Baurecht

Planfeststellung einer Höchstspannungsfreileitung (Nordring Berlin).

Aktenzeichen  4 A 14/19

Datum:
27.7.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:270721U4A14.19.0
Spruchkörper:
4. Senat

Leitsatz

1. Die in der Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz genannten Vorhaben werden grundsätzlich als Freileitung errichtet und nach Maßgabe der § 2 Abs. 1 und 2 EnLAG als Erdkabel. Sonstige Gestaltungen, die weder Freileitung noch Erdkabel sind, scheiden aus.
2. Der Mast einer Freileitung kann für ein Wohngebäude im Extremfall eine für den Eigentümer unzumutbare erdrückende Wirkung entfalten. Liegt keine erdrückende Wirkung vor, kann ein Mast ein einzelnes Wohngebäude in abwägungserheblicher Weise optisch bedrängen. Vor dem bloßen Anblick einer Freileitung schützt das Eigentumsrecht nicht.

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen der Kläger zu 1 und die Kläger zu 2, letztere als Gesamtschuldner, zu je 1/6 und die Klägerin zu 3 zu 2/3.

Tatbestand

1
Die Kläger wenden sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss für eine Höchstspannungsfreileitung nordöstlich von Berlin.
2
Der angegriffene Beschluss vom 30. August 2019 (PFB) stellt den Plan für die Errichtung und den Betrieb einer 380-kV-Freileitung vom Portal Umspannwerk (UW) Neuenhagen bis zum Mast 189 mit den Einschleifungen UW Malchow und UW Hennigsdorf fest. Die Trassenlänge beträgt 42,5 km auf der Hauptachse und 6,6 km auf den Abzweigen Malchow und Hennigsdorf. Insgesamt werden 115 neue Masten errichtet. Der Planfeststellungsbeschluss setzt Folgemaßnahmen sowie Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege fest. Die Leitung ist ein Abschnitt des Gesamtvorhabens “Nordring Berlin”, das als “Neubau Höchstspannungsleitung Neuenhagen – Wustermark (als 1. Teil des Berliner Rings), Nennspannung 380 kV” unter Nr. 11 in die Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) aufgenommen ist. Der westliche Abschnitt des Gesamtvorhabens wurde bereits errichtet.
3
Der Trassenverlauf folgt überwiegend der Trasse der seit 1958 bestehenden 220-kV-Hochspannungsfreileitung Neuenhagen – Wustermark – Hennigsdorf, die zurückgebaut werden soll. Das Gebiet der Gemeinden Hohen Neuendorf und Birkenwerder erreicht die Leitung aus östlicher Richtung von der Gemeinde Summt. Ab Mast 86 löst sie sich vom Verlauf der Bundesautobahn A 10 nach Norden und führt auf der Bestandstrasse durch den Mühlenbecker Forst. Nach etwa 4 km erreicht sie bei Mast 95 die Autobahn erneut und verläuft, nach einer kurzen Verschwenkung auf der Bestandstrasse, unmittelbar nördlich der künftig sechsspurigen A 10. Kurz nach Mast 100 erreicht sie die Ortslage und verläuft zwischen Mast 101/103 (im Folgenden: Mast 101) und Mast 102/102 (im Folgenden: Mast 102) entlang eines für Kleingärten und zum Wohnen genutzten Gebiets, bis sie über die Bundesstraße B 96 und die Autobahnabfahrt Birkenwerder geführt wird. Auch im Weiteren soll die Leitung nördlich entlang der Autobahn errichtet werden. Im Bereich der Gemeinde Birkenwerder soll zwischen Mast 99 und 104_2 die 110-kV-Bahnstromleitung Priort-Karow auf dem Gestänge der neuen Leitung mitgeführt werden. Planfestgestellt sind in diesem Bereich Tonnenmasten mit vier Traversen.
4
Die Beigeladene beantragte die Planfeststellung unter dem 2. Juli 2014. Die Unterlagen wurden mehrfach ausgelegt, zuletzt Anfang des Jahres 2018, und die Einwendungen im Februar 2019 mündlich erörtert.
5
Der Kläger zu 1 ist ein eingetragener Verein und verfügt über die Anerkennung zur Einlegung von Rechtsbehelfen nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz. Gemäß § 2 Abs. 1 seiner Satzung verfolgt er als Zweck die Förderung des Umweltschutzes und den Erhalt einer gesunden Lebensumgebung im Raum Hohen Neuendorf – Birkenwerder und darüber hinaus.
6
Die Kläger zu 2 sind Miteigentümer des Grundstücks Flur … Flurstück … der Gemarkung B. (…). Es ist mit einem Wohnhaus bebaut und liegt rund 50 m nördlich der A 10. Im Bestand steht dem Grundstück am nächsten der 130 m entfernte und westlich der B 96 errichtete Mast 122, ein etwa 61 m hoher Einebenenmast. Der Planfeststellungsbeschluss sieht vor, diesen Mast zu demontieren und etwa 60 m östlich vom Wohnhaus den Mast 102, einen knapp 81 m hohen Tonnenmast mit vier Traversen zu errichten; zwischen Mast und Wohngrundstück ist eine Lärmschutzwand errichtet. Das Grundstück wird weder für einen Maststandort noch für einen Schutzstreifen in Anspruch genommen.
7
Auf dem Gebiet der Klägerin zu 3, der Gemeinde B., sind die Masten 96 – 104 und 106 planfestgestellt. Die Klägerin zu 3 ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung B., Flur … Flurstück … (…), das für einen Schutzstreifen der Leitung in Anspruch genommen wird. Das Grundstück ist mit einem eingeschossigen, zum Wohnen genutzten Gebäude bebaut. Derzeit befindet sich in etwa 45 m Entfernung, auf der gegenüberliegenden Seite des … Weges ein Einebenenmast mit einer Höhe von etwa 55 m. Etwa an gleicher Stelle sieht der Plan den Mast 101 vor, einen Tonnenmast mit vier Traversen und einer Höhe von knapp 76 m.
8
Die Kläger halten den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig. Sie rügen unter anderem Verfahrensfehler und fordern, Birkenwerder großräumig zu umgehen, um das Ortsbild zu schützen. Technische Alternativen eines Erdkabels oder einer oberirdischen Leitungsführung entlang der Autobahn seien rechtsfehlerhaft abgelehnt worden. Auf die Wohngebäude wirke die Leitung erdrückend. Der Planfeststellungsbeschluss durchkreuze kommunale Planungen auf dem Gebiet nördlich der A 10.
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Die Kläger beantragen jeweils,
den Planfeststellungsbeschluss für die Errichtung und den Betrieb des östlichen Teils der 380-kV-Freileitung Neuenhagen-Wustermark-Hennigsdorf (380-kV-Nordring Berlin) vom Portal Umspannwerk (UW) Neuenhagen bis zum Mast 189 mit den Einschleifungen UW Malchow und UW Hennigsdorf vom 30. August 2019 aufzuheben,
hilfsweise, den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären,
weiter hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss um Schutzvorkehrungen bzw. die Feststellung eines Entschädigungsanspruchs dem Grunde nach zu ergänzen.
10
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
11
Die Beigeladene beantragt,
die Klagen abzuweisen.
12
Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss.
13
Der Senat hat mit Beschlüssen vom 27. Juli 2020 – 4 VR 7.19 u.a. – (NVwZ 2021, 723 = ZNER 2020, 438) und vom 4. Dezember 2020 – 4 VR 6.19 – (juris) Eilanträge des Klägers zu 1 und der Klägerin zu 3 abgelehnt. Die Kläger zu 2 haben ihren Eilantrag zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

14
Über die nach § 93 Satz 1 VwGO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Verfahren entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, § 1 Abs. 3 EnLAG i.V.m. Nr. 11 der Anlage zum EnLAG im ersten und letzten Rechtszug.
15
Die Klagen sind unbegründet. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen Rechtsvorschriften, die nach § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwRG für diese Entscheidung von Bedeutung sind und Belange berühren, die zu den Zielen gehören, die der Kläger zu 1 nach seiner Satzung fördert. Er verletzt weder die Kläger zu 2 noch die Klägerin zu 3 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in ihren Rechten. Die Kläger können daher weder eine Aufhebung des Beschlusses noch die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit oder seine Ergänzung um Schutzvorkehrungen oder die Feststellung von Entschädigungsansprüchen verlangen. Auf die unterschiedlichen Rügebefugnisse kommt es insoweit nicht an (vgl. für Vereinigungen nach § 3 Abs. 1 UmwRG BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2017 – 9 A 14.16 – BVerwGE 160, 78 Rn. 10 und Beschluss vom 12. Juli 2018 – 7 B 15.17 – Buchholz 451.224 § 36 KrWG Nr. 1 Rn. 19; für nicht enteignend betroffene Eigentümer BVerwG, Urteil vom 16. März 2021 – 4 A 10.19 – juris Rn. 13; für Gemeinden BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 – 4 A 1.13 – BVerwGE 148, 353 Rn. 23 und vom 10. April 2019 – 9 A 22.18 – BVerwGE 165, 185 Rn. 10).
