sich, dass der Normenkontrollantrag zulässig und voraussichtlich begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 – BauR 2015, 968).
Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung wird sich der angegriffene Bebauungsplan als unwirksam erweisen, weil er (insgesamt) gegen den Grundsatz der städtebaulichen Erforderlichkeit einer Festsetzung (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB) verstößt. Dort wird gemäß der zeichnerischen Festsetzung „pfg2“ und der textlichen Festsetzung Nummer 7 „Grünflächen, pfg 2“, die sich auf sämtliche Teilgebiete des Bebauungsplans erstreckt, im Rahmen des Pflanzgebots verbindlich eine Vernetzung der Grün- und Freiflächen innerhalb des Pflanzgebots und damit des Bebauungsplangebiets vorgeschrieben. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB dürfen Bauleitpläne nur aufgestellt werden, sobald und soweit dies für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist (vgl. BVerwG, U.v. 14.2.1975 – 4 C 21.74 – BVerwGE 48, 56). Nicht erforderlich im Sinn des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sind danach Pläne, die nicht dem wahren Willen der Gemeinde entsprechen, sowie Pläne, die einer positiven Plankonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind oder wenn ein Bebauungsplan aus tatsächlichen oder Rechtsgründen auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt (vgl. BVerwG, U.v. 10.9.2015 – 4 CN 8.14 – BVerwGE 153, 16 unter Hinweis auf U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – NVwZ 2015, 1537, U.v. 26.3.2009 – 4 C 21.07 – BVerwGE 133, 310 und U.v. 27.3.2013 – 4 C 13.11 – BVerwGE 146, 137). Nach vorläufiger Einschätzung des Senats ist der angefochtene Bebauungsplan vor dem Hintergrund der vorstehend aufgeführten textlichen und zeichnerischen Festsetzung auf Dauer oder jedenfalls auf unabsehbare Zeit nicht vollziehbar und entbehrt daher der städtebaulichen Erforderlichkeit. Zwar weisen der Antragsgegner und die Beigeladene zu Recht darauf hin, dass das Pflanzgebot dem Wortlaut nach keine Festsetzung einer öffentlichen Freifläche oder eines öffentlichen Platzes darstellt und ohne weiteres umgesetzt werden kann. Dabei kann offen bleiben, woraus sich die vorgesehene Beschränkung der Umsetzung des Pflanzgebots (erst) für den Fall der Umgestaltung der Freifläche ergibt. Denn das insoweit vorgesehene Grundstück im nördlichen Teilbereich des Bebauungsplans steht im Eigentum der Antragstellerin. Diese beabsichtigt nach ihren unwidersprochenen und eindeutigen Angaben nicht, den vorgesehenen Teilbereich des Grundstücks, der gegenwärtig als Parkfläche genutzt wird, der Öffentlichkeit bzw. den Bewohnern des Quartiers zur Verfügung zu stellen. Damit kann aber das grundlegende Konzept, das dem Bebauungsplan ausweislich der vorgenannten Festsetzungen und nach Nummer 6 der Begründung des Bebauungsplans zugrunde liegt, nicht umgesetzt werden. Denn im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung war für die Antragsgegnerin ersichtlich, dass eine zivilrechtliche Regelung für die öffentliche Nutzung der Freifläche der Antragstellerin nicht zustande gekommen war und dies auf absehbare Zeit auch so bleiben würde. Entgegen der Auffassungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen handelt es sich bei der Festsetzung aber nicht nur um eine bloße verbesserte Grünausstattung des sich über die Teilbaugebiete erstreckenden Innenbereichs einschließlich einer geringeren baulichen Dichte. Denn Ziel der Bauleitplanung war nach den vorliegenden Unterlagen nicht nur die aufgeführte Schaffung überwiegend von Wohnbauflächen und Flächen für touristische Zwecke, sondern gerade auch eine Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität der Anlieger und Bewohner des Quartiers durch hochwertig gestaltete, abwechslungsreiche Grün- und Freiflächen mit verschiedenen Schwerpunkten (beispielsweise als Kinderspiel-, Treff- und Ruhebereiche) und die Vernetzung dieser Flächen mit der damit einhergehenden Durchlässigkeit des Baugebiets vom Bahnhof bis in den Wohnbereich. Durch den Ausschluss der vorstehend genannten Betroffenen aus dem nördlichen Teilbereich, der unmittelbar an den Bahnhof angrenzt, kann dieses grundlegende Konzept erkennbar nicht mehr verwirklicht werden. Auf die Frage, ob in dem im Bauplanungsverfahren vorgelegten Planungskonzept für diese nördliche Teilfläche ein Platz“Erlebnis“ vorgesehen war, kommt es daher nicht entscheidungserheblich an.
