Baurecht

Normenkontrolle – Unwirksamkeit eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans (insb. Ausfertigungsmangel)

Aktenzeichen  15 N 17.1175

Datum:
11.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 10019
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47
BauGB § 12 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
BayGO Art. 26 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1 Sind die Regelungen eines Bebauungsplans nicht auf einem Blatt zusammengefasst, sondern finden sich diese auf mehreren, untereinander nicht hinreichend fest verbundenen Einzelblättern, genügt der mit Unterschrift des Bürgermeisters versehene Ausfertigungsvermerk auf lediglich einem Einzelblatt grundsätzlich nur dann den Anforderungen des Art. 26 Abs. 2 S. 1 BayGO für eine wirksame Ausfertigung, wenn alle Einzelblätter des Bebauungsplans mit Regelungsinhalt zusammen mit dem ausgefertigten Blatt des Bebauungsplans durch eine Art „gedanklicher Schnur“ untereinander derart verknüpft sind, dass jeder Zweifel an der Zugehörigkeit der nicht gesondert ausgefertigten Teile zur Gesamtsatzung ausgeschlossen ist. (Rn. 31) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Der Vorhabenträger muss für die Wirksamkeit des vorhabenbezogenen Bebauungsplans zur Durchführung des Vorhabens im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses iSv § 12 Abs. 1 S. 1 BauGB tatsächlich „in der Lage“ sein. (Rn. 37) (red. LS Alexander Tauchert)
3 Der Ausfertigungsmangel erfasst die gesamte Satzung und führt damit zur Unwirksamkeit des gesamten Bebauungsplans. (Rn. 41) (red. LS Alexander Tauchert)

Tenor

I. Der am 27. Juni 2016 bekannt gemachte vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. … „W. B.“ der Stadt … ist unwirksam.
II. Die Antragsgegnerin und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Normenkontrollantrag hat Erfolg.
1. Der am 21. Juni 2017 und damit innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellte Normenkontrollantrag ist zulässig. Insbesondere ist der Antragsteller antragsbefugt. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch den Bebauungsplan oder dessen Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ist im Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan – wie hier – der Betroffene nicht Eigentümer eines Grundstücks im Plangebiet, so kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange nach § 1 Abs. 7 BauGB folgen. Hierzu muss der Antragsteller Tatsachen vorgetragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung sind grundsätzlich auch dann keinen höheren Anforderungen zu stellen, wenn es um das Recht auf gerechte Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) der Interessen eines Eigentümers geht, dessen Grundstück außerhalb des Bebauungsplangebiets liegt (vgl. BVerwG, B.v. 14.9.2015 – 4 BN 4.15 – ZfBR 2016, 154 = juris Rn. 10). Der Antragsteller hat im Normenkontrollverfahren schriftsätzlich hinreichend substanziiert dargelegt, dass seine Belange von der Antragsgegnerin möglicherweise falsch behandelt worden sind, soweit es um die künftige Lärmbelastung aufgrund der planbedingten Abwicklung des Zu- und Abgangsverkehrs für das neue Wohn- und Geschäftshaus südlich seines Anwesens geht (vgl. BayVGH, U.v. 11.5.2010 – 15 N 08.850 – juris Rn. 27; U.v. 28.4.2017 – 15 N 15.967 – juris Rn. 31; U.v. 24.11.2017 – 15 N 16.2158 – juris Rn. 19; vgl. auch BVerwG, B.v. 8.6.2004 – 4 BN 19.04 – BauR 2005, 829 = juris Rn. 6). Das Interesse, von planbedingtem Park- und Verkehrslärm verschont zu bleiben, ist nicht völlig belanglos und daher abwägungsrelevant (vgl. hierzu auch den vorangegangenen, auf die Beschwerde des Antragstellers ergangenen Beschluss des Senats BayVGH, B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 40 ff.). Dasselbe gilt, soweit sich der Antragsteller auf eine verstärkte Verschattung seines Grundstücks im Falle der Planungsumsetzung beruft (vgl. BayVGH, U.v. 31.1.2013 – 1 N 11.2087 – juris Rn. 25).
2. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.
a) Der vorhabenbezogene Bebauungsplan ist bereits aufgrund eines von Amts wegen zu prüfenden, gegen Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO verstoßenden Ausfertigungsmangels formell unwirksam. Denn die – für sich ordnungsgemäß ausgefertigte – Planzeichnung zum streitgegenständlichen Bebauungsplan, die auf demselben Blatt auch die textlichen Festsetzungen einschließlich der grünordnerischen Festsetzungen aufführt, ist zusammen mit dem Vorhaben- und Erschließungsplan in der „Endfassung vom: 14. Juni 2016“, der nicht gesondert ausgefertigt wurde, ohne feste Verbindung zueinander lediglich in einem Aktenordner mit Schnellheftungssystem lose abgeheftet, ohne dass durch hinreichende Bezugnahmen gesichert ist, dass der sog. „Identitätsfunktion“ bzw. „Beurkundungs- und Gewährleistungsfunktion“ der Ausfertigungsunterschrift für den gesamten Inhalt des Bebauungsplan (unter Einschluss des Vorhaben- und Erschließungsplans) Genüge getan wurde.
Bebauungspläne sind Satzungen (§ 10 Abs. 1 BauGB) und als solche nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO auszufertigen. Dies gebietet das in Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 3 Abs. 1 BV verfassungsrechtlich verankerte Rechtsstaatsprinzip, das die Identität der anzuwendenden Norm und ihres Inhalts mit dem vom Normgeber Beschlossenen verlangt. Durch die Ausfertigung wird die Satzung als Originalurkunde hergestellt, die den Willen des Normgebers nach außen wahrnehmbar macht; zudem wird bestätigt und sichergestellt, dass der Inhalt des als Satzung beschlossenen Bebauungsplans mit dem Willen des Gemeinderats übereinstimmt (sog. „Identitätsfunktion“ bzw. „Beurkundungs- und Gewährleistungsfunktion“). Darüber hinausgehende Anforderungen stellt das Bundesrecht nicht; Regelungen über Art, Inhalt und Umfang der Ausfertigung richten sich allein nach Landesrecht (zum Ganzen BayVGH, U.v. 28.4.2017 – 15 N 15.967 – juris Rn. 34 m.w.N.; U.v. 4.8.2017 – 15 N 15.1713 – NVwZ-RR 2017, 953 = juris Rn. 19). Auch für den Vorhaben- und Erschließungsplan müssen die Anforderungen an die Ausfertigung erfüllt sein (für das nordrheinwestfälische Landesrecht vgl. OVG NRW, U.v. 19.11.2015 – 2 D 57/14.NE – BauR 2016, 772 = juris Rn. 55 ff.; U.v. 11.10.2017 – 7 D 94/15.NE – BauR 2018, 198 = juris Rn. 38), weil dieser gem. § 12 Abs. 3 Satz 1 BauGB inhaltlicher Bestandteil des Bebauungsplans wird (vgl. auch Wellens, BauR 2014, 1883/1884). Sind die Regelungen eines Bebauungsplans nicht auf einem Blatt zusammengefasst, sondern finden sich diese auf mehreren, untereinander nicht hinreichend fest verbundenen Einzelblättern, genügt der mit Unterschrift des Bürgermeisters versehene Ausfertigungsvermerk auf lediglich einem Einzelblatt – hier auf der Planzeichnung mit den textlichen Festsetzungen – grundsätzlich nur dann den Anforderungen des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO für eine wirksame Ausfertigung, wenn alle Einzelblätter des Bebauungsplans mit Regelungsinhalt zusammen – hier also unter Einschluss des nicht gesondert ausgefertigten Vorhaben- und Erschließungsplans – mit dem ausgefertigten Blatt des Bebauungsplans durch eine Art „gedanklicher Schnur“ untereinander derart verknüpft sind, dass jeder Zweifel an der Zugehörigkeit der nicht gesondert ausgefertigten Teile zur Gesamtsatzung ausgeschlossen ist. Für den Fall, dass der Bebauungsplan nicht aus einem einzigen Satzungsteil besteht bzw. dass nicht alle Einzelteile resp. Einzelblätter ausgefertigt sind, müssen alle regelnden Teile / Seiten des Bebauungsplans mithin entweder fest miteinander verbunden sein oder es muss auf den ausgefertigten Teilen / Seiten in einer Weise auf die nicht ausgefertigten Bestandteile der Satzung Bezug genommen werden, die jeden Zweifel an der Identität bzw. Zusammengehörigkeit ausschließt (BayVGH, U.v. 28.4.2017 a.a.O. juris Rn. 36 ff. m.w.N.; U.v. 4.8.2017 a.a.O. juris Rn. 20; SächsOVG, U.v. 6.6.2001 – 1 D 442/99 – NVwZ-RR 2002, 632 = juris Rn. 35).
Diesen Anforderungen wird der angegriffene vorhabenbezogene Bebauungsplan nicht gerecht. Zwar trägt der nicht gesondert ausgefertigte Vorhaben und Erschließungsplan dasselbe Endfassungsdatum wie die ausgefertigte Planzeichnung; auch wird auf dem Deckblatt des Vorhaben- und Erschließungsplans ausdrücklich klargestellt, dass es sich hierbei um den „Vorhaben- und Erschließungsplan zum Vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. … – W.… B.“ handelt. Es fehlt allerdings gerade auf der ausgefertigten Planzeichnung mit den textlichen und grünordnerischen Festsetzungen jegliche Bezugnahme auf den Vorhaben- und Erschließungsplan in der Fassung vom 14. Juni 2016. Dass überhaupt ein Vorhaben- und Erschließungsplan existiert, findet in der ausgefertigten Planzeichnung keinerlei Erwähnung, es wird lediglich auf den Durchführungsvertrag Bezug genommen (vgl. unter der Überschrift „Bindung an den Durchführungsvertrag“), der im Gegensatz zum Vorhaben- und Erschließungsplan nach Maßgabe von § 12 BauGB allerdings nicht inhaltlicher Bestandteil des Bebauungsplans ist (Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Oktober 2017, § 12 Rn. 92). Durch das bloße Abheften der nicht ausgefertigten Ringbuchfassung des Vorhaben- und Erschließungsplans in demselben Ordner mit Schnellheftungssystem wurde keine hinreichende körperliche Verbindung mit der ausgefertigten Planzeichnung geschaffen, die einen Verzicht auf eine „gedankliche Schnur“ rechtfertigen könnte (vgl. BayVGH, U.v. 28.4.2017 a.a.O. juris Rn. 40 ff.; U.v. 4.8.2017 a.a.O. juris Rn. 21). Die Entnahme oder das Auswechseln von Einzelblättern ohne Substanzzerstörung wäre bei dieser Sachlage problemlos möglich, d.h. die Auseinandertrennung der einzelnen Bestandteile / Seiten des Bebauungsplans würde nicht zwangsläufig zur Zerstörung einer Gesamturkunde führen (vgl. BayVGH, U.v. 28.10.2014 – 15 N 12.1633 – NVwZ-RR 2015, 321 = juris Rn. 42).
b) Der vorhabenbezogene Bebauungsplan ist zudem wegen Verstoßes gegen § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB unwirksam, weil der Beigeladene nicht hinsichtlich aller Flächen, die zur Überbauung vorgesehen sind, Eigentümer bzw. Verfügungsberechtigter ist.
Gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB muss bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan der Vorhabenträger – vorliegend mithin der Beigeladene – auf der Grundlage eines mit der Gemeinde abgestimmten Plans zur Durchführung der Vorhaben und der Erschließungsmaßnahmen (Vorhaben- und Erschließungsplan) bereit und in der Lage sein und sich zur Durchführung innerhalb einer bestimmten Frist und zur Tragung der Planungs- und Erschließungskosten ganz oder teilweise vor dem Beschluss nach § 10 Absatz 1 BauGB verpflichten. Im vorliegenden Fall wurde zwar rechtzeitig ein Durchführungsvertrag geschlossen, vgl. im Folgenden unter aa). Der Beigeladene konnte sich aber nicht wirksam zur Umsetzung des Vorhaben- und Erschließungsvertrags verpflichten, weil er im maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nicht hinsichtlich aller Flächen, die zur Überbauung vorgesehen sind, Eigentümer bzw. Verfügungsberechtigter war, s.u. bb).
aa) Ein sog. Durchführungsvertrag, der nach der genannten Norm Wirksamkeitsvoraussetzung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans ist (BayVGH, U.v. 20.4.2011 – 15 N 10.1320 – BayVBl. 2012, 110 = juris Rn. 85), wurde vorliegend mit Unterschriften des Beigeladenen vom 17. Juni 2016 und des ersten Bürgermeisters für die Antragsgegnerin vom 22. Juni 2016 geschlossen. Aus § A 1, § A 2, § V 1 und § V 2 Abs. 1, Abs. 2 des Durchführungsvertrags ergibt sich die vereinbarte Verpflichtung des Beigeladenen gegenüber der Antragsgegnerin, für das Vorhaben „Neubau eines W. …“ spätestens zwei Monate nach Inkrafttreten des vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach dessen Maßgaben einen genehmigungsfähigen Bauantrag einzureichen (soweit das Vorhaben nicht der Genehmigungsfreistellung unterliegt) und im Anschluss das Vorhaben durchzuführen. Der Durchführungsvertrag ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen der Gemeinde und dem Vorhabenträger. Er bedarf der Schriftform und muss grundsätzlich zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses vorliegen, es genügt allerdings, wenn zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses (hier 20. Juni 2016) ein schriftlicher Vertrag vorliegt, dessen förmliches Zustandekommen nur noch von der Zustimmungsentscheidung der Gemeindevertretung abhängt, mit der der Bürgermeister zur schriftlichen Annahme des Angebots ermächtigt wird. In diesem Fall steht der Inhalt des Durchführungsvertrags auch von Seiten der Gemeinde verbindlich fest und bildet die nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB vorausgesetzte verlässliche Grundlage zur Beurteilung des Realisierungsangebots bei der Entscheidung über den vorhabenbezogenen Bebauungsplan. Unter diesen Umständen wäre es unangemessen, das Vorliegen eines schriftlichen Vertrages i.S.d. § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB allein daran scheitern zu lassen, dass der Bürgermeister die Zustimmungsentscheidung des Rats erst nach Satzungsbeschluss vollzogen hat (BVerwG, B.v. 6.10.2011 – 4 BN 19.11 – ZfBR 2012, 38 = juris Rn. 3; vgl. auch OVG NRW, U.v. 8.3.2012 – 10 D 17/10.NE – BauR 2012, 1075 = juris Rn. 46; VGH Mannheim, U.v. 29.4.2009 – 8 S 639/08 – UPR 2009, 457 = juris Rn. 24 ff.; Spieß in Jäde u.a., BauGB/BauNVO, 8. Aufl. 2017, zu § 12 BauGB Rn. 23). Es ist vorliegend mithin unschädlich, dass im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses am 20. Juni 2016 lediglich der Beigeladene den Durchführungsvertrag unterschrieben hatte, zumal der Bauausschuss mit Beschluss vom 20. Juni 2016 den Entwurf des Durchführungsvertrags billigte und den ersten Bürgermeister zur Unterschrift ermächtigte.
bb) Der Senat lässt es dahinstehen, ob es Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des vorhabenbezogenen Bebauungsplans haben könnte, dass in § S. 6 des Durchführungsvertrags aufschiebende Bedingungen aufgenommen wurden und dass der Lageplan gem. Anlage 1 zum Durchführungsvertrag i.V. mit § A 1 Abs. 2 entgegen der Darstellung in der Planzeichnung und dem Vorhaben- und Erschließungsplan den Uferbereich mit der FlNr. … (Terrasse) nicht als Vertragsgebiet benennt. Die Wirksamkeit des Bebauungsplans scheitert jedenfalls (auch) daran, dass der Beigeladene als Vorhabenträger am 20. Juni 2016 (Tag des Satzungsbeschlusses) keine Verfügungsberechtigung über alle zu überbauenden Flächen hatte und ihm deshalb die Umsetzung des Vorhabens, d.h. die Realisierung der durch den Durchführungsvertrag begründeten Verpflichtung, tatsächlich nicht möglich war.