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Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 12. August 2009 – 9 A 64.07 – BVerwGE 134, 308 Rn. 52 und vom 20. Januar 2021 – 4 A 4.19 – UPR 2021, 269 Rn. 22). Zu berücksichtigen sind allerdings Rechtsänderungen, die zum Fortfall eines vormaligen Rechtsverstoßes des Planfeststellungsbeschlusses führen (BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 – 9 A 3.06 – BVerwGE 130, 299 Rn. 255 f. und vom 12. August 2009 – 9 A 64.07 – BVerwGE 134, 308 Rn. 52). Das Energiewirtschaftsgesetz findet damit Anwendung in der Fassung des Gesetzes zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus vom 13. Mai 2019 (BGBl. I S. 706). Das im Juli 2014 eingeleitete Verfahren war im Übrigen nach § 2 Abs. 4 Satz 1 EnLAG in der bis vor dem 31. Dezember 2015 geltenden Fassung des Energieleitungsausbaugesetzes zu Ende zu führen, weil die Vorhabenträgerin einen Antrag nach § 2 Abs. 4 Satz 2 EnLAG nicht gestellt hat (PFB S. 73) (im Folgenden: EnLAG a.F.). Hinsichtlich der Umweltverträglichkeitsprüfung war das Verfahren gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 2 UVPG nach der Fassung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in der vor dem 16. Mai 2017 geltenden Fassung zu Ende zu führen, weil die Unterlagen nach § 6 UVPG in der bis dahin geltenden Fassung des Gesetzes vorgelegt worden waren (PFB S. 61) (im Folgenden: UVPG a.F.).
17
A. Der Planfeststellungsbeschluss ist frei von Verfahrensfehlern ergangen.
18
1. Die Planfeststellungsbehörde war nicht verpflichtet, nach Vorlage weiterer Unterlagen im Jahr 2019 die Öffentlichkeit erneut zu beteiligen.
19
Maßgeblich sind § 43b Nr. 1 Buchst. b EnWG a.F., § 9 Abs. 3 UVPG a.F. i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 4 UVPG a.F. Ändert danach der Träger des Vorhabens die nach § 6 UVPG a.F. erforderlichen Unterlagen im Laufe des Verfahrens, so kann von einer erneuten Beteiligung der Öffentlichkeit abgesehen werden, soweit keine zusätzlichen oder anderen erheblichen Umweltauswirkungen zu besorgen sind. Die Öffentlichkeit muss zudem neu beteiligt werden, wenn eine nach Gegenstand, Systematik und Ermittlungstiefe neue oder über die bisherigen Untersuchungen wesentlich hinausgehende Prüfung von Umweltbetroffenheiten vorgenommen wird (BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 – 9 A 9.15 – BVerwGE 155, 91 Rn. 34). Dies beurteilt sich danach, ob bereits die ursprünglichen Unterlagen die nach § 6 Abs. 3 Satz 3 UVPG a.F. nötige Anstoßwirkung entfalten oder ob eine solche erstmalig von den neuen Unterlagen ausgeht. Die Anstoßwirkung soll den Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung sicherstellen, durch Einbeziehung von Meinungsäußerungen und Bedenken der Öffentlichkeit zu Umweltbelangen den behördlichen Entscheidungsprozess besser und transparenter zu gestalten. Sie setzt voraus, dass die Unterlagen potenziell Betroffenen und den anerkannten Vereinigungen die Beurteilung ermöglichen, ob und in welchem Umfang ihre Belange oder ihre satzungsgemäßen Interessen von den Umweltauswirkungen betroffen werden können (BVerwG, Urteile vom 9. Februar 2017 – 7 A 2.15 – BVerwGE 158, 1 Rn. 28 und vom 27. November 2018 – 9 A 8.17 – BVerwGE 163, 380 Rn. 54 ; vgl. PFB S. 63).
20
Aus dem Unionsrecht ergeben sich keine weitergehenden Anforderungen. Nach Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. 2012 L 26 S. 1) (UVP-RL) erhält die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig und in effektiver Weise die Möglichkeit, sich an den umweltbezogenen Entscheidungsverfahren nach Art. 2 Abs. 2 UVP-RL zu beteiligen und hat zu diesem Zweck das Recht, der zuständigen Behörde bzw. den zuständigen Behörden gegenüber Stellung zu nehmen und Meinungen zu äußern, wenn alle Optionen noch offenstehen und bevor die Entscheidung über den Genehmigungsantrag getroffen wird. Nach Erwägungsgrund 16 der Richtlinie wird der Entscheidungsprozess dadurch nachvollziehbarer und transparenter, und in der Öffentlichkeit wächst das Bewusstsein für Umweltbelange sowie die Unterstützung für die getroffenen Entscheidungen. Die Richtlinie fordert nicht, dass die Angaben, anhand derer die Auswirkungen eines Projekts beurteilt werden können, unbedingt in einem einzigen Dokument enthalten sein müssen. Die betroffene Öffentlichkeit muss aber die tatsächliche Möglichkeit haben, sich an Entscheidungsverfahren zu beteiligen und sich im Hinblick darauf gebührend vorzubereiten. Die Öffentlichkeit muss anhand der ihr zugänglich gemachten Aktenstücke einen genauen Überblick über die Auswirkungen des fraglichen Projekts erlangen können. Es ist Sache des nationalen Gerichts zu prüfen, ob die der Öffentlichkeit vor der Genehmigung des fraglichen Projekts zugänglichen Akten diese Anforderungen sämtlich erfüllen (EuGH, Urteil vom 28. Mai 2020 – C-535/18 [ECLI:EU:C:2020:391] – NVwZ 2020, 1177 Rn. 85 f., 89 ).
21
Weiteren Klärungsbedarf zeigen die Kläger mit ihrer Forderung nach einer Vorlage zum Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV nicht auf: Es bedarf einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung, wenn die bereits ausgelegten Unterlagen nicht ausreichten, um einen genauen Überblick über die Auswirkungen eines Projekts zu erlangen. Wenn weitere Unterlagen über die bisherigen Unterlagen im Hinblick auf den Gegenstand, die Systematik oder Ermittlungstiefe hinausgehen, werden die Behörde und ihr nachfolgend das Gericht daher prüfen müssen, ob die bereits ausgelegten Unterlagen ausreichten, um einen genauen Überblick zu gewinnen. Ist dies der Fall, bedarf es keiner erneuten Auslegung, weil der Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung bereits erreicht ist (vgl. auch BVerwG, Urteile vom 7. Mai 2014 – 4 CN 5.13 – Buchholz 406.11 § 3 BauGB Nr. 15 Rn. 16 und vom 8. März 2017 – 4 CN 1.16 – BVerwGE 158, 182 Rn. 19 zum Bebauungsplanverfahren).
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a) Für die “Vertiefende Betrachtung der großräumigen Trassenalternativen im Bereich Birkenwerder” vom 17. Juni 2019 der … GmbH & Co. KG (im Folgenden: “Vertiefende Betrachtung”) war keine erneute Beteiligung der Öffentlichkeit notwendig (vgl. PFB S. 65 f.). Die visuellen Wirkungen des Vorhabens waren aus den im Jahr 2018 ausgelegten Unterlagen hinreichend genau erkennbar.
23
Aus diesen Unterlagen ergaben sich Standort, Höhe und Form der Masten der Freileitung. Die Siedlungsstruktur ließ sich den Unterlagen entnehmen und war den Betroffenen bekannt, soweit ihre eigenen Grundstücke und deren Umgebung in Rede standen. Um die visuellen Auswirkungen des Projekts abzuschätzen, waren weder eine Visualisierung noch eine sachverständige Untersuchung notwendig. Freileitungen unterschiedlichster Bauart und Höhe sind überall im Bundesgebiet anzutreffen, ihr Aufbau und Anblick allgemein bekannt. Im Gemeindegebiet der Klägerin zu 3 befindet sich zudem in vergleichbarer Lage bereits eine Leitung, mag auch die planfestgestellte Leitung nach Höhe, Aufbau und Maststandorten abweichen. Einer sachverständigen Aufbereitung bedurfte es nicht: Anders als bestimmte Immissionen oder Beeinträchtigungen einzelner Wasserkörper können visuelle Wirkungen ohne technischen oder naturwissenschaftlichen Sachverstand erfasst und gewürdigt werden. Der zu erwartende Anblick von Leitungen einer bestimmten Höhe und Bauart stößt bei Betroffenen auf Ablehnung oder Gleichgültigkeit, ohne dass es weiterer Erläuterungen bedarf. So sah sich die Planfeststellungsbehörde nach Auslegung der Unterlagen mit der Forderung konfrontiert, die Lage Birkenwerder großräumig zu umgehen (PFB S. 298 ff.), auch wegen der erwarteten visuellen Wirkungen und der permanenten Sichtbarkeit der Leitung (vgl. auch PFB S. 325, 327). Die Unterlagen ließen es auch zu, Bildmontagen zu erstellen und zur Unterstützung von Einwendungen in das Verwaltungsverfahren einzubringen.
24
Die Vertiefende Betrachtung gab keinen Anlass zu einer erneuten Auslegung. Grund für die Ausarbeitung war das Senatsurteil vom 14. März 2018 – 4 A 5.17 – (BVerwGE 161, 263), dem die Gutachter weitere Anforderungen an die Abwägung von Trassenalternativen entnommen haben. Auch die Untersuchung der privaten Belange (“Vertiefende Betrachtung”, S. 14 – 25) ging über die bisherigen Unterlagen aber nicht in einem solchen Umfang hinaus, dass eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung notwendig gewesen wäre. Im Übrigen nahm das Senatsurteil vom 14. März 2018 – 4 A 5.17 – (BVerwGE 161, 263 Rn. 78 ff.) nicht für sich in Anspruch, neue Anforderungen an die behördliche Abwägung aufzustellen (anders etwa in BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 – 9 A 9.15 – BVerwGE 155, 91 Rn. 29 und 31) oder für visuelle Belastungen neue Beurteilungskategorien einzuführen (vgl. ebd. Rn. 87 ff. m.w.N.), sondern beanstandete – anknüpfend an vorhandene Rechtsprechung – eine einzelne Behördenentscheidung.
25
b) Die Vorlage der “Machbarkeitsstudie zur 380-kV-Teilverkabelung des 380-kV-Nordring[s] Berlin im Bereich Birkenwerder” der … GmbH vom 3. Mai 2019 machte keine erneute Auslegung notwendig. Die Studie äußert sich zu dem Gutachten von Brakelmann/Jarass “Geplante 380-kV-Freileitung im Raum Birkenwerder: Möglichkeiten von Kabellösungen” vom 1. März 2018 (im Folgenden: Brakelmann/Jarass) und den dort vorgeschlagenen technischen Lösungen, nicht aber zu den Auswirkungen des zur Planfeststellung beantragten Vorhabens. Eine über die bisherigen Unterlagen hinausgehende Anstoßwirkung konnte sie daher nicht entfalten.
