Baurecht

Öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch wegen Überbaus

Aktenzeichen  8 ZB 17.473

Datum:
9.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 77
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG Art. 67 Abs. 3, Abs. 5
BGB § 275 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Die Eintragung in das straßen- und wegerechtliche Bestandsverzeichnis außerhalb der erstmaligen Anlegung dieses Verzeichnisses (Art. 67 Abs. 3 BayStrWG) hat keinen Einfluss auf die negative Publizität nach Art. 67 Abs. 5 S. 1 iVm Abs. 3 S. 1 BayStrWG. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Widmung entfaltet ihre Rechtswirkungen nur für solche Grundstücke, deren Flurnummern in der Widmungsverfügung ausdrücklich aufgeführt sind (Bestätigung von BayVGH BeckRS 2017, 105380). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3 In Fällen eines mindestens grob fahrlässigen Überbaus kommt ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 BGB nur ausnahmsweise in Betracht; in der Regel führt die Abwägung bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit dazu, dem Überbauenden die Einrede zu versagen (ebenso BayVGH BeckRS 2013, 227). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
4 Das Argument, eine Grundstücksfläche sei tatsächlich nicht bebaubar, ist nicht geeignet, eine mit dem Überbau einhergehende spürbare Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Nutzung in Frage zu stellen. Der Folgenbeseitigungsanspruch darf als wirksames Sanktionsrecht gegen eingetretene Rechtsverletzungen auch nicht unter Hinweis auf entgegenstehende Gemeinwohlbelange relativiert werden. Derartigen Belangen ist in einem Enteignungsverfahren Rechnung zu tragen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 2 K 16.1166 2016-11-22 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III. Unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 22. November 2016 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Kläger begehren von der Beklagten die Beseitigung eines Wegs.
Die Kläger sind Miteigentümer zu je 1/2 des Grundstücks FlNr. … Gemarkung G. Südöstlich dieses Grundstücks liegt das im Eigentum des Freistaats Bayern stehende Grundstück FlNr. …, das an den Chiemsee angrenzt.
Im Grenzbereich der Grundstücke FlNr. … und FlNr. … verläuft der an dieser Stelle ca. 2,7 bis 3,0 m breite „U.weg“. Der Weg beansprucht das Grundstück FlNr. … auf einer Länge von ca. 22 m und in einer Breite von ca. 1,8 m.
Die Eintragung des „U.wegs“ vom 30. Mai 1962 in das Bestandsverzeichnis für beschränkt öffentliche Wege wurde am 18. Januar 1963 auf Grund eines Beschlusses des Gemeinderats der Beklagten vom 13. Dezember 1962 wieder gestrichen.
Am 3. August 1981 beschloss der Gemeinderat der Beklagten, den „U.weg“ als beschränkt-öffentlichen Weg zu widmen. Die auf Grundlage dieses Beschlusses verfügte Eintragung in das Bestandsverzeichnis vom 3. September 1981 führt u.a. das Grundstück FlNr. … auf; nicht benannt wird das Grundstück FlNr. …
Im Frühjahr 2015 ließ die Beklagte ein besonders bindiges und damit haltbares Kiesmaterial (sog. „Stauffenkies“) auf den „U.weg“ aufbringen.
Das Verwaltungsgericht München hat die Beklagte mit Urteil vom 22. November 2016 verpflichtet, den befestigten „U.weg“ insoweit zu beseitigen, als Teilflächen des Grundstücks FlNr. … in Anspruch genommen werden, sowie es künftig zu unterlassen, das Grundstück FlNr. … für den „U.weg“ in Anspruch zu nehmen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die von der Beklagten geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor (vgl. § 124 Abs. 2 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Ersturteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Die Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Kläger mangels Widmung auf der Grundlage des öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs den Rückbau der über ihr Grundstück FlNr. … verlaufenden Teilfläche des „U.wegs“ beanspruchen können, ist nicht ernstlich zweifelhaft. Das hiergegen gerichtete Vorbringen der Beklagten in der Zulassungsbegründung rechtfertigt keine andere Beurteilung.
1.1 Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Wegestück des „U.wegs“ auf dem Grundstück FlNr. … nicht um eine öffentliche Straßenfläche handelt.
1.1.1 Soweit sich die Beklagte darauf beruft, die betreffende Teilfläche des „U.wegs“ sei vor Inkrafttreten des BayStrWG konkludent und unter Rückgriff auf das Institut der unvordenklichen Verjährung als öffentlicher Weg gewidmet worden, geht ihr Vorbringen ins Leere. Denn das Erstgericht hat hierauf nicht tragend abgestellt (vgl. BVerfG, B.v. 16.1.2017 – 2 BvR 2615/14 – IÖD 2017, 52 = juris Rn. 19 m.w.N.). Vielmehr hat es angenommen, dass – selbst wenn man eine solche Widmung unterstellt – diese jedenfalls durch Nichteintragung im Bestandsverzeichnis erloschen wäre (vgl. S. 12 des Ersturteils).
1.1.2 Die Annahme des Erstgerichts, eine konkludente Widmung der Wegefläche sei mangels Eintragung bei erstmaliger Anlegung des Bestandsverzeichnisses jedenfalls gemäß Art. 67 Abs. 5 BayStrWG erloschen (vgl. BayVGH, B.v. 7.7.2010 – 8 ZB 09.3196 – juris Rn. 8), wird durch die Ausführungen in der Zulassungsbegründung nicht ernstlich infrage gestellt. Das Vorbringen, die Beklagte sei vor der Eingemeindung des Grundstücks FlNr. … im Jahr 1969 nicht befugt gewesen, den „U.weg“ in ihr Bestandsverzeichnis aufzunehmen, erweist sich als irrelevant, weil es vorliegend allein auf die Eintragung der Teilfläche des Grundstücks FlNr. … ankommt. Rechtlich unerheblich ist auch, dass die Rechtsvorgängerin der Kläger der (gelöschten) Eintragung des „U.wegs“ in das Bestandsverzeichnis im Jahr 1962 nicht widersprochen hat. Soweit die Beklagte einwendet, die Negativfiktion sei nicht eingetreten, weil der „U.weg“ im Jahr 1981 ins Bestandsverzeichnis eingetragen worden sei, übersieht sie, dass diese Eintragung nicht im Rahmen der erstmaligen Anlegung des Bestandsverzeichnisses nach Art. 67 Abs. 3 BayStrWG erfolgt ist und deshalb keinen Einfluss auf die negative Publizität nach Art. 67 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 BayStrWG haben kann.
1.1.3 Zutreffend ist auch die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die vom „U.weg“ in Anspruch genommene Teilfläche des Grundstücks FlNr. … sei mangels Angabe der betroffenen Flurnummer in der Eintragungsverfügung vom 3. September 1981 nicht gewidmet. Die auf die Rechtsprechung des Senats (z.B. U.v. 28.2.2012 – 8 B 11.2934 – BayVBl 2013, 84 = juris Rn. 48; U.v. 19.3.2002 – 8 B 00.881 – juris Rn. 42 f.) gestützte Argumentation, der Verlauf des Wegs lasse sich zwischen den genannten Anfangs- und Endpunkten anhand der topografischen Merkmale und der Bezeichnung als „C.weg“ eindeutig feststellen, verfängt nicht.
In der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, dass die Widmung ihre Rechtswirkungen regelmäßig nur für solche Grundstücke entfaltet, deren Flurnummern in der Widmungsverfügung ausdrücklich aufgeführt sind (BayVGH, B.v. 15.3.2017 – 8 ZB 15.1610 – juris Rn. 11; B.v. 4.10.2011 – 8 ZB 11.210 – juris Rn. 12). Damit soll bei unklarem Wegeverlauf ein Hinausgreifen auf nicht gewidmetes, also unbelastetes Privateigentum verhindert werden (vgl. BayVGH, U.v. 28.2.2012 – 8 B 11.2934 – BayVBl 2013, 84 = juris Rn. 48). In Ausnahmefällen lässt es die Rechtsprechung des Senats genügen, wenn der Verlauf und Umfang des Wegs eindeutig festliegen, etwa durch eine Beschreibung oder durch die Darstellung in einem Lageplan oder in einer Karte (BayVGH, B.v. 15.3.2017 – 8 ZB 15.1610 – juris Rn. 12; vgl. auch Häußler in Zeitler, BayStrWG, Stand Mai 2017, Art. 6 Rn. 7).
Vorliegend ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Wegefläche auf dem klägerischen Grundstück FlNr. … nicht von der Widmung bzw. Eintragungsverfügung im Jahr 1981 erfasst wird. Topografische oder sonstige Merkmale, die zwingend auf einen Wegeverlauf über das Grundstück FlNr. … hindeuteten und somit „Lücken“ in der Beschreibung überbrücken könnten (vgl. BayVGH, U.v. 19.3.2002 – 8 B 00.881 – juris Rn. 43), sind nicht beschrieben. Auch die Bezeichnung als „U.weg“ enthält keinerlei Präzisierung, dass der Weg über das klägerische Grundstück und nicht nur über das Ufergrundstück FlNr. … verläuft.
1.2 Keine ernstlichen Zweifel bestehen auch an der Annahme des Verwaltungsgerichts, der Beklagten sei die Beseitigung des über das Grundstück FlNr. … verlaufende Teilstücks des „U.wegs“ zuzumuten.
Das Erstgericht hat zutreffend erkannt, dass in Fällen eines grob fahrlässigen Überbaus ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 275 Abs. 2 BGB nur ausnahmsweise in Betracht kommen kann, weil die Abwägung bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit in der Regel dazu führt, dem Überbauenden die Einrede zu versagen (BayVGH, B.v. 5.11.2012 – 8 ZB 12.116 – BayVBl 2013, 473 = juris Rn. 15; BGH, U.v. 18.7.2008 – V ZR 171/07 – NJW 2008, 3123 = juris Rn. 23). Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Beklagte habe bei der Baumaßnahme im Jahr 2015 zumindest grob fahrlässig gehandelt, stellt das Zulassungsvorbringen nicht infrage.
Im Übrigen ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass ein Ausnahmefall hier nicht gegeben ist. Es ist weder dargelegt noch erkennbar, dass zwischen dem Aufwand der Beklagten und dem Beseitigungsinteresse der Kläger ein besonders krasses, nach Treu und Glauben untragbares Missverhältnis bestünde (vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2012 – 8 ZB 12.116 – BayVBl 2013, 473 = juris Rn. 14). Das Erstgericht hat die Überbauung auf einer Länge von ca. 22 m und einer Breite von ca. 1,8 m zu Recht als nicht nur geringfügig angesehen. Das Argument, die betroffene Grundstücksfläche sei tatsächlich nicht bebaubar, ist bereits im Ansatz nicht geeignet, eine mit dem Überbau einhergehende spürbare Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Nutzung infrage zu stellen. Das Gleiche gilt für das – von den Klägern unter Hinweis auf den viel befahrenen Weg bestrittene – Vorbringen, die Freihaltung der betroffenen Grundstücksfläche sei aus Sicherheitsgründen nicht erforderlich. Der Folgenbeseitigungsanspruch darf als wirksames Sanktionsrecht gegen eingetretene Rechtsverletzungen (vgl. BVerwG, U.v. 26.8.1993 – 4 C 24.91 – BVerwGE 94, 100 = juris Rn. 51 f.) auch nicht in der Weise relativiert werden, dass er – wie die Beklagte offenbar meint – wegen entgegenstehender „Gemeinwohlbelange“ ohne Weiteres zu Fall zu bringen wäre. Sollte das Wohl der Allgemeinheit tatsächlich die öffentliche Nutzung der streitgegenständliche Teilfläche erfordern, wäre dies im Rahmen eines Enteignungsverfahrens zu verfolgen. Abgesehen davon ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Beseitigung des Überbaus am Grundstück FlNr. … wegen der ähnlichen Betroffenheit einer Vielzahl weiterer Anliegergrundstücke entfallen müsste.
Das Vorbringen, die Verlegung des Wegs auf das staatliche Grundstück FlNr. … sei unzumutbar, weil sich der Freistaat Bayern hiergegen verwehren werde, setzt sich bereits nicht mit der Annahme des Ersturteils auseinander, die Zustimmung des Freistaats als Grundstückseigentümer sei aufgrund der wirksamen Widmung dieses Grundstücks für den „U.weg“ nicht erforderlich (S. 16 des Ersturteils).
1.3 Ernstlichen Zweifeln begegnet auch nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Folgenbeseitigungsanspruch sei nicht verjährt.
Das Erstgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Verjährungsfrist mit dem Aufbringen von sog. „Stauffenkies“ im Frühjahr 2015 erneut zu laufen begann. Maßgeblich für die Frage des Neubeginns der Verjährungsfrist ist nicht, ob es sich um eine Bau- oder Unterhaltungsmaßnahme handelt, sondern ob die Maßnahme einen eigenständigen rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff darstellt (BayVGH, U.v. 13.1.2016 – 8 B 15.522 – BayVBl 2016, 590 = juris Rn. 33 f.). Dies wurde vom Senat für das Auftragen einer neuen Asphaltschicht bejaht (BayVGH, U.v. 13.1.2016, a.a.O., Rn. 33; zustimmend Häußler in Zeitler, a.a.O., Art. 1 Rn. 29). Für die hier vorliegende Aufbringung eines bindigen und haltbaren Kiesmaterials (sog. „Stauffenkies“) mittels Asphalteinbaumaschinen (vgl. Schreiben der Beklagten vom 28.5.2015, S. 15 der Akte des Erstgerichts) gilt nichts Anderes. Das hiergegen gerichtete Vorbringen der Beklagten, der Weg sei weder ausgebaut noch wesentlich verlagert oder verbreitert worden, ist rechtlich unerheblich.
