Baurecht

Nachbarschutz gegen Befreiung von den Festsetzung des Bebauungsplans zur Gebäudehöhe von Grenzgaragen

Aktenzeichen  W 4 K 16.500

Datum:
20.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 122433
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Halbsatz 1 BayBO Art. 68 Abs. 1 Satz 1
BayBO Art. 59 Satz 1
BauNVO § 12 Abs. 2
BauGB § 31 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Bei einer Befreiung von einer Festsetzung, die nicht (auch) den Zweck hat, die Rechte der Nachbarn zu schützen, sondern nur dem Interesse der Allgemeinheit an einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung dient, richtet sich der Nachbarschutz nach den Grundsätzen des im Tatbestandsmerkmal „unter Würdigung nachbarlicher Interessen“ enthaltenen Rücksichtnahmegebots. (Rn. 22 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Nachbarrechte werden in diesem Fall nicht schon dann verletzt, wenn die Befreiung objektiv rechtswidrig ist, sondern nur, wenn der Nachbar durch das Vorhaben infolge der zu Unrecht erteilten Befreiung unzumutbar beeinträchtigt wird (hier verneint für Befreiung von den Festsetzungen zur Gebäudehöhe für eine Grenzgarage). (Rn. 22 – 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens gesamtschuldnerisch zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 1. April 2016 ist unbegründet, da die Kläger durch die streitgegenständliche Genehmigung nicht in drittschützenden Rechten verletzt werden, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dabei ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung zudem nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen ist, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtsschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung dieses Vorhabens zu suchen (vgl. BVerwG, B.v. 16.1.1997 – 4 B 244/96, NVwZ 1998, 58 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08.2132 – juris Rn. 3).
2. Da das beantragte Bauvorhaben keinen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO darstellt, wurde es zu Recht im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gemäß Art. 59 BayBO genehmigt. Da keine Abweichungen im Sinne des Art. 63 BayBO beantragt oder erteilt wurden und die Baugenehmigung auch nicht andere öffentlich-rechtliche Entscheidungen substituiert, umfasst der Prüfungsmaßstab für das streitgegenständliche Vorhaben gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO nur die Übereinstimmung des Vorhabens mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB sowie den Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinne des Art. 81 Abs. 1 BayBO.
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend nach § 30 Abs. 1 BauGB, da das Vorhaben im Geltungsbereich des Bebauungsplans „… K …weg Teil …“ der Gemeinde R … vom 27. März 2003 i.d.F. der 1. Änderung vom 18. März 2010 ausgeführt werden soll. Damit ist das Vorhaben nach § 30 Abs. 1 BauGB nur zulässig, wenn es den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
2.1. Das Vorhaben der Beigeladenen ist nach der Art der baulichen Nutzung im allgemeinen Wohngebiet zulässig. Nach § 12 Abs. 2 BauNVO sind in allgemeinen Wohngebieten Stellplätze und Garagen nur für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig. Der Bedarf ist lediglich abstrakt auf das jeweils genutzte Grundstück zu beziehen. Es genügt, wenn die Garage den Bewohnern bzw. Nutzern des Baugrundstücks oder eines bestimmten Grundstücks in der Nähe dient (Simon/Busse, BayBO, 123. EL August 2016, Art. 6 Rn. 503). Genehmigt ist vorliegend eine Doppelgarage, bestehend aus zwei Garagenstellplätzen, die zulässig ist für Kraftfahrzeuge und auch für Wohnmobile oder Campingbusse (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 122. EL August 2016, § 12 BauNVO Rn. 30). Dabei ist es unbeachtlich, dass sich ausschließlich das Garagengebäude mit dem Abstell- und Lagerraum im Untergeschoss auf dem Baugrundstück befindet. Baugrundstücke können ausschließlich zur Unterbringung von Kraftfahrzeugen genutzt werden; entscheidend ist die Zweckbestimmung der Anlage, privaten Ein- und Abstellbedürfnissen zu dienen (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 122. EL August 2016, § 12 BauNVO Rn. 38). Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben bestehen gegen die Errichtung der streitgegenständlichen Garage in Bezug auf § 12 Abs. 2 BauNVO keine Bedenken. Die Beigeladenen wohnen in unmittelbarer Nachbarschaft (Fl.Nr. …7) zum Baugrundstück. Es ist daher davon auszugehen, dass die Garage dem Bedarf der Beigeladenen dient. Ferner ist der Baukörper in Größe und in seinen Abmessungen durch den zulässigen Nutzungszweck bedingt. Einer hiervon abweichenden Nutzung steht zum einen der Umfang der Baugenehmigung, die keine gewerbliche Nutzung beinhaltet, zum anderen § 12 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO entgegen, wonach in allgemeinen Wohngebieten Stellplätze und Garagen für Kraftfahrzeuge mit einem Eigengewicht über 3,5 Tonnen sowie für Anhänger dieser Kraftfahrzeuge unzulässig sind. Eine hiervon abweichende Nutzung ist nicht genehmigt; etwaige Verstöße hiergegen sind allenfalls bauaufsichtlich zu würdigen.