26
2. Der Planfeststellungsbeschluss leidet auch darüber hinaus nicht an beachtlichen Verfahrensfehlern. Dies ergibt sich im Einzelnen aus den im Senatsbeschluss vom 27. Juli 2020 – 4 VR 7.19 u.a. – (NVwZ 2021, 723 Rn. 15 bis 21, 24, 29 bis 31 ) dargelegten Gründen, die von den Klägern nicht angegriffen worden sind und an denen der Senat festhält.
27
B. Die Planrechtfertigung liegt vor.
28
1. Das Vorhaben ist ein Abschnitt des Vorhabens Nr. 11 der Anlage zum EnLAG a.F. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 EnLAG a.F. entspricht es den Zielsetzungen des § 1 EnWG. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 EnLAG a.F. stehen für dieses Vorhaben die energiewirtschaftliche Notwendigkeit und der vordringliche Bedarf fest. Diese Feststellungen sind nach § 1 Abs. 2 Satz 3 EnLAG a.F. für die Planfeststellung verbindlich. Die gesetzliche Bedarfsfeststellung gilt auch für einen Abschnitt eines Vorhabens (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 – 4 A 5.17 – BVerwGE 161, 263 Rn. 39). Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Feststellung eines Bedarfs bestehen nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 – 4 A 13.18 – juris Rn. 30 ff. und Beschluss vom 27. Juli 2020 – 4 VR 7.19 u.a. – NVwZ 2021, 723 Rn. 35).
29
Der Gesetzgeber hat mit der Aufnahme des Vorhabens Nr. 11 in die Anlage zum EnLAG a.F. die Grenzen seines weiten Gestaltungs- und Prognosespielraums nicht überschritten. Zwar ist der Gesetzgeber bei der Feststellung des Bedarfs für ein Vorhaben nicht völlig frei. Würden in den Bedarfsplan nach dem Energieleitungsausbaugesetz Vorhaben aufgenommen, denen im Hinblick auf einen künftigen Bedarf jegliche Notwendigkeit fehlt, überschritte dies die Grenzen des gesetzgeberischen Spielraums. Eine derartige fehlerhafte Bedarfsfeststellung ließe sich nicht als Konkretisierung des Gemeinwohlerfordernisses für eine Enteignung rechtfertigen und wäre verfassungswidrig. Insoweit ist die fachgerichtliche Prüfung des gesetzlich festgelegten Bedarfs für ein Vorhaben aber auf eine Evidenzkontrolle beschränkt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 – 7 A 4.12 – BVerwGE 147, 184 Rn. 36 m.w.N.).
30
Das Vorhaben “Nordring Berlin” ist weder ein Vorhaben der dena-Netzstudie I noch ein Vorhaben von gemeinsamen Interesse gemäß der Leitlinien der Europäischen Union. Der Gesetzgeber war indes nicht gehindert, aus sachlichen Gründen den Bedarf für weitere Vorhaben festzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 – 4 A 1.16 – Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 5 Rn. 20 zum Vorhaben Nr. 13 der Anlage zum EnLAG). Die Leitung Neuenhagen – Wustermark dient der Erhöhung der horizontalen Übertragungsfähigkeit im Osten der Vattenfall-Regelzone, insbesondere für den Ferntransport von Windenergie (Abtransport von überschüssigem Windstrom) und den Abtransport künftiger Kraftwerkseinspeiseleistung durch Zubau von Übertragungskapazität (BT-Drs. 16/10491 S. 17). Diese Gründe tragen die Aufnahme eines Vorhabens in den Bedarfsplan. Die Bundesregierung hält den Bedarf nach wie vor für gegeben (BT-Drs. 19/4675 S. 10). Die Bestätigung des Netzentwicklungsplans Strom für das Zieljahr 2030 durch die Bundesnetzagentur vom 22. Dezember 2017 weckt keine Zweifel an der gesetzlichen Bedarfsfeststellung. Der Netzentwicklungsplan bestätigt das Projekt P180: Marzahn – Teufelsbruch (“380-kV-Diagonale Berlin”). Er sieht das für das Jahr 2030 geplante Projekt aber nicht als Alternative zu der verfahrensgegenständlichen Leitung an. Denn diese liegt als Teil des Startnetzes (vgl. ebd. S. 256) der Netzausbauplanung als Ausgangspunkt zugrunde (vgl. PFB S. 68).
31
Der Gesetzgeber durfte einen Bedarf auch angesichts der tatsächlichen Auslastung der 220-kV-Leitung auf dem Berliner Nordring (etwa im Jahr 2017) annehmen. Denn eine Belastung mit weniger als 50 % belegt keine Unterauslastung. Vielmehr werden Stromnetze nach dem n-1-Kriterium so ausgelegt, dass der Ausfall eines Stromkreises durch andere Stromkreise kompensiert werden kann, die ihrerseits entsprechende Reserven aufweisen müssen. Im Übrigen kann die tatsächliche Auslastung in der Vergangenheit die Planrechtfertigung für einen Bedarf infolge des Ausbaus der Energieerzeugung nicht widerlegen.
32
2. Der Senat hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die im Gesetz festgelegten Anfangs- und Endpunkte der Trasse. Eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG scheidet aus.
33
Der Bedarfsplan des Energieleitungsausbaugesetzes nennt regelmäßig Anfangs- und Endpunkt einer Trasse. Diese Netzverknüpfungspunkte sind verbindlich und bestimmen das Vorhaben. Ein Vorhaben mit einem anderen Anfangspunkt ist keine Trassenvariante, sondern ein anderes Vorhaben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. September 2018 – 4 A 13.17 – Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 39 Rn. 4), das von der gesetzlichen Bedarfsfeststellung nicht gedeckt ist. Erweist sich im Zuge einer Planung ein anderer Anfangspunkt als sachgerecht oder vorzugswürdig, hat der Gesetzgeber darüber zu befinden, ob er diesen in die Anlage zum EnLAG aufnimmt, so den Bedarf für ein anderes Vorhaben feststellt und die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts begründet (vgl. Art. 4 Nr. 3 des Gesetzes vom 13. Mai 2019 – BGBl. I S. 706 zu Vorhaben Nr. 5 nach dem EnLAG).
34
Die Kläger haben nicht aufgezeigt, warum die vorgesehene Netzverknüpfung evident unsachlich sein sollte. Der Beginn der Leitung in Neuenhagen entspricht dem Beginn des Vorhabens Nr. 3 der Anlage zum EnLAG (“Uckermarkleitung”), das Teil der dena-Netzstudie I ist (BT-Drs. 16/10491 S. 10) und dessen Aufnahme in das Energieleitungsausbaugesetz der Senat gebilligt hat (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 – 4 A 5.14 – BVerwGE 154, 73 Rn. 51 ff.). Die eindeutige Vorzugswürdigkeit anderer Varianten behaupten die Kläger unter Hinweis auf eine kürzere Leitungslänge und schematische Zeichnungen. Der Vortrag mag andere Möglichkeiten der Netzanbindung aufzeigen, ist aber schon mangels Substantiierung nicht geeignet, die evidente Unsachlichkeit und damit Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Bedarfsfeststellung auch nur nahezulegen. Zwar trifft der Einwand der Kläger zu, dass die gesetzliche Bedarfsfeststellung die von ihnen geforderten Alternativen der behördlichen Abwägung entzieht. Diese Folge der gesetzlichen Bedarfsfeststellung zeigt aber nicht deren evidente Fehlerhaftigkeit auf.
35
C. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt nicht gegen zwingendes Recht.
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1. Er genügt den Anforderungen des Immissionsschutzrechts mit Blick auf die entstehenden elektromagnetischen Felder. Dies hat der Senat in seinem Eilbeschluss vom 27. Juli 2020 – 4 VR 7.19 u.a. – (NVwZ 2021, 723 Rn. 40 bis 56 ) im Einzelnen dargelegt. An diesen Ausführungen hält er fest. Die Kläger haben Einwendungen insoweit nicht erhoben.
37
2. Die Anforderungen des Immissionsschutzrechts sind hinsichtlich der von der Anlage ausgehenden Geräusche gewahrt. Die Leitung unterfällt als sonstige ortsfeste Einrichtung nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, bedarf aber nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Sie genügt hinsichtlich der entstehenden Geräusche den Betreiberpflichten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG, weil sie keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorruft.
38
Den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert für anlagenbezogene Lärmimmissionen die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl S. 503). Ihr kommt eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2013 – 4 A 1.13 – BVerwGE 148, 353 Rn. 53 und vom 14. März 2018 – 4 A 5.17 – BVerwGE 161, 263 Rn. 60).
39
Der Planfeststellungsbeschluss sieht die Anforderungen der TA Lärm als gewahrt an (PFB S. 245 ff.; vgl. auch PFB S. 321 ff.) und beruft sich auf ein Schalltechnisches Gutachten (… GmbH, Schalltechnisches Gutachten auf Basis der TA Lärm, SHNG2017-142-Rev. 3 vom 14. März 2019, im Folgenden: SHN-Gutachten). Die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung unterschreite die maßgeblichen Immissionsrichtwerte bei schwachem Niederschlag an 14 von 15 Immissionsorten um mehr als 6 dB(A) und sei daher nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm im Hinblick auf den Gesetzeszweck nicht relevant (SHN-Gutachten, S. 18 ff.). Dieser Befund gilt für alle Immissionsorte im Hoheitsgebiet der Klägerin zu 3 und in dem räumlichen Bereich, innerhalb dessen der Kläger zu 1 Ziele verfolgt.
40
Die Kritik der Kläger an der Lärmprognose bleibt erfolglos. Sie richtet sich vorrangig gegen ein schalltechnisches Gutachten aus dem Jahr 2014, nicht gegen das SHN-Gutachten und bleibt daher weitgehend unsubstantiiert. Das SHN-Gutachten untersucht unterschiedliche Witterungsbedingungen und berechnet jeweils Mit-Wind-Situationen (ebd. S. 15). Welche Windgeräusche die Kläger darüber hinaus beachtet sehen möchten, legen sie nicht dar. Die Forderung, das Grundstück … als maßgeblichen Immissionsort zu betrachten, beruht auf der unzutreffenden Annahme, das Wohngebäude werde direkt überspannt. Im Übrigen spricht nichts dafür, dass es dort zu unzumutbaren Lärmimmissionen kommt. Zwischen Mast 101 und 102 betrachtet das Gutachten die Immissionsorte 6B (…) und 6C (…). Bei schwachem Niederschlag werden die maßgeblichen Immissionsrichtwerte für ein allgemeines Wohngebiet (nachts) dort um 9 und 10 dB(A) unterschritten, bei starkem Niederschlag die Immissionsrichtwerte für seltene Ereignisse um 16 und 17 dB(A). Damit sind auch am Wohnhaus der Kläger zu 2 keine unzumutbaren Lärmeinwirkungen zu befürchten. Die Sorge der Kläger zu 2 ist unbegründet, sie könnten Geräusche von Vogelschutzmarkern hören. Solche Marker sind zwischen Mast 101 und Mast 102 nicht planfestgestellt (vgl. Maßnahmenblatt VAFB12).
41
3. Verstöße gegen Anforderungen des Raumordnungsrechts hat der Senat in seinem Beschluss vom 27. Juli 2020 – 4 VR 7.19 u.a. – (NVwZ 2021, 723 Rn. 57 bis 64 ) geprüft und verneint. An diesen, von den Klägern nicht mehr angegriffenen Erwägungen hält er fest.
42
D. Der Planfeststellungsbeschluss leidet nicht an beachtlichen Abwägungsfehlern.
43
Nach § 43 Abs. 3 EnWG sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass – erstens – eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass – zweitens – in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass – drittens – weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Februar 1975 – 4 C 21.74 – BVerwGE 48, 56 und vom 14. März 2018 – 4 A 5.17 – BVerwGE 161, 263 Rn. 73).
44
1. Der Planfeststellungsbeschluss entscheidet sich im Ergebnis zutreffend für die Errichtung einer Freileitung anstelle eines Erdkabels oder anderer technischer Varianten.
45
a) Die Ablehnung eines Erdkabels (PFB S. 71 ff.) ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beklagte war nicht befugt, der Beigeladenen gegen deren Willen die Errichtung und den Betrieb eines Erdkabels aufzugeben. Denn die Leitung gehört nicht zu den in § 2 Abs. 1 EnLAG a.F. genannten Vorhaben. Der Beklagte konnte daher ein Erdkabel nicht nach § 2 Abs. 2 EnLAG a.F. verlangen. Ein solches Verlangen konnte die Planfeststellungsbehörde auch nicht auf das Abwägungsgebot des § 43 Abs. 3 EnWG stützen (BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 – 4 A 13.18 – juris Rn. 129 und Beschluss vom 27. Juli 2020 – 4 VR 7.19 u.a. – NVwZ 2021, 723 Rn. 101 bis 108). Dies gilt für alle Gestaltungen, die Erdkabel zum Gegenstand haben, also Kabel, die in die Erde eingebracht sind (BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2021 – 4 A 4.19 – UPR 2021, 269 Rn. 30), sei es in einem offenen Graben oder einem Bohrverfahren.
46
b) Gestützt auf das Gutachten von Brakelmann/Jarass hat die Klägerin zu 3 im Verwaltungsverfahren andere technische Gestaltungen skizziert. Diesen ist gemein, dass die Leitung auf oder knapp oberhalb des Geländeniveaus in baulichen Anlagen oder in Wällen entlang der Autobahn geführt wird. Solche Gestaltungen sind kein Erdkabel im Sinne des § 2 Abs. 1 EnLAG a.F. (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2021 – 4 A 4.19 – UPR 2021, 269 Rn. 29 zu § 3 Abs. 5 BBPlG). Diese, teils als “innovative Kabellösungen” (Brakelmann/Jarass, S. 20) bezeichneten Vorschläge, haben die Kläger im gerichtlichen Verfahren überwiegend nicht mehr verfolgt, sondern als Denkanstöße für die Planaufstellung verstanden wissen wollen.
47
Hiervon unabhängig genügt der prozessuale Vortrag zu den Varianten in erheblichem Umfang nicht § 67 Abs. 4 VwGO. Nach Satz 1 der Vorschrift müssen sich die Beteiligten vor dem Bundesverwaltungsgericht außer im Prozesskostenhilfeverfahren durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind nach Satz 3 nur die in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO bezeichneten Personen zugelassen, also unter anderem Rechtsanwälte und Rechtslehrer an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen. § 67 Abs. 4 VwGO verlangt eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs (BVerwG, Beschluss vom 6. September 1965 – 6 C 57.63 – BVerwGE 22, 38 ). Der Vertretungszwang soll die Sachlichkeit des Verfahrens und die sachkundige Erörterung des Streitfalles, insbesondere der entscheidungstragenden Rechtsfragen, gewährleisten (BVerwG, Urteil vom 23. April 2014 – 9 A 25.12 – BVerwGE 149, 289 Rn. 16). Es genügt daher nicht, Ausführungen Dritter ohne rechtliche Einordnung in einen Schriftsatz zu übernehmen, wie dies in den Schriftsätzen der Kläger zu 1 und 2 vom 26. Februar 2020 (S. 61 bis 75) und der Klägerin zu 3 vom 8. Januar 2020 (S. 51 bis 63) geschieht.
48
c) Die Kläger verlangen eine Einhausung der Leitung. Parallel zur Lärmschutzwand entlang der A 10 solle eine zweite Wand errichtet werden, die Konstruktion überdacht und in dem entstehenden Raum die Kabel montiert werden. Diese Variante schlagen Brakelmann/Jarass zur Kostenreduzierung vor (ebd. S. 50). Der Planfeststellungsbeschluss lehnt sie ab (PFB S. 81 f.). Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Beklagte wäre nicht befugt gewesen, der Beigeladenen eine solche Gestaltung aufzugeben.
49
aa) Dem Vorschlag dürfte schon § 49 Abs. 1 Satz 2 EnWG entgegenstehen. Danach sind vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Dies sind solche technischen Regeln, die von den herrschenden Fachkreisen als richtig anerkannt sind und praktiziert werden; darüber hinaus müssen sie in der Praxis erprobt sein (BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 – 7 A 4.12 – BVerwGE 147, 184 Rn. 40). Brakelmann/Jarass räumen indes ein, ein “Infrastrukturkanal entlang einer Lärmschutzwand” sei bisher noch nicht in Deutschland realisiert worden (ebd. S. 50).
50
bb) Der Variante stand die Entscheidung des Energieleitungsausbaugesetzes entgegen, Vorhaben nach dem Bedarfsplan grundsätzlich als Freileitung und nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 und 2 EnLAG a.F. als Erdkabel zu errichten. Sonstige Gestaltungen, die weder Freileitung noch Erdkabel sind, scheiden aus.
51
§ 1 Abs. 1 EnLAG a.F. regelt Vorhaben nach § 43 Satz 1 EnWG (in der Fassung vor Inkrafttreten von Art. 1 Nr. 19 des Gesetzes vom 13. Mai 2019 – BGBl. I S. 706). Nach der – einzig in Betracht kommenden – Nr. 1 der Vorschrift sind dies Hochspannungs f r e i leitungen mit einer Nennspannung von 110 Kilovolt oder mehr. Der Gesetzgeber wollte mit dem Energieleitungsausbaugesetz einen raschen Ausbau des Höchstspannungsübertragungsnetzes erreichen (BT-Drs. 16/10491 S. 1), das eine hohe Versorgungssicherheit und Versorgungsqualität gewährleisten müsse (ebd. S. 9). Er erwog zwar Alternativen zum Netzausbau, sah aber den Bedarf, die absehbaren Netzengpässe mit den “jetzt zur Verfügung stehenden Mitteln” kurz- und mittelfristig zu beseitigen (ebd. S. 14). Die Anlage des Energieleitungsausbaugesetzes stellt daher den Bedarf für bestimmte Leitungen fest, die als Freileitungen errichtet werden und wählt damit die für die Übertragung von Drehstrom im Höchstspannungsnetz übliche technische Gestaltung. Abweichende technische Gestaltungen sieht das Gesetz in § 2 Abs. 1 und 2 EnLAG a.F. vor, der Erdkabel zum Gegenstand hat (vgl. ebd. S. 16). Es wäre systematisch nicht einsichtig, die Anordnung von Erdkabeln nach Maßgabe des § 2 Abs. 1 und 2 EnLAG a.F. auf bestimmte Pilotvorhaben und Voraussetzungen zu begrenzen, andere, noch weniger übliche Lösungen nach § 43 Abs. 3 EnWG aber der behördlichen Abwägung zu überlassen. Vielmehr beschränkt der Begriff des Erdkabels in § 2 Abs. 1 EnLAG a.F. die als Alternative zur Freileitung zur Verfügung stehenden technischen Gestaltungen. Davon geht auch die Bundesregierung aus, die mit der Ausweitung des Erdkabelbegriffs auf alle Erdleitungen einschließlich Kabeltunnel und gasisolierte Rohrleitungen durch § 2 Abs. 1 Satz 2 EnLAG in der Fassung von Art. 5 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung von Bestimmungen des Rechts des Energieleitungsbaus vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2490) die Möglichkeit eröffnen wollte, “hinsichtlich anderer technischer Lösungen” Erfahrungen zu sammeln (BT-Drs. 18/4655 S. 3).
