Baurecht

Natürliche Geländeoberfläche als Bezugspunkt der Höhenfestsetzungen in Bebauungsplan

Aktenzeichen  RN 6 K 16.40

Datum:
9.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 134880
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 2, § 34 Abs. 1
BayBO Art. 54 Abs. 1 S. 1, Art. 58 Abs. 2 Nr. 4, § 68 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Die natürliche Geländeoberfläche ist jedenfalls dann, wenn in der Planzeichnung die Höhenlinien des „Urgeländes“ eingezeichnet sind, ein hinreichend bestimmter Bezugspunkt für Festsetzungen eines Bebauungsplans. Unter einer „natürlichen Geländeoberfläche“ ist dabei die gewachsene und für einen längeren Zeitraum nicht durch Aufschüttungen oder Abgrabungen veränderte Oberfläche eines Grundstücks zu verstehen. Der Bestimmtheit der Festsetzung steht auch nicht entgegen, dass das natürliche Gelände tatsächlich verändert werden kann.   (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar, für die Beigeladene jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages.

Gründe

I.
Die Klage ist als Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zulässig, weil über den Bauantrag des Klägers ohne zureichenden Grund in angemessener Form nicht sachlich entschieden worden ist. Die in § 75 Satz 2 VwGO normierte Dreimonatsfrist ist eingehalten.
II.
Die Klage ist jedoch nicht begründet Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung der beantragten Baugenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage. Er ist durch die Nichterteilung der beantragten Baugenehmigung nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Richtiger Beklagter ist vorliegend der Freistaat Bayern gemäß § 78 Nr.1 VwGO. Die Beigeladene hat gemäß Art. 58 Abs. 2 Nr. 4 BayBO fristgerecht erklärt, dass das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden soll und die Unterlagen an das Landratsamt Landshut weitergeleitet. Für die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren ist dann gemäß Art. 54 Abs. 1 Satz 1 BayBO das Landratsamt Landshut als Kreisverwaltungsbehörde zuständig, so dass der Freistaat Bayern im Rahmen einer Verpflichtungsklage auf Erteilung der Baugenehmigung passivlegitimiert ist (vgl. Art. 54 Abs. 1 BayBO).
2. Das Bauvorhaben des Klägers ist nicht genehmigungsfähig.
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren prüft die Bauaufsichtsbehörde die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB (Art. 59 Satz 1 Nr.1 BayBO), beantragte Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 BayBO (Art. 59 Satz 1 Nr.2 BayBO) und andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird (Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO).
2.1. Da das klägerische Bauvorhaben im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „…“ der Gemeinde … liegt, richtet sich die Zulässigkeit des Vorhabens grundsätzlich nach § 30 Abs. 1 BauGB. Danach ist ein Vorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplanes zulässig, wenn es den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
a) Das klägerische Bauvorhaben widerspricht hinsichtlich der Wandhöhe den Festsetzungen der Ziffer 2.3.1 des Bebauungsplanes „…“. Da das vom Kläger geplante Einfamilienhaus talseitig mit einer Wandhöhe von 8,09 m errichtet werden soll, wird die im Bebauungsplan „…“ festgesetzte zulässige Wandhöhe von 6,50 m um 1,59 m überschritten.
b) Entgegen der Ansicht des Klägers können dem klägerischen Bauvorhaben die Festsetzungen der Ziffer 2.3.1 zur zulässigen Wandhöhe des Bebauungsplans „…“ auch entgegengehalten werden, da diese wirksam sind.
Nach Ansicht des Gerichts ist die Festsetzung der „natürlichen Geländeoberfläche“ hinreichend bestimmt und damit als unterer Bezugspunkt für die Höhenfestsetzung zulässig. Insoweit folgt das Gericht nicht der vom Kläger zitierten Entscheidung des VG München vom 24.8.2010. Diese lässt sich schon deshalb nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen, weil dort – im Gegensatz zum streitgegenständlichen Verfahren – nicht über die Zulässigkeit des Bezugspunktes „natürliche Geländeoberfläche“, sondern über die Zulässigkeit des Bezugspunktes „Oberkante Rohboden“ zu entscheiden war (VG München, U.v.24.8.2015 – M 1 K 10.1525 – juris, Rn. 24).