1.4 Auch an der Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Folgenbeseitigungsanspruch sei nicht verwirkt, bestehen keine ernstlichen Zweifel. Soweit die Beklagte einwendet, die im Jahr 2015 durchgeführte Fahrbahnsanierung beinhalte keinen eigenständigen rechtswidrigen Eingriff, gelten die Ausführungen unter 1.3. Abgesehen davon steht nicht fest, seit wann der „U.weg“ über das Grundstück FlNr. … verläuft, weshalb der Hinweis auf den über 100-jährigen Bestand ebenso fehlgeht wie das Argument, die Kläger müssten es sich zurechnen lassen, dass die Voreigentümerin keinen Widerspruch gegen die Eintragung erhoben hätte.
2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Die Zulassungsbegründung sieht die besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache in denselben Fragen, die sie auch zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts angeführt hat. Diese Fragen sind jedoch – wie sich aus vorstehenden Darlegungen ergibt – weder komplex noch fehleranfällig (vgl. zu diesem Maßstab BayVGH, B.v. 3.11.2011 – 8 ZB 10.2931 – BayVBl 2012, 147 = juris Rn. 28). Sie können vielmehr ohne Weiteres anhand der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung bereits im Zulassungsverfahren geklärt werden.
3. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist schon nicht hinreichend dargelegt und liegt auch nicht vor.
Um seiner Begründungspflicht nachzukommen, muss der Rechtsmittelführer eine entscheidungserhebliche (klärungsfähige) und klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren und aufzeigen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BayVGH, B.v. 3.8.2017 – 8 ZB 15.2642 – juris Rn. 29; vgl. auch Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Daran fehlt es hier. Die Beklagte hat innerhalb der Darlegungsfrist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) keine entsprechende Frage formuliert.
4. Auch die Divergenzrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) greift nicht durch. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist vor allem erforderlich, dass der Rechtsmittelführer ausführt, welcher abstrakte Rechtssatz in der Entscheidung des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts aufgestellte abstrakte Rechtssatz dazu in Widerspruch steht (vgl. BayVGH, B.v. 23.3.2015 – 15 ZB 13.2246 – juris Rn. 39 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 73). Diesen Anforderungen genügt die bloße Behauptung, es lägen „obergerichtliche Entscheidungen vor, welche nicht im Einklang mit dem angegriffenen Urteil“ stünden, erkennbar nicht. Im Übrigen entspricht das Ersturteil – wie sich aus vorstehenden Ausführungen ergibt – der obergerichtlichen Rechtsprechung.
5. Die Berufung ist auch nicht infolge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Die Aufklärungsrüge erfordert die substanziierte Darlegung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO)‚ welche Tatschen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz aufklärungsbedürftig waren‚ welche Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen‚ welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese Feststellungen nach der maßgeblichen Rechtsauffassung der Vorinstanz zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätten führen können (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.2015 – 5 B 36.14 – juris Rn. 7 m.w.N.). Weiterhin muss grundsätzlich dargelegt werden‚ dass bereits im Verfahren vor dem erstinstanzlichen Gericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung‚ deren Unterlassen nunmehr gerügt wird‚ hingewirkt worden ist. Hierfür ist ein Beweisantrag erforderlich‚ der in der mündlichen Verhandlung zu stellen ist (BVerwG‚ B.v. 25.6.2012 – 7 BN 6.11 – juris Rn. 7). Hat ein Rechtsmittelführer keinen Beweisantrag gestellt‚ muss er darlegen‚ dass sich dem Erstgericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, z.B. BVerwG, B.v. 29.7.2015 – 5 B 36.14 – juris Rn. 7; B.v. 25.1.2005 – 9 B 38.04 – NVwZ 2005, 447 = juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 7.3.2017 – 8 ZB 15.1005 – juris Rn. 10).
Daran mangelt es hier. Die Beklagte hat nicht aufgezeigt, inwiefern sie auf die vermisste Aufklärung – hier die Einvernahme von Zeugen zum Bestehen und Ausbauzustand des „U.wegs“ – hingewirkt hätte. Im erstinstanzlichen Verfahren hat sie zu dem gerügten Aufklärungsdefizit keinen Beweisantrag gestellt (vgl. S. 146 ff. der Akte des Erstgerichts). Die Zulassungsbegründung legt auch nicht hinreichend dar, weshalb sich dem Erstgericht auch ohne förmlichen Beweisantrag eine weitere Sachaufklärung hierzu hätte aufdrängen müssen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 3 sowie § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 43.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Der vom Erstgericht angesetzte Regelstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG wird der Bedeutung der Sache für die Kläger nicht hinreichend gerecht. Die Abänderung der Streitwertfestsetzung des Erstgerichts stützt sich auf § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Mit Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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