Baurecht

Leistungen, Berufung, Minderung, Werklohnforderung, Schlussrechnung, Werkleistung, Mangelhaftigkeit, Mangelbeseitigung, Gutachten, Anlage, Mangelbeseitigungskosten, Abnahme, Abnahmeprotokoll, Beseitigung

Aktenzeichen  28 U 7441/19 Bau

Datum:
15.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 58680
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

18 O 18415/16 2019-11-27 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 27.11.2019, Az. 18 O 18415/16, abgeändert.
Die Klage wird als derzeit unbegründet abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 118.510,95 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt Restwerklohn für Landschaftsbauarbeiten Die Beklagten beauftragten mit VOB-Vertrag vom 06.10.2015 (Anlage K1) die Klägerin mit dem Umbau der Außenanlagen der Gewerbeeinheiten am Objekt S. 30 und 40 in M. Der Vertrag vom 6.10.2015 enthält unter anderem in § 11 folgende Klausel (vgl. Anlage K1):
„Soweit zwischen den Vertragsparteien während der Bauzeit oder der Dauer der Gewährleistungsfrist Uneinigkeit darüber besteht, ob und gegebenenfalls welche Mängel am Bauwerk vorhanden sind, ist ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger mit Fachgebiet Garten- und Landschaftsbau mit verbindlicher Wirkung zwischen den Parteien zur Entscheidung zu beauftragen. Das Ergebnis des Sachverständigengutachtens ist für die Vertragsparteien verbindlich.
Die Parteien haben sich innerhalb von einer Woche für einen Sachverständigen mit Fachgebiet Garten- und Landschaft Bau zu entscheiden. Kommt eine Einigung über die Person des Sachverständigen zwischen den Parteien nicht zustande, so wird der Sachverständige auf Antrag einer Partei von der zuständigen Industrie- und Handelskammer mit verbindlicher Wirkung für die Vertragsparteien bestimmt. Die Kosten des Sachverständigengutachtens trägt die nach dem Ergebnis des Gutachtens unterliegende Partei. Bei teilweisem Unterliegen erfolgt eine entsprechende Quotierung.“
Es wurden neben dem Hauptauftrag zwei Nachträge gemäß Angeboten beauftragt, ein Nachtrag vom 06.10.2015 und ein weiterer Nachtrag vom 29.01.2016 (Anlage K5 und K6). In der mündlichen Verhandlung vom 26.07.2017 stellten die Beklagten diese zunächst bestrittenen Nachtragsaufträge unstreitig. Die Abnahme erfolgte gemäß Abnahmeprotokoll (Anlage B1) am 15.06.2016, in dem auch Mängel festgestellt und die Klägerin zur Beseitigung bis zum 01.07.2016 aufgefordert wurde. Die Klägerin führte ohne nähere Abstimmung mit den Beklagten Mangelbeseitigungsmaßnahmen durch und zeigte der beklagten Partei mit E-Mail vom 29.06.2016(Anlage K4) die angebliche Beseitigung sämtlicher Mängel gemäß Abnahmeprotokoll an. Nachdem die Klägerin zunächst Teilrechnungen vorlegte (Anlagen K2 und K3), reichte sie mit Schriftsatz vom 28.08.2017 eine Schlussrechnung vom 17.08.2017 über eine Gesamtsumme von 161.098,94 € brutto ein. Nach Abzug von Abschlagszahlungen in Höhe von 42.567,99 € stellte sie einen offenen Betrag von 118.510,95 € brutto in Rechnung, die jetzige Klageforderung. Diese ist der Höhe nach an sich unstreitig. Die Beklagten behielten diesen Betrag jedoch wegen behaupteter Mängel ein. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 17.05.2017 unter Fristsetzung zum 26.05.2017 zur Leistung einer Sicherheit nach § 648a BGB auf, die diese auch nach Nachfristsetzung mit Schreiben vom 22.06.2017 (Anlage zum Schriftsatz 19.07.2017) nicht erbrachten. Mit letzterem Schreiben kündigte die Klägerin an, eine weitere Vertragserfüllung bzw. etwaige Mangelbeseitigung für den Fall der Nichterbringung der Sicherheit zu verweigern. Die Beklagte erholten ein privates Gutachten des Sachverständigen E. vom 14.02.2017 zu Mängeln der Leistungen der Klägerin ein, das als Anlage B3 vorliegt. Inzwischen ist die Sicherheit erbracht.
Die Klägerin behauptet, die in dem Abnahmeprotokoll vom 15.06.2016 festgehaltenen Mängel lägen nicht mehr vor.
