Baurecht

Rechtswidrige Baugenehmigung für Betriebserweiterung eines Tanzstudios – unvollständige Bauvorlagen

Aktenzeichen  M 8 K 16.2324

Datum:
26.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 3769
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1, Abs. 2
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2
BauVorlV § 1 Abs. 4
BImSchG § 3 Abs. 1, § 5 Nr. 1
GG Art. 14

 

Leitsatz

1. Das Bundesimmissionsschutzgesetz und damit auch die TA-Lärm legen die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang ihrer Regelungsbereiche grundsätzlich allgemein fest. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Überschreiten die bei der Nutzung einer Anlage entstehenden Immissionen bei regelmäßigen Betrieb die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze, genügt es zur Sicherung der Nachbarrechte nicht, in der Baugenehmigung den maßgeblichen Immissionsrichtwert als Grenzwert festzulegen und weitere Nebenbestimmungen vorzubehalten; vielmehr muss die genehmigte Nutzung schon in der Baugenehmigung durch konkrete Regelungen eingeschränkt werden. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. Um im Genehmigungsverfahren “auf der richtigen Seite zu liegen”, sind mögliche Unsicherheiten durch eine “worst-case”-Betrachtung auszuschließen und durch entsprechende Sicherheitszuschläge auszugleichen. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Baugenehmigung ist aufzuheben, wenn wegen des Fehlens oder der Unvollständigkeit der Bauvorlagen der Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Baugenehmigung vom 14. April 2016, Plan-Nr. … wird aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Entscheidung konnte vorliegend ohne weitere mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten sich mit dem Übergang ins schriftliche Verfahren einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 14. April 2016 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil diese die beim Betrieb des Tanzstudios der Beigeladenen entstehenden Immissionen nicht wirksam auf ein für die Kläger zumutbares Maß begrenzt.
1. Die am 10. Oktober 2011 in der mündlichen Verhandlung im Verfahren M 8 K 10.4123 getroffene Vereinbarung zwischen den damaligen Beteiligten steht der Erteilung der hier streitgegenständlichen Baugenehmigung nicht entgegen.
Zum einen wirkt eine solche Vereinbarung grundsätzlich nur zwischen den Beteiligten, die im vorliegenden Verfahren nicht identisch sind, da die jetzige Beigeladene nicht am früheren Verfahren beteiligt war und insoweit auch nicht an die seinerzeitige Vereinbarung gebunden ist.
Zum anderen ergibt sich aus der Erklärung der Beklagten, die in der mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2011 die Baugenehmigung vom 16. Juli 2010 um die entsprechende Bestimmungen ergänzt hat, kein Anhaltspunkt dafür, dass die entsprechenden Ergänzungen auch für nachfolgende Baugenehmigungen, auf der Basis anderer Bauanträge gelten sollten. Eine Erklärung, die eine Bindungswirkung auch für weitere Genehmigungsverfahren beinhalten würde, wäre im Hinblick auf die durch Art. 14 Grundgesetz (GG) garantierte Baufreiheit rechtlich auch nicht vertretbar. Vielmehr diente die Ergänzung des Bescheides vom 16. Juli 2010 ausschließlich dazu, den Streit um diese Baugenehmigung beizulegen. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Inhalt der Erklärung der Beklagten. Auch die von der Klagepartei und des Beigeladenen abgegebenen Zustimmungserklärungen bezogen sich eindeutig auf die Baugenehmigung vom 16. Juli 2010.
2. Das streitgegenständliche, bauplanungsrechtlich nach § 34 Baugesetzbuch (BauGB) zu beurteilende Vorhaben verstößt gegen das in dieser Vorschrift enthaltene, die Kläger als Nachbarn schützende Rücksichtnahmegebot. Es fügt sich nicht im Sinn von § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein bzw. erweist sich als rücksichtslos, weil damit zu rechnen ist, dass die Kläger durch vom Betrieb der Beigeladenen ausgehende Geräusche unzumutbar belästigt werden. Der Schutz der Kläger wird durch die Neben-bestimmungen der streitbefangenen Baugenehmigung und die Maßgaben der Betriebsbeschreibung der Beigeladenen nicht ausreichend gewährleistet. Es wird dadurch nicht hinreichend belastbar sichergestellt, dass die Immissionen wirkungsvoll auf ein für die Kläger zumutbares Maß begrenzt werden.
2.1 Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass sich das Vorhaben bauplanungsrechtlich nach § 34 BauGB beurteilt.