2.2. Für eine Unzulässigkeit des Vorhabens gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 bzw. Satz 2 BauNVO bestehen keine Anhaltspunkte. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass von der im Rahmen des § 12 Abs. 2 BauNVO zulässigen Nutzung der Garage unzumutbare Belästigung für die Nachbarn, etwa in Form von besonders gearteten Lärmimmissionen, ausgehen.
2.3. Ein Verstoß gegen die Vorgaben des Bebauungsplans ist auch insoweit nicht zu verzeichnen, als die Gestaltung und die Dachform der Garage betroffen sind. Ziffer 5.1.3 des Bebauungsplans sieht vor, dass „zusammengebaute Grenzgaragen in Dachform und Gestaltung einander anzupassen“ sind. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat im Beschluss vom 1. Dezember 2010 (Az. 9 CS 10.2332) im Rahmen der Auslegung von Ziffer 5.1.3 festgestellt, dass die dort geregelte Anpassungspflicht nicht bedeutet, dass nur ein profilgleicher Anbau zulässig ist. Insofern ist schon kein Verstoß gegen die Vorgaben des Bebauungsplans ersichtlich, da vorliegend bezüglich der Dachgestaltung bergseitig eine Deckungsgleichheit der Garagendächer, talseitig nur eine geringfügige Abweichung aufgrund des abweichenden Neigungswinkels besteht. Abgesehen davon können sich die Kläger als Nachbarn hierauf nicht berufen, da die textliche Festsetzung Ziffer 5.1.3 nicht dem Nachbarschutz dient, sondern ausschließlich „gestalterische Ziele im Hinblick auf das Ortsbild in der besonderen Hangsituation“ verfolgt (BayVGH, B.v. 1.12.2010 – 9 CS 10.2332 – juris Rn. 5).
2.4. Bezüglich der Überschreitung der Wandhöhen bergseits und talseits ist im Übrigen eine Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB von den Festsetzungen des Bebauungsplans in Ziffer 5.1.4 erteilt worden, so dass die Frage der Beeinträchtigung des Nachbarn über § 31 Abs. 2 BauGB erfasst wird. Es ist nicht ersichtlich, dass die Kläger aufgrund der den Beigeladenen erteilten Befreiungen (§ 31 Abs. 2 BauGB) von den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Wandhöhe in subjektiven Rechten verletzt werden.
2.4.1.
Bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung ist der Nachbar schon dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, weil eine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt ist (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – BauR 2013, 2011). Bei einer Befreiung von einer Festsetzung, die nicht (auch) den Zweck hat, die Rechte der Nachbarn zu schützen, sondern nur dem Interesse der Allgemeinheit an einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung dient, richtet sich der Nachbarschutz nach den Grundsätzen des im Tatbestandsmerkmal „unter Würdigung nachbarlicher Interessen“ enthaltenen Rücksichtnahmegebots (§ 31 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Nachbarrechte werden in diesem Fall nicht schon dann verletzt, wenn die Befreiung objektiv rechtswidrig ist, sondern nur, wenn der Nachbar durch das Vorhaben infolge der zu Unrecht erteilten Befreiung unzumutbar beeinträchtigt wird (vgl. BVerwG, B.v. 8.7.1998 – 4 B 64.98 – NVwZ-RR 1999, 8). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe verletzt die Befreiung keine Rechte der Kläger.
2.4.2.
Vorliegend geht die Kammer wie bereits im Verfahren W 4 S. 10.876 (bestätigend BayVGH, B.v. 1.12.2010 – 9 CS 10.2332 – juris Rn. 5) davon aus, dass die Festsetzung des einschlägigen Bebauungsplans zur straßenseitigen Wandhöhe (bergseitige Traufhöhe 3,00 m) nicht nachbarschützend ist. Entsprechendes gilt jedoch auch für die talseitige Wandhöhe (6,00 m gemessen von festgelegtem Gelände). Festsetzungen im Bebauungsplan über das Maß der baulichen Nutzung haben grundsätzlich keine automatische nachbarschützende Funktion. Solche Festsetzungen vermitteln ausnahmsweise Drittschutz nur dann, wenn sie nach dem Willen der Gemeinde als Planungsträgerin diese Funktion haben sollen (vgl. BVerwG, B.v. 19.10.1995 – 4 B 215.95 – NVwZ 1996, 888 = juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 29.8.2006 – 15 CS 06.1943 – juris Rn. 12; B.v. 29.8.2014 – 15 CS 14.615 – juris Rn. 24 ff.; B.v. 1.8.2016 – 15 CS 16.1106 – juris Rn. 17). Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln. Ein entsprechender Wille muss sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Bebauungsplan selbst, aus seiner Begründung oder auch aus sonstigen Vorgängen im Zusammenhang mit der Planaufstellung ergeben. Maßgebend ist, ob die Festsetzung auf Basis einer wertenden Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs nach dem Willen des Plangebers ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen wurde oder (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll (zum Ganzen z.B. BayVGH, B.v. 29.7.2014 – 9 CS 14.1171 – juris Rn. 15; B.v. 12.7.2016 – 15 ZB 14.1108 – juris Rn. 11; VGH BW, B.v. 30.6.2015 – 3 S 901/15 – juris Rn. 10).
Aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich nicht, dass die oben näher bezeichneten Festsetzungen zur Wandhöhe von Garagen als nachbarschützend gewollt waren. Dem Bebauungsplan und seiner Begründung lässt sich kein Anhalt für eine nachbarschützende Funktion der Festsetzung über die Wandhöhe der Wohngebäude und Garagen entnehmen. Dies gilt insbesondere auch für die Festsetzung zur talseitigen Wandhöhe, da der Bebauungsplan mit seiner Begründung keine Unterscheidung hinsichtlich der Ausrichtung der jeweiligen Wand trifft. Die Begründung zum Bebauungsplan spricht einheitlich ausschließlich davon, dass die Festsetzungen zur Wandhöhe (und weiterer Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung) deshalb getroffen worden seien, „um den gewünschten Gebietscharakter und den Gestaltungswillen der Gemeinde R … zu erreichen“ und um „eine Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes zu vermeiden“ (vgl. Begründung zum Bebauungsplan „… K …weg Teil …“, unter Ziffer 4. Planungsrechtliche Festsetzungen). Insofern werden ausschließlich gestalterische Zwecke verfolgt.
2.4.3.
Wenn von nicht nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans gemäß § 31 Abs. 2 BauGB befreit worden ist, hat der Nachbar über die das Rücksichtnahmegebot konkretisierende „Würdigung nachbarlicher Interessen“ hinaus keinen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung oder Einhaltung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB (BVerwG, B.v. 8.7.1998 – 4 B 64/98, BayVBl. 1999, 26 – juris Rn. 5). Es ist folglich nicht entscheidungserheblich, ob durch die erteilte Befreiung die Grundzüge der Planung berührt werden oder eine städtebauliche Vertretbarkeit gegeben ist.
Die im streitgegenständlichen Bescheid enthaltene Befreiung wegen Überschreitung der Wandhöhen ist gegenüber dem klägerischen Anwesen nicht rücksichtslos. Das Gebot der Rücksichtnahme (grundlegend BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22/75 – BVerwGE 52, 122) soll einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten. Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen im Wesentlichen von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Die vorzunehmende Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dies beurteilt sich nach der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmeberechtigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, die er mit dem Vorhaben verfolgt, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist demnach nur dann verletzt, wenn die dem Kläger aus der Verwirklichung des geplanten Vorhabens resultierenden Nachteile das Maß dessen übersteigen, was ihm als Nachbarn billigerweise noch zumutbar ist (Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 35 Rn. 78).
In der Rechtsprechung ist insbesondere anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78; B.v. 20.9.1984 – 4 B 181/84; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34/85 – alle juris). Ob dies der Fall ist, hängt ganz wesentlich von der konkreten Situation im Einzelfall ab. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78, DVBl. 1981, 928 – juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34/85, NVwZ 1987, 34 – juris Rn. 15: drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen; vgl. auch BayVGH, B.v. 10.12.2008 – 1 CS 08.2770, BayVBl. 2009, 751 – juris Rn. 23; B.v. 5.7.2011 – 14 CS 11.814 – juris Rn. 21). Ein solcher Fall ist offensichtlich nicht gegeben.
Ebenso sind wesentliche Beeinträchtigungen der Belichtung, Besonnung und Belüftung des Grundstücks der Kläger nicht zu verzeichnen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Nachbar unter dem Blickwinkel ausreichender Belichtung und Besonnung grundsätzlich keine Rücksichtnahme verlangen, die über den Schutz des landesrechtlichen Abstandsflächenrechts hinausgeht (BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215.96 – BRS 58 Nr. 164). Diesbezüglich wird darauf verwiesen, dass sich hier die Grenzbebauung auf eine Länge von rund 8,00 m erstreckt, Grenzgaragen aber mit einer Länge von 9,00 m zulässig sind (Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO). Aber auch die Höhenentwicklung des Bauvorhabens führt nach Ansicht der Kammer nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der nachbarlichen Interessen. Zwar weist die streitbefangene Grenzgarage im Vergleich zu der genehmigten Ausführung durch Baugenehmigung vom 13. Juli 2010, die Gegenstand der Verfahren W 4 S. 10.876 und 9 CS 10.2332 war, eine geringere Dachneigung und damit eine Erhöhung der talseitigen Wand auf. Doch ergeben sich dadurch keine Änderungen, die zu einer grundlegenden abweichenden Bewertung im Hinblick auf das Rücksichtnahmegebot führen könnten. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger kann auch hierdurch nicht erkannt werden.
Eine geringfügige Beeinträchtigung der Besonnung und Belichtung von Teilen des Grundstücks der Kläger ist wohl gegeben. Entscheidend ist jedoch – und insoweit hält die Kammer an den Ausführungen im Beschluss vom 25. August 2010 (Az. W 4 S. 10.876) fest -, dass Wohnräume der Kläger nur marginal betroffen sind. Denn die Fenster der Wohnräume sind mindestens 7,00 m von der Grundstücksgrenze entfernt und überwiegend Richtung Süden bzw. Osten ausgerichtet. Soweit der im 1. Untergeschoss genehmigte Küchenraum der Kläger betroffen ist, ist festzuhalten, dass dieser nach den Plänen zur Baugenehmigung vom 27. Juni 1991 zur Grundstücksgrenze einen Abstand von 3,00 m einhält, so dass eine ausreichende Belüftung und Besonnung gewährleistet ist. Ferner führt die Grenzbebauung durch die Garage nicht dazu, dass zusätzliche unzumutbare Einsichtsmöglichkeiten auf das Grundstück der Kläger entstehen. Die Garage erhält zwar zwei in Richtung Süden ausgerichtete Fensteröffnungen, eine Nutzung als Wohnraum ist jedoch insoweit ausgeschlossen.
Soweit eine rein visuelle Beeinträchtigung der Kläger durch den Garagenbau der Beigeladenen geltend gemacht wird, reicht das nicht für die Annahme eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Drittschutz besteht nur dann, wenn die Befreiung als rücksichtslose Zurücksetzung der Nachbarinteressen zu werten ist, weil das zugelassene Vorhaben als unzumutbar qualifiziert werden kann (vgl. OVG des Landes Sachsen-Anhalt, B.v. 12.12.2011 – 2 M 162/11 – BauR 2012, 756). Hierfür sieht die Kammer nach dem soeben Ausgeführten keine Anhaltspunkte.
3. Die Klage war nach alldem mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO abzuweisen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst, denn die Beigeladenen haben keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit nicht einem Kostenrisiko ausgesetzt (vgl. §§ 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. 154 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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