Baurecht

Nachbarklage, Einhaltung der Abstandsflächen bei Teilung des Grundstücks, Keine Abstandsflächenverlagerung auf das (neue) Nachbargrundstück

Aktenzeichen  1 ZB 22.74

Datum:
24.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6531
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 6

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 29 K 20.1779 2021-09-15 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Kläger wenden sich gegen einen den Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage.
Das Grundstück FlNr. …7 Gemarkung E …, das mit einem Dreifamilienhaus bebaut war, wurde im Jahr 2013 von dem vormaligen Eigentümer mehrfach geteilt. Die Grundstücksflächen mit dem bestehenden Wohngebäude einschließlich der Außentreppe wurden von den Klägern erworben. Das neu gebildete Grundstück FlNr. …13, Gemarkung E …, haben die Beigeladenen erworben. Dieses Grundstück ist noch unbebaut. Mit Bescheid vom 26. März 2013 hatte das Landratsamt dem vormaligen Eigentümer eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem noch ungeteilten Grundstück erteilt. Den Antrag der Beigeladenen auf Verlängerung der Baugenehmigung lehnte das Landratsamt aufgrund der im Zuge der Grundstücksteilung aufgetretenen Abstandsflächenproblematik mit Bescheid vom 22. Mai 2018 ab. Am 27. März 2020 erteilte das Landratsamt auf den geänderten Bauantrag der Beigeladenen einen Vorbescheid zum Neubau eines Einfamilienhauses mit Garage.
Die dagegen von den Klägern erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 15. September 2021 abgewiesen. Der Bauvorbescheid verletze keine nachbarschützenden Vorschriften. Das Bauvorhaben der Beigeladenen halte die Abstandsflächen vollständig auf dem eigenen Grundstück ein. Soweit das Wohngebäude der Kläger aufgrund der vorgenommenen Teilung die Abstandsflächen zu dem Grundstück der Beigeladenen nicht mehr einhalte, führe dies nicht zur Baurechtswidrigkeit des Bauvorhabens der Beigeladenen. Es bestehe weder eine Abstandsflächenübernahme zu Gunsten des klägerischen Grundstücks, noch hätten die Kläger einen Anspruch auf Übernahme ihrer fehlenden Abstandsflächen.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor bzw. ist nicht dargelegt.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bauvorbescheid vom 27. März 2020 zu Recht abgewiesen, da dem geplanten Bauvorhaben keine nachbarschützenden Vorschriften entgegenstehen.
Das Zulassungsvorbringen vermag keine ernstlichen Zweifel an der Annahme des Verwaltungsgerichts zu begründen, dass der sich für das klägerische Gebäude ergebende Abstandsflächenverstoß, den die Kläger als Überschneidung der Abstandsflächen rügen, nicht zur Baurechtswidrigkeit des Vorhabens der Beigeladenen führt. Dass das Vorhaben der Beigeladenen selbst die Abstandsflächen auf dem Grundstück einhält, bestreiten auch die Kläger nicht.
Regelungszweck des Abstandsflächenrechts ist es zunächst, durch Abstände zwischen den Gebäuden dafür zu sorgen, dass die in den Gebäuden befindlichen Räume ausreichend belichtet, belüftet und besonnt werden, um ein störungsfreies Wohnen zu gewährleisten (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Die Abstandsflächen müssen nach Art. 6 Abs. 2 BayBO auf dem Grundstück selbst liegen. Für das Bestandsgebäude der Kläger einschließlich der Außentreppe gilt nach den vorliegenden Unterlagen, dass vor der Teilung des Grundstücks die Abstandsflächen eingehalten wurden, während nach der Grundstücksteilung im Jahr 2013 die erforderlichen Abstandsflächen, u.a. im südöstlichen Bereich, zum Grundstück der Beigeladenen nicht mehr eingehalten werden. Entgegen der Auffassung der Kläger führt dies aber nicht dazu, dass die Beigeladenen auf ihrem Grundstück liegende Abstandsflächen freihalten müssten. Denn die Voraussetzungen, unter denen sich die Abstandsflächen nach Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO auf das Grundstück der Beigeladenen erstrecken dürfen, liegen nicht vor, insbesondere ist keine Übernahme der Abstandsflächen durch die Beigeladenen erfolgt. Der durch die Teilung entstandene rechtswidrige Zustand führt nur dazu, dass das klägerische Gebäude einen zu geringen Grenzabstand einhält, nicht aber dazu, dass sich die Abstandsfläche (teilweise) auf das Nachbargrundstück der Beigeladenen erstreckt und (auch) dort von einer in den Abstandsflächen nicht zulässigen Bebauung freigehalten werden muss bzw. dass die Abstandsflächen nicht auf die auf diesem Grundstück erforderlichen Abstandsflächen angerechnet werden dürfen (vgl. BayVGH, B.v. 30.5.2016 – 15 ZB 16.630 – juris Rn. 25; B.v. 14.1.2009 – 1 ZB 08.97 – BayVBl 2009, 694; Waldmann in Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand Oktober 2021, Art. 6 Rn. 119). Die bloße Behauptung der Kläger, das Bauvorhaben der Beigeladenen müsse hier zurückstehen, reicht nicht aus. Die Beigeladenen haben ein unbelastetes Grundeigentum erworben und verhalten sich mit der baulichen Ausnutzung ihres Grundstücks nicht rechtsmissbräuchlich.
Auf die von den Klägern aufgeworfene Frage eines Bestandsschutzes der Außentreppe kommt es daher nicht an. Gleichermaßen kommt es nicht darauf an, dass die Kläger für die Grundstücksteilung nicht verantwortlich sind, das Baurecht ist objekt- und nicht personenbezogen.
Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, ihnen auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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