Baurecht

Normenkontrollantrag gegen Bebauungsplan, Öffentliche Verkehrsfläche, Dorfgebiet, Erforderlichkeitskeitsgrundsatz, Abwägung

Aktenzeichen  1 N 17.673

Datum:
19.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41389
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47
BauGB § 1 Abs. 3, Abs. 7, 9 Abs. 1 Nr. 11, 215
BauNVO § 5
BImSchV § 2 Abs. 2 16.

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.    
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.     
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.     
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist die Antragstellerin antragsbefugt. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Eine solche Rechtsverletzung kommt regelmäßig in Betracht, wenn sich der Eigentümer eines im Plangebiet liegenden Grundstücks gegen bauplanerische Festsetzungen wendet, die unmittelbar sein Grundstück betreffen. Denn bei den Festsetzungen eines Bebauungsplans handelt es sich um Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinn des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese muss der Eigentümer nur hinnehmen, wenn der Bebauungsplan rechtmäßig ist (vgl. BVerwG, B.v. 20.9.2005 – 4 BN 46.05 – BauR 2006, 352). Daran gemessen ist die Antragstellerin als Eigentümerin eines Grundstücks, das durch die Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche im Bebauungsplan unmittelbar betroffen ist, antragsbefugt.
2. Der Antrag ist nicht begründet. Die städtebauliche Planung steht nicht im Widerspruch zu dem Gebot der Erforderlichkeit der Bauleitplanung gemäß § 1 Abs. 3 BauGB (2.1). Beachtliche Abwägungsfehler liegen nicht vor. (2.2).
2.1. Der Bebauungsplan mit seinen Festsetzungen ist für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderlich.
Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Was in diesem Sinn erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde. Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinden, diejenige Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen entspricht. Nicht erforderlich sind danach Pläne, die nicht dem wahren Willen der Gemeinde entsprechen, bei denen also zwischen Planungswillen und Planungsinhalt eine Diskrepanz besteht, sowie Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist ferner verletzt, wenn ein Bebauungsplan aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt. In dieser Auslegung wird der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke gesetzt, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Die Frage der Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit planerischer Festsetzungen unterliegt der Abwägungskontrolle und darf nicht zum Maßstab der städtebaulichen Rechtfertigung gemacht werden. Die Gemeinde betreibt bereits dann städtebauliche Planung, wenn sie sich im Rahmen ihrer durch Planungsziele konkretisierten eigenen städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen hält und den Festsetzungen in Bezug auf diese Ziele Förderpotential zukommt (vgl. BVerwG, B.v. 25.7.2017 – 4 BN 2.17 – juris Rn. 3; U.v. 10.9.2015 – 4 CN 8.14 – BVerwGE 153, 16; U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – NVwZ 2015, 1537). Sie ist gemäß § 1 Abs. 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB grundsätzlich auch befugt, durch bauplanerische Festsetzungen im Rahmen der Selbstverwaltung eine gemeindliche „Verkehrspolitik“ zu betreiben (vgl. BVerwG, B.v. 26.1.2010 – 4 B 43.09 – BauR 2010, 871; U.v. 7.6.2001 – 4 CN 1.01 – BVerwGE 114, 301; U.v. 28.1.1999 – 4 CN 5.98 – BVerwGE 108, 248; B.v. 22.4.1997 – 4 BN 1.97 – NVwZ-RR 1998, 217; U.v. 26.8.1993 – 4 C 24.91 – BVerwGE 94, 100).
Nach diesen Maßgaben liegt ein Verstoß gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht vor. Städtebauliches Ziel der Antragsgegnerin ist es, die Straße, die in ihrem bisherigen Verlauf mehrere Engstellen aufweist, in einer ortsüblichen Breite auszubauen und im Bereich der gemeindlichen Grundstücke FlNr. … … … … vom S … abzurücken und nach Osten zu verlegen, um den Vorplatzbereich vor dem S … übersichtlicher und verkehrssicherer zu gestalten. Wie sich der Senat im Rahmen des Augenscheins vergewissern konnte, reicht der bisherige Straßenverlauf im Bereich des S … bis unmittelbar an den Eingangsbereich heran. Der Augenschein hat weiter die bereits auf den Lageplänen ersichtlichen Engstellen bestätigt. Im Bereich zwischen den Grundstücken FlNr. … (nunmehr FlNr. …3, …) und FlNr. …1 befindet sich eine nur ca. 4,20 m breite Engstelle, die sich insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Straße dort von Fußgängern auf dem Weg zum S … von den Parkplätzen im Bereich der Straße „R …“ benutzt wird, an verkehrsstarken Sommertagen aus Verkehrssicherheitsgründen als problematisch erweist. Weiter verlief die Straße im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses im Bereich der Grundstücke FlNr. … … im Wesentlichen über rechtlich nicht gesicherten Privatgrund, die öffentlich gewidmete Fläche wies dort nur eine unzureichende Straßenbreite von 2,80 m auf. Es liegen somit ausreichende städtebauliche Ziele für die Planung vor. Die Dimensionierung der Verkehrsfläche mit einer Breite von 6 m hält sich im Rahmen des planerischen Ermessens der Antragsgegnerin (vgl. BVerwG, B.v. 15.1.2008 – 9 B 7.07 – NVwZ 2008, 675) und berücksichtigt die als Orientierungshilfe dienende Empfehlung der Richtlinien für die Anlage von Straßen (RASt 06) (zu deren Bedeutung als sachverständige Orientierungshilfe im Planungsverfahren vgl. BayVGH, U.v. 31.7.2014 – 1 N 12.1044 – juris Rn. 26; U.v. 8.7.2021 – 15 N 20.1810 – juris Rn. 22). Nach Maßgabe von Nr. 6.1.1.2 RASt 06 werden für Erschließungsstraßen Fahrbahnbreiten von … m bis 5,50 m empfohlen. Hinzu treten noch Flächen für die Fahrbahnbefestigung sowie Grünstreifen und Gehwege. Die festgesetzte Breite der Verkehrsfläche von 6 m bewegt sich damit im unteren Bereich der Anforderungen an eine Erschließungsstraße. Die Antragsgegnerin war auch nicht verpflichtet, die Straßengestaltung im Bebauungsplan festzusetzen, denn die innere Gliederung der festgesetzten Verkehrsflächen obliegt regelmäßig der Ausbauplanung (vgl. BayVGH, U.v. 21.6.2021 – 1 N 19.1031 – juris Rn. 21). Die Frage der Alternativenprüfung ist keine Frage der Erforderlichkeit, sondern der Abwägung (vgl. BayVGH, U.v. 10.12.2020 – 1 N 16.682, 896 – Rn. 30). Der Einwand, dass der Ausbau zur Erschließung der Anlieger nicht erforderlich sei, lässt unberücksichtigt, dass auch das S … „Anlieger“ ist und über die auszubauende Straße erschlossen werden soll. Dass das erhöhte Verkehrsaufkommen ausschließlich in den Sommermonaten zu bewältigen ist, lässt die Erforderlichkeit der Planung ebenfalls nicht entfallen, da auch in diesen Zeiten das Verkehrsgeschehen sicher bewältigt werden muss. Soweit im Ergebnis sinngemäß geltend gemacht wird, dass die Planung nicht vernünftigerweise geboten ist, ist bereits fraglich, ob dieser Maßstab, der für Planfeststellungsverfahren mit enteignender Vorwirkung entwickelt wurde, bei dem vorliegenden Bebauungsplan, der auch keine Planfeststellung ersetzt, überhaupt einschlägig ist (ablehnend OVG NW, B.v. 30.12.1997 – 10a D 41.95.NE – juris 34 ff.). Aber auch diesen Maßstab unterstellt, ist die Erforderlichkeit der Planung nach den obigen Ausführungen zu bejahen. Die Planung muss aus verkehrlichen Gründen nicht einem unabweisbaren Bedürfnis entsprechen (vgl. BVerwG, U.v. 27.10.2000 – 4 A 18.99 – BVerwGE 112, 140). Gegen die Erforderlichkeit spricht auch nicht, dass die Antragsgegnerin eine zeitgleiche Planung der Umgestaltung der Parkplätze im Bereich des S … unterlassen hat. Der Verwirklichung des Ausbaus stehen keine Rechtsgründe entgegen, da die Parkplätze nicht als notwendige Stellplätze für das S … genehmigt wurden. Die Antragsgegnerin kann als Eigentümerin der Flächen entsprechende Änderungen der Nutzung vornehmen. Die Gefahr eines funktionslosen Planungstorsos der Straße ohne zeitgleicher Planung der Parkflächen besteht hier angesichts der örtlichen Verhältnisse nicht.