Eine nur teilweise Außervollzugsetzung des angegriffenen Bebauungsplans, wie sie die Antragstellerin beantragt hat, kommt hier nicht in Betracht, da der Plan nicht teilbar ist. Es ist nicht mit hinreichender Sicherheit anzunehmen, dass der Antragsgegner den „Restplan“ auch ohne die Festsetzung „pfg2“ in der vorliegenden Form getroffen hätte, da die Konzeption zum Pflanzgebot, die gewährleisten soll, dass hochwertig gestaltete, abwechslungsreiche Grün- und Freiflächen entstehen und durch die Vernetzung dieser Flächen eine Durchlässigkeit gegeben ist, gerade auf die Vernetzung und Nutzung des Freiflächenbereichs abgestimmt ist. In einem solchen Fall hindert § 88 VwGO das Normenkontrollgericht nicht, abweichend vom gestellten Antrag die angegriffene Rechtsnorm insgesamt für unwirksam zu erklären (vgl. BVerwG, B.v. 20.8.1991 – 4 NB 3.91 – NVwZ 1992, 567). Entsprechendes muss dann auch für das Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO gelten (vgl. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO Stand Oktober 2016, § 47 Rn. 145).
Erweist sich der angegriffene Bebauungsplan aber bereits aus den vorstehend dargestellten Überlegungen voraussichtlich als unwirksam, bedarf es keines Eingehens auf die weiteren, von der Antragstellerin aufgeführten Rechts- und Abwägungsmängel. Der Senat weist aber im Hinblick auf ein mögliches (Teil)Änderungsverfahren darauf hin, dass Zweifel bestehen, ob im Hinblick auf die Festsetzung „pfg2“ das im Rahmen der Abwägungsentscheidung nach § 1 Abs. 7 BauGB zu beachtende Gebot der Konfliktbewältigung hinreichend berücksichtigt worden ist. Insoweit ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei der Aufstellung eines Bebauungsplans alle betroffenen und schutzwürdigen privaten Interessen, insbesondere soweit sie sich aus dem Eigentum und seiner Nutzung herleiten lassen, zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwG, B.v. 21.2.1991 – 4 NB 16.90 – NVwZ 1991, 873). Auch wenn die bei der Durchführung eines Bebauungsplans absehbar verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Folgeprobleme nicht bereits im Bebauungsplan selbst oder in unmittelbarem Zusammenhang mit diesem verbindlich und abschließend geregelt werden müssen (vgl. BVerwG, B.v. 25.8.1997 – 4 BN 4.97 – NVwZ 1998, 953) bestehen Zweifel, ob die Abwägungsentscheidung insoweit diesen Anforderungen genügt. Denn der Antragsgegner geht ungeachtet der gegenwärtig nicht möglichen „halb“-öffentlichen Nutzung der Freifläche ohne weitere Abwägung von Art, Ausmaß und Gewicht der potentiellen Beeinträchtigung des Grundeigentums der Antragstellerin und ohne Auseinandersetzung mit den Einwänden der Antragstellerin aufgrund des durch den Bebauungsplan geschaffenen großen städtebaulichen Potentials zumindest von einer mittelfristigen Umsetzung der Planung aus.
Der Senat hat darüber hinaus auch erhebliche Zweifel, ob die Bekanntmachungen der öffentlichen Auslegungen vom 13. Januar 2016 und 13. Juli 2016 im Hinblick auf die Darstellung der verfügbaren Informationen über Umweltbelange der nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BauGB gebotenen Anstoßwirkung gerecht werden. Nach dieser Vorschrift sind von der Gemeinde neben Ort und Dauer der Auslegung der Planentwürfe auch Angaben dazu bekannt zu machen, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind. Mit der durch das Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (EAG Bau vom 24.6.2004 – BGBl I S. 1359) eingefügten Hinweispflicht wollte der Gesetzgeber die Vorgaben des Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten – Aarhus-Konvention – vom 25.6.1998, BGBl II 2006, 1251) umsetzen (s. BT-Drs. 15/2250 S. 44). Da der Hinweis zu den umweltbezogenen Informationen nicht nur dazu dient, der betroffenen oder bereits interessierten Öffentlichkeit eine effektive Vorbereitung auf ihre Beteiligung zu ermöglichen, sondern darüber hinaus das Ziel verfolgt, eine breitere Öffentlichkeit für Entscheidungsverfahren im Umweltbereich zu interessieren und ihre Beteiligungsbereitschaft zu fördern, muss dem Hinweis bereits eine erste inhaltliche Einschätzung entnommen werden können, welche Umweltbelange in den Stellungnahmen und sonstigen Unterlagen behandelt werden. Denn ohne konkrete, stichwortartige Benennung der verfügbaren umweltbezogenen Informationen kann die Öffentlichkeit nicht entscheiden, ob die Planung aus ihrer Sicht weitere, von den vorhandenen Stellungnahmen nicht abgedeckte Umweltbelange berührt, denen sie durch eigene Stellungnahmen Gehör verschaffen will (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2013 – 4 CN 3.12 – BVerwGE 147, 206).
Dieser Anforderung werden die Hinweise auf die verfügbaren umweltbezogenen Informationen in den genannten Bekanntmachungen nach vorläufiger Einschätzung des Senats nicht gerecht. Die Hinweise in den Bekanntmachungen mit einem kurzen Klammerzusatz, welche Informationen dem Umweltbericht zu entnehmen seien, lassen die konkret durch die Planung berührten Umweltbelange wie etwa Lärm, Erschütterungen, Zauneidechse nicht erkennen und ermöglichen keine inhaltliche Einschätzung, welche Informationen der Gemeinde zu den durch die Planung berührten umweltbezogenen Belangen vorgelegen haben (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2013 a.a.O.).
Der Erlass der einstweiligen Anordnung ist auch aus wichtigen Gründen dringend geboten. Daran vermögen die Ausführungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen nichts zu ändern, wonach der Kletterturm in einem anderen Bebauungsplangebiet errichtet und eine Teiländerung des Bebauungsplans beschlossen werden solle. Wie vorstehend unter Nummer 1 ausgeführt, handelt es sich dabei um bloße Absichtserklärungen, die an der Wirksamkeit des Bebauungsplans nichts ändern und auch über den mit (nicht bestandskräftiger) Baugenehmigung genehmigten Bau des Hostels hinaus eine weitere Bebauung im nördlichen Teilbereich nicht ausschließt. Mit dem Vollzug des angegriffenen Bebauungsplans würden bauliche Anlagen und damit Tatsachen geschaffen, die nur schwer rückgängig gemacht werden könnten, denen bei Erfolg des Normenkontrollantrags die Rechtsgrundlage entzogen wird. Der Erlass der einstweiligen Anordnung ist daher im öffentlichen Interesse dringend geboten.
Der Antragsgegner und die Beigeladene, die einen Antrag gestellt hat, tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte (§ 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO).
In entsprechender Anwendung von § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO hat der Antragsgegner die Nummer I der Entscheidungsformel in derselben Weise zu veröffentlichen wie die streitgegenständliche Satzung.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 8 GKG. Sie orientiert sich an Nummern 1.5 und 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. Beilage 2/2013 zu NVwZ Heft 23/2013).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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