52
cc) Die geforderte Einhausung führt die Leitung oberirdisch und ist daher kein Erdkabel. Sie ist aber auch weder eine Freileitung noch deren Bestandteil, wie die Kläger in Auseinandersetzung mit dem Beschluss vom 27. Juli 2020 – 4 VR 7.19 u.a. – (NVwZ 2021, 723) und dem Urteil vom 20. Januar 2021 – 4 A 4.19 – (UPR 2021, 269) geltend gemacht haben.
53
Freileitungen sind Leitungen, deren an Masten befestigte Leiterseile durch die Luft geführt werden. Kabel, die entlang einer Lärmschutzwand eingehaust verlaufen, sind keine Freileitungen. Etwas Anderes folgt nicht aus Nr. 2.7 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung der Verordnung über elektromagnetische Felder – 26. BImSchV (26. BImSchVVwV) (BAnz AT 03.03.2016 B5, BAnz AT 03.03.2016 B6). Danach ist eine Freileitung die Gesamtheit einer Anlage zur oberirdischen Fortleitung von Elektrizität. Die Ausführungen unter 5.3.1 der 26. BImSchVVwV zur Minimierung der Immissionen von Drehstromfreileitungen zeigen indes, dass auch die Verwaltungsvorschrift davon ausgeht, dass die Leiterseile an Masten hängen und einen Abstand zum Boden wahren.
54
Erfolglos bleibt der Einwand der Kläger, die Einhausung der Leitung entlang der Autobahn sei Bestandteil einer Freileitung. Zu den Vorhaben nach dem Energieleitungsausbaugesetz gehören nach § 1 Abs. 4 EnLAG a.F. auch die für den Betrieb von Energieleitungen notwendigen Anlagen und die notwendigen Anlagen an den Netzverknüpfungspunkten. Auch § 43 Abs. 2 EnWG geht davon aus, dass mit einer Freileitung weitere Anlagen planfestgestellt werden können, ohne dass der Charakter einer Freileitung entfällt. Diese, auf bestimmte technische Situationen zugeschnittenen und tatbestandlich beschränkten Regelungen rechtfertigen aber nicht den Schluss, dass der Begriff der Freileitung Gestaltungen umfasst, in denen auf einem beachtlichen Teilstück der Strom nicht in frei hängenden Leitungen, sondern in – durch ein Bauwerk eingehausten und fest montierten – Kabeln weitergeleitet wird.
55
Auf die Kosten der Gestaltung kommt es danach nicht an; der hilfsweise beantragten Beweiserhebung bedarf es nicht.
56
2. Die Planfeststellung hat sich ohne Abwägungsfehler für den großräumigen Verlauf der Leitung zwischen – den von Anlage Nr. 11 zum EnLAG a.F. rechtlich vorgegebenen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2020 – 4 VR 7.19 u.a. – NVwZ 2021, 723 Rn. 72) – Anfangs- und Endpunkten der Leitung entschieden und eine Umgehung von Birkenwerder und Borgsdorf abgelehnt.
57
Bestehen keine rechtlich zwingenden Vorgaben, ist die Auswahl unter verschiedenen Trassenvarianten eine fachplanerische Abwägungsentscheidung. Bei der Auswahl zwischen verschiedenen Trassenvarianten ist die Grenze der planerischen Gestaltungsfreiheit erst überschritten, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen, oder wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 19. Mai 1998 – 4 A 9.97 – BVerwGE 107, 1 und vom 14. März 2018 – 4 A 5.17 – BVerwGE 161, 263 Rn. 82).
58
a) Die betrachteten Alternativen umgehen Birkenwerder und das nördlich gelegene Borgsdorf. Sie geben hinter Mühlenbeck den Verbund mit der Autobahn A 10 auf. Eine Variante (“L 211”) führt im Verbund mit der Landesstraße L 211 nach Nordwesten, verschwenkt etwas östlich von Borgsdorf nach Südwesten, kreuzt nördlich von Borgsdorf die Bahnlinie, wird zunächst in südwestlicher Richtung geführt und erreicht westlich des Oranienburger Kanals von Norden her die Antragstrasse. Die Variante “Gastrasse” folgt zunächst der Variante “L 211”, wird aber südlich davon entlang einer Gastrasse durch den Mühlenbecker Forst geführt, verschwenkt kurz vor Briese nach Nordwesten und erreicht südlich von Borgsdorf wieder die Trasse “L 211”; im Folgenden ist der Verlauf identisch. Die planfestgestellte Trasse ist in diesem Abschnitt knapp 8 km lang bei geschätzten Kosten von 8,1 Mio. €, die Varianten jeweils knapp 13 km mit geschätzten Kosten von 14,8 Mio. €.
59
Der Planfeststellungsbeschluss lehnt beide großräumigen Varianten ab (PFB S. 97 ff.). Er erkennt die Entlastung der Bereiche Birkenwerder und Hohen Neuendorf, weil visuelle Beeinträchtigungen vermieden werden und die Belastung durch Lärm und elektromagnetische Felder ganz entfällt. Angesichts der tatsächlichen Vorbelastung durch die Bestandstrasse, der im Bereich verbleibenden Bahnstromleitung Priort-Karow, der Neuzerschneidung eines Freiraums im Bereich des naturnahen Erholungsraums Briesetal auf einer Länge von mehr als 10 km und der zusätzlichen Kosten hält er die Alternativvarianten aber nicht für vorzugswürdig (PFB S. 101 f.).
60
b) Die Prüfung räumlicher Trassenvarianten erfolgt nicht auf “freiem Felde” (BVerwG, Urteile vom 5. Juli 1974 – 4 C 50.72 – BVerwGE 45, 309 und vom 24. Mai 2018 – 4 C 4.17 – BVerwGE 162, 114 Rn. 37), sondern hat den Naturraum und die Infrastruktur in den Blick zu nehmen. Zwar gibt es keinen zwingenden Planungsleitsatz, bestehende Leitungstrassen für ein neues Vorhaben zu nutzen. Der Ausbau des Netzes unter Nutzung vorhandener Trassenräume hat aber grundsätzlich Vorrang vor dem Neubau auf neuen Trassen (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – 4 A 4.15 – BVerwGE 157, 73 Rn. 35; Beschluss vom 28. März 2020 – 4 VR 5.19 – juris Rn. 39). Die von einer Be-standstrasse geprägte Situationsgebundenheit von Grundstücken und Gebieten ist daher ein Kriterium, das sich in der Abwägung gegen konkurrierende Belange durchsetzen kann. Sofern eine vorhandene Leitung bereits eine Trasse vorgibt, die sich insgesamt als verträglich erweist, kann es fehlerfrei sein, wenn eine vertiefte Prüfung alternativer großräumiger Trassen unterbleibt. Im Rahmen der Abwägung ist zudem das Bündelungsgebot zu beachten. Danach sind linienförmige Infrastrukturen zu bündeln und Zerschneidungen der Landschaft zu vermeiden (vgl. etwa § 1 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG, § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 6 ROG). Hieran gemessen lagen dem Beklagten hinreichende Untersuchungen vor, um die Nachteile der Alternativtrassen zu erkennen und sich abwägend gegen sie zu entscheiden. Eine solche Abwägungsentscheidung hat der Beklagte getroffen. Mehr ist nicht verlangt.
61
Anders als die Kläger meinen, musste der Planfeststellungsbeschluss für die planfestgestellte Trasse dabei den Bündelungsanteil im Abschnitt zwischen Summt und Birkenwerder nicht mit weniger als 50 % bemessen (vgl. PFB S. 300). Nach dem Bündelungsgebot sind mehrere lineare Infrastrukturen, z.B. Straßen, Schienenwege oder Energieleitungen, möglichst parallel zu führen (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – 4 A 4.15 – BVerwGE 157, 73 Rn. 35). Hiervon ausgehend nimmt der Planfeststellungsbeschluss zutreffend eine vollständige Bündelung der planfestgestellten Trasse mit der A 10 (bis Mast 86) und der 110-kV-Bahnstromleitung Priort-Karow an (ab Mast 86).
62
c) Der Planfeststellungsbeschluss erkennt die Nachteile der Alternativtrassen. Ein Freiraum werde auf einer Länge von mehr als 10 km zerschnitten. Dies führe zu einem erheblichen neuen Eingriff in Natur und Landschaft. Hinzu kämen die Mehrkosten von rund 6 Mio. €. Diese Nachteile bestreiten auch die Kläger nicht. Der Planfeststellungsbeschluss durfte ihnen erhebliches Gewicht beimessen.
63
Der Planfeststellungsbeschluss wägt auch die Querung von Schutzgebieten zutreffend ab (PFB S. 98, 300). Solche Gebiete können durch Überspannung beeinträchtigt werden, auch wenn keine Flächen durch Masten oder Nebenanlagen in Anspruch genommen werden. Denn innerhalb des Schutzstreifens der Leitungen gelten Nutzungseinschränkungen für Tätigkeiten, welche die Leitung gefährden oder ihre Erreichbarkeit für Reparatur und Wartungszwecke verhindern. Die Breite des technischen Schutzstreifens folgt aus dem seitlichen Ausschwingen der Leiterseile und einem zusätzlichen Sicherheitsabstand. Bei einem Mastabstand von 400 m ergibt sich auf unbewaldeten Flächen eine maximale Schutzstreifenbreite von etwa 40 m beidseitig der Leitungsachse, auf bewaldeten Flächen bei einer Baumhöhe von bis zu 40 m beträgt sie durchschnittlich 50 m, max. 55 m (PFB S. 54 f.). Für das FFH-Gebiet Briesetal prognostiziert die “Vertiefende Betrachtung” (S. 26 ff.) daher erhebliche Beeinträchtigungen des Lebensraumtyps 3260 (Flüsse der planaren bis montanen Stufe mit Vegetation des Ranunculion fluitantis und des Callitrichio-Batrachion) (nach Anhang I der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – FFH-Richtlinie) durch Überspannungen und die Veränderungen des Mikroklimas und Beeinträchtigungen sowohl des prioritären Lebensraumtyps 91E0* (Auen-Wälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior ) als auch der Arten Biber, Fischotter und Kammmolch durch die Anlage des Schutzstreifens, den Seilzug und Aufwuchsbeschränkungen. Damit setzen sich die Kläger nicht auseinander. Warum und inwiefern der Rückbau der auf anderer Trasse verlaufenden 220-kV-Leitung eine Rolle spielen könnte, legen sie nicht dar.
64
d) Die Kläger halten die Nachteile der planfestgestellten Trasse für unterschätzt. Diese Kritik bleibt erfolglos. Insbesondere die visuellen Wirkungen der Leitungen sind ausreichend berücksichtigt.
65
aa) Höchstspannungsfreileitungen beeinträchtigen das Orts- und Landschaftsbild, das sie als sichtbare technische Einrichtung beeinflussen oder prägen. Diese Wirkungen können räumlich weit reichen und sind abwägungserheblich. Der Planfeststellungsbeschluss geht diesen Beeinträchtigungen für die Barnimplatte, den Verdichtungsraum Berlin und Westbarnim nach (PFB S. 139 ff.). Dass die geforderten Alternativtrassen insoweit Vorteile bieten könnten, machen die Kläger nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich.
66
bb) Die Beeinträchtigungen des Wohnumfeldes durch visuelle Belastungen sind ausreichend berücksichtigt. Nähern sich Freileitungen Wohngebäuden an, wird das Wohnumfeld gestört. Davon geht der Gesetzgeber in unterschiedlichen Zusammenhängen auch bei Entfernungen aus, die eine Zuordnung der visuellen Wirkung zu bestimmten, einzelnen Grundstücken regelmäßig nicht mehr zulassen (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 EnLAG, § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 BBPlG, vgl. auch BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 – 4 A 1.16 – Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 5 Rn. 53 zu einer raumordnungsrechtlichen Regelung). Der Planung ist daher aufgegeben, das Ziel eines ausreichenden Abstandes zu Wohngebäuden in die Abwägung einzustellen. Welches Gewicht dieser Belang hat und ob er sich gegen gegenläufige Belange durchsetzt, ist eine Frage des Einzelfalls. Die Rechtsordnung kennt kein striktes Verbot, Freileitungen in der Nähe von Wohngebäuden zu führen.
67
Dem trägt der Planfeststellungsbeschluss ausreichend Rechnung. Die Lage der Leitung, die Annäherung an die Wohnbebauung und die Sichtbarkeit der Leitung waren dem Beklagten bekannt. Er stellt die Belastungen des Wohnumfeldes im Bereich Birkenwerder auch nicht in Abrede, hält sie aber wegen der bestehenden Vorbelastung, der Parallelführung mit der A 10 und aufgrund von Sichtverschattungen mit unterschiedlichen Formulierungen für “nicht erheblich” (PFB S. 153) und “hinnehmbar” (PFB S. 265,), sie führten nur “zu geringen Konflikten” (PFB S. 267, 332). Diese Bewertung mag im Einzelnen rhetorisch zugespitzt scheinen, hält sich aber auch unter Berücksichtigung der “Vertiefenden Betrachtung” in den vom Abwägungsgebot gezogenen Grenzen. Denn insbesondere das Gebiet nördlich der A 10 ist erheblich vorbelastet. Die Lage wird nachhaltig von der Autobahn geprägt, die das Siedlungsgebiet von Birkenwerder durchschneidet. Die Klägerin zu 3 hat selbst darauf hingewiesen, dass sie aus Lärmschutzgründen in der Vergangenheit in unmittelbarer Nähe zur Autobahn die planungsrechtliche Grundlage für eine Wohnbebauung nicht schaffen konnte und sieht insoweit nur ein künftiges Wohnbaupotential; auch ihr Flächennutzungsplan stellt im Nahbereich der Trasse keine Wohnnutzung dar. So finden sich dort zwar vereinzelt Wohnnutzungen. Es überwiegen jedoch Kleingärten (teils außer Nutzung), die keine Wohngebäude sind und daher auch keinen Wohnumfeldschutz für sich beanspruchen können. Angesichts dieser Umstände zeigen die mit der “Vertiefenden Betrachtung” ermittelten Sichtbeziehungen nicht auf, dass die Belastung des Wohnumfeldes in beachtlicher Weise unterschätzt worden ist.
68
cc) Die Kläger meinen, die Ergebnisse der “Vertiefenden Betrachtung” seien nicht ausreichend gewürdigt. Dies bleibt erfolglos. Die “Vertiefende Betrachtung” vergleicht die Trassenkorridore hinsichtlich privater Belange (4.). Dazu geht sie (unter 4.3) auch der optischen Wirkung der Leitung auf einzelne Grundstücke nach.
69
(1) Masten einer Freileitung können für Wohngebäude in Extremfällen (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 – 4 A 5.17 – BVerwGE 161, 263 Rn. 89) eine erdrückende Wirkung entfalten, die für den Eigentümer unzumutbar ist. In einem solchen Fall hat die Planfeststellungsbehörde dem Träger des Vorhabens Vorkehrungen oder die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufzuerlegen, die zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf die Rechte des jeweiligen Grundeigentümers erforderlich sind (§ 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG). Sind solche Vorkehrungen oder Anlagen – wie häufig – untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar, hat der Betroffene nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG einen Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld. Ist die visuelle Wirkung nicht erdrückend, ist sie zumutbar. Sie kann insbesondere nicht mit anderen, gleichfalls noch zumutbaren Einzelbelastungen zu einer insgesamt unzumutbaren Wirkung summiert werden. Für diese Forderung der Kläger gibt es weder eine rechtliche Grundlage noch einen handhabbaren Maßstab.
70
Wird die Schwelle einer erdrückenden Wirkung nicht erreicht, können visuelle Wirkungen abwägungserheblich sein, weil die Leitung die Wohnbebauung optisch bedrängt (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 – 4 A 5.17 – BVerwGE 161, 263 Rn. 90). Eine solche Belastung ist zwar noch zumutbar, verlangt aber in der Abwägung Beachtung (vgl. BVerwG, Urteile vom 4. April 2012 – 4 C 8.09 u.a. – BVerwGE 142, 234 Rn. 190 und vom 17. Dezember 2013 – 4 A 1.13 – BVerwGE 148, 353 Rn. 38). Sie setzt indes einige Erheblichkeit für ein konkretes Grundstück voraus: Die Masten der Leitung müssen sich bestimmten einzelnen Grundstücken so annähern, dass sie gerade deren Situation deutlich mitprägen.
71
Die visuellen Wirkungen einer Freileitung im Übrigen betreffen das Wohnumfeld, berühren aber nicht das Eigentumsrecht. Dies gilt insbesondere für die Sichtbarkeit einer Leitung. Der Anblick einer Leitung und damit einer Einrichtung technischen oder industriellen Charakters mag in einem Wohngebiet als störend oder unästhetisch wahrgenommen werden. Freileitungen gehören aber ebenso wie andere Infrastruktureinrichtungen, Fabriken oder Windenergieanlagen zur Raumausstattung eines Industrielandes. Vor ihrem Anblick schützt das Eigentumsrecht nicht.
72
(2) Der Planfeststellungsbeschluss verneint eine erdrückende Wirkung der Leitung (PFB S. 100). Dies hält für das Wohngebäude der Kläger zu 2 und das Gebäude der Klägerin zu 3 rechtlicher Nachprüfung stand.
73
(a) Die Leitung wirkt auf das Grundstück … nicht erdrückend. Eine erdrückende Wirkung baulicher Anlagen liegt in Ausnahmefällen vor, wenn die Anlage ein Nachbargrundstück abriegelt, ihm die Luft zum Atmen nimmt oder es – einem Gefängnishof vergleichbar – einmauert (so etwa OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. Dezember 2014 – 1 MN 118/14 – ZfBR 2015, 274 ). Eine solche Wirkung kann von einem Gittermast, der für die visuelle Wirkung maßgeblich ist (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 – 4 A 5.17 – BVerwGE 161, 263 Rn. 89), regelmäßig nicht ausgehen. Dieser ist lichtdurchlässig und lässt einen, wenn auch eingeschränkten Blick auf die dahinter liegende Landschaft oder Bebauung zu und ist in der Regel nur für bestimmte Blicke von Bedeutung. Erdrückend wirken kann ein Mast aber, wenn das benachbarte Grundstück und die auf ihm errichteten Gebäude ihre Eigenständigkeit und Charakteristik verlieren (OVG Münster, Beschluss vom 22. April 2021 – 10 A 3745/18 – juris Rn. 31). Auch dies kommt aber nur in Ausnahmefällen vor.
74
Der rund 81 m hohe Mast 102 wird in etwa 65 m Entfernung zum Wohnhaus der Kläger zu 2 errichtet. Die Wirkung auf das Grundstück ist deutlich gemindert, weil die Lärmschutzwand für die A 10 Mast und Grundstück voneinander trennt. Diese ist nach den klägerischen Angaben 5 bis 6 m hoch und steht etwa 7 m von der Grundstücksgrenze des etwas tiefer liegenden Grundstücks entfernt. Sie prägt damit das Grundstück wesentlich und riegelt es zum Mast hin optisch ab. Die hinzutretende Belastung wird nur bei einem Blick nach oben, aber nicht auf Augenhöhe eintreten. Schließlich ist das Grundstück bereits durch die bestehende Leitung beeinträchtigt. Deren Mast 122 ist zwar niedriger, verfügt über eine andere Konstruktionsform und ist weiter entfernt, wirkt aber bereits auf das Grundstück ein.
