Baurecht

Klage auf die Erteilung eines Vorbescheids für die Errichtung eines Einfamilienhauses bei erheblicher Vorbelastung durch Straßen- und Schienenverkehr

Aktenzeichen  M 1 K 18.4073

Datum:
24.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 34762
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 5 S. 1, S. 2
BayBO Art. 59 Abs. 1 S. 1 lit. a, lit. c, Art. 68 Abs. 1 S. 1, Art. 71 S. 1, S. 4
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 4 Abs. 2 Nr. 1, § 12 Abs. 2, § 15 Abs. 1 S. 2, § 16 Abs. 2, § 23 Abs. 5 S. 2
BImSchG § 3 Abs. 1, Abs. 2
16. BImSchV § 2

 

Leitsatz

1. Durch einen Vorbescheid können solche Fragen geklärt werden, die in einer Baugenehmigung zu entscheiden sind. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Rücksichtnahmegebot ist dann verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Frage, ob die Erschließung i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gesichert ist, kommt es nicht auf die bauordnungsrechtlichen Erschließungsanforderungen (Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 BayBO) an. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid vom 29. Juni 2018 wird hinsichtlich der Beantwortung der Fragen 1. – 3. aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger den unter dem 9. November 2017 beantragten Vorbescheid hinsichtlich der Fragen 1. – 3. zu erteilen. Im Übrigen (hinsichtlich der Frage 4.) wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu 1/5, die Beklagte zu 4/5 zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten hierzu gem. § 101 Abs. 2 VwGO ihr Einverständnis erklärt haben.
Die Klage ist zulässig, hat in der Sache Erfolg jedoch nur teilweise Erfolg.
I.
Die Klage ist zulässig.
Insbesondere liegt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis vor. Die erteilte Baugenehmigung vom 28. März 2017 für die Grundstücke FlNr. 65/9 und 65/61 steht der Erteilung des Vorbescheids für das Grundstück FlNr. 65/84 nicht entgegen. Zwar wurde die Baugenehmigung unter der aufschiebenden Bedingung erteilt, dass die Grundstücke FlNr. 65/61, 65/9 und 59/2 zu einem Grundstück zu vereinen seien. Dem wurde nicht nachgekommen, vielmehr wurde darüber hinaus das Vorhabengrundstück aus der FlNr. 65/9 kurz vor Erteilung der Baugenehmigung herausgeteilt. Auf die Rechtmäßigkeit und den Vollzug der Bedingung in der Baugenehmigung vom 28. März 2017 kommt es für das Bauvorhaben auf dem Grundstück FlNr. 65/84 indes nicht an. Auch liegt kein widersprüchliches Verhalten des Klägers vor, da die Baugenehmigung vom 28. März 2017 von einem Dritten beantragt wurde und diesem auch erteilt wurde.
II.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung des Vorbescheids gem. Art. 71 Satz 1, 4 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO hinsichtlich der Vorbescheidsfragen Nr. 1. – 3. Die negative Beantwortung dieser Fragen ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Im Hinblick auf Frage 4. besteht kein Anspruch auf Erteilung des Vorbescheids, sodass die Ablehnung diesbezüglich in rechtmäßiger Weise erging.
Gem. Art. 71 Satz 1 BayBO ist vor Einreichung eines Bauantrags auf Antrag des Bauherrn zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid zu erteilen. Geklärt werden können solche Fragen, die in einer Baugenehmigung zu entscheiden sind. Die streitgegenständlichen Vorbescheidsfragen unter 1. – 3. beziehen sich auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage und Pool auf dem Vorhabengrundstück. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit einer baulichen Anlage gehört im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zum Prüfungsmaßstab und ist damit auch zulässiger Gegenstand eines Vorbescheidsverfahrens (Art. 71 Satz 4 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 i.V.m. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO, §§ 29 ff. BauGB).
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich nach § 34 BauGB, da sich das Vorhabengrundstück – unstreitig – innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile befindet (sog. unbeplanter Innenbereich). Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet zulässig wäre (§ 34 Abs. 2 BauGB).
Aufgrund der übereinstimmenden Angaben der Beteiligten geht die Kammer davon aus, dass die nähere Umgebung des streitgegenständlichen Vorhabens ein faktisches allgemeines Wohngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO darstellt.
Für die Prüfung des Einfügens sind die tatsächlich vorhandenen Bebauungen unabhängig davon maßgeblich, ob sie in Übereinstimmung mit den baurechtlichen Vorschriften errichtet worden sind. Für die Beurteilung der Frage, ob nicht genehmigte und nicht genehmigungsfähige bauliche Anlagen zu berücksichtigen sind, ist wesentlich, ob sie von den zuständigen Behörden in einer Weise geduldet werden, die keinen Zweifel daran lässt, dass sie sich mit dem Vorhandensein der Gebäude abgefunden haben. Bei der Betrachtung auszublenden sind danach nur nicht genehmigte und auch nicht genehmigungsfähige Gebäude, deren Beseitigung jederzeit verlangt werden kann und dies nach Lage der Dinge auch zu erwarten ist (vgl. BVerwG, B.v. 23.11.1998 – 4 B 29.98 – juris Rn. 6; vgl. auch B.v. 16.12.2008 – 4 B 68.08 – juris Rn. 8; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 138. EL Mai 2020, § 34 Rn. 35). Da weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass etwa gegen die Gebäude auf den Grundstücken FlNr. 65/61 und 65/9 oder sonstige umliegende Gebäude eingeschritten werden soll, sind alle Gebäude in der näheren Umgebung zur Beurteilung der Frage des Einfügens des Vorhabens in die vorhandene Bebauung einzubeziehen.
1. Die Fragen 1. und 1 a., die sich teilweise überschneiden, sind positiv zu beantworten, da sich das geplante Einfamilienhaus in die nähere Umgebung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einfügt.
Die Vorbescheidsfrage Nr. 1 ist nach Klarstellung durch die Klagepartei in der mündlichen Verhandlung dahingehend auszulegen, dass sich diese Frage nicht nur auf das Einfügen des Maßes der geplanten Nutzung in die nähere Umgebung bezieht, sondern auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Einfamilienhauses mit den genannten Maßen gem. § 34 Abs. 1 und 2 BauGB.
a. Das Vorhaben fügt sich seiner Art nach unproblematisch in die nähere Umgebung ein. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass es sich um ein faktisches allgemeines Wohngebiet handelt (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO), in dem die beantragte Wohnnutzung zulässig ist (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO).
Rechtliche Schranken können sich allerdings aus dem Gebot der Rücksichtnahme gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ergeben. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind die nach §§ 2 bis 14 BauNVO zulässigen baulichen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmeberechtigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – juris Rn. 22; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8.11 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4). Das Rücksichtnahmegebot ist dann verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – juris Rn. 22).