2.2 Der Bebauungsplan erweist sich auch nicht als abwägungsfehlerhaft.
Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und bewerten (§ 2 Abs. 3 BauGB). Denn die Berücksichtigung aller bedeutsamen Belange in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB setzt deren ordnungsgemäße Ermittlung und zutreffende Bewertung voraus (vgl. BVerwG, B.v. 12.6.2018 – 4 B 71.17 – ZfBR 2018, 601). Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – NVwZ 2015, 1537; B.v. 15.5.2013 – 4 BN 1.13 – ZfBR 2013, 573). Der Satzungsgeber muss ebenso wie der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden (vgl. BVerfG, B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – NVwZ 2003, 727). Dies gilt auch für das Verhältnis der von der Planung betroffenen privaten und öffentlichen Belange untereinander. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks muss von der Gemeinde als ein wichtiger Belang privater Eigentümerinteressen in der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung beachtet werden.
Nach diesen Maßgaben liegen weder ein beachtliches Ermittlungs- und Bewertungsdefizit noch Abwägungsmängel vor.
Die Abwägungsentscheidung, dass die Planung nicht zu einer unverhältnismäßigen Lärmbeeinträchtigung führt, ist nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat im Rahmen des Aufstellungsverfahrens eine schalltechnische Untersuchung eingeholt, die nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass mit keiner Überschreitung der Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV zu rechnen ist. Sie hat dies ihrer Abwägung zu Grunde gelegt und ist hiervon ausgehend zu der Entscheidung gelangt, dass die betroffenen Eigentümer nicht in schutzbedürftigen Belangen oder Rechten verletzt werden.
Die eingeholte lärmtechnische Untersuchung begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Die lärmtechnische Untersuchung hat auf der Grundlage der Anlage 1 zu § 3 Satz 1 16. BImSchV (in der bis zum 28.2.2021 gültigen Fassung) und der Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen – RLS-90 – die Lärmberechnung vorgenommen. Die Berechnungsmethoden der im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses maßgeblichen RLS-90 sind nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, U.v. 28.04.2016 – 9 A 9.15 – BVerwGE 155,1). Hinsichtlich der durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke wurde im Sinn einer Worst-Case-Betrachtung der stündliche Spitzenwert an einem Spitzentag in der Hochsaison herangezogen und für die Berechnung der Immissionsbelastungen in der Zeit von 6:00 bis 22:00 Uhr zu Grunde gelegt. Damit wurde die sommerliche Spitzenbelastung für die Lärmberechnung überobligatorisch berücksichtigt und von einer Mittelung des Verkehrsaufkommens über das Kalenderjahr abgesehen. Substantiierte Einwendungen gegen die Lärmberechnung, insbesondere hinsichtlich der angenommenen Verkehrsmenge wurden nicht erhoben und Mängel sind auch nicht ersichtlich. Zwar hat das Gutachten hinsichtlich der Verkehrsmengen auf Verkehrszählungen aus dem Jahr 2002 abgestellt. Es hat allerdings zusätzlich aus dem Verkehrsmengenatlas das stündliche Verkehrsaufkommen auf der Staats straßeST … zwischen M … und S … mit 276 Kfz/h herangezogen, bei der es sich um eine Verbindungsstraße zwischen M … und U … handelt, die eine deutlich höhere Frequentierung aufweist. Weiter hat das Gutachten hinsichtlich der Verkehrsmenge ergänzend ausgeführt, dass im Jahr 2014 an 40 Badetagen insgesamt 11.860 zahlende Gäste registriert worden sind und damit im Durchschnitt an einem Tag mit 297 Gästen im S … zu rechnen sei, die zudem nicht alle einzeln mit dem Pkw kommen. An einem Spitzentag lag das Gästeaufkommen im Schwimmbad bei 1076 Gästen. Für den Senat ist es daher nachvollziehbar, dass die tagsüber angenommene Verkehrsmenge mit einem Stundenwert von 185 Kfz pro Stunde, die zudem für die gesamten 16 Stunden zwischen 6:00 und 22:00 Uhr als Durchschnittswert angesetzt wurde, auf der sicheren Seite liegt, zumal bei der Berechnung zu Gunsten der Antragsteller außer Acht gelassen wurde, dass außerhalb der Badesaison ein deutlich geringeres Verkehrsaufkommen zu erwarten steht. Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass sich durch die Erweiterung der Straße die Verkehrsmenge erhöhen werde, gibt es hierfür keine belastbaren Anhaltspunkte. Es handelt sich auch nach dem Ausbau (nur) um eine Anliegerstraße. Weiter ist es nicht zu beanstanden, dass sich die schalltechnische Untersuchung für das zu erwartende Verkehrsaufkommen auf die in der Vergangenheit bereits praktizierte und bewährte Einbahnregelung in den Sommermonaten stützt. Die Antragsgegnerin beabsichtigt, auch nach Ausbau der Straße an der Einbahnregelung in den Sommermonaten festzuhalten. Dies hat sie zuletzt in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Die Festsetzung einer Einbahnregelung ist im Bebauungsplan nicht möglich. Diese Regelung bleibt dem Straßenverkehrsrecht vorbehalten (vgl. BayVGH, U.v. 21.6.2021 – 1 N 19.1031 – juris Rn. 21 m.w.N.). Ein Verstoß gegen das Gebot der Konfliktbewältigung liegt nicht vor, da die Gemeinde eine entsprechende verkehrsrechtliche Anordnung zur Regelung einer Einbahnstraße – wie sie der schalltechnischen Untersuchung zu Grunde lag – erlassen kann. Es erweist sich auch nicht als abwägungsdefizitär, dass der bereits vorhandene Parkplatz nicht in die schalltechnische Untersuchung einbezogen wurde. Die Antragsgegnerin hat in nicht zu beanstandender Weise die streitgegenständliche Planung auf die Straße beschränkt. Im Hinblick auf die vom zukünftigen Straßenverlauf nicht betroffenen Parkplätze führt die Planung der Straße gegenüber dem Bestand zu keiner Erhöhung der von ihnen ausgehenden Immissionen. Zudem hat die Gutachterin in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargestellt, dass sich bei einer Berücksichtigung der Parkplätze sogar geringere Pegelzunahmen ergeben hätten, da sich der Parkplatz und der Neubau des Straßenabschnitts (teilweise) überlagern würden.
Soweit die Antragstellerin die Schallausbreitungsberechnung nicht als konsistent ansieht, da am Immissionsort IO 3 der künftige Straßenverlauf eine Verbesserung um 2 dB(A) bei der Betrachtung eines „schönen Wochenendes“ aufgrund des dortigen Abrückens der Straße bewirken solle, während bei dem Heranrücken der Straße an das Anwesen der Antragstellerin in einem vergleichbaren Umfang nur eine Mehrbelastung bzw. eine Steigerung von 1 dB(A) angenommen werde, begründet dies keine Zweifel an der Richtigkeit der schalltechnischen Untersuchung. Die schalltechnische Untersuchung hat die Einzelberechnungen für die Immissionsorte dargestellt. Der Hinweis auf eine Verschiebung der Straße im „vergleichbaren Umfang“ vermag die auf der Grundlage der konkreten Daten durchgeführten Berechnung nicht in Zweifel zu ziehen.
Die Antragsgegnerin geht für die Beurteilung der Lärmimmissionen zutreffend davon aus, dass sich das Schutzniveau nach dem für Dorfgebiete vorgesehenen Schutzmaß nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 16. BImSchV in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 2 16. BImSchV richtet. Nach dieser Bestimmung sind Gebiete, für die keine Festsetzungen bestehen, entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit zu beurteilen. Diese Regelung lehnt sich an § 34 BauGB an. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in § 2 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 16. BImSchV in offenkundiger Parallele zu der Baugebietseinteilung der BauNVO aufgezählt sind, so sind für das Schutzniveau grundsätzlich die Immissionsgrenzwerte maßgeblich, die in dieser Vorschrift bestimmten Gebietsarten zugeordnet sind (vgl. BVerwG, U.v. 21.3.1996 – 4 A 11.95 – BauR 1996, 686). Die vorhandene Bebauung entlang der geplanten Verkehrsfläche stellt sich hinsichtlich der Gebietsart als ein faktisches Dorfgebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB, § 5 BauNVO) dar.