75
Die Kläger wenden sich zudem gegen die Verschiebung des Mastes 102 nach Osten. Dies bleibt erfolglos. Nach Einschätzung des Planfeststellungsbeschlusses muss der bisherige Mast 122 aufgrund zu geringer Freiräume sowohl unter Verkehrssicherheitsaspekten als auch zur Erhaltung der Zugänglichkeit unter Betriebssicherheitsaspekten versetzt werden. Es komme hinzu, dass der Mast 102 durch die geplante Böschungsänderung und den Neubau der Lärmschutzwand im Auffahrtsohr der Autobahn in seiner Betriebssicherheit gefährdet wäre (PFB S. 114, 302). Diese tragenden Gründe ziehen die Kläger nicht substantiiert in Zweifel. Soweit sie auf die im Planfeststellungsbeschluss erwähnte Behelfsbrücke verweisen, mag dieser Grund nach Abbau der Brücke entfallen sein. Die weiteren tragenden Gründe des Planfeststellungsbeschlusses bleiben davon unberührt. Hinsichtlich einzelner Maststandorte genügt es, wenn die Planfeststellungsbehörde Gründe anführt, die geeignet sind, die gegen diesen Standort sprechenden Gründe aufzuwiegen. So liegt es hier. Die Belange der Betriebssicherheit und Zugänglichkeit reichen aus, um die Verschiebung eines einzelnen Mastes um etwa 60 m zu rechtfertigen, die im Kern ein einzelnes Wohngrundstück zwar betrifft, aber nicht unzumutbar belastet.
76
(b) Weder Mast 101 noch die Leiterseile wirken auf das Gebäude im … Weg … erdrückend. Es mag offenbleiben, ob das Gebäude den Schutz einer Wohnbebauung verdient, obwohl die Klägerin zu 3 zur Gebietsnutzung “Wochenendhäuser, Erholung” angegeben, eine Baugenehmigung nicht vorgelegt hat und das Äußere des Gebäudes an der Bestimmung zur dauernden Wohnnutzung Zweifel weckt. Denn der 75,80 m hohe Mast steht zwar nur in 45 m Entfernung zum Wohngebäude, dieses ist aber durch den Bestandsmast ganz erheblich vorbelastet. Zudem trennt der … Weg das Gebäude von dem Maststandort, so dass es seine Eigenständigkeit und Charakteristik bewahrt (vgl. zu ähnlichen Größenverhältnissen BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 – 4 A 5.17 – BVerwGE 161, 263 Rn. 88). Dass der Text des Planfeststellungsbeschlusses (S. 99) die Höhe des Mastes mit 65,80 m angibt, ist mit Blick auf die erdrückende Wirkung angesichts der Größenverhältnisse unbeachtlich, führt aber auch nicht auf einen beachtlichen Abwägungsfehler. Denn angesichts der weiteren Abwägung und der vom Planfeststellungsbeschluss betonten gravierenden Nachteile der Alternativtrassen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass sich die fehlerhafte Zuordnung einer einzelnen Masthöhe auf das Abwägungsergebnis nicht ausgewirkt hat (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Dezember 2015 – 1 BvR 685/12 – NVwZ 2016, 524 Rn. 26 ff.).
77
(3) Der Planfeststellungsbeschluss erkennt die hohe Sichtbarkeit der Masten für 141 Gebäude (PFB S. 100) und stellt sie in seine Abwägung ein. Die optisch bedrängende Wirkung der Leitung, welche die “Vertiefende Betrachtung” für insgesamt 30 Gebäude annimmt, erwähnt er nicht. Darin liegt kein beachtlicher Abwägungsfehler.
78
Zwar ist die Beeinträchtigung durch eine optisch bedrängende Wirkung für einzelne Grundstücke höher als bei einer hohen Sichtbarkeit der Leitung, dafür ist die Zahl der betroffenen Grundstücke geringer. So hat der Planfeststellungsbeschluss eine hohe Sichtbarkeit für immerhin 141 Gebäude in seine Erwägungen eingestellt (PFB S. 100), davon 54 Einfamilienhäuser. Die optisch bedrängende Wirkung betrifft dagegen zwar 30 Gebäude, davon aber nur vier Einfamilienhäuser. Auch bei ausdrücklicher Behandlung dieser Wirkung hätte der Belang daher keine höhere Bedeutung erlangt. Denn der optisch bedrängenden Wirkung auf Kleingärten (25) wäre kein eigenständiges Gewicht zugekommen. Weil diese nicht dem dauernden Wohnen dienen (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 BKleingG) und nur eine auf 24 Quadratmeter Grundfläche begrenzte Laube in einfacher Ausführung (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 BKleingG) zulässig ist, werden sie vor einer solchen Wirkung nicht geschützt.
79
(4) Die Kläger haben weitere Kritik an der “Vertiefenden Betrachtung” und der Alternativenprüfung geübt. Diese ist auch in ihrer Gesamtheit nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit der Abwägungsentscheidung in ihrem Kern in Zweifel zu ziehen. Sie zeigen keinen Bewertungsfehler auf, der – sein Vorliegen unterstellt – geeignet sein könnte, Belange zu Tage zu fördern, welche die vom Planfeststellungsbeschluss in den Mittelpunkt gerückten erheblichen Nachteile der Alternativtrassen aufwiegen.
80
Die Kläger rügen unzureichende Untersuchungen wie einen zu kleinen Untersuchungsraum, die fehlende Untersuchung der Leitung insgesamt, geringfügige Unterschiede hinsichtlich der Schutzstreifen und eine zu geringe Untersuchungstiefe bei Siedlungsbetroffenheiten auf den Alternativtrassen. Diese Kritik übersieht das Ziel des Variantenvergleichs. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass weitergehende Ermittlungen Erkenntnisse hätten erbringen können, die sich auf die Reihenfolge der Alternativen ausgewirkt hätte.
81
Die “Vertiefende Betrachtung” legt für die Führung durch den Wald Donaumasten zugrunde, die über schmalere Traversen als Einebenenmasten verfügen, aber größere Spannfelder ermöglichen und daher wegen der längeren Leiterseile zu einer größeren indirekten Waldinanspruchnahme führen. Einebenenmasten lehnt die Betrachtung dagegen ab, weil diese wegen der kürzeren Spannfelder mehr Masten und damit eine größere direkte Waldinanspruchnahme zur Folge haben (“Vertiefende Betrachtung”, S. 13). Diese Überlegungen reichen für den Variantenvergleich aus.
82
Die Kläger meinen, für die – abwägungserheblichen (BVerwG, Urteil vom 14. März 2018 – 4 A 5.17 – BVerwGE 161, 263 Rn. 91) – Beeinträchtigungen der Bebaubarkeit von Grundstücken seien nicht nur Bebauungspläne, sondern auch Bebauungsmöglichkeiten nach § 34 BauGB zu betrachten. Dies mag auf sich beruhen. Denn die Kläger zeigen nicht auf, welche Bebauungsmöglichkeiten sie insoweit beeinträchtigt sehen. Namentlich fehlt substantiierter Vortrag, wo im Trassenbereich trotz der überwiegenden, teils aufgegebenen Nutzung als Kleingärten ein Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB bestehen könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2015 – 4 C 5.14 – BVerwGE 152, 275 Rn. 15). Die Kritik der Kläger an den Überlegungen zu einer verstärkten Überspannung (“Vertiefende Betrachtung”, S. 24 f.) bleibt unsubstantiiert.
83
Der Planfeststellungsbeschluss geht davon aus, dass die 110-kV-Bahnstromleitung Priort-Karow aus technischen Gründen im Bereich Birkenwerder verbleiben müsse (PFB S. 98 f., 78 f.). Damit setzen sich die Kläger nicht hinreichend auseinander. Sie dringen nicht mit ihrer Kritik durch, der Planfeststellungsbeschluss habe sich fehlerhaft für Tonnenmasten anstelle von Einebenenmasten oder Doppel-Einebenenmasten entschieden. Der Planfeststellungsbeschluss wägt deren jeweilige Vor- und Nachteile ab (PFB S. 89). Weiteres war nicht verlangt, weil klare ästhetische Vorteile der einen oder anderen Gestaltung fehlen (BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 – 4 A 13.18 – juris Rn. 120).
84
dd) Der Beklagte hat die städtebaulichen Ziele der Klägerin zu 3 ausreichend abgewogen, welche diese mit dem Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan “Wohngebiet Birkenwerder Nord” vom 5. November 2015 verfolgt.
85
Die dem Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zuzuordnende gemeindliche Planungshoheit vermittelt eine wehrfähige, in die Abwägung einzubeziehende Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen auf dem eigenen Gemeindegebiet, wenn das Vorhaben nachhaltig eine bestimmte Planung der Gemeinde stört, wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht oder gemeindliche Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt. Darüber hinaus muss die Planfeststellungsbehörde auf noch nicht verfestigte, aber konkrete Planungsabsichten einer Gemeinde abwägend dergestalt Rücksicht nehmen, dass durch die Fachplanung von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten nicht unnötigerweise “verbaut” werden (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 6. September 2018 – 3 A 15.15 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 86 Rn. 28 und vom 15. Oktober 2020 – 7 A 10.19 – juris Rn. 39 f.). Erhebliches Gewicht hat der Gesichtspunkt der Priorität: Die Gemeinde hat mit ihrer Bauleitplanung auf eine Fachplanung Rücksicht zu nehmen, wenn letztere hinreichend verfestigt ist; umgekehrt ist aber die kommunale Bauleitplanung im Rahmen einer zeitlich nachfolgenden Fachplanung bei hinreichender Verfestigung zu berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 – 9 A 9.12 – Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 165 Rn. 21). Bei einem Fachplanungsvorhaben tritt in der Regel mit der Auslegung der Planunterlagen eine hinreichende Verfestigung ein (BVerwG, Beschluss vom 5. November 2002 – 9 VR 14.02 – Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 171 S. 133 f.).
