Baurecht

Nachbarklage gegen Baugenehmigung für ein Mehrfamilienhaus

Aktenzeichen  AN 17 K 20.00020

Datum:
11.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 4695
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO § 4, § 15 Abs. 1 S. 2
BayBO Art. 6

 

Leitsatz

Voraussetzung für einen Gebietsprägungserhaltungsanspruch ist, dass nicht nur ein Widerspruch zur bisherigen Prägung des Baugebiets besteht, sondern dass durch die Dimension der Anlage eine neue Art der baulichen Nutzung ins Baugebiet hineingetragen wird. Das kann dann der Fall sein, wenn im Einzelfall „Quantität in Qualität“ umschlägt d.h. wenn die Größe der baulichen Anlage die Zulässigkeit der Nutzungsart erfassen und beeinflussen kann.  (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Gründe

Die erhobene Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) gegen die Baugenehmigung vom 29. November 2019 ist zulässig, aber unbegründet und deshalb abzuweisen.
Die Anfechtungsklage führt nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur dann zum Erfolg, wenn der angefochtene Verwaltungsakt – hier die Baugenehmigung – rechtswidrig ist und den Kläger zugleich in seinen Rechten verletzt. Die objektive Verletzung einer Rechtsnorm alleine genügt für den Erfolg der Nachbarklage damit nicht. Vielmehr muss sich die Rechtswidrigkeit zum einen gerade aus einer solchen Norm ergeben, die dem Schutz des Nachbarn dient (Schutznormtheorie, vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris). Zum anderen ist nur eine Rechtsverletzung maßgeblich, die zum Prüfungsumfang im bauaufsichtsrechtlichen Verfahren gehört, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt, die Prüfung hat sich vielmehr darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (BayVGH a.a.O.).
Eine Verletzung von den Kläger schützenden Normen liegt nicht vor.
1. Die unmittelbar drittschützenden Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO, die gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1b) BayBO der gerichtlichen Überprüfung auch im hier einschlägigen vereinfachten Genehmigungsverfahren unterliegen, sind nicht verletzt. Für die Anfechtungsklage ist dabei grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses abzustellen und damit vorliegend auf die zum 1. September 2018 in Kraft getretene Gesetzesfassung (Art. 6 BayBO a.F.), nicht auf die zum 1. Februar 2021 in Kraft getretene weitere Gesetzesänderung (Art. 6 BayBO n.F.) durch das Gesetz zur Vereinfachung baurechtlicher Regelungen und zur Beschleunigung sowie Förderung des Wohnungsbaus vom 2. Dezember 2020 (LT-Drs. 18/8547; GVBl. 2020, S. 663). Eine neue, im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltende Rechtslage wäre allerdings dann zu berücksichtigen, wenn diese Änderungen zugunsten des Bauherrn beinhaltet (vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v. 22.3.1989 – 5 S 3439/88 – juris Rn. 24 m.V.a. BVerwG, U.v. 19.9.1969 – IV C 18.67 – juris Rn. 22, 23; vgl. auch BVerwG, B.v. 11.1.1991 – 7 B 102/90 – juris Rn. 3). Dies kann hier dahinstehen, da bereits keine Rechtsverletzung anhand der alten Gesetzeslage feststellbar ist.
Das Hauptgebäude hält die Abstandsflächen zum Kläger, auch unter Berücksichtigung des östlichen, zum klägerischen Grundstück hin gerichteten Erkers unter Beachtung der Vorschriften des Art. 6 Abs. 4 Satz 4, Abs. 5, Abs. 6 und Abs. 8 BayBO a.F ein. Die vorgesehene Mülltonnenüberdachtung und der Stellplatz an der Ostgrenze können ohne Einhaltung von Abstandsflächen an der Grundstückgrenze errichtet werden, Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO. Von den Grenzbebauungen im Norden (PKW-Stelleplätze) und Osten (Fahrradstellplätze) des Grundstücks ist der Kläger nicht betroffen. Er ist insoweit nicht Nachbar. Vgl. zu alledem auch Ausführungen im Beschluss zum vorausgegangen Eilverfahren (B.v. 25.3.2020 – AN 17 S 20.00118 – juris).
2. Das Bauvorhaben verletzt auch den dem Kläger zustehenden Gebietserhaltungsanspruch nicht. Das Vorhaben entspricht der im Bebauungsplan … festgesetzten Art der baulichen Nutzung (allgemeines Wohngebiet). In einem allgemeinen Wohngebiet sind nach § 4 Abs. 1 und Abs. 2 BauNVO Wohngebäude stets zulässig. Auf die Anzahl der Wohneinheiten kommt es dabei nicht an. Auch ein Mehrfamilienhaus entspricht der Nutzungsart des allgemeinen Wohngebiets.
3. Der Kläger ist auch nicht in einem Gebietsprägungserhaltungsanspruch verletzt. Unter dem Begriff des Gebietsprägungserhaltungsanspruchs wird in der jüngeren Rechtsprechung der Anspruch des Nachbarn gegen eine schleichende Veränderung des Gebietscharakters durch Vorhaben diskutiert, die zwar an sich im Gebiet zulässig sind, aber gleichwohl als gebietsunverträglich beurteilt werden, weil sie der allgemeinen Zweckbestimmung des maßgebenden Baugebietstyps zuwiderlaufen bzw. das Vorhaben aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirkt (BVerwG, B.v. 13. Mai 2002 – 4 B 86.01 – juris; VGH Baden-Württemberg, B.v. 27.7.2001 – 5 S 1093.00 – juris; VG Ansbach, B.v. 13.1.2016 – AN 3 S 15.02436 – juris; Decker, JA 2007, S. 55/57). Der Gebietsprägungserhaltungsanspruch ist als eigenständiger Anspruch jedoch umstritten (vgl. BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 9 ff.; B.v. 3.2.2015 – 9 CS 13.1915 – juris Rn. 13; VG Ansbach, U.v. 29.9.2020 – AN 17 K 19.01467 – juris Rn.33 ff.; B.v. 13.1.2016 – AN 3 S 15.02436 – juris Rn. 41 ff.). Unabhängig davon, ob dieser als spezielle Ausprägung des Gebots der Rücksichtnahme zu qualifizieren ist oder als eigenständiger, unmittelbar drittschützender Anspruch, führt er hier jedenfalls nicht zum Erfolg.
Voraussetzung des Anspruchs wäre in jedem Fall, dass nicht nur ein Widerspruch zur bisherigen Prägung des Baugebiets besteht, sondern dass durch die Dimension der Anlage eine neue Art der baulichen Nutzung ins Baugebiet hineingetragen wird. Das kann – in Ansehung des in § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO genannten Kriteriums „Umfang“ – dann der Fall sein, wenn im Einzelfall „Quantität in Qualität“ umschlägt (vgl. VG München, B.v. 31.7.2014 – M 8 SN 14.2877 – juris Rn. 55), d.h. wenn die Größe der baulichen Anlage die Zulässigkeit der Nutzungsart erfassen und beeinflussen kann (BayVGH, B.v. 6.11.2008 – 14 ZB 08.2327 – juris), was nur in seltenen Einzelfällen denkbar ist. Beispielsweise kann dies angenommen werden, wenn das neue Bauvorhaben geeignet ist, den Charakter eines allgemeinen Wohngebietes nach § 4 BauNVO, in dem neben Wohnnutzung auch weitere (nicht störende) Nutzungsarten allgemein zulässig sind, in ein reines Wohngebiet nach § 3 BauNVO, in dem solche anderen Nutzungsarten nur ausnahmsweise zulässig sind, umschlagen zu lassen. Zusammenfassend gesagt kann sich der Gebietsprägungserhaltungsanspruch also allein auf die Art der baulichen Nutzung im Sinne der Baunutzungsverordnung beziehen (vgl. BayVGH U.v. 3.2.2014 – 9 CS 13.1915 – juris; VG Ansbach, U.v. 29.9.2020 – 17 K 19.19.01467 – juris Rn. 33 ff.; B.v. 13.1.2016 – AN 3 S 15.02436 – juris).
Das ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, weil mit dem Bauvorhaben der Beigeladenen allgemein zulässige Wohnnutzung realisiert wird, ohne dass dadurch ein Umschlagen in eine andere Gebietsart ausgelöst wird oder dies zumindest droht.
Ein Umschlagen von Qualität in Quantität liegt – unabhängig davon, ob dies von einem Gebietsprägungserhaltungsanspruch nach dem oben Dargestellten überhaupt erfasst wäre, was zumindest sehr fraglich ist – auch nicht im Hinblick auf die Anzahl der geplanten Wohneinheiten vor. Die Bebauung mit einem Mehrfamilienhaus mit sechs Wohneinheiten widerspricht gerade nicht signifikant, d.h. augenscheinlich der Eigenheit des Gebiets (vgl. insoweit VG AN, U.v. 29.9.2020 – AN 17 K 19.01467 – juris; Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand Mai 2020, § 15 BauNVO Rd. 17; VG Schleswig, U.v. 21.7.2016 – 8 A 132/15, BeckRS 2016, 52226). In der näheren Umgebung des Bauvorhabens existieren bereits mehrere Mehrfamilienhäuser und keinesfalls nur Einfamilienhäuser. Dies hat die Beklagte konkret und substantiiert vorgetragen, blieb von der Klägerseite unwidersprochen und wird auch durch Luftbilder bestätigt. Die Nutzung Mehrfamilienhaus wird in das bestehende Baugebiet damit nicht neu hineingetragen.
