Baurecht

Nachbarklage gegen Baugenehmigung für Maschinenhalle im Außenbereich

Aktenzeichen  AN 17 K 19.01399

Datum:
27.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40011
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
VwGO § 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 44 Abs. 1

 

Leitsatz

Das Rücksichtnahmegebot schützt gerade nicht vor jeglicher Verschlechterung der Sicht vom eigenen Grundstück oder Wohngebäude (vgl. VGH München, BeckRS 2016, 50839 Rn. 6). (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage wird vom Gericht zwar als zulässig erachtet, ist jedoch unbegründet
1. Das Gericht nimmt keine Unzulässigkeit der Klage an, insbesondere wird die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO als noch gegeben angesehen.
a) Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Klage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in einem subjektiven, also jedenfalls auch ihn schützenden Recht verletzt zu sein. Das Erfordernis der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO soll Popularklagen verhindern, bei denen der Einzelne („quivis ex populo“) als Sachwalter für die Durchsetzung des Rechts im Allgemeinen auftritt. Dieses Konzept des Individualrechtsschutzes – im Gegensatz zu einer objektiven Rechtmäßigkeitskontrolle – gründet letztlich in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz und der Ausgestaltung des Rechtsstaatsprinzips und ist mit den Worten des Bundesverwaltungsgerichtes „allgemeines Strukturprinzip des Verwaltungsrechtsschutzes“ (BVerwG, U.v. 5.4.2016 – 1 C 3/15 – NVwZ 2016, 1176 Rn. 16; U.v. 5.9.2013 – 7 C 21/12 – NVwZ 2014, 64 Rn. 18; s. ausführlich zum Ganzen Schmidt-Kötters in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 55. Ed. 1.10.2019, § 42 Rn. 108 ff.).
Handelt es sich wie hier um eine Drittanfechtungsklage – die Kläger wenden sich gegen die zugunsten des Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 25. Juni 2019 – wird nach der überwiegend vertretenen Möglichkeits- und Schutznormtheorie verlangt, dass der Kläger substantiiert Tatsachen vorträgt, die es möglich erscheinen lassen, dass er durch den angegriffenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt ist (schon BVerwG, U.v. 22.5.1980 – 3 C 2/80 – NJW 1980, 2764, 2765; Schmidt-Kötters in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 55. Ed. 1.10.2019, § 42 Rn. 175). Damit ist umgekehrt die Klagebefugnis ausgeschlossen, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm als subjektives Recht zustehen können (BVerwG, U.v. 23.8.1994 – 1 C 19/91 – NVwZ 1995, 478; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 112).
Diesen Maßstab zugrunde gelegt besteht nach dem Vortrag der Kläger die wenn auch nur entfernte Möglichkeit einer Verletzung des drittschützenden Rücksichtnahmegebots, welches hinsichtlich Bauvorhaben im Außenbereich wie dem des Beigeladenen in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB seinen Widerhall findet (Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, Vorbm. zu §§ 29-38 Rn. 72). Zwar ist eine Verletzung des drittschützenden Rücksichtnahmegebots nur anzunehmen, „wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist“ (BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5/12 – NVwZ 2014, 370 Rn.21), was insbesondere dann der Fall ist, wenn dem Vorhaben in der Gesamtschau eine „erdrückende“ oder „abriegelnde“ Wirkung zukommt (BayVGH, B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 12). Der Blick in die freie Landschaft, auf den es den Klägern nach ihrem Vortrag besonders ankommt, ist nach überwiegender Ansicht der Rechtsprechung grundsätzlich nicht durch das Rücksichtnahmegebot geschützt (vgl. etwa VG München, U.v. 15.4.1999 – M 11 K 98.2709 – juris Rn. 44; VG Regensburg, U.v. 28.3.2001 – RO 14 K 00.911 – juris Rn. 32; VG Saarlouis, U.v. 8.12.2010 – 5 K 333/10 – juris Rn. 53 f.; restriktiv auch BayVGH, B.v. 8.8.2016 – 9 ZB 14.2808 – juris Rn. 6; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 139. EL Oktober 2020, Art. 66 Rn. 441 ff.). Gleichwohl wird vereinzelt angenommen, dass die Aufrechterhaltung der ungestörten Aussicht von einem Innenbereichsgrundstück auf die freie Landschaft im Rahmen des Rücksichtnahmegebots „nur ein geringes Gewicht hat“, aber eben nicht gänzlich vernachlässigbar ist (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (EZBK), BauGB, 139. EL August 2020, § 35 Rn. 187; VGH BW, U.v. 12.9.1991 – 8 S 1382/91 – LKV 1992, 334). Insofern lässt sich zugunsten der Kläger noch annehmen, dass nach ihrem Vortrag die Möglichkeit einer Verletzung des drittschützenden Rücksichtnahmegebots besteht.
b) Die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist die statthafte Klageart, auch soweit sich die Klägerseite auf die Nichtigkeit der Baugenehmigung vom 25. Juni 2019 beruft. Das ergibt sich aus § 43 Abs. 2 Satz 2 VwGO sowie daraus, dass auch ein nichtiger Verwaltungsakt den Anschein der Wirksamkeit erweckt und deshalb aufgehoben werden kann. Zudem erweist es sich für den Kläger bei Klageerhebung häufig als schwierig zu erkennen, ob ein rechtswidriger und bloß aufhebbarer oder ein nichtiger Verwaltungsakt vorliegt (bereits BVerwG, U.v. 20.3.1964 – VII C 10.61 – juris Rn. 16; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 15; Schmidt-Kötters in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 55. Ed. 1.10.2019, § 42 Rn. 21; a.A. Pietzcker/Marsch in Schoch/Schneider, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 42 Rn. 18).
2. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigungsbescheid vom 25. Juni 2019 die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Eine Anfechtungsklage hat nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur dann Erfolg, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt. Dafür genügt nicht die objektive Verletzung einer Rechtsnorm. Die Rechtsverletzung muss sich aus einer Norm ergeben, die zumindest auch dem Schutz des Nachbarn dient (Schutznormtheorie, s. BayVGH, B.v. 23.6.2017 – 15 ZB 16.920 – BayVBl 2019, 596 Rn. 8). Zudem müssen die als verletzt gerügten Normen Teil des Prüfprogramms im Baugenehmigungsverfahren sein, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO (Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Art. 66 Rn. 537).
Eine Verletzung drittschützender Normen durch die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung scheidet aus. Das Prüfprogramm bemisst sich vorliegend nach Art. 59 BayBO (vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren). Die durch den Beigeladenen errichtete Maschinenhalle ist kein Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO.
a) Bereits nicht vom Prüfprogramm des Art. 59 BayBO erfasst ist der Wunsch der Kläger, der Beklagte möge prüfen, ob die durch den Beigeladenen geplante Halle im Innenbereich dessen Grundstückes genauso gut errichtet werden könnte. Eine Standortalternativenprüfung findet im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens und dessen gerichtlicher Überprüfung nicht statt (vgl. BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 4 C 2/12 – NVwZ 2013, 1288 Rn. 14).
b) Ein Verstoß gegen die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BayBO zu prüfende bauordnungsrechtliche und nachbarschützende Vorschrift des Art. 6 BayBO zu den Abstandsflächen liegt offensichtlich nicht vor. Die Distanz zwischen der Grundstücksgrenze der Kläger und der des Beigeladenen beträgt gut 60 m (Messung BayernAtlas). Bei einer Firsthöhe des Vorhabengebäudes von 7,8 m ist eine Verletzung des Abstandsflächenrechts im Verhältnis zu den Klägern ausgeschlossen.
c) Auch ist kein Verstoß gegen die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften der §§ 29 – 38 BauGB ersichtlich.
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung der Maschinenhalle durch die Beigeladene beurteilt sich nach § 35 BauGB, da das Vorhaben im Außenbereich errichtet werden soll. Dem Außenbereich nach § 35 BauGB zuzuordnen sind diejenigen Gebiete, die weder im räumlichen Geltungsbereich eines Bebauungsplanes nach § 30 Abs. 1, Abs. 2 BauGB noch im Innenbereich nach § 34 BauGB liegen. Das Vorhabengrundstück mit der FlNr. … liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, auch ist es, im Bereich des Vorhabens im nördlichen Grundstücksteil, nicht mehr dem als im Zusammenhang bebauter Ortsteil zuzuordnen. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Maschinenhalle des Beigeladenen beurteilt sich auch dann nach § 35 BauGB, wenn das klägerische Grundstück, was hier dahinstehen kann, wofür aber einiges spricht, im Innenbereich gemäß § 34 BauGB liegt.
Die Norm des § 35 BauGB gewährt hier, da die Kläger selbst kein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB betreiben, Drittschutz nur über das aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB abgeleitete Gebot der Rücksichtnahme – grundsätzlich auch zugunsten solcher Grundstücke, die im Innenbereich liegen (OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 19.7.2018 – OVG 10 S 52/17 – NVwZ-RR 2018, 918 Rn. 16; Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, Vorbm. zu §§ 29-38 Rn. 72; Söfker in EZBK, BauGB, 139. EL August 2020, § 35 Rn. 185).
Der sich aus § 35 BauGB ergebende Grundsatz der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs und dessen Freihaltung von außenbereichsfremden Vorhaben besteht hingegen ausschließlich im öffentlichen Interesse, welches durchzusetzen die Kläger kein Mandat haben (Söfker in EZBK, BauGB, 139. EL August 2020, § 35 Rn. 185).
Das Rücksichtnahmegebot wird aktiviert, „wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist“ (BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5/12 – NVwZ 2014, 370 Rn.21). Die Anforderungen, die das Rücksichtnahmegebot an die Zulässigkeit des Vorhabens stellt, hängen wesentlich von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des durch das Vorhaben Betroffenen ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, desto weniger muss er sich in Rücksichtnahme üben. Es ist also darauf abzustellen, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 15; B.v. 5.4.2019 – 15 ZB 18.1525 – BeckRS 2019, 7160 Rn. 9).
Soweit die Kläger geltend machen, durch die Maschinenhalle des Beigeladenen würden sie in Folge von Fahrbewegungen vermehrt schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt, ist grundsätzlich ein drittschützender Belang berührt, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Allerdings wird klägerseits nicht substantiiert dargelegt, dass die Schädlichkeitsgrenze des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB i.V.m. § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG überschritten wird. Vielmehr beschränken sich die Kläger auf die pauschale Behauptung schädlicher Umwelteinwirkungen und treten der Angabe des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung, Aus- und Einfahrbewegungen würden circa alle zwei bis drei Tage einmal erfolgen, nicht entgegen.
Hinsichtlich der durch die Kläger vorgebrachten Einschränkung des freien Blicks in die Landschaft durch die Maschinenhalle des Beigeladenen, ist zum einen auf die von vorneherein absolut untergeordnete Bedeutung der Bewahrung der freien Aussicht im Rahmen des Rücksichtnahmegebots zu verweisen (vgl. etwa VG München, U.v. 15.4.1999 – M 11 K 98.2709 – juris Rn. 44; VG Regensburg, U.v. 28.3.2001 – RO 14 K 00.911 – juris Rn. 32; VG Saarlouis, U.v. 8.12.2010 – 5 K 333/10 – juris Rn. 53 f.; restriktiv auch BayVGH, B.v. 8.8.2016 – 9 ZB 14.2808 – juris Rn. 6; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 139. EL Oktober 2020, Art. 66 Rn. 441 ff.). Das Rücksichtnahmegebot schützt gerade nicht vor jeglicher Verschlechterung der Sicht vom eigenen Grundstück oder Wohngebäude (BayVGH, B.v. 8.8.2016 – 9 ZB 14.2808 – juris Rn. 6); dies ist ein grundsätzlich hinzunehmendes allgemeines Lebensrisiko, so ärgerlich es für die Kläger persönlich auch sein mag. Alleine wenn sich die Belastung durch die angegriffene Bebauung so sehr verdichtet, dass ihr in der Gesamtschau eine „erdrückende“ oder „abriegelnde“ Wirkung zukommt (BayVGH, B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 12), lässt sich das Rücksichtnahmegebot in Stellung bringen. Dies kann vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden anzunehmen sein (BayVGH, B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 12). Bejaht hat die Rechtsprechung eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots etwa für ein 12-geschossiges Gebäude in einer Entfernung von 15 Metern zum 2 ½-geschossigen Nachbarwohnhaus (BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris Rn. 32 ff.) oder für drei 11,5 Meter hohe Düngekalksilos im Abstand von 6 Metern zu einem 2-geschossigen Wohnhaus (BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34/85 – juris Rn. 12 ff.). Angesichts des über 60 m großen Abstandes zwischen den Grundstücken der Kläger und des Beigeladenen und den Abmessungen der Maschinenhalle von 15 m x 10 m x 7,5 m ist eine erdrückende Wirkung fernliegend und die Schwelle einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots nicht ansatzweise erreicht.
Soweit die Kläger schließlich anbringen, dass Belange des Naturschutzes und die natürliche Eigenart der Landschaft und ihr Erholungswert massiv beeinträchtigt würden, überdies das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet werde und schließlich die Entstehung einer Splittersiedlung zu befürchten sei, berufen sie sich auf alleine im öffentlichen Interesse stehende und nicht nachbarschützende Belange der § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5, Nr. 7 BauGB. Diese können sie jedoch nicht, gleichsam als Anwälte des Gemeinwohls, geltend machen.
d) Da nach dem Vorstehenden keine Rechtsverletzung der Kläger durch die Baugenehmigung vom 25. Juni 2019 festgestellt werden kann, geht schon deshalb deren Vorbringen, die Baugenehmigung sei nicht nur rechtswidrig, sondern gemäß Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG nichtig, ins Leere. Denn selbst wenn dem so wäre, wären die Kläger dadurch nicht im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in ihren Rechten verletzt. Dies ist aber, geht man mit der überwiegenden Ansicht von der Möglichkeit einer Anfechtungsklage mit dem Ziel der Aufhebung auch gegen einen nichtigen Verwaltungsakt aus (so Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 15; Schmidt-Kötters in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 55. Ed. 1.10.2019, § 42 Rn. 21; vgl. auch BSG, U.v. 23.2.1989 – 11/7 RAr 103/87 – NVwZ 1989, 902), Voraussetzung für den Klageerfolg.
Davon abgesehen ist die Baugenehmigung vom 25. Juni 2019 nicht gemäß Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG nichtig. Nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss der dem Verwaltungsakt anhaftende Fehler diesen schlechterdings unerträglich, das heißt mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lassen (BVerwG, B.v. 16.9.2015 – 4 VR 2/15 u.a. – juris Rn. 9). Die unrichtige Anwendung der in Frage kommenden Rechtsvorschriften führt grundsätzlich nicht sogleich zur Nichtigkeit, diese ist nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (BVerwG, U.v. 17.10.1997 – 8 C 1/96 – NVwZ 1998, 1061, 1062).
Die so beschriebene Hürde überschreitet die Baugenehmigung vom 25. Juni 2019 nicht. Zwar sprechen durchaus Anhaltspunkte gegen die Genehmigungsfähigkeit der Maschinenhalle des Beigeladenen, die kein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB ist. So steht etwa eine Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbildes im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB als beeinträchtigter öffentlicher Belang gemäß § 35 Abs. 2 BauGB im Raum und dass das Vorhaben des Beigeladenen dem Flächennutzungsplan, der eine Fläche für die Landwirtschaft vorsieht, die der Beigeladene aber gerade nicht betreibt, widerspricht, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Allerdings ergibt hieraus kein besonders schwerwiegender und offenkundiger Fehler der Baugenehmigung. Denn die Bejahung einer Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbildes nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB setzt voraus, dass mit der Errichtung des Vorhabens der städtebauliche und landschaftliche Gesamteindruck erheblich gestört würde, mit anderen Worten, dass das Bauvorhaben dem Orts- oder Landschaftsbild in ästhetischer Hinsicht grob unangemessen ist und auch von einem für ästhetische Eindrücke offenen Betrachter als belastend empfunden wird (BayVGH, U.v. 9.8.2007 – 25 B 05.1341 – juris Rn. 27). Dem ist jedenfalls nicht offenkundig so, da die Maschinenhalle des Beigeladenen noch im näheren räumlichen Zusammenhang mit der Bebauung des Ortes … errichtet wurde und von ihrer äußeren Erscheinung her nicht untypisch für regional übliche Gebäude dieser Art ist. Zudem ist der Freiflächengestaltungsplan vom 25. April 2019 Bestandteil der Baugenehmigung, der eine Eingrünung der Halle vorsieht. Auch kein besonders schwerwiegender und offenkundiger Fehler ist der mögliche Widerspruch der Maschinenhalle des Beigeladenen zum Flächennutzungsplan gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Zwar handelt es sich nur um ein sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB, gleichwohl kommt der Festsetzung von Flächen für die Landwirtschaft im Flächennutzungsplan auch für sonstige Vorhaben nicht ohne Weiteres eine Bedeutung bei deren Beurteilung zu, da diese Darstellung häufig nur zum Ausdruck bringen soll, dass die Gemeinde insoweit eine städtebauliche Entwicklung nicht beabsichtigt (Söfker in EZBK, BauGB, 139. EL August 2020, § 35 Rn. 80, spricht auch von einer „Auffangfunktion“ einer derartigen Festsetzung). Die ebenfalls vorgebrachte drohende Entstehung einer Splittersiedlung als beeinträchtigter öffentlicher Belang nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB ist nicht offenkundig zu befürchten, da das Vorhaben des Beigeladenen in der West-Ost-Achse etwa auf Höhe des klägerischen Anwesens steht und im Übrigen noch einen gewissen räumlichen Zusammenhang zur Innenbereichsbebauung von …, insbesondere der sonstigen Bebauung auf dem Grundstück des Beigeladenen, aufweist. Insofern ist eine negative Vorbildwirkung des Vorhabens eher fernliegend und unwahrscheinlich, dass mit diesem ein Vorgang der Zersiedelung eingeleitet wird, auch weil es sich nicht um ein Wohngebäude handelt, dem diese Gefahr typischerweise innewohnt (vgl. Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 35 Rn. 93 f. m.w.N.). Nach alldem lässt sich allenfalls eine objektive Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung vom 25. Juni 2019 annehmen, die sich jedoch keinesfalls zu deren Nichtigkeit gemäß Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG verdichtet.
e) Weitere die Kläger schützende und im Rahmen des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 59 BayBO zu prüfende Normen, die verletzt sein könnten, sind nicht ersichtlich und klägerseits auch nicht vorgetragen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO. Nachdem sich der Beigeladene nicht durch einen eigenen Antrag am Verfahren beteiligt und sich damit nicht dem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 ZPO. Von der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO wurde abgesehen, da Kostengläubiger eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (Freistaat Bayern) ist und daher die Einbringlichkeit der Kostenforderungen in jedem Fall gesichert erscheint, sollten die Kläger mit einem etwaigen Rechtsmittel obsiegen.


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