86
Der Planfeststellungsbeschluss hat die Planung der Klägerin zu 3 für ein “Wohngebiet Birkenwerder Nord” zur Kenntnis genommen, sich aber an der Planfeststellung nicht gehindert gesehen (PFB S. 175, 261 und 356 f.). Die Bauleitplanung sei erst nach der Antragstellung im Fachplanungsverfahren am 2. Juli 2014 begonnen worden. Sie setze sich zudem in Widerspruch zum Bebauungsplanentwurf 03 “Grenzweg”, der 1993 eine (inzwischen erfolgte) Bebauung der Trasse des früheren, nördlich gelegenen 220-kV-Nordrings vorgesehen habe und – in Absprache mit dem damaligen Leitungsbetreiber – eine Trassenfläche entlang der Autobahn als Reservetrasse für den damals bereits angedachten 380-kV-Nordring.
87
Dies ist nicht zu beanstanden. Die Unterlagen für die Planfeststellung lagen erstmals ab dem 6. November 2014 aus, die Klägerin zu 3 beschloss die Aufstellung des Bebauungsplans erst im November 2015. Es oblag daher der Klägerin zu 3, auf die Fachplanung Rücksicht zu nehmen. Sie kann keine zeitliche Priorität für ihre Planung beanspruchen, weil sie bereits 1993 einen Beschluss für einen Bebauungsplan getroffen hat. Dass dieser Aufstellungsbeschluss noch praktische Bedeutung gehabt haben könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin zu 3 in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, sich an die damaligen, nach ihrem Inhalt nicht bestrittenen Absprachen zum Erhalt einer Reservetrasse nicht mehr gebunden zu sehen. Der Beklagte durfte der Ausübung der Planungshoheit durch den Aufstellungsbeschluss daher untergeordnetes Gewicht beimessen und diese im Ergebnis hintanstellen.
88
ee) Der Einwand, das Kriterium “Abstand zur Wohnbebauung” sei fehlerhaft gewichtet worden, überzeugt nicht und wird vom Planfeststellungsbeschluss zu Recht zurückgewiesen (PFB S. 300 ff., ferner S. 99 ff.). Die vier festgestellten Überspannungen außerhalb der bestehenden Trasse nach § 4 Abs. 3 der 26. BImSchV werden von den hier in Rede stehenden Alternativen nicht berührt.
89
3. Die Abwägung kleinräumiger Alternativen ist nicht zu beanstanden.
90
a) Der Planfeststellungsbeschluss hat sich im Bereich Birkenwerder – Hohen Neuendorf von Mast 100 bis Mast 105 abwägungsfehlerfrei für die planfestgestellte Trasse entschieden und damit gegen den standortgleichen Ersatz der 220-kV-Leitung. Das legt der Eilbeschluss dar. An diesen, den Beteiligten bekannten Erwägungen hält der Senat fest (BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2020 – 4 VR 7.19 u.a. – NVwZ 2021, 723 Rn. 79 bis 82, 86 bis 88) und verweist zu den visuellen Wirkungen der Leitung auf die Ausführungen in diesem Urteil.
91
b) Der Planfeststellungsbeschluss lehnt im Bereich Summt – Birkenwerder von Mast 82 bis Mast 100 abwägungsfehlerfrei die kleinräumige Variante c ab. Dies legt der Eilbeschluss im Einzelnen dar (BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2020 – 4 VR 7.19 u.a. – NVwZ 2021, 723 Rn. 89 bis 100). An diesen Erwägungen hält der Senat auch im Hauptsacheverfahren fest. Substantiierte Einwände haben die Kläger nicht erhoben. Sie haben in Erwiderung auf den Eilbeschluss zwar die Bilanz der Waldinanspruchnahme als entscheidendes Auswahlkriterium weiter “für klärungsbedürftig” gehalten, lassen aber eine Auseinandersetzung mit dessen Erwägungen (a.a.O. Rn. 100) vermissen. Ihre Behauptung, es komme auf allen erwogenen Varianten zu Rodungen, zieht den angenommenen unterschiedlichen Umfang der Waldinanspruchnahme nicht in Zweifel. Hiervon unabhängig ist nicht ersichtlich, dass ein Abwägungsfehler subjektive Rechte der Kläger zu 2 oder der Klägerin zu 3 verletzen könnte.
92
E. Die Kläger beanstanden die Ermittlung und Bewertung der Eingriffe in das Landschafts- und Ortsbild als fehlerhaft.
93
Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung sind gemäß § 14 Abs. 1 BNatSchG Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ist anzunehmen, wenn die Veränderung von einem gegenüber den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter als nachteilig und störend empfunden wird. Bei der Bewertung der Eingriffs-wirkungen eines Vorhabens steht der Planfeststellungsbehörde ebenso wie bei der Bewertung der Kompensationswirkung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu. Die in einem Planfeststellungsbeschluss vorgenommenen Quantifizierungen bei Eingriffswirkungen und Kompensationsmaßnahmen sind daher nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich; sie sind vom Gericht hinzunehmen, sofern sie im Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind und auch nicht auf einem Bewertungsverfahren beruhen, das sich als unzulängliches oder gar ungeeignetes Mittel erweist, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 – 4 A 5.14 – BVerwGE 154, 73 Rn. 146).
94
1. Die Kläger werfen dem Planfeststellungsbeschluss vor, die visuellen Auswirkungen der Leitung zu unterschätzen und damit von dem Ergebnis der “Vertiefenden Betrachtung” der Alternativen abzuweichen. Dies geht fehl. Die Untersuchungen der “Vertiefenden Betrachtung” ermitteln die visuellen Wirkungen auf einzelne private Betroffene und deren Grundeigentum. Die nach § 15 Abs. 6 Satz 3 BNatSchG in der Nebenbestimmung V.2 Nr. 24 und 25 festgesetzten Ersatzzahlungen bemessen sich aber nach Dauer und Schwere des Eingriffs in das Landschaftsbild und betrachten andere, weiter reichende Sichtbeziehungen. Daher geht die Kritik am Untersuchungsraum der “Vertiefenden Betrachtung” insoweit ins Leere. Maßgeblich ist vielmehr der für das Landschaftsbild betrachtete Untersuchungsraum von 2 km beidseitig des Leitungsverlaufs (PFB S. 139); dies gilt auch für das Vorliegen von Sichtverschattungen.
95
Der Eingriff in das Landschaftsbild wird durch die Masten als prägende Bauteile genügend erfasst. Es bedarf keiner eigenständigen Berücksichtigung der Leiterseile, weil diesen die massive Wirkung eines Bauwerks fehlt; der Begriff des “Leiterseilvorhangs” führt insoweit nicht weiter. Auch Breite und Zahl der Traversen müssen nicht gesondert betrachtet werden. Denn maßgeblich für die Störung des Landschaftsbildes ist die Errichtung eines hohen Bauwerks industriellen Charakters, das auf das Landschaftsbild einwirkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2020 – 4 A 13.18 – juris Rn. 100).
96
Die Kläger halten die Wahl des Masttyps Tonne nicht für ausreichend begründet und verlangen die Wahl von Einebenenmasten. Der Einwand bleibt erfolglos. Er setzt sich nicht mit den Überlegungen zur Mastwahl auseinander (PFB S. 88 f.). Die Führung auf Einebenenmasten hätte gegenüber der Bestandsleitung deutlich breitere Schutzstreifen und teils einen neuen Trassenkorridor erfordert. Im Bereich der Gemeinde Birkenwerder hätte es zudem wegen der Mitnahme der Bahnstromleitung Doppel-Einebenenmasten mit 24 m breiten Traversen bedurft, während für die Doppeltonnenmasten schmalere, 17 m breite Traversen genügen. Diese Erwägungen reichen aus.
97
Der Verweis auf das Vorhaben Nr. 3 nach der Anlage zum EnLAG (“Uckermarkleitung”) und die dort geplanten Masten zeigt keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG auf. Diese Planung hat andere Probleme in einem anderen Landschaftsraum zu bewältigen.
98
2. Die Kläger beanstanden die Höhe der Ausgleichszahlungen. Der Planfeststellungsbeschluss orientiert sich am Erlass des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung zur naturschutzrechtlichen Beurteilung von Antennenträgern für die Telekommunikation (Antennenträgererlass des MUNR) vom 17. August 1998 (ABl./98, [Nr. 35], S. 769), geändert durch Bekanntmachung des MLUR vom 9. Mai 2002 (ABl./02, [Nr. 22], S. 559) und legt 400 € je Bauwerkshöhenmeterdifferenz in Landschaftsschutzgebieten und 200 € außerhalb solcher Gebiete zugrunde. Die Wahl des niedrigeren Wertes rechtfertigt der Planfeststellungsbeschluss mit der anthropogenen Vorbelastung des Raums (PFB S. 213). Diese Überlegung ist nachvollziehbar.
99
Die Kritik der Kläger beschränkt sich im Kern auf die Wiedergabe einer Stellungnahme der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt vom 16. Dezember 2014. Damit genügt sie nicht den Anforderungen des § 43e Abs. 3 Satz 1 EnWG. Denn die Norm verlangt eine Auseinandersetzung mit dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss, gegen den sich die Klage richtet. Eine lediglich pauschale Bezugnahme auf im Planfeststellungsverfahren erhobene Einwände oder deren wörtliche Wiederholung in der Klagebegründung ohne Würdigung des Planfeststellungsbeschlusses genügt nicht (BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 – 4 A 16.16 – Buchholz 451.17 § 43e EnWG Nr. 2 Rn. 37). Dies gilt auch für die Einwände von Behörden oder Dritten. Hiervon unabhängig zeigt die Stellungnahme der Senatsverwaltung keinen Rechtsfehler der gewählten Methode, sondern räumt selbst ein, ihre Forderung nach deutlich höheren Kompensationszahlungen sei eine “Setzung”.
100
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO.


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