Der Vorhabenträger – hier: der Beigeladene – muss für die Wirksamkeit des vorhabenbezogenen Bebauungsplans zur Durchführung des Vorhabens im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses i.S. von § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB tatsächlich „in der Lage“ sein. Es muss m.a.W. im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses sichergestellt sein, dass das Realisierungsangebot des Vorhabenträgers (= der Vorhaben- und Erschließungsplan) von ihm auch tatsächlich verwirklicht wird und auch tatsächlich verwirklicht werden kann, wenn das zuständige kommunale Gremium diesem im Rahmen des Beschließens eines damit übereinstimmenden Bebauungsplans zustimmt (vgl. VGH Mannheim, U.v. 29.4.2009 – 8 S 639/08 – UPR 2009, 457 = juris Rn. 28; OVG NRW, U.v. 8.3.2012 – 10 D 17/10.NE – BauR 2012, 1075 = juris Rn. 46). Sind der Vorhabenträger und der Eigentümer der zu überbauenden Flächen nicht personenidentisch und hat der vom Vorhabenträger verschiedene Eigentümer den Durchführungsvertrag nicht mitunterschrieben (vgl. BVerwG, B.v. 6.10.2011 – 4 BN 19.11 – ZfBR 2012, 38 = juris Rn. 3), kann den Anforderungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB allenfalls Genüge getan sein, wenn der Vorhabenträger spätestens im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses eine privatrechtlich gesicherte Befugnis innehat, aufgrund derer er gegenüber dem Eigentümer zur Bebauung der Grundstücke entsprechend den Festsetzungen des Vorhaben- und Erschließungsplanes befugt ist (BayVGH, U.v. 24.7.2001 – 1 N 00.1574 – NVwZ-RR 2002, 260 = juris Rn. 57; U.v. 20.4.2011 – 15 N 10.1320 – BayVBl. 2012, 110 = juris Rn. 84; SächsOVG, B.v. 9.4.2008 – 1 BS 448/07 – juris Rn. 5; NdsOVG, U.v. 9.12.2013 – 1 KN 215/11 – BauR 2014, 811 = juris Rn. 28; Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautz-berger, BauGB, Stand: Oktober 2017, § 12 Rn. 63).
Geht man – was der Senat vorliegend offenlassen kann – davon aus, dass der Umstand, dass die Antragsgegnerin (und nicht der Beigeladene) Eigentümerin der bisherigen öffentlichen Verkehrsfläche FlNr. … ist (auf der der südliche Teil des geplanten Neubaus errichtet werden soll), trotz mangelnder dinglicher Sicherung die Wirksamkeit der Bauleitplanung deshalb nicht infrage stellt, weil sie selbst dort freiwillig von ihrer Planungshoheit Gebrauch gemacht hat und auch Vertragspartner des Durchführungsvertrags ist, gilt jedenfalls anderes für die im Eigentum des Freistaats stehende Fläche FlNr. … Nach der Planzeichnung des Bebauungsplans sowie dem Vorhaben- und Erschließungsplan in den Endfassungen vom 14. Juni 2016 soll im Anschluss an den südlichen Gebäudebereich – jenseits der festgesetzten Baugrenze – eine aufgeständerte Terrasse entstehen, die in den im Eigentum des Freistaats Bayern stehenden Uferbereich (Teil der FlNr. …) hineinragt. In der Planzeichnung des Bebauungsplans wird diese rot schraffiert als Fläche für Nebenanlagen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 BauGB (vgl. insofern auch § 14, § 23 Abs. 5 BauNVO) mit der Zweckbestimmung „Terrasse aufgeständert / Uferpromenade“ dargestellt. Auch wenn ursprünglich ein Gestattungsvertrag zwischen dem Beigeladenen und dem Freistaat in Diskussion gestanden haben mag, ist es – unabhängig von der Frage, ob eine solche rein schuldrechtliche Vereinbarung ohne dingliche Sicherung bzw. ohne qualifizierte Anwartschaftsposition z.B. in der Form eines durch Auflassungsvormerkung abgesicherten Eigentumsübertragungsanspruchs ausgereicht hätte (vgl. BayVGH, U.v. 24.7.2001 – 1 N 00.1574 – NVwZ-RR 2002, 260 = juris Rn. 57; NdsOVG, U.v. 9.12.2013 – 1 KN 215/11 – BauR 2014, 811 = juris Rn. 28; Spieß in Jäde u.a., BauGB/BauNVO, 8. Aufl. 2017, zu § 12 BauGB Rn. 16) – nach dem übereinstimmenden Bekunden der Verfahrensbeteiligten mangels Unterschrift auf Seiten des Freistaats nicht zu einem entsprechenden Vertragsabschluss gekommen. Dass diesbezügliche Umsetzungshürden bestehen, haben die Beteiligten im Baugenehmigungsverfahren registriert. Denn sie haben eine für sie pragmatische, allerdings von den Festsetzungen des Bebauungsplans resp. dem Vorhaben- und Erschließungsplan abweichende Vollzuglösung gefunden: Der Beigeladene änderte seinen Baugenehmigungsantrag / seine Bauvorlagen unter nicht unerheblicher Umgestaltung des südlichen Gebäudeabschlusses (unter weitgehender Reduktion der aufgeständerten Terrasse und teilweiser Reduktion der südlichen Gebäudeteile), um eine Überbauung des Ufergrundstücks des Freistaats zu vermeiden. Diverse Befreiungen vom Bebauungsplan in der schließlich erteilten Baugenehmigung vom 30. Mai 2017 für das Vorhaben „Neubau Wohn- und Geschäftshaus mit Mittelgarage“ sowohl hinsichtlich der Situierung der südlichen Gebäudewand und der Terrasse als auch hinsichtlich der grünordnerischen Festsetzungen waren die Folge. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin und des Beigeladenen kann über diese reine Vollzugslösung – ohne entsprechende Umplanung im Verfahren der Bauleitplanung – ein am Maßstab von § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB gegebener Mangel des vorhabenbezogenen Bebauungsplans nicht „geheilt“ werden. Der Hinweis der Antragsgegnerin auf § 12 Abs. 4 BauGB, wonach einzelne Flächen außerhalb des Bereichs des Vorhaben- und Erschließungsplans in den vorhabenbezogenen Bebauungsplan einbezogen werden können, ändert an der Unwirksamkeit der Planung nichts. Die von der Terrassenbebauung betroffenen Flächen der FlNr. … befinden sich ausweislich der Planzeichnung zum beschlossenen Bebauungsplan tatsächlich innerhalb des Plangebiets; zudem ist die Terrasse mit ihrer Lage im Vorhaben- und Erschließungsplan (auch auf FlNr. …*) dargestellt und ist damit Gegenstand der zwar vor Satzungsbeschluss rechtzeitig eingegangenen, allerdings so vom Beigeladenen nicht erfüllbaren Verpflichtung des Durchführungsvertrags.
c) Die aufgezeigten Mängel zu a) und b) führen zur Nichtigkeit des gesamten Bebauungsplans.
Die Unwirksamkeit bestimmter Festsetzungen hat nur dann unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 139 BGB nicht die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans zur Folge, wenn die übrigen Festsetzungen für sich betrachtet noch eine den Anforderungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB gerecht werdende, sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken können und wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, dass die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung ohne den unwirksamen Teil beschlossen hätte (vgl. BayVGH, U.v. 4.8.2017 – 15 N 15.1713 – NVwZ-RR 2017, 953 = juris Rn. 40 m.w.N.; U.v. 27.2.2018 – 15 N 16.2381 – juris Rn. 52).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Schon der Ausfertigungsmangel erfasst die gesamte Satzung und führt damit zur Unwirksamkeit des gesamten Bebauungsplans. Unabhängig hiervon führt auch für sich gesehen der Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans. Die Auswirkungen der Rechtswidrigkeit begrenzen sich insofern nicht auf eine isolierbare Einzelfestsetzung, sondern der Fehler betrifft das Gesamtkonzept des nach dem Vorhaben- und Erschließungsplan und dem Durchführungsvertrag als Ganzes umzusetzenden Vorhabens. Es lässt sich schon keine sinnvolle trennscharfe Linie ziehen, die den Bebauungsplan in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil abtrennen könnte. Selbst wenn die in den Bereich des Ufergrundstücks des Freistaats hineinragende Terrasse entlang der Grundstücksgrenze zur FlNr. … gedanklich „abgeschnitten“ werden würde, würde sich hieraus noch keine automatische Lösung für die südliche Abschlusswand des Gebäudes ergeben, die nach der Planzeichnung i.V. mit dem Vorhaben- und Erschließungsplan aufgrund ihrer Auskragung in Richtung Süden in die FlNr. … hineinragt. Insofern hätte – wie das Baugenehmigungsverfahren gezeigt hat – zur Vermeidung eines Überbaus sowohl hinsichtlich der Uferterrasse als auch hinsichtlich der Abschlusswände im südlichen Gebäudebereich umgeplant werden müssen. Im Übrigen muss berücksichtigt werden, dass bei einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan die Umsetzung des Vorhabens durch den Vorhabenträger nach Maßgabe der Planzeichnung und des Vorhaben- und Erschließungsplans zum Gegenstand des Durchführungsvertrags gehört und damit der planenden Kommune gegenüber geschuldet ist. Letzteres gehörte zur „Geschäftsgrundlage“ im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses des entscheidungszuständigen Ausschusses. Zudem soll laut Planbegründung mit dem streitgegenständlichen Bebauungsplan ein erster Teil eines städtebaulichen Gesamtkonzepts umgesetzt werden, dem die Zielsetzung zugrunde liegt, einerseits den B* …platz in Anlehnung an die historisch gewachsene Bestandsstruktur durch offene, aber verdichtete Bauweise mit (hochwasserangepassten) Einzelbaukörpern zu fassen und andererseits die neue Bebauung an das Flussufer heranzurücken. Zur städtebaulichen Erforderlichkeit wird in der Planbegründung ausgeführt, dass im Zuge dieser „Revitalisierung des Quartiers“ auch das Flussufer aufgewertet und mit einer aufgeständerten Uferpromenade zugänglich und erlebbar gemacht werden soll. Der Verzicht auf die aufgeständerte Terrasse betrifft mithin keinen zu vernachlässigenden, völlig untergeordneten Planungsgesichtspunkt. Es kann damit nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass die Antragsgegnerin im maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses im Zweifel denselben Bebauungsplan ohne die unmittelbar fehlerbehafteten Bereiche im südlichen Teil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans ebenso beschlossen hätte.
3. Die weiteren Einwände des Antragstellers, die Planung sei am Maßstab von § 1 Abs. 7 und / oder § 2 Abs. 3 BauGB
– wegen der aus dem planbedingten Park- und Lieferverkehrs folgenden Lärmbelastung der Umgebung (speziell zu den Anforderungen aus § 2 Abs. 3 BauGB an die Ermittlung einer – nicht ersichtlich völlig irrelevanten – Verkehrslärmzunahme im Verfahren der Bauleitplanung vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2017 – 15 NE 16.2315 – NVwZ-RR 2017, 558 ff.; U.v. 28.4.2017 – 15 N 15.967 – juris Rn. 47 ff.; U.v. 24.11.2017 – 15 N 16.2158 – DVBl. 2018, 317 ff.; vgl. auch die Erwägungen des Senats in der Entscheidung über die vorangegangene Beschwerde des Antragstellers: BayVGH, B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 35 ff.),
– wegen einer ungerechtfertigten bzw. nicht sorgfältig dargestellten / ermittelten Abweichung von den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen gem. Art. 6 BayBO (vgl. BayVGH, U.v. 4.8.2017 – 9 N 15.378 – juris Rn. 102 m.w.N.),
– wegen einer unzumutbaren Verschattung seiner Grundstücke und Beeinträchtigung seiner Photovoltaikanlagen (vgl. BayVGH, U.v. 31.1.2013 – 1 N 11.2087 – juris Rn. 42 ff.; U.v. 18.7.2014 – 1 N 13.2501 – BayVBl. 2015, 166 = juris Rn. 20 ff.; U.v. 28.7.2016 – 1 N 13.2678 – BRS 84 Nr. 47; OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 21.10.2015 – 2 K 194/12 – BauR 2016, 626 = juris Rn. 173 ff.; VGH B-W, U.v. 15.12.2003 – 3 S 2827/02 – juris Rn. 82; vgl. auch BayVGH, B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 8; vgl. auch die Erwägungen des Senats im vorangegangenen Beschwerdeverfahren BayVGH, B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 28 m.w.N.) sowie
– wegen einer Beeinträchtigung des Ortsbilds (vgl. BayVGH, U.v. 21.2.2013 – 2 N 11.1018 – juris Rn. 62)
fehlerhaft, sind aufgrund der Erwägungen zu 2. nicht mehr entscheidungserheblich. Ebenso dahinstehen kann, ob der Antragsteller hinsichtlich dieser gerügten Abwägungs- und Ermittlungsfehler seiner Rügeobliegenheit gem. § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB hinreichend nachkam, indem er mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 21. Juni 2016, das am 22. Juni 2017 – und damit innerhalb der Jahresfrist – bei der Antragsgegnerin einging, in lediglich allgemeiner Form die Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften sowie die Verletzung des Abwägungsgebots geltend machte und zur näheren Begründung lediglich auf die Stellungnahmen vom 7. Juli 2015 und vom 18. Mai 2016 verwies (vgl. einerseits VGH BW, U.v. 4.4.2012 – 8 S 1300/09 – BauR 2013, 56 = juris Rn. 34; andererseits VGH BW, U.v. 30.11.2011 – 3 S 895/10 – juris Rn. 44; zum Streitstand: Sennekamp in Brügelmann, BauGB, Stand: September 2017, § 215 Rn. 60; Kukk in Schrödter, BauGB, 8. Aufl. 2015, § 215 Rn. 17).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
5. Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Ziffer I. der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen, wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre.


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