4. Offenbleiben kann, ob das Bauvorhaben die im Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung in jeder Hinsicht einhält, insbesondere ob es tatsächlich keiner Befreiung im Hinblick auf die GFZ bedurft hatte. Auch im Falle eines objektiven Rechtsverstoßes gegen die maximal zulässige GFZ folgt hieraus jedenfalls keine Rechtsverletzung für den Kläger.
Der Umstand, dass eine Baugenehmigung ohne eine erforderliche Befreiung erteilt worden ist (versteckter Dispens), begründet eine Rechtsverletzung für den Nachbarn nicht schon als solches. Der Verstoß gegen rein formelle Vorschriften führt regelmäßig nicht zum Erfolg der Nachbarklage. Eine Rechtsverletzung aufgrund objektiver Fehlerhaftigkeit liegt bei einem versteckten Dispens nur vor, wenn eine Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung nicht erteilt worden ist (BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Orientierungsatz 7 und Rn. 33). Die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung im Bebauungsplan … (Vollgeschossvorgabe E + 1, maximale GRZ und GFZ, vgl. § 16 BauNVO) haben einen solchen nachbarschützenden Charakter nicht.
Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung vermitteln einem Nachbarn regelmäßig keinen Abwehranspruch. Sie werden in der Beurteilung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung weitgehend einheitlich nicht als nachbarschützend angesehen, sondern dienen ohne besondere Anhaltspunkte im Bebauungsplan grundsätzlich nur städtebaulichen Zielen der planenden Gemeinde. Dies gilt insbesondere für die GFZ (vgl. Dirnberger in: Simon/Busse/Dirnberger, Bayerische Bauordnung, Stand Juli 2020, Art. 66 Rn. 365, 366). Anhaltspunkte für einen mit dem Bebauungsplan … intendierten Drittschutz ergeben sich aus seinen textlichen Festsetzungen oder seiner Begründung nicht und wurden von der Klägerseite auch nicht konkret geltend gemacht.
Zwar können nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung auch dann drittschützende Wirkung entfalten, wenn der Bebauungsplan aus einer Zeit stammt, in der man ganz allgemein an einen nachbarlichen Drittschutz aus Festsetzungen eines Bebauungsplans noch nicht gedacht hat (sog. „Wannsee-Entscheidung“, BVerwG, U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – NVwZ 2018, 1808 bzw. juris Rn. 12 ff.). Der Umstand, dass ein Plangeber die Rechtsfolge einer nachbarschützenden Wirkung der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung zum Zeitpunkt der Planaufstellung nicht in seinen Willen aufgenommen hatte, verbietet es nicht, die Festsetzungen nachträglich subjektivrechtlich aufzuladen (BVerwG, a.a.O. Rn. 16; vgl. auch bereits BVerwG, U.v. 23.8.1996 – 4 C 13.94 – juris Rn. 52 ff.). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof schloss sich jüngst dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich an, beschränkte den Anwendungsbereich der nachträglichen subjektiven Aufladung allerdings auf übergeleitete Bebauungspläne aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des BBauG und der erst im Jahr 1960 beginnenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Nachbarschutz (vgl. BayVGH, B.v. 24.7.2020 – 15 CS 20.1332 – juris Rn. 25 f.). Er führt außerdem aus, dass Festsetzungen über eine nachträgliche subjektiv-rechtliche Aufladung nach dem Wannsee-Urteil jedenfalls nur dann als nachbarschützend angesehen werden können, wenn der Plangeber – unabhängig von einem Willen oder einem Bewusstsein, subjektiv-rechtlichen Nachbarschutz zu begründen – die Planbetroffenen hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung in ein wechselseitiges nachbarliches Austauschverhältnis eingebunden hat (BayVGH, a.a.O., Rn. 27). Dies ist nämlich auch die Grundlage des von der Rechtsprechung anerkannten unmittelbaren Nachbarschutzes für die Art der baulichen Nutzung. Im vorliegenden Fall scheidet die Anwendung der Wannsee-Rechtsprechung schon deshalb aus, weil es sich bei dem aus Jahr 1967 stammenden Bebauungsplan … nicht um einen übergeleiteten Alt-Bebauungsplan handelt.
Da eine Rechtsverletzung aufgrund einer Überschreitung der GFZ somit nicht in Betracht kommt, kann es dahinstehen, ob die höchstzulässige GFZ nach „§ 17 Abs. 1 BNutzVO“ eingehalten ist und die Berechnung zur Ermittlung der maximalen GFZ korrekt – unter Zugrundelegung des richtigen Rechtsstandes – vorgenommen wurde (vgl. insoweit Ausführungen im vorausgegangen Eilverfahren, B.v. 25.3.2020 – AN 17 S 20.00118 – juris). Das Gleiche gilt für die Frage der Überschreitung der maximal zulässigen Vollgeschosse.
5. Der Kläger kann sich ebenso wenig mit Erfolg auf die Verletzung von Baugrenzen (§ 23 Abs. 3 BauNVO) bzw. eine unzulässige Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von den Baugrenzen berufen. Zum einen kommt auch der Festsetzung von Baugrenzen nach der obergerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig, nämlich wenn entsprechende Anhaltspunkte im Bebauungsplan und seiner Begründung nicht vorliegen, kein nachbarschützender Zweck zu (vgl. auch insoweit nähere Ausführungen im B.v. 25.3.2020, a.a.O.). Zum anderen ist vorliegend nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung hinsichtlich der Baugrenze nicht eingehalten sind. Insbesondere gilt dies für eine (eventuelle) Festsetzung eines Baufensters für Stellplätze (Näheres vgl. B.v. 25.3.2020, a.a.O).
Gleiches gilt für die Befreiung von den gestalterischen Festsetzungen zu Dachgauben und Kniestock (vgl. insoweit Ausführungen unter 6. und 7. des B.v. 25.3.2020, a.a.O). Die handschriftlichen Eintragungen im Bebauungsplan … zum Kniestock sind nach den vom Gericht veranlassten Ermittlungen durch die Beklagte nicht Inhalt des Bebauungsplans geworden; ein Bebauungsplanverfahren hat es insoweit nicht gegeben. Eine Befreiung vom unzulässigen Kniestock war damit zwar erforderlich, sie wurde aber auch erteilt, ohne dass Rechtsfehler insofern erkennbar sind. Die Festsetzungen zu Dachgauben und Kniestock wurden vom Plangeber nicht mit Drittschutz versehen.
Eine Verletzung der offenen Bauweise (vgl. § 22 Abs. 2 BauNVO) liegt in der Errichtung eines Mehrfamilienhauses nicht (vgl. Ausführungen im B.v. 25.3.2020, a.a.O., dort unter 8.).
6. Die Errichtung von acht PKW- und sechs Fahrradstellplätzen entspricht den Notwendigkeiten der GaStS der Beklagten. Nach § 2 Abs. 1 GaStS i.V.m. Anlage 1 hierzu, dort Nr. 1.3, ist für Mehrfamilienhäuser ab drei Wohneinheiten mit Wohnungen bis zu 120 m² je Wohneinheit ein PKW-Stellplatz vorzusehen sowie für je drei Wohneinheiten ein zusätzlicher Besucherparkplatz. Dies summiert sich für die streitgegenständliche Wohnanlage mit sechs Wohnungen auf acht Stellplätze. Damit ist § 12 BauNVO entsprochen, wonach im allgemeinen Wohngebiet nur so viele Stellplätze errichtet werden dürfen, wie vom Bedarf des Vorhabens auslöst werden. Die Anzahl der Fahrradstellplätze entspricht § 3 Abs. 1 GaStS i.Vm. mit Nr. 1.3 der Anlage 1 hierzu. Danach ist bei Mehrfamilienhäusern mit Wohneinheiten bis 120 m² Größe ein Stellplatz je Wohneinheit vorzuhalten.
Die erteilte Abweichung hinsichtlich der maximalen Zufahrtsbreite der PKW-Stellplätze von 6 m nach § 5 Abs. 1 GaStS begegnet, wie bereits im Eilverfahren ausgeführt, worauf Bezug genommen wird, keinen Bedenken, berührt den Kläger auch nicht in eigenen Belangen. Stellplatzfragen nach Art. 47 BayBO sind überdies vom Prüfungsumfang des vereinfachten Verfahrens nach Art. 59 Satz 1 BayBO schon nicht erfasst und von daher für dieses Verfahren – soweit es sich nicht über § 12 BauNVO um eine bauplanungsrechtliche Frage handelt – unerheblich.
Von vorneherein nicht nachbarschützend sind auch Belange des Natur- und Landschaftschutzes und damit auch die vom Kläger missbilligte Beseitigung von Grünflächen zugunsten versiegelter Stellplatzflächen (vgl. insoweit, v. a. zu Art. 141 BV, BayVGH, B.v. 27.7.2010 – 15 CS 10.37 – juris Rn. 23 ff.). Die Klage führt auch insoweit nicht zum Erfolg.
7. Das Vorhaben verletzt schließlich auch nicht das bauplanungsrechtliche, in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO und § 31 Abs. 2 BauGB verankerte Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme unter baulichen Nachbarn (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 8.7.1988 – 4 B 64.98 – juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist nach gefestigter Rechtsprechung anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Gegeneinander abzuwägen sind dabei die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar bzw. unzumutbar ist. Feste Regeln lassen sich insoweit nicht aufstellen. Erforderlich ist eine Gesamtschau der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen (BVerwG, B.v. 10.1.2013 – 4 B 48.12 – juris Rn. 7 m.w.N.). Gemessen hieran ist eine Rücksichtslosigkeit zu Lasten des Klägers nicht erkennbar, und zwar weder im Hinblick auf eine erdrückende Wirkung des Gebäudes, noch im Hinblick auf vom Vorhaben ausgelösten Kraftfahrzeug- oder sonstigen Verkehr.
Eine erdrückende oder abriegelnde Wirkung misst die Rechtsprechung Baukörpern dabei nur im Ausnahmefall dann zu, wenn sie in Volumen und Höhe „übergroße“ Baukörper in nur geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden darstellen. Bejaht wurde eine solche Wirkung beispielsweise bei einem zwölfgeschossigen Gebäude in einer Entfernung von 15 m zu einem zweigeschossigen Nachbarwohnhaus (BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – juris Rn. 33 f.) oder bei einer 11,5 m hohen Siloanlage im Abstand von 6 m zu einem Wohnanwesen (BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – juris Rn. 2 und 15). Eine erdrückende Wirkung des Bauvorhabens scheidet dabei regelmäßig aus, wenn die bauordnungsrechtliche Abstandsflächen wie hier eingehalten sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 41).
Der Kläger gibt in der mündlichen Verhandlung selbst an, dass sein Grundstück zum Vorhaben hin zwei große Kirschbäume und drei Birken aufweist, die derzeit den Blick auf das Vorhabengrundstück und damit auch einen Einmauerungseffekt verhindern. Zum Grundstück der Beigeladenen hin befinden sich auf dem Grundstück des Klägers außerdem zwei Garagen. Dass im Gegensatz zu seiner eigenen Grenzbebauung der sich daran anschließende behindertengerechte Stellplatz auf dem Vorhabengrundstück oder die Mülltonnenüberdachung demgegenüber unzumutbar sein soll, erschließt sich nicht und kann ausgeschlossen werden.
Eine Unzumutbarkeit ist auch sonst nicht erkennbar. Die erteilten Befreiungen (Kniestock, GFZ, Gauben, Baugrenze, Breite der Stellplatzzufahrt) stellen auch in der Gesamtheit bei wertenden Betrachtung keine erhebliche Belastung für den Kläger, dessen Haus im Westen seines Grundstücks situiert ist und damit in Freiraum wahrender Entfernung liegt, dar.
Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme ergibt sich insbesondere nicht aus der Anzahl und der Situierung der Stellplätze und einem damit zusammenhängenden Verkehr. Wie dargelegt entspricht die Anzahl der Stellplätze § 12 Abs. 2 BauNVO i.V.m. der gemeindlichen GaStS. Aus § 12 Abs. 2 BauNVO folgt im Regelfall auch die Nachbarverträglichkeit der Lärmimmissionen, die von der Nutzung der zulässigen Stellplätze ausgeht (BayVGH, B.v. 18.9.2008 – 1 ZB 06.2294 – juris Rn. 35, B.v. 29.1.2016 – 15 ZB 13.1759 – juris Rn. 23). Eine den Kläger besonders belastende Situierung der Stellplätze ist nicht erkennbar. Lediglich einer der acht Stellplätze befindet sich auf der Grundstücksgrenze. Die Fahrradstellplätze befinden sich sämtlich in maximaler Entfernung zu seinem Grundstück. Im Übrigen sind Lärmimmissionen von Fahrradstellplätzen und Fahrradfahrern in keiner Weise erkennbar.
Naturschutz- oder Landschaftsschutzgesichtspunkte oder ästhetischen Erwägungen begründen grundsätzlich keinen Rücksichtnahmeverstoß.
Die Klage war damit abzuweisen.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Nachdem die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und sich dem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO nicht ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, § 162 Abs. 3 VwGO.


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