Die natürliche Geländeoberfläche ist vielmehr jedenfalls dann, wenn in der Planzeichnung die Höhenlinien des „Urgeländes“ eingezeichnet sind, ein hinreichend bestimmter Bezugspunkt für Festsetzungen eines Bebauungsplans (BayVGH, U.v. 27.4.2010 – 1 N 08.2703 – juris, Rn. 32). Unter einer „natürlichen Geländeoberfläche“ ist dabei die gewachsene und für einen längeren Zeitraum nicht durch Aufschüttungen oder Abgrabungen veränderte Oberfläche eines Grundstücks zu verstehen (BayVGH, U.v.2.3.1998 – 20 B 97.912 – juris). Der Bestimmtheit der Festsetzung steht auch nicht entgegen, dass das natürliche Gelände tatsächlich verändert werden kann. Es reicht vielmehr aus, dass die natürliche Geländeoberfläche als unterer Bezugspunkt auch bei tatsächlichen Veränderungen für alle Planbetroffenen bestimmbar bleibt (BayVGH, U.v. 27.04.2010). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn wie beim vorliegenden Bebauungsplan der Gemeinde …, in der Planzeichnung die Höhenlinien im Abstand von 0,5 m Höhe über NN eingezeichnet sind und für jedes Grundstück zusätzlich ein Bezugspunkt mit einer exakten Höhenangabe angegeben ist. Daher sind im streitgegenständlichen Fall größere Schwierigkeiten bei der Feststellung der Geländeoberfläche nicht zu erwarten. Unschädlich ist dabei, dass möglicherweise keine zentimetergenauen Bestimmungen getroffen werden können.
Auch die Tatsache, dass nach Ziffer 7.6 des Bebauungsplans Abgrabungen und Aufschüttungen bis maximal 1,0 m zulässig sind, führt zu keiner anderen Bewertung. Denn auch im Einzelfall vorgenommene Aufschüttungen oder Abgrabungen eines Bauherrn ändern nichts daran, dass der natürliche Geländeverlauf als solcher – wie beim vorliegenden Bebauungsplan aufgrund der eingezeichneten Höhenlinien – auch im Nachhinein nachvollzogen werden kann (OVG Koblenz, U.v. 20.02.2014 – 1 C 10824/13 – juris, Rn. 45).
c) Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus den vom Kläger vorgetragenen Bezugsfällen in der Umgebung. Der Kläger kann sich im vorliegenden Verfahren nicht auf den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG berufen. Denn selbst wenn die Bezugsfälle möglicherweise zum Teil zu Unrecht im Genehmigungsfreistellungsverfahren errichtet worden sein sollten, weil die Voraussetzungen des Art. 58 Abs. 2 Nr. 2 BayBO nicht vorgelegen hätten, besteht nach Art. 3 GG kein Anspruch auf Fortsetzung rechtswidriger Entscheidungen, da es keinen Anspruch auf „Gleichbehandlung im Unrecht“ gibt.
2.2 Die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB kommt vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, da der Kläger einen entsprechenden Antrag nicht gestellt hat.
Im Übrigen sieht das entscheidende Gericht auch keinen Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Befreiung. Denn die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB setzt neben einem der in den § 31 Abs. 2 Nrn. 1-3 BauGB genannten Tatbestandsmerkmale voraus, dass die Erteilung der Befreiung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Im vorliegenden Fall ist nicht davon auszugehen, dass eine Befreiung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar wäre. Denn zum einen betrifft die vom Kläger begehrte Befreiung die Nordseite des von ihm geplanten Gebäudes, wirkt sich also für das nördlich angrenzende Nachbargrundstück auf dessen Südseite aus. Zum anderen fällt das Gelände nach Norden hin ab, so dass das nördlich angrenzende Nachbargrundstück tiefer liegt als das Grundstück des Klägers. Hinzu kommt noch, dass das vom Kläger beabsichtigte Vorhaben die im Bebauungsplan festgesetzte Höhe nicht nur geringfügig, sondern mit 1,59 m ganz erheblich überschreiten würde.
In diesem Zusammenhang begegnet die Praxis der Beigeladenen, das gemeindliche Einvernehmen für eine Befreiung nur in Fällen zu erteilen, in denen die Höhe um nicht mehr als 0,50 m von der Festsetzung im Bebauungsplan abweicht und in denen zusätzlich die Nachbarunterschriften vorliegen, keinen rechtlichen Bedenken.
III.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Es entsprach der Billigkeit, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese einen Antrag gestellt und sich somit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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