Dorfgebiete dienen gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben. Der Gebietscharakter eines Dorfgebiets als ländliches Mischgebiet hängt allerdings nicht von einem bestimmten prozentualen Mischverhältnis dieser Hauptfunktionen ab. Eine Zunahme der Wohnbebauung in einem Dorfgebiet führt für sich gesehen noch nicht zu einer – rechtlichen – Änderung des Gebietscharakters im Sinne der Baunutzungsverordnung (BVerwG, B.v. 19.1.1996 – 4 B 7.96 – juris Rn. 5). Um den (faktischen) Dorfgebietscharakter zu wahren, ist es nicht notwendig, dass die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen quantitativ dominieren, entscheidend ist, ob die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe insgesamt noch ein angemessenes städtebauliches Gewicht gegenüber Wohnen und Gewerbe sowie den übrigen nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 ff. BauNVO zulässigen Nutzungen einnehmen (vgl. BayVGH, B.v. 21.8.2018 – 15 ZB 17.2351 – juris Rn. 6; VGH BW, U.v. 2.10.2013 – 5 S 1273/12 – juris Rn. 21). Ein traditionell gewachsenes faktisches Dorfgebiet „kippt“ hiernach erst (z.B. in ein faktisches allg. Wohngebiet oder ein faktisches Mischgebiet), wenn die landwirtschaftliche Nutzung aus dem Gebiet völlig verschwunden ist, mithin im maßgeblichen Bereich keine aktiven Wirtschaftsstellen land- oder forstwirtschaftlicher Betriebe (mehr) vorhanden sind und auch mit der Wiederaufnahme solcher Nutzungen in absehbarer Zeit nicht mehr gerechnet werden kann. Insbesondere bei – wie vorliegend – kleineren Ortsteilen kann schon einem einzelnen in einem unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) noch existierenden landwirtschaftlichen Betrieb eine den Gebietscharakter als (faktisches) Dorfgebiet noch prägende Wirkung zukommen (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.2009 – 4 CN 5.07 – BVerwGE 133, 377; BayVGH, U.v. U.v. 27.9.2021 – 15 B 20.828 – juris Rn. 31 m.w.N.). Dabei ist für die bauplanungsrechtliche Beurteilung der Art der baulichen Nutzung anerkannt, dass der maßgebliche prägende Umgebungsbereich weiter zu ziehen sein kann als etwa bei der eher kleinräumig ausgerichteten Beurteilung des Nutzungsmaßes oder der überbaubaren Grundstücksfläche (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – NVwZ 2014, 1246; BayVGH, U.v. 27.9.2021 a.a.O. Rn 29).
Nach diesen Maßstäben und unter Berücksichtigung der Feststellungen des Augenscheins, der Auswertung der Lagepläne und der Luftbilder im BayernAtlas stellt sich das Gebiet entlang der festgesetzten Verkehrsflächen im Hinblick auf die Nutzungsart als ein Dorfgebiet bzw. im Hinblick auf die unbebauten Flächen auf den Grundstücken FlNr. … … … als Außenbereich dar. Wenngleich Richtung Westen die Wohnbebauung zunimmt, befinden sich die am westlichsten gelegenen Wohngebäude auf den Grundstücken FlNr. …3 und …1 nur in einer Entfernung von ca. 120 m Luftlinie zu der landwirtschaftlichen Hofstelle auf FlNr. … … Innerhalb dieses räumlich insgesamt überschaubaren Areals entlang der Verkehrsflächen findet sich keine städtebauliche Zäsur, anhand der sich Gebiete mit unterschiedlicher Qualität klar abgrenzen ließen. Für den zu betrachtenden Bereich prägt die landwirtschaftliche Hofstelle auf den Grundstücken FlNr. … … mit landwirtschaftlichen Nebengebäuden auf den Grundstücken FlNr. … und …2 die Art der Nutzung. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass nach den Angaben der Antragstellerin diese Hofstelle im Nebenerwerb betrieben wird, denn auch landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen sind landwirtschaftliche Betriebe (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauNVO, Stand Mai 2021, § 5 Rn. 16). Im Übrigen kann auch die Existenz ehemaliger landwirtschaftlicher Betriebe, etwa wenn sie von Nichtlandwirten zur Tierhaltung zu Hobbyzwecken und / oder zur Lagerhaltung genutzt werden, einem Wandel des Gebietscharakters hin zu einem allgemeinen Wohngebiet oder allgemeinen Mischgebiet entgegenstehen, wenn und solange von diesen noch eine prägende Wirkung ausgeht (vgl. NdsOVG, B.v. 14.9.2020 – 1 ME 133/19 – NVwZ-RR 2021, 10 unter Rekurs auf BVerwG, B.v. 1.9.2010 – 4 B 31.10 – BauR 2011, 91). Angesichts der Größe der baulichen Anlagen der Hofstelle, die sich zudem auf die gegenüberliegende Straßenseite erstreckt und der tatsächlich noch vorhandenen – wenngleich nach Angaben der Antragstellerin reduzierten – Viehhaltung, prägt sie den Gebietscharakter des räumlich überschaubaren Straßenzugs, an dem sich nach den Feststellungen des Augenscheins überwiegend Wohnnutzungen und auch ein kleinerer Gewerbebetrieb befindet. Für ein Dorfgebiet spricht weiter die Bebauung auf den Grundstücken FlNr. … … Auch wenn an der dortigen Hofstelle während des Aufstellungsverfahrens eine Milchviehhaltung bereits aufgegeben gewesen sollte, wurde dort ausweislich der in der mündlichen Verhandlung übergebenen Bauakte mit Bescheid vom 27. Juni 2016 eine Nutzungsänderung und ein Umbau des bestehenden Milchviehstalls und der darüberliegenden Scheune für ausschließlich landwirtschaftliche Zwecke genehmigt. Eine endgültige Aufgabe der dortigen landwirtschaftlichen Hofstelle in Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses kann daher nicht angenommen werden, vielmehr ist jedenfalls von einer entsprechenden Nachprägung auszugehen. Obschon sie sich am östlichen Rand des Bebauungsplangebiets befindet, entfaltet sie jedenfalls in der Zusammenschau mit der Hofstelle auf den Grundstücken FlNr. … … eine prägende Wirkung für den gesamten Straßenzug. Eine Einordnung als „faktisches dörfliches Wohngebiet“ gem. § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit dem ohnehin erst nach Satzungsbeschluss am 23.6.2021 in Kraft getretenen § 5a BauNVO ist gem. § 245d Abs. 1 BauGB ausgeschlossen.
Der für ein Dorfgebiet maßgebliche (Tages-)Immissionsgrenzwert nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 16 BImSchV beträgt 64 dB(A) und wird hier an allen Immissionsorten um mindestens 3 dB(A) unterschritten. Im Übrigen ist für das Wohngebäude auf dem Grundstück FlNr. …1 der Antragstellerin nach der schalltechnischen Untersuchung auch bei der Annahme eines Allgemeinen Wohngebiets mit keiner Überschreitung des Immissionsgrenzwertes der 16. BImSchV zu rechnen. § 2 Abs. 1 Nr. 2 16 BImSchV sieht tagsüber einen Grenzwert von 59 dB(A) vor. Für das Wohngebäude der Antragstellerin errechnet sich tagsüber für einen Spitzentag ein Beurteilungspegel von maximal 57 dB(A) am Immissionsort der Westseite. An der Nordseite reduziert sich der Immissionspegel gegenüber dem Bestand um 1 dB(A) auf 56 dB(A). Diese Werte liegen damit unterhalb der Grenzwerte der 16. BImSchV für ein allgemeines Wohngebiet. Vor dem Hintergrund, dass es zu diesen errechneten Immissionspegeln zudem nur während der saisonalen Spitzentagen kommen wird, ist die von der Antragsgegnerin vorgenommene Abwägung im Hinblick auf Beeinträchtigungen durch Lärmimmissionen rechtlich nicht zu beanstanden.
Abwägungsfehler bestehen auch nicht im Hinblick auf die weiteren Eigentümerinteressen der Antragstellerin. Ein Bebauungsplan verstößt gegen das Abwägungsgebot, wenn die Gemeinde eine alternative Straßenführung außer Acht gelassen oder gar verworfen hat, obwohl diese unter dem Gesichtspunkt der einschlägigen öffentlichen und privaten Belange eindeutig besser geeignet wäre und sich folglich geradezu aufdrängt (vgl. BayVGH, U. v. 17.12.2013 – 2 N 12.682 – juris Rn. 20). Dabei hat sie zu prüfen, ob es ein milderes Mittel gibt, das zur Zweckerreichung gleich geeignet ist, den Eigentümer aber weniger belastet. Als milderes Mittel ist es insbesondere anzusehen, wenn das Planvorhaben gleich gut auch auf Grundstücken der öffentlichen Hand verwirklicht werden kann (BVerwG, U.v. 6.6.2002 – 4 CN 6.01 – ZfBR 2002, 807).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe liegen Abwägungsfehler nicht vor. Eine gebotene Alternative ist für den Senat nach Durchführung des Augenscheins unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse nicht erkennbar. So zeigt die Antragstellerin selbst keine objektiv besser geeignete Alternative auf; eine solche drängt sich auch nicht auf. Im Bereich des Grundstücks FlNr. …1 sowie der gegenüberliegenden Grundstücke FlNr. … und …3 befindet sich im bisherigen Straßenverlauf eine Engstelle, die nur durch eine Inanspruchnahme der anliegenden Grundstücke aufgelöst werden kann. Hinzu tritt das ebenfalls aus Verkehrssicherheitsgründen und städtebaulichen Gründen nachvollziehbare Anliegen der Antragsgegnerin, den fließenden Verkehr der Straße vom Vorbereich des S … zurückzusetzen. Hierdurch ist die Verschiebung des bisherigen Kurvenbereichs auf das Grundstück der Antragstellerin bedingt. Eine Alternative hierzu wäre allenfalls die Inanspruchnahme weiterer Flächen auf dem Grundstück FlNr. …3, der aber die nicht zu beanstandende Prämisse der Gemeinde einer möglichst gleichmäßigen Inanspruchnahme der einzelnen Anlieger entgegensteht. Die von der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung laienhaft zeichnerisch dargestellte Alternative erweist sich ebenfalls als nicht klar vorzugswürdig. Bereits nach ihrer eigenen Zeichnung bliebe die für die Verkehrsfläche benötigte Fläche auf ihrem Grundstück bis auf einen kleinen Bereich weitgehend identisch. Zudem könnte hierdurch das mit der Planung beabsichtigte Ziel, den fließenden Verkehr vom Vorplatzbereich des S … auf den gemeindlichen Grundstücken FlNr. …2, … und … zurückzuversetzen, nur teilweise verwirklicht werden, sodass damit das Planvorhaben nicht gleich gut zu realisieren ist.
Die festgesetzte Breite der Verkehrsfläche von 6 m erscheint auch unter Berücksichtigung der Eigentümerinteressen nicht abwägungsfehlerhaft. Die Breite der Verkehrsfläche erweist sich aus den oben dargestellten Gründen als erforderlich. Eine weitere Reduzierung des Querschnitts war auch unter Berücksichtigung der Eigentümerinteressen der Antragstellerin nicht angezeigt. Angesichts des hohen Verkehrsaufkommens in den Sommermonaten, das zudem mit Fahrradverkehr und Fußgängern gerade aus dem Bereich der Parkplätze am R … einhergeht, ist nicht zu beanstanden, dass die Abwägung zu Lasten der Eigentümerinteressen ausgefallen ist. Dabei hat die Antragsgegnerin zutreffend darauf abgestellt, dass von der Inanspruchnahme der privaten Flächen weitgehend nur die Randbereiche der Grundstücke betroffen sind, die ohnehin einer baulichen Nutzung nicht zugeführt werden können. Dies betrifft auch den Stauraum vor ihrer Garage, der gegebenenfalls um wenige Zentimeter betroffen ist. Unabhängig davon, dass diesbezüglich etwaige Mängel des Abwägungsvorgangs unbeachtlich geworden sind, da sie nicht innerhalb der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Nr. 3 BauGB gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht wurden, sind hier auch keine Abwägungsfehler erkennbar. Der bisher ca. 5 m tiefe Stauraum vor der Doppelgarage der Antragstellerin wird nur um wenige Zentimeter verringert. Angesichts der zukünftigen Breite der Verkehrsfläche steht nicht zu erwarten, dass es bei der Einfahrt zur Garage zukünftig zu Verkehrsbehinderungen, deren Vermeidung der Stauraum nach § 2 Abs. 2 GaStellV bezweckt, kommen wird.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.


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