Gemessen hieran verstößt das Wohnbauvorhaben des Klägers nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Insbesondere sind von dem Schienen- und Straßenverkehr keine unzumutbaren Lärmimmissionen für das Wohnbauvorhaben zu erwarten. Unzumutbare Belästigungen oder Störungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO sind insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 und 2 BImSchG, d.h. Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (vgl. BayVGH, U.v. 3.1.1995 – 2 B 91.2878 – BayVBl 1995, 347). Für das Gebot der Rücksichtnahme ist unter anderem maßgeblich, dass gesunde Wohnverhältnisse gewahrt bleiben. Ist dies der Fall, bietet § 15 BauNVO keine Handhabe, eine Baugenehmigung für die auf dem Grundstück baurechtlich allgemein zulässige Nutzung zu versagen. Die Grenze der Wohnunverträglichkeit markiert, oberhalb welchen Grades der Immissionsbelastung eine Baugenehmigung gem. § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO nicht mehr erteilt werden darf (vgl. BVerwG, U.v. 18.5.1995 – 4 C 20/94 – NVwZ 1996, 379/381). Für den hier zu entscheidenden Fall eines Heranrückens einer Wohnbebauung an Schienen- und Straßenverkehr bestehen hinsichtlich des Schallschutzes keine normierten Regelwerke. Im eingeholten Gutachten vom 6. Juli 2020 wurden vom Gutachter als Orientierungswerte die Lärmgrenzwerte der DIN 8005 Beiblatt 1 „Schallschutz im Städtebau“ sowie die 16. BImSchV – VerkehrslärmschutzVO – vom 12.6.1990 (zuletzt geändert am 4.11.2020) angewandt. Der Gutachter kommt dabei zu dem Ergebnis, dass an der Nord- und Südfassade des geplanten Wohnhauses die Lärmgrenzwerte der DIN 18005 nachts um 2 dB(A) überschritten werden. An der Ostfassade ist größtenteils eine Überschreitung zu erwarten (tags Werte zwischen 54 und 56 dB(A) und nachts zwischen 46 und 49 dB(A)). Die in § 2 der 16. BImSchV geregelten Lärmgrenzwerte werden jedoch immer eingehalten. Nach Auffassung der Kammer sind die in der DIN 18005 enthaltenen Orientierungswerte im hier zu entscheidenden Fall nicht heranzuziehen. Die DIN 18005-1 Beiblatt 1 „Schallschutz im Städtebau“ beinhaltet Orientierungswerte für Planer für die Aufstellung von Bebauungsplänen und ist nicht für Einzelbauvorhaben konzipiert. Auch im Rahmen der Bauleitplanung beinhaltet die DIN 18005 keine starren Grenzwerte, sondern Orientierungswerte, die im Rahmen der Abwägung oder durch passiven Schallschutz im Einzelfall auch höher liegen können. Zwar findet auch die 16. BImSchV nicht direkt Anwendung, da sie gem. § 1 der 16. BImSchV für den Bau oder die wesentliche Änderung von öffentlichen Straßen sowie von Schienenwegen der Eisenbahnen und Straßenbahnen gilt. Jedoch sind die darin enthaltenen Grenzwerte entsprechend heranzuziehen, da es sich um eine vergleichbare Interessenlage handelt und eine Regelungslücke besteht. Im hier zu entscheidenden Fall geht es gerade darum, dass ein Wohngebäude nachträglich an bestehende Straßen und Schienen herangebaut wird. Es ist daher interessengerecht, bei der umgekehrten Reihenfolge ebenso die Werte der 16. BImSchV als Orientierung heranzuziehen. Werden die Grenzwerte der 16. BImSchV eingehalten, so bildet dies regelmäßig ein gewichtiges Indiz dafür, dass gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse noch gewahrt sind (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 12.12.1990 – 4 C 40/87 – NVwZ 1991, 879/881). Hinsichtlich der Beurteilung des Verkehrslärms kann damit eine Orientierung für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze an der 16. BImSchV erfolgen (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2014 – 12 BV 14.1629 – juris Rn. 32 f.). Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV gelten in reinen und allgemeinen Wohngebieten tags Immissionsgrenzwerte von 59 dB(A), und nachts von 49 dB(A). Diese sind nach den Ergebnissen des Gutachtens vom 6. Juli 2020 durchweg eingehalten. Eine unzumutbare Beeinträchtigung gem. § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO liegt demnach nicht vor.
b. Das Vorhaben fügt sich auch nach dem Maß der Nutzung ein. Im Innenbereich kommt es allein auf die das Baugrundstück prägende Umgebungsbebauung an (vgl. BVerwG, U.v. 23.3.1994 – 4 C 18/92 – juris Rn. 12). Vorrangig ist deshalb auf diejenigen Maßkriterien abzustellen, in denen die prägende Wirkung besonders zum Ausdruck kommt. Abzustellen ist auf die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung. Ihre absolute Größe nach Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bebauung zusätzlich auch ihr Verhältnis zur Freifläche, prägen das Bild der maßgeblichen Umgebung und bieten sich deshalb vorrangig als Bezugsgrößen zur Ermittlung des Maßes der baulichen Nutzung an (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7/15 – juris Rn. 17 m.w.N.; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 138. EL Mai 2020, § 34 Rn. 40). Demgegenüber müssen die anderen Maßfaktoren wie Grundflächenzahl und Geschossflächenzahl zurücktreten und können nur in begrenzter Weise als Auslegungshilfen hinzugezogen werden (vgl. BVerwG, U. v. 23.3.1994 – 4 C 18.92 – juris Rn. 12). Das auf dem Vorhabengrundstück geplante Einfamilienhaus weist eine Grundfläche von 80,00 m² bei einer Grundstücksgröße von circa 441 m² auf. Es ist mit einem Erdgeschoss und einem Obergeschoss geplant. Die Wandhöhe beträgt 5,73 m. Das Dach soll eine Neigung von 10 Grad haben.
Das geplante Einfamilienhaus fügt sich hinsichtlich seiner Geschossigkeit ein. So weisen drei der vier benachbarten Gebäude auf den Grundstücken FlNr. 65/9 und 65/61 eine Geschossigkeit von EG + 2. OG sowie ein ausgebautes DG aus. Ferner haben diese drei Gebäude ausweislich der vorgelegten Baupläne eine Wandhöhe von 11,52 m und sind hinsichtlich ihrer Kubaturen somit deutlich größer als das geplante Haus.
Das Vorhaben fügt sich hinsichtlich der Grundfläche in die Umgebung ein. Betrachtet man ausschließlich die Grundfläche des Wohngebäudes im Vergleich zur Nachbarbebauung, so ist diese merklich kleiner als die Grundflächen der Nachbargebäude, wie z. B auf den FlNr. 70/3, 70/4, 70/5. Ebenso fügt sich das Vorhaben im Hinblick auf die umliegenden Freiflächen ein. Die Umgebungsbebauung weist keine homogenen Grundstücksgrößen auf, vielmehr variieren die Grundstücke hinsichtlich ihrer Zuschnitte stark. Das Vorhabengebäude ist angepasst an seine Grundstücksgröße merklich kleiner als die umliegenden Gebäude. Insbesondere im Hinblick auf die Grundstücke FlNr. 65/9 und 65/61 ist zu erkennen, dass die Gebäude passend zur Grundstücksgröße hin zu dem klägerischen Grundstück jeweils kleiner werden. Selbst wenn man die Nebenanlagen (Doppelgarage, Pool) mit in die Betrachtung einbezieht, sind nach Auffassung der Kammer, entsprechend dem Grundstückszuschnitt, ausreichend Freiflächen vorhanden, um ein Einfügen bejahen zu können.
Auf die in § 16 Abs. 2 BauNVO genannten Kriterien, wie Geschoß- und Grundflächenzahl, kommt es nach oben Ausgeführtem nicht an. Auf diese Kriterien kann es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen des § 34 BauGB nur dann ankommen, wenn es z.B. um die (Neu-)Errichtung eines Gebäudes in einer Baulücke in einem in offener Bauweise bebauten Gebiet mit nach Größe und Zuschnitt gleichen Grundstücken geht, weil hier die Baudichte und damit das Verhältnis von Geschossfläche und unbebauter Fläche auf den einzelnen Baugrundstücken aus der in der Nachbarschaft vorhandenen Bebauung ohne größere Schwierigkeiten ablesbar ist (vgl. BVerwG, U.v. 23.3.1994 – 4 C 18/92 – juris Rn. 12). Die Umgebungsbebauung und die Grundstücksgrößen der maßgeblichen näheren Umgebung erweisen sich jedoch als uneinheitlich und inhomogen, so dass die Kriterien des § 16 Abs. 2 BauNVO nicht zur Anwendung kommen.
c. Mit der geplanten offenen Bauweise fügt sich das Vorhaben in seine Umgebung ein. Auch hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche (vgl. § 23 BauNVO) fügt sich das Bauvorhaben ein. Nimmt man eine im Nordwesten des Grundstücks gelegene faktische Baulinie an, die sich von den Grundstücken FlNr. 65/9, 65/61 zu den Grundstücken FlNr. 70/3 und 71 an der Außenwand der Gebäude entlang fortführt, so wäre diese auch bei dem geplanten Einfamilienhaus eingehalten.
d. Die Erschließung i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist gesichert. Die bauordnungsrechtlichen Erschließungsanforderungen (Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 BayBO) sind nicht Gegenstand der Prüfung. Daher kann dahinstehen, ob es sich bei der „Zufahrt“ um einen Wohnweg von begrenzter Länge handelt. Die Erschließung ist auf Dauer gesichert. Zwar liegt das Grundstück nicht an einer öffentlichen Straße; das Grundstück FlNr. 59/2 steht jedoch im Miteigentum des Klägers und wurde nach Auskunft der Beklagten im Jahr 2018 als Eigentümerweg gewidmet. Zudem besteht ein dinglich gesichertes Geh- und Fahrtrecht für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks FlNr. 65/84 sowie ein Ver- und Entsorgungsleitungsrecht über die Grundstücke FlNr. 65/9, 65/61 und 59/2. Die Breite der Zufahrt beträgt 3 m und ist für die bauplanungsrechtliche Erschließung als ausreichend anzusehen. Die erforderliche Mindestbreite der an ein Baugrundstück heranführenden Straße ist weder bundes- noch landesrechtlich ausdrücklich geregelt. Um die Anfahrbarkeit des Baugrundstücks für Kraftfahrzeuge zu ermöglichen, ist für ein Wohnbauvorhaben im Innenbereich in der Regel eine Wegbreite von mindestens 3 m erforderlich. Gerade die für Wohngebäude erforderliche Zufahrtsmöglichkeit für Rettungsfahrzeuge ist üblicherweise erst bei dieser Wegbreite gegeben (ausführlich hierzu BayVGH, B.v. 7.11.2011 – 2 CS 11.2149 – juris Rn. 5), so dass das Grundstück zumindest mit kleineren Rettungsfahrzeugen angefahren werden kann. Zwar besteht bei dem klägerischen Grundstück kein Wendehammer. Da Ausweich- und Umkehrmöglichkeiten vor den jeweiligen Garagen und Stellplätzen auf den Grundstücken FlNr. 65/84, 65/9 und 65/61 bestehen, ist es vorliegend unschädlich, dass das klägerische Grundstück über keinen Wendehammer verfügt.
e. Auch die gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse, § 34 Abs. 1 S. 2 BauGB, sind gewahrt. Diesbezüglich kann auf die Ausführungen zu § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO verwiesen werden.
2. Hinsichtlich der Frage 2 im Vorbescheidsantrag ist die Beklagte ebenfalls verpflichtet, diese dem Kläger positiv zu beantworten. Die Vorbescheidsfrage wird wiederum dahingehend ausgelegt, dass sie sich allein auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit bezieht. Die beantragte Doppelgarage fügt sich unproblematisch in die Umgebungsbebauung gem. § 34 Abs. 1 und 2 BauGB ein. Hinsichtlich der Art der Nutzung regelt § 12 BauNVO die Zulässigkeit von Stellplätzen und den ihnen gleich gestellten Garagen. Gem. § 12 Abs. 2 BauNVO sind Garagen in allgemeinen Wohngebieten nur für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig. Eine Doppelgarage für ein Einfamilienwohnhaus überschreitet den üblichen Bedarf nicht, so dass die Garage der Art nach zulässig ist. Auch hinsichtlich des Maßes fügt sich die Doppelgarage ein. Auf dem Nachbargrundstück FlNr. 65/9 befindet sich ebenfalls bereits eine Doppelgarage. Die faktische Baulinie im Nordwesten würde nicht überschritten werden, so dass dahinstehen kann, ob die Voraussetzungen für § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO greifen.
3. Auch hinsichtlich der Frage 3 im Vorbescheidsantrag ist die Beklagte verpflichtet, diese dem Kläger positiv zu beantworten.
Gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind auch untergeordnete Nebenanlagen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Als untergeordnete Nebenanlage ist auch ein Swimmingpool anzusehen (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, 138. EL Mai 2020, § 14 Rn. 50). Der Pool fügt sich unproblematisch auch hinsichtlich des Maßes der Nutzung (vgl. Ausführungen unter 1.b.), der Bauweise und der Grundstücksfläche in die nähere Umgebung ein.
4. Hinsichtlich der im Vorbescheidsantrag gestellten Frage 4 kann hingegen keine Verpflichtung gegenüber der Beklagten ausgesprochen werden, diese positiv zu beantworten.
Bei der Frage handelt es sich um eine zulässige Frage im Rahmen eines Vorbescheidantrags, da sich das Grundstück im Geltungsbereich einer örtlichen Satzung der Beklagten befindet und diese gem. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c, Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO zum Prüfprogramm im vereinfachten Verfahren gehört.
In Nr. 7.1 dieser Satzung ist geregelt, dass Haupt- und Nebengebäude mit flachgeneigten Satteldächern mit einer beidseits gleichen Neigung von 18 – 24 Grad auszubilden sind. Nach Nr. 7.2 sind in den festgesetzten Zonen I und II als Dachformen für Hauptgebäude neben Satteldächern auch Walmdächer und Mansarddächer zulässig. Das Grundstück liegt in Zone III, so dass ein Walmdach grundsätzlich nicht zulässig wäre. Nach Nr. 7.3 der örtlichen Satzung können aber andere Dachformen zugelassen werden, wenn dies zur Einbindung der Gebäude in den Baubestand, zur Gestaltung markanter oder besonderer landschaftlicher Situationen oder aufgrund einer bereits vorhandenen Bebauung erforderlich ist. Die Entscheidung steht im Ermessen der Beklagten. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Nr. 7.3 der örtlichen Bauvorschrift der Beklagten sind jedoch nicht erfüllt. Weder ist ein Walmdach zur Einbindung des Gebäudes in den Baubestand, noch zur Gestaltung markanter oder besonderer landschaftlicher Situationen oder aufgrund einer bereits vorhandenen Bebauung „erforderlich“. Zwar wurden in der Umgebungsbebauung teilweise Gebäude mit Walmdächern errichtet. Dies führt aber nicht dazu, dass dieses auch bei dem geplanten Einfamilienhaus, wie Nr. 7.3. der örtlichen Bauvorschrift fordert, erforderlich wäre, insbesondere da auf den Nachbargrundstücken auch andere Dachformen vorzufinden sind. Da bereits die Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorliegen, kommt es auf die Frage, ob eine ermessensfehlerfreie Entscheidung vorliegt oder aber das Ermessen auf Null reduziert wäre nicht an.
5. Bezüglich dieser im Vorbescheidsantrag gestellten Frage 4 tritt daher die innerprozessuale Bedingung für den Hilfsantrag, ermessensfehlerfrei gemäß der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden, ein.
Auch dieser Antrag führt nicht zum Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neuverbescheidung der Frage 4 des Vorbescheidsantrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Da, wie soeben erläutert, die Tatbestandsvoraussetzungen für die Zulassung des Walmdaches nach Nr. 7.3 der örtlichen Bauvorschrift nicht vorliegen, kann die Beklagte auch nicht dazu verpflichtet werden, ihr Ermessen entsprechend der Rechtsauffassung des Gerichts neu auszuüben.
6. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da der Kläger in seinem Vorbescheidsantrag fünf Fragen gestellt hat und vier davon positiv zu beantworten sind, ist es verhältnismäßig, dem Kläger 1/5 und der Beklagten 4/5 der Kosten aufzuerlegen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 i.V.m. 711 Satz 1 und 2 ZPO.


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