Das mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugelassene Bau-vorhaben verstößt in bauplanungsrechtlicher Hinsicht allerdings gegen das in § 34 BauGB enthaltene Rücksichtnahmegebot und damit gegen drittschützende Rechte der Kläger, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind. Das Rücksichtnahmegebot ist vorliegend dem Begriff des „Einfügens“ in § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 Baunutzungsverordnung (BauNVO) zu entnehmen, wobei dessen Anforderungen mit dem des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB inhaltlich identisch sind.
2.1.1 Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, den die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Bei der Interessengewichtung spielt es eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich – umgekehrt – um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (vgl. BVerwG B.v. 6.12.1996 – 4 B 215/96 – juris Rn. 9 m.w.N.). Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmeberechtigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist, an (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977 – 4 C 22.75 – juris Rn. 22; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 – juris Rn. 16). Das Rücksichtnahmegebot ist dann verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird (BVerwG, U.v. 25.2.1977, a.a.O.).
2.1.2 Hinsichtlich der Zumutbarkeit von Belästigungen kann grundsätzlich auf die Begriffsbestimmungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) zurückgegriffen werden (vgl. BayVGH, B.v. 15.11.2011 – 14 AS 11.2305 – juris Rn. 29). Ebenso ist für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärm als Maßstab die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BImSchG vom 26. August 1998 (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA-Lärm, GMBl. 1998 S. 503) heranzuziehen (BVerwG, U.v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 – juris Rn. 17). Nach § 3 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Immissionen, die das immissionsschutzrechtlich zulässige Maß nicht überschreiten, begründen keine Verletzung des baurechtlichen Rücksichtnahmegebots, das insoweit keinen andersartigen oder weitergehenden Nachbarschutz vermittelt (BVerwG, U.v. 30.9.1983 – 4 C 74/78 – juris Rn. 11/14). Nach § 5 Nr. 1 BImSchG sind Anlagen so zu betreiben, dass schädliche Umwelt-einwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervor-gerufen werden können.
Normkonkretisierende Richtwerte für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärm enthält grundsätzlich die TA Lärm. Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA-Lärm nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften (z.B. Nr. 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2 der TA-Lärm) und Bewertungsspannen (z.B. A.2.5.3 des Anhangs zur TA-Lärm) Spielräume eröffnet (BVerwG, U.v. 29.8.2007 – 4 C 2.07 – juris Rn. 12; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 – juris Rn. 18). Diese Bindungswirkung besteht in gleicher Weise bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze in Nachbarkonflikten, wie sie das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot fordert. Denn das Bundes-Immissionsschutz-gesetz und damit auch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA Lärm legen die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein fest (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.1999 – 4 C 6.98 – juris Rn. 22; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 – juris Rn. 19).
2.1.3 Geht es um die Lösung einer Immissionskonfliktlage, reicht es in der Regel aus, wenn dem Emittenten aufgegeben wird, beim Betrieb seiner Anlage näher bestimmte Richtwerte einzuhalten (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 5.11.1968 – I C 29.67 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 15.11.2011 – 14 AS 11.2305 – juris Rn. 31). Überschreiten die bei der Nutzung der Anlage entstehenden Immissionen bei regelmäßigem Betrieb die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze, dann genügt es zur Sicherung der Nachbarrechte allerdings nicht, in der Baugenehmigung den maßgeblichen Immissionsrichtwert als Grenzwert festzulegen und weitere Neben-bestimmungen vorzubehalten; vielmehr muss die genehmigte Nutzung schon in der Baugenehmigung durch konkrete Regelungen eingeschränkt werden (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2002 – 1 B 98.2945 – juris Rn. 53 ff.; B.v. 15.11.2011 – 14 AS 11.2305 – juris Rn. 31). Im Genehmigungsverfahren hat der Bau-werber dann nachzuweisen (vgl. auch § 1 Abs. 4 Alt. 2 Bauvorlagenverordnung – BauVorlV), dass er die Zumutbarkeitskriterien der TA Lärm für jeden bestimmungsgemäßen Betriebszustand, also auch für eine Maximalauslastung, einhält. Deshalb sind an die Einschätzung der Einhaltung der Zumutbarkeitskriterien hohe Anforderungen zu stellen. Um im Genehmigungsverfahren „auf der richtigen Seite zu liegen“, sind mögliche Unsicherheiten durch eine „worst-case“-Betrachtung auszuschließen und auch durch entsprech-ende Sicherheitszuschläge auszugleichen. Andernfalls würden die regel-mäßig nicht zu vermeidenden Unsicherheiten bei nachträglichen Kontrollen zu Lasten der zu schützenden Betroffenen gehen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, U.v. 31.5.2005 – 1 LB 4/05 – juris Rn. 39).
2.1.4 Dies zugrunde gelegt, ergeben sich bei der streitgegenständlichen Baugenehmigung Unklarheiten hinsichtlich der Lärmbelastung der Kläger bereits daraus, dass der Umfang der Betriebsbeschreibung nicht genau festgelegt ist.
Der als Anlage zur Betriebsbeschreibung beigefügte Trainingsplan sollte nach den Vorstellungen der Beigeladenen nur beispielhaften Charakter haben, obwohl er explizit als „Anlage“ bezeichnet worden war. Die Beklagte hat diesen Trainingsplan allerdings – wie auch der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2017 ausdrücklich bestätigte – als verbindlichen Inhalt der Betriebsbeschreibung betrachtet. Da einerseits nach diesem Trainingsplan 9,5 Stunden nach 20.00 Uhr und hiervon 1 ¼ Stunden nach 21.00 Uhr stattfinden würden, andererseits aufgrund des Vorhandenseins von 2 Tanzsälen 20 Stunden nach 20.00 Uhr und hiervon 10 Stunden nach 21.00 Uhr abgehalten werden können, ist die Geräuschbelastung der Kläger gerade nach 20.00 Uhr und somit in der empfindlichen Ruhezeit in der Baugenehmigung nicht eindeutig festgelegt.
Eine Baugenehmigung ist aber aufzuheben, wenn wegen des Fehlens oder der Unvollständigkeit der Bauvorlagen der Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann (BayVGH, B.v. 28.10.2015 – 9 CS 15.1633 – juris). Der Inhalt der Baugenehmigung bestimmt sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen. Danach ist die vorliegende Baugenehmigung bereits wegen der unklaren Betriebsbeschreibung in einer für die Kläger nachteiligen Weise unbestimmt, weil der Nutzungsumfang der genehmigten Anlage nicht erkennbar ist und die von der genehmigten Anlage einwirkenden Immissionen nicht eindeutig absehbar sind.
2.1.4.1 Diese Unklarheiten setzen sich in dem der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugrunde gelegten Gutachten fort.
Der in der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2017 einvernommene Sachverständige des TÜV-Süd hat erklärt, dass in dem Gutachten vom 9. März 2016 – in Fortschreibung des Gutachtens vom 17. November 2015 – davon ausgegangen worden sei, dass innerhalb der Ruhezeit von 20.00 – 22.00 Uhr über einen Zeitraum von 2 Stunden eine laute Veranstaltung mit einem Innenpegel von 90 dB(A) stattfände. Diese Annahme habe auf der Angabe des Betreibers beruht. Um die Lärmbelastung der Kläger allerdings realistisch festzustellen, hätte hier entweder eine „worst-case“-Betrachtung erfolgen müsen, da aufgrund des Vorhandenseins der 2 Tanzsäle mehr als eine laute Veranstaltung über 2 Stunden zwischen 20.00 – 22.00 Uhr stattfinden kann oder aber eine entsprechende Auflage in der Baugenehmigung verfügt werden müssen, die diese Annahme des Gutachtens auch entsprechend absichert.
2.4.1.2 Auf einer ähnlich vagen Grundlage beruht der Ansatz, dass der Innenpegel – nach den Angaben des Betreibers – 85 dB(A) nicht überschreite.
Zwar wurde aufgrund der Fremd-(Verkehrs-)Geräusche am Immissionsort der Innenpegel auf 91,8 dB(A) erhöht angesetzt und hierbei am Immissionsort ein dem Tanzstudio zurechenbarer Wert von 50,5 dB(A) ermittelt. Aber auch dieser Wert von 91,8 dB(A) ist nicht gesichert, da eine Limitierung der Anlage weder besteht noch beauflagt wurde.
Vielmehr beruhen alle diese Bewertungen auf den Angaben des Betreibers bzw. der Annahme, dass zwischen 7.00 Uhr – 20.00 Uhr ein Innenpegel 85 dB(A) und im Zeitraum von 20.00 Uhr – 22.00 Uhr ein Innenpegel von 90 dB(A) nicht überschritten werde.
Diese Annahmen sind allerdings keineswegs gesichert, da – wie oben dargestellt – die Baugenