Baurecht

Maßstabsbildende Bebauung für einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil

Aktenzeichen  M 11 K 15.5811

Datum:
13.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 131085
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1, § 35 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Dem Tatbestandsmerkmal des „im Zusammenhang bebauten Ortsteils“ liegt der Sinn und Zweck zugrunde, die angemessene Fortentwicklung menschlicher Siedlungsstrukturen zu ermöglichen. Menschliche Siedlungsstrukturen können aber denknotwendigerweise nur dort vorhanden sein, wo Menschen sich dauerhaft aufhalten. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ist demgegenüber das Tatbestandsmerkmal des im Zusammenhang bebauten Ortsteils bereits bejaht, eine menschliche Siedlungsstruktur bereits vorhanden und damit ein grundsätzliches Baurecht gegeben, sodass es lediglich um die Frage des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung geht, leuchtet nicht ein, warum in der näheren Umgebung vorhandene Baulichkeiten grundsätzlich außer Betracht bleiben sollten, auch wenn sie nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung (Art. 68 Abs. 1 Satz 1, Hs. 1 i.V.m. Art. 59 BayBO). Dies folgt daraus, dass das streitgegenständliche Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist, da das Vorhaben im Außenbereich liegt, es nicht privilegiert ist und es auch nicht als sonstiges Vorhaben zulässig ist. Schließlich hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung aufgrund etwaiger Bindungswirkung des Vorbescheids vom 9. Juli 2017.
a) Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich unzulässig.
aa) Das Vorhaben liegt im Außenbereich, § 35 BauGB Der Vorhabenstandort nimmt – wie der Augenschein ergab – an keinem Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB teil. Dies folgt daraus, dass unter den Begriff des Bebauungszusammenhangs im Sinne des § 34 BauGB nicht jede beliebige bauliche Anlage fällt, sondern nur solche Bauwerke, die für die angemessene Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung maßstabsbildend sind. Dies trifft ausschließlich für Anlagen zu, die optisch wahrnehmbar und nach Art und Gewicht geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten städtebaulichen Charakter zu prägen (BVerwG, U. v. 14.09.1992 – 4 C 15/90 – juris Rn. 12). Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (BVerwG, U. v. 17.02.1984 – 4 C 55/81 – juris Rn. 12). Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt werden und nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (z.B. Scheunen oder Ställe) stellen in diesem Sinne keine Bauten, die für sich genommen als ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element zu Buche schlagen, dar (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 34, Rn. 15).
Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass sie als bauliche Anlagen im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB zu qualifizieren sind (vgl. BVerwG, B. v. 02.03.2000 – 4 B 15/00 – juris Rn. 3).
Der Bebauungszusammenhang endet hier – wie von der Beklagten zu Recht ausgeführt – westlich des auf dem Grundstück FlNr. … befindlichen gewerblich genutzten Gebäudes und südlich des weiteren im Osten des Grundstücks befindlichen ebenfalls gewerblich genutzten Gebäudes. Diese sind die letzten maßstabsbildenden Gebäude am Ortsrand. Der Vorhabenstandort bzw. der südwestliche, aktuell mit einem Scheunengebäude bebaute Bereich des Hofstellengrundstücks FlNr. … gehört dem so gebildeten Bebauungszusammenhang nicht an. Dies gilt auch für die auf der westlichen Seite des Weges gelegenen landwirtschaftlichen Außenhallen auf FlNr. …
Zutreffend ist auch, dass sich weder westlich, östlich noch südlich an das Scheunengebäude anschließend eine maßstabsbildende Bebauung befindet. Es sind landwirtschaftliche Hallen vorhanden, die – wie der Augenschein nochmal bestätigt hat – nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Im südlichen Gebäude auf dem Grundstück FlNr. … sind einige große landwirtschaftliche Maschinen untergebracht. Das nördliche Gebäude auf dem Grundstück FlNr. … fungiert als Lagerstätte für Stroh, Getreide und Maschinen. Da die Gebäude nicht dem dauernden Aufenthalt von Menschen dienen, sind sie nicht maßstabsbildend. Selbst unter der Annahme, dass die Böschungskante im südlichen Bereich des Grundstücks FlNr. … eine topographische Grenze und damit eine Zäsur zum Außenbereich darstellen sollte, gehört der Vorhabenstandort keinem Bebauungszusammenhang an. Dies folgt zum einen daraus, dass dem landwirtschaftlich genutzten Gebäude im mittleren Bereich des Grundstücks FlNr. …, wie oben ausgeführt, die prägende Kraft fehlt um „maßstabsbildende Bebauung“ darzustellen und zum anderen daraus, dass – entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung des Klägerbevollmächtigten – dem zwischen den Grundstücken FlNr. … und … verlaufenden Weg keine trennende Wirkung zukommt, die den Innenbereich vom Außenbereich angrenzt. Letzteres folgt daraus, dass es sich um einen ungepflasterten und auf Höhe der beidseitigen Bebauung verlaufenden schmalen Feld Weg handelt. Als solcher ist er nicht geeignet eine topographische Grenze darzustellen.
Schließlich führt auch die vom Klägerbevollmächtigten angeführte Rechtsprechung zu keinem anderen Ergebnis. Soweit darauf verwiesen wird, dass es in einem faktischen Dorfgebiet nicht sachgerecht sei, Gebäuden, die nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen sowie landwirtschaftlichen Nebengebäuden die prägende Kraft abzusprechen (BayVGH, U. v. 08.10.2015 – 1 BV 14.1795 – juris Rn. 23), verfängt dieser Hinweis schon deshalb nicht, da die diesbezüglichen Ausführungen zur Frage ergangen sind, welchen Gebäuden prägende Kraft im Rahmen der Frage des Einfügens nach dem Maß der baulichen Nutzung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht führt in der zur oben genannten Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ergangenen Revisionsentscheidung aus:
„Darüber hinaus befasst sich das vom Beklagten bemühte Urteil des Senats vom 30. Juni 2015 – 4 C 5.14 – (BVerwGE 152, 275) nicht mit dem Tatbestandsmerkmal der Eigenart der näheren Umgebung, sondern allein mit dem Merkmal des im Zusammenhang bebauten Ortsteils. Nur hinsichtlich dieses Merkmals ist Gebäuden, die nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen, sowie Nebengebäuden „in der Regel“ die prägende und damit maßstabbildende Kraft abzusprechen (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2015 a.a.O. Rn. 15). Für die Beurteilung der Eigenart der näheren Umgebung ist demgegenüber alles an Bebauung in den Blick zu nehmen, was tatsächlich vorhanden ist und nach außen wahrnehmbar in Erscheinung tritt (BVerwG, Urteil vom 23. März 1994 – 4 C 18.92 – BVerwGE 95, 277 ); außer Acht gelassen werden darf lediglich, was die Bebauung nicht prägt, weil es nicht die Kraft hat, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen, oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint (BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 – 4 C 23.86 – BVerwGE 84, 322 ). Deshalb rechtfertigt das Urteil nicht den Schluss, dass Baulichkeiten, die keinen im Zusammenhang bebauten Ortsteil bilden können, auch nicht in der Lage sind, in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil die Eigenart der näheren Umgebung zu prägen.“
Dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die daran festhält, dass Nebengebäuden und Gebäuden, die nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen, in der Regel die maßstabsbildende Kraft fehlt, um einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil zu bilden, ist uneingeschränkt zu folgen, da die Tatbestandsmerkmale „im Zusammenhang bebauter Ortsteil“ und „Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung“ unterschiedliche Anknüpfungspunkte aufweisen. Dem Tatbestandsmerkmal des „im Zusammenhang bebauten Ortsteils“ liegt der Sinn und Zweck zugrunde, die angemessene Fortentwicklung menschlicher Siedlungsstrukturen zu ermöglichen. Menschliche Siedlungsstrukturen können aber denknotwendigerweise nur dort vorhanden sein, wo Menschen sich dauerhaft aufhalten. Ist demgegenüber das Tatbestandsmerkmal des im Zusammenhang bebauten Ortsteils bereits bejaht, eine menschliche Siedlungsstruktur bereits vorhanden und damit ein grundsätzliches Baurecht gegeben, sodass es lediglich um die Frage des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung geht, leuchtet nicht ein, warum in der näheren Umgebung vorhandene Baulichkeiten grundsätzlich außer Betracht bleiben sollten, auch wenn sie nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Aus all dem folgt für den vorliegenden Fall, dass die rein landwirtschaftlich genutzten Gebäude auf FlNr. … und auf FlNr. … hinsichtlich der Frage, ob ein Bebauungszusammenhang vorliegt, außer Betracht bleiben müssen.
Schließlich folgt nach Meinung der Kammer auch nichts Gegenteiliges aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Juli 2015 (1 N 12.1189). In diesem hatte der entscheidende Senat nach Durchführung eines Augenscheins entschieden, dass eine etwas abgesetzt hinter einem Stallgebäude liegende Garage, obzwar sie als Nebenanlage selbst keinen Bebauungszusammenhang herstellen kann, dennoch am durch die Hofstelle vermittelten Bebauungszusammenhang teilnimmt. Durch die Zufahrt entlang der Hofstelle werde die Garage ohne weiteres erkennbar der Gesamtanlage zugeordnet mit der Folge, dass dieser Teil des Grundstücks noch am Eindruck der Geschlossenheit (Zusammengehörigkeit) teilnimmt (vgl. BayVGH, U. v. 29.07.2015 a.a.O. – juris Rn. 15).
Dieser Fall ist jedoch mit dem vorliegend entschiedenen Fall nicht vergleichbar. Es erscheint bereits fraglich, ob die Argumentation auf andere Nebengebäude als Garagen überhaupt anwendbar ist, da der Senat den gefundenen Eindruck der Geschlossenheit entscheidend auf die Zufahrt [zur Garage] entlang der Hofstelle, durch die die Garage der Gesamtanlage zugeordnet werde, gestützt hat. Ein ähnliches Element, das in Richtung einer etwaigen Gesamtanlage verbindend wirken könnte, wie die genannte Zufahrt, die für eine Garage aufgrund ihrer Funktion unabdingbar ist, ist für eine Feldscheune nicht erkennbar. Zum anderen ist aufgrund der allein maßgeblichen Umstände des Einzelfalls ein Eindruck der Geschlossenheit einer etwaigen Gesamtanlage im vorliegenden Fall schon gar nicht gegeben, da, anders als dies im Falle, den der Senat zu beurteilen hatte gewesen sein mag, im vorliegenden Fall der klägerische Betrieb nicht als Hofstelle im Sinn einer in sich geschlossenen Einheit in Erscheinung tritt. Die vom Kläger landwirtschaftlich genutzten Gebäude auf der FlNr. … liegen im Außenbereich und jenseits des Feldweges, mithin abgesetzt vom Wohnhaus des Klägers sowie den sonstigen Gebäuden. Auf FlNr. … nutzt der Kläger von den dort vorhandenen vier Gebäuden derzeit lediglich eines selber zu landwirtschaftlichen Zwecken. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein Gebäude, das zum ständigen Aufenthalt von Menschen dient, insbesondere handelt es sich nicht um eine Hofstelle, bei der, wie z.B. bei einem Einfirsthof, Wohnnutzung und landwirtschaftliche Nutzung im selben Gebäude stattfinden, sodass ein derartiges Gebäude als Hofstelle bezeichnet werden könnte. Zwei weitere, dem vorgenannten Gebäude in Größe vergleichbare Gebäude werden derzeit an Gewerbebetriebe fremdvermietet und gehören schon daher, auch wenn dies früher anders gewesen sein mag, nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers an und können somit auch nicht zum Eindruck der Geschlossenheit einer etwaigen Hofstelle auf FlNr. … beitragen. Die Feldscheune, an deren Stelle das streitgegenständliche Vorhaben treten soll, wird ebenso wenig vom Kläger genutzt und dient lediglich faktisch einem der auf FlNr. … vorhandenen Gewerbebetriebe als Unterstellmöglichkeit für Kfz. Schließlich stellt auch der Senat darauf ab, dass die Garage im dortigen Fall lediglich am durch die Hofstelle vermittelten Bebauungszusammenhang teilnimmt. Insoweit kommt für die Vermittlung eines derartigen Bebauungszusammenhangs – soweit auf den Betrieb des Klägers abgestellt wird – auf FlNr. … allein das mittlere, vom Kläger benutzte Gebäude in Betracht. Da dieses aber, in Einklang mit der zuvor ausgeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, selbst keinen Bebauungszusammenhang vermitteln kann, kann der seinerseits dahinter liegende Vorhabenstandort erst recht nicht an einem Bebauungszusammenhang teilnehmen.
bb) Das klägerische Vorhaben ist nicht privilegiert i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB Zum Zeitpunkt der Erteilung des Vorbescheides vom 9. Juli 2012 betrieb der Kläger einen landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetrieb mit 48,70 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche und 18 Pensionspferden. Der Kläger plante damals die Errichtung einer Pferdebewegungshalle mit Pferdelaufstall und eine Erweiterung des Betriebes auf insgesamt 48 Stallplätze und einem Pferdebestand von 40 bis 45 Tiere. Auf Grundlage des geplanten Ausbaus der Pferdehaltung war eine zusätzliche Wohneinheit bzw. ein zusätzliches Wohnhaus, unter Einbeziehung der Stellungnahme des AELF vom 17. August 2011, aus dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers begründbar. Unter diesen Voraussetzungen diente das Vorhaben mithin einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB.
Die betrieblichen Strukturen haben sich allerdings nachträglich gegenüber dem Zeitpunkt der Erteilung des Vorbescheides entscheidend geändert, sodass das Vorhaben nicht mehr im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert ist.
Die Pensionspferdehaltung wurde komplett aufgegeben und das Betriebskonzept, das zum Zeitpunkt der Erteilung des Vorbescheides den Ausbau der Pensionspferdehaltung vorsah, nicht verwirklicht. Diese nachträglich eingetretenen Tatsachen führen hier zu einer neuen Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit. Gemäß § 35 Abs. 1 Nr.1 BauGB ist ein Vorhaben im Außenbereich nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es insbesondere einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient. Zwar ist der Kläger nach wie vor Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs im Sinne des § 201 BauGB. Aus der Privilegierung eines Betriebs alleine folgt jedoch nicht zwangsläufig die Zulässigkeit eines bestimmten Bauvorhabens im Außenbereich (BVerwG, B. v. 21.06.1996 – 4 B 89/96 – juris Rn. 9). Vielmehr muss das Vorhaben auch dem landwirtschaftlichen Betrieb dienen. Mit dem Merkmal des „Dienens“ soll sichergestellt werden, dass das Bauvorhaben zu dem privilegierten Betrieb tatsächlich in einer funktionalen Beziehung steht (OVG Lüneburg, U. v. 29.10.2015 – 12 LC 73/15 – juris Rn. 24).
Vorliegend ist das Vorhaben nicht durch den betrieblichen Verwendungszweck gedeckt. Aufgrund der geänderten Tatsachen dient das Betriebsleiterwohnhaus, wie auch das AELF in seiner Stellungnahme vom 10. Juli 2015 ausführt, nicht mehr dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers. Die vorhandenen Wohneinheiten auf dem Grundstück FlNr. …, in denen bereits jetzt sowohl der Kläger mit seiner Frau und ihren drei Kindern als auch die Eltern des Klägers wohnen, sind für den vorliegenden Ackerbau- und Forstbetrieb ausreichend.
Der Maßstab des vernünftigen Landwirts führt zur Unzulässigkeit solcher Wohnvorhaben, für deren Errichtung kein dauerhafter Bedarf besteht. So liegt es, wenn auf einer bestehenden Hofstelle Wohnraum bereits vorhanden ist, der ausreicht, um die Wohnbedürfnisse des Betriebsinhabers und seiner Familie unter Einschluss der Altenteilergeneration zu befriedigen. Auf die persönlichen Verhältnisse des jeweiligen Antragstellers kommt es dagegen nicht ausschlaggebend an (BVerwG, B. v. 20.06.1994 – 4 B 120/94 – juris Rn. 7).
Zu dem im Rahmen der Verpflichtungsklage hinsichtlich Sach- und Rechtslage allein maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sind die Privilegierungsvoraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB somit nicht gegeben.
cc) Das Vorhaben ist schließlich auch nicht gemäß § 35 Abs. 2 BauGB als sonstiges Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig, da jedenfalls die öffentlichen Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB (natürliche Eigenart der Landschaft) und des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB (Erweiterung bzw. Verfestigung einer Splittersiedlung) beeinträchtigt werden.
b) Die Beklagte ist nicht aufgrund des Vorbescheids vom 9. Juli 2012 in der bauplanungsrechtlichen Beurteilung des Vorhabens gebunden, sodass sie zum Erlass der Baugenehmigung verpflichtet wäre, da der Vorbescheid vom Juli 2012 durch den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2016 wirksam widerrufen worden ist.
Entgegen der Auffassung der Beklagten entfällt die Bindungswirkung eines wirksamen Vorbescheids nach ganz herrschender Meinung nicht automatisch aufgrund einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage. Art. 38 Abs. 3 BayVwVfG ist hierauf weder direkt noch analog anwendbar (vgl. im Einzelnen Decker, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 124. EL Januar 2017, Art. 71, Rn. 111).
Allerdings ist ein Widerruf mit Bescheid vom 11. April 2016 erfolgt.
Ob der Widerrufsbescheid vom 11. April 2016 rechtmäßig ist, ist für die hier relevante Frage der etwaigen Bindungswirkung des Vorbescheids vom 9. Juli 2012 unerheblich. Entscheidend ist allein, dass der Widerrufsbescheid vom 11. April 2016 wirksam ist. Es sind keine Nichtigkeitsgründe i.S.d. Art. 44 BayVwVfG gegeben, sodass durch den Widerrufsbescheid die Bindungswirkung des Vorbescheids vom 9. Juli 2012 beseitigt worden ist. Im Übrigen ist der Widerrufsbescheid ohnehin rechtmäßig, vgl. die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 13. Juli 2017 im Parallelverfahren M 11 K 16.1857.
Die Klage war daher abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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