Die Beklagten meinen, die Klage sei mangels Fälligkeit der Werklohnforderung derzeit unbegründet. Die Klägerin habe sich nicht an die Schiedsgutachtervereinbarung des Bauvertrages gehalten.
Das Landgericht hat die geltend gemachte Klageforderung in Höhe von 118.510,95 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 10.09.2016 zugesprochen. Nach Auffassung des Landgerichts steht die Schiedsklausel in § 11 des Vertrages vom 06.10.2015, Anlage K1, der Fälligkeit der Forderung nicht entgegen. Der Restwerklohn sei in dieser Höhe unstreitig. Ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mangelbeseitigungsansprüchen stünde der Beklagten nicht zu, da die Klägerin ohne Leistung der Sicherheit nicht verpflichtet sei, die Mangelbeseitigung durchzuführen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 23.12.2019. In der Begründung vom 02.03.2020 führen die Beklagten aus, dass das Landgericht fehlerhaft die voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten nicht berücksichtigt habe. Ebenso fehlerhaft habe das Gericht hier eine Minderung des Werklohns in Betracht gezogen. Unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag rügen die Beklagten auch die Nichtberücksichtigung der Schiedsgutachterklausel.
Die Beklagten beantragen,
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 27.11.2019, Aktenzeichen 18 O 18415/16 wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin beantragt
die Zurückweisung der Berufung.
Die Klägerin führt aus, dass am 15.10.2018 der Betrag von 130.361,95 € als Sicherheit hinterlegt worden sei (Anlage B K2). Im Übrigen geht die Klägerin davon aus, dass die Schiedsgutachterklausel obsolet sei, da die Beklagten ein privates Sachverständigengutachten eingeholt hätten, um die Frage der Mangelhaftigkeit der Werkleistung zu klären. Darin liege ein Verzicht auf die Schiedsgutachterklausel. Das Sicherungsverlangen sei nicht Streitgegenstand. Die festgestellten Mängel seien allein auf Anweisungen des Bauleiters der Beklagten zurückzuführen. Der Vergütungsanspruch bestehe in der geltend gemachten Höhe.
Mit Verfügung vom 31.03.2020 erteilte der Senat rechtliche Hinweise und unterbreitete einen Vergleichsvorschlag. Dem Vergleichsvorschlag konnten die Parteien nicht nahetreten. Zunächst wurde das Verfahren auf den 08.09.2020 terminiert, die Parteien erklärten sich jedoch mit der Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden. Mit Beschluss vom 20.07.2020 entschied der Senat, gemäß § 128 Abs. 2 ZPO im schriftlichen Verfahren zu entscheiden. Als Termin, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden konnten, wurde der 17.08.2020 bestimmt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Tatbestand der erstinstanzlichen Entscheidung sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet.
Mit Erfolg wenden sich die Beklagten gegen die Entscheidung des Landgerichts München I. Der Klägerin steht derzeit kein fälliger, einredefreier Anspruch auf die ausstehende Werklohnforderung gem. § 631 BGB zu, die Klage ist daher als derzeit unbegründet abgewiesen.
1. Zwischen den Parteien wurde unstreitig ein Werkvertrag über die Erbringung von Landschaftsarbeiten geschlossen.
Unstreitig ergibt sich nach Abzug der Abschlagszahlungen zwischen den Parteien ein noch offener Betrag der Schlussrechnung vom 17.08.2017 in Höhe von 118.510,95 €. Unter anderem wenden die Beklagten Mängel der Werkleistung ein und berufen sich auch auf die im Vertrag vereinbarte Schiedsgutachterklausel (Vertrag, Anlage K1, § 11).
2. Die Klage ist derzeit jedoch unbegründet,
Die Frage, ob und inwieweit die Beklagten sich im Verhältnis zur Klägerin auf Mängel berufen können, kann der Senat nicht beurteilen, da die vereinbarte Schiedsgutachterklausel die Sachprüfung beschränkt.
2) Eine Schiedsgutachtenabrede im engeren Sinn bestimmt in der Regel die Leistungszeit gem. § 271 Abs. 1 BGB dahingehend, dass die Fälligkeit der Vergütungsforderung bis zur Vorlage des Gutachtens aufgeschoben wird.
Eine dennoch erhobene Klage ist als verfrüht („derzeit unbegründet“) abzuweisen (BGH Urteil v. 4.7.2013 – III ZR 52/12, NJW-RR 2014, 492; BGH, Urt. v. 5.11.2015 – III ZR 41/15, BeckRS 2015, 19842).
2) Eine Schiedsgutachtervereinbarung führt nach herrschender Meinung, der sich der Senat anschließt, nicht zu einem Prozesshindernis, sondern zu einer materiellrechtlichen Einrede (vgl. Werner/Pastor, der Bauprozess, 16. Auflage 2018, Rz. 542; OLG Brandenburg, NZBau 2014, 230; Musielak/Voit, § 1027 ZPO, Rn.23).
In diesem Fall enthält die Schiedsgutachtenvereinbarung idR die Vereinbarung, dass der Gläubiger für die Dauer der Erstattung des Gutachtens trotz der Fälligkeit der Forderung nicht klageweise gegen den Schuldner vorgehen kann (pactum de non petendo, (BeckOGK/Netzer, 1.7.2019 Rn. 58, BGB § 317 Rn. 58).
2) Die Klausel des Vertrages stellt sich als sogenannte rechtsgestaltende Schiedsgutachterklausel dar.
Diese ist nach den §§ 317 – 319 BGB zu behandeln. Eine solche ist anzunehmen, wenn der Schiedsgutachter die geschuldete Leistung eines Vertrages an veränderte Umstände anpassen soll. In diesem Fall ersetzt bzw. gestaltet der Schiedsgutachter den ursprünglichen Parteiwillen um (BeckOGK/Netzer, 1.7.2019, § 317 BGB/Rn. 28).
Beide Parteien waren hier, da gegenüber der Vergütungsforderung der Klägerin Mängel eingewandt wurden, nach der Klausel § 11 des Vertrages gehalten, einen Schiedsgutachter zur Frage der Mangelhaftigkeit anzurufen. Die Klausel sollte während der Bauzeit und dem Lauf der Gewährleistungsfrist Geltung entfalten.
2) Bereits mit dem Einwand der Mängel gegenüber der Vergütungsforderung durch die Beklagten im vorgerichtlichen Stadium ist das im Vertrag vorgesehene Merkmal der Uneinigkeit erfüllt.
Auch die Beklagten hätten zur Frage der Uneinigkeit den Schiedsgutachter anrufen müssen.
2) In dem Verhalten der Parteien kann kein konkludentes Abbedingen dieser Schiedsgutachterklausel gesehen werden, da sich die Beklagten bereits mit der Klageerwiderung auf diese Klausel berufen haben und ein einvernehmliches Abbedingen den entsprechenden Willen beider Parteien voraussetzt.
Dafür ergeben sich keine Anhaltspunkte. Zwar ist der Klägerseite zuzubilligen, dass die Beklagtenseite einen privaten Gutachter zur Feststellung der Mangelhaftigkeit der Werkleistung beauftragt hat. Dies kann jedoch nicht als einseitige Verzicht auf die Schiedsklausel verstanden werden. Folge dieser Beauftragung war aus Sicht der Beklagten die dann aus ihrer Sicht berechtigte Verweigerung der Zahlung der noch offenen Werklohnforderung. Ein solches Vorgehen ist nachvollziehbar und führt nicht zu einem Verzicht auf die Schiedsklausel. Die Beklagten haben sich vorgerichtlich auch bereits auf Mängel berufen (vergleiche Anlage B2). Ein vorwiegendes Interesse an der Schiedsklausel muss auch die Klägerin haben, da sie trotz des Streits über Mängel noch eine Restwerklohn Zahlung begehrt, die Beklagten jedoch wegen wahrgenommener Mängel die Zahlung verweigern. Genau dies betrifft den Anwendungsbereich der Schiedsgutachterklausel.
2) Auch ist das Berufen auf diese Schiedsgutachterklausel durch die Beklagten nicht treuwidrig, § 242 BGB, sondern vielmehr ein Einhalten der vertraglichen Vereinbarungen.
Über die Fälligkeit der Werklohnforderung kann daher derzeit, vor Einholung eines Schiedsgutachtens, nicht entschieden werden.
Die Klage ist daher als derzeit unbegründet abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die vorliegende Sache hat keine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 63 Abs. 2, 47, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.
Verkündet am 15.09.2020


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben