Baurecht

Nachbarklage gegen Baugenehmigung für Erweiterung eines Discountmarktes

Aktenzeichen  15 CS 18.2035

Datum:
7.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 247
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 6 Abs. 1 S. 3
BauGB § 34

 

Leitsatz

Zur Frage, ob ein Vorhaben bei einer Grenzbebauung mit einer Höhe von 6,75 m gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 6 S 18.1219 2018-09-05 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich als Grundstücksnachbarn im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§ 80 Abs. 5 VwGO) gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Erweiterung eines Discountmarkts (Bescheid vom 6.12.2017).
Das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg hat mit Beschluss vom 5. September 2018 den Antrag der Antragsteller auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen den genannten Bescheid erhobenen Klage abgelehnt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen.
Mit der Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr Rechtsschutzziel weiter. Das Bauvorhaben verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme und stelle einen Fremdkörper im Baugebiet dar. Die Eigenart der näheren Umgebung im nicht überplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) entspreche einem allgemeinen Wohngebiet und nicht einem Mischgebiet. Es gebe auch keinen Grund für die dem Bauvorhaben erteilte Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften, zumal die Bauvorlagen unklar bzw. unrichtig seien und die Höhe der um ca. 6 m erweiterten Grenzbebauung tatsächlich 6,75 m und nicht lediglich 5 m betrage. Das Verwaltungsgericht habe außerdem eine für die Antragsteller nicht nachvollziehbare Überraschungsentscheidung getroffen, indem es in seinem Beschluss die Ansicht vertrete, eine Abstandsfläche sei nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO vorliegend ohnehin nicht erforderlich. Tatsächlich gebe es entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts in der näheren Umgebung „keine Mischung aus offener Bebauung und Grenzbebauung“ Schließlich enthalte die Baugenehmigung auch „keine nachvollziehbaren und im Verwaltungszwang durchsetzbare Vorgaben“. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten der Antragsteller vom 8. Oktober 2018 verwiesen.
Die Antragsgegnerin widersetzt sich der Beschwerde. Die Beigeladene hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Vorbringen der Antragsteller im Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§ 146 Abs. 4 Satz 6, § 80 Abs. 5 VwGO) rechtfertigt keine vom angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts abweichende Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat aufgrund einer im Eilverfahren vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Interessen den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller zu Recht abgewiesen. Der Senat folgt den ausführlichen Gründen des erstinstanzlichen Beschlusses (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist zu bemerken:
Das Beschwerdevorbringen wiederholt im Wesentlichen lediglich das erstinstanzliche Vorbringen der Antragsteller, ohne damit die gerichtliche Würdigung der Sach- und Rechtslage und die vom Verwaltungsgericht sachgerecht vorgenommene Abwägung der widerstreitenden Interessen substantiiert in Zweifel ziehen zu können. Der Senat teilt die erstinstanzliche gerichtliche Einschätzung, dass der im Baugebiet bereits vorhandene Discountmarkt die Eigenart der näheren Umgebung wesentlich mitprägt und es deshalb gerechtfertigt ist, das im nicht überplanten Innenbereich liegende Baugebiet (§ 34 BauGB) als (faktisches) Mischgebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO) und nicht als allgemeines Wohngebiet (§ 4 BauNVO) zu bewerten. In einem Mischgebiet sind Gewerbebetriebe zulässig, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Hiervon ist bei dem streitgegenständlichen Bauvorhaben, wie das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss näher ausführt, auszugehen. Der Senat teilt ferner die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt und es vorliegend – durch die regellos erscheinende Bebauung mit und ohne Grenzabstand auf den Grundstücken in der vom Verwaltungsgericht hinreichend spezifizierten näheren Umgebung – planungsrechtlich gerechtfertigt ist, die bauliche Erweiterung des Discountmarkts als (weitere) Grenzbebauung zuzulassen. Dabei ist es – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt – unerheblich, ob die Bauvorlagen in Bezug auf die Höhe der Grenzbebauung „teilweise nicht eindeutig“ sind. Auch wenn die Grenzbebauung tatsächlich – wie die Antragsteller befürchten – 6,75 m und nicht lediglich 5 m hoch wäre, hätte dies – wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend ausführt – in Bezug auf den hiervon betroffenen hinteren Gartenteil des Grundstücks der Antragsteller keine nachteiligen Auswirkungen, die zu einer übermäßigen Verschattung des Grundstücksteils oder zu einer sonstigen rücksichtslosen Belästigung der Antragsteller führen könnten. Die Baugenehmigung ist auch unter den üblichen immissionsschutzfachlichen Nebenbestimmungen, insbesondere zum Schutz der Antragsteller vor Lärm, ergangen. Weshalb diese – auf einem Lärmschutzgutachten beruhenden – Nebenbestimmungen nicht nachvollziehbar oder durchsetzbar sein sollen, erschließt sich dem Senat nicht. Auf die Frage, ob die erstinstanzliche gerichtliche Würdigung der Sach- und Rechtslage und die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung für die Antragsteller „überraschend“ gewesen ist oder nicht, kommt es vorliegend nicht an, weil die Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren keine Gründe vorgetragen haben, die eine abweichende gerichtliche Entscheidung rechtfertigen würden.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die Beigeladene trägt billigerweise ihre außergerichtlichen Kosten selbst, weil sie keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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