Baurecht

Landwirtschaftliches Nutzungsrecht – prozessuale Voraussetzungen für eine Feststellungsklage

Aktenzeichen  M 1 K 17.3861

Datum:
12.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34670
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 43, § 86 Abs. 5
BauGB § 35 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis werden die rechtlichen Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (st.Rspr., BVerwG BeckRS 2010, 48673). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Klagebegehren, klären zu lassen, ob das Bauvorhaben der Beigeladenen hinreichend Rücksicht auf die Belange des Klägers im Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Nutzungsrecht nimmt, kann wegen des Grundsatzes der Subsidiarität, also hier der Nachrangigkeit der Feststellungsklage hinter einer Drittanfechtungsklage, nicht mit einer Festellungsklage verfolgt werden. (Rn. 17 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Begehren, ein landwirtschaftliches Nutzungsrecht bezogen auf ein Grundstück bestätigt haben zu wollen, kann mangels feststellungsfähigem Rechtverhältnis nicht mit der Feststellungsklage verfolgt werden, wenn der ganz konkrete Zuschnitt der landwirtschaftlichen Nutzung nicht ausreichend angegeben ist. (Rn. 20 – 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist unzulässig.
Über den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 12. November 2019 gestellten und daher maßgeblichen Feststellungsantrag kann in der Sache nicht entschieden werden, weil die prozessualen Voraussetzungen für eine Feststellungsklage nicht vorliegen.
I.
Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Feststellungsklage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Nach § 43 Abs. 2 VwGO kann eine Feststellung jedoch nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.
1. Als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis werden die rechtlichen Beziehungen angesehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Gegenstand der Feststellungsklage muss ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis sein, d.h. es muss die Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig sein. Unabhängig von der Frage der Konkretisierung des Rechtsverhältnisses setzt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis voraus, dass zwischen den Parteien dieses Rechtsverhältnisses ein Meinungsstreit besteht, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können (st.Rspr., BVerwG, U.v. 28.1.2010 – 8 C 19/09 – juris Rn. 24; BVerwGE 136, 54-74). Rechtsverhältnisse sind durch subjektive Rechte und Pflichten gekennzeichnet. Um ein Rechtsverhältnis geht es daher nur, wenn es um die Feststellung von Rechten und/oder Pflichten geht (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, VwGO § 43 Rn. 13). Keine Rechtsverhältnisse im oben genannten Sinn sind bloße Vorfragen oder einzelne Elemente von Rechtsverhältnissen, soweit sie nicht selbst den Charakter von Rechten oder Pflichten haben.
2. Das klägerische Begehren ist nach seinem Wortlaut darauf gerichtet, feststellen zu lassen, dass das bezüglich des Klägergrundstücks (FlNr. 1658) bestehende landwirtschaftliche Nutzungsrecht durch das Bauvorhaben der Beigeladenen nicht beschränkt werden darf.
Dieses Begehren ist gemäß § 88 VwGO auslegungsbedürftig, insbesondere angesichts der Tatsache, dass der Kläger anwaltlich nicht vertreten ist, und kann in zwei Richtungen verstanden werden.
a) Ausgehend vom Wortlaut zielt der Antrag darauf ab, das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und den Beigeladenen, genauer gesagt etwaige kollidierende Nutzungen auf den Grundstücken FlNrn. 1658 und 1659 klären zu lassen. Dafür spricht auch der klägerische Vortrag zur unterlassenen immissionsschutzfachlichen Beurteilung im Hinblick auf sein Grundstück. So verstanden ginge es darum zu klären, ob das Bauvorhaben der Beigeladenen hinreichend Rücksicht auf die Belange des Klägers im Zusammenhang mit dem vorgetragenen landwirtschaftlichen Nutzungsrecht nimmt.
So verstanden steht der Zulässigkeit der Klage der Grundsatz der Subsidiarität, also der Nachrangigkeit der Feststellungsklage (§ 42 Abs. 2 VwGO) entgegen, wonach der erforderliche Rechtschutz auf ein einziges gerichtliches Verfahren konzentriert werden soll; dort, wo der Kläger sein Ziel direkt mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage erreichen kann, ist die Feststellungsklage ein unnötiger Umweg, der nur zu einer nicht vollstreckbaren Feststellung führt und ein weiteres unmittelbar rechtsgestaltendes Urteil erforderlich machen kann (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2010 – 8 C 19/09 – juris Rn. 40, BVerwGE 136, 54-74 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 41).
Der Kläger hätte im Rahmen einer Drittanfechtungsklage klären lassen können, inwieweit die Genehmigung des Nachbarbauvorhabens ihn in seinen Rechtspositionen bezogen auf die Nutzung seines Grundstücks verletzt. Träfe es zu, dass der Kläger eine schützenswerte Rechtsposition hat, etwa in Form des Abwehranspruchs gegenüber heranrückende Wohnbebauung, wäre die Baugenehmigung aufzuheben gewesen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ein solches Urteil wirkt unmittelbar rechtsgestaltend und wäre daher der nicht vollstreckbaren Feststellung, dass das Nachbarbauvorhaben den Kläger nicht beschränken darf, vorrangig.
b) Ebenfalls denkbar ist es, das Begehren dahingehend zu verstehen, dass der Kläger das nach seiner Ansicht bestehende landwirtschaftliche Nutzungsrecht bezogen auf sein Grundstück bestätigt haben will. Für ein solches Verständnis spricht, dass der Kläger ausdrücklich keine Aufhebung der Nachbarbaugenehmigung erstrebt. Die Frage nach dem Bestehen eines landwirtschaftlichen Nutzungsrechts eines Grundstücks lässt jedoch einen hinreichend konkreten Sachverhalt vermissen und ist daher nicht im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO feststellungsfähig. Denn „die eine“ landwirtschaftliche Nutzung gibt es nicht. Vielmehr ist deren ganz konkreter Zuschnitt im Einzelfall maßgeblich. Hierzu fehlen belastbare Angaben.
Ein Bauherr kann z.B. mit der Feststellungsklage gerichtlich feststellen lassen, dass ein Vorhaben ohne vorherige Baugenehmigung ausgeführt werden darf, weil es genehmigungsfrei ist oder es von einer bestehenden Genehmigung umfasst ist, sodass es gleichfalls keiner neuen Genehmigung bedarf. Jedoch setzen Rechtsverhältnisse stets einen hinreichend konkreten Sachverhalt voraus (BVerwG, U.v. 23.8.2007 – 7 C 2.07, BVerwGE 129, 199 Rn. 27; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 21; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 43 Rn. 17). Ohne konkreten Sachverhalt lassen sich lediglich abstrakte Rechtsfragen stellen, die über Rechtsbeziehungen der Parteien des Rechtsstreits nichts besagen und deshalb auch nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein können. Das Maß der Konkretisierung des Sachverhaltes hängt von den Rechten und Pflichten ab, um die es geht. Möchte die Klagepartei z.B. festgestellt haben, dass ihr Vorhaben keiner Genehmigung bedarf, so muss sie das Vorhaben so konkret beschreiben, dass die Genehmigungsbedürftigkeit geklärt und das Rechtsverhältnis festgestellt werden kann (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 21 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, B.v. 29.12.1977 – IV B 146.77 – juris Rn. 2). Auch zur Feststellung von Bestandsschutz bedarf es einer konkreten Darlegung, welche konkret beschriebene Nutzung hiervon umfasst werden soll.
An der Darlegung eines hinreichend konkreten Sachverhalts fehlt es hier. Der Kläger hat keine Angaben dazu gemacht, die das Gericht oder die Beklagte in die Lage versetzen würden zu beurteilen, inwieweit eine landwirtschaftliche Nutzung des klägerischen Grundstücks rechtlich zulässig wäre. Als rechtliche Grundlage für eine landwirtschaftliche Nutzung kommt dabei nicht nur ein Nutzungsrecht nach den Regeln des Bestandsschutzes infrage, sondern vor allem auch die bauplanungsrechtlichen Vorschriften insbesondere über das Bauen im Außenbereich, § 35 BauGB. Um die Zulässigkeit einer landwirtschaftlichen Nutzung zu beurteilen, bedarf es aber der konkreten Beschreibung des beabsichtigten Vorhabens bzw. Betriebs. Die Bandbreite einer Nutzung mit Landwirtschaftsbezug reicht hierbei von Kleintierhaltung im Sinne einer Freizeitnutzung (vgl. zu den im beplanten und unbeplanten Innenbereich zulässigen Nutzungen nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO) über privilegierte Landwirtschaft mit Ackerbau und Tierhaltung im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1, § 201 BauGB. Der Kläger müsste zunächst ein Nutzungskonzept vorlegen, das Grundlage einer Abstimmung zwischen Kläger und Beklagter und ggf. dann Gegenstand auch einer gerichtlichen Überprüfung sein kann.
II.
Soweit der Kläger beanstandet, dass ihm nicht mitgeteilt worden sei, wann dem Gericht die Behördenakten Verfügung gestellt wurden, ist dies nicht entscheidungserheblich: Die Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 28. September 2017, bei Gericht eingegangen am 6. Oktober 2017, auf die Klage und legte auf gerichtliche Verfügung vom 23. August 2017 hierbei auch gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Baugenehmigungsakten vor. Der Schriftsatz, der der Klagepartei zugestellt wurde, enthielt allerdings keinen Hinweis auf diese Aktenvorlage (vgl. auch § 86 Abs. 5 VwGO), sodass es der Klagepartei zumindest daraus nicht ersichtlich sein konnte, dass die Akten dem Gericht vorliegen. Da aber der Inhalt der Behördenakten für die Beurteilung der Klage als unzulässig nicht verwertet wird, ist ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht gegeben.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, weil sie keinen eigenen Antrag gestellt haben und daher auch kein Kostenrisiko (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) eingegangen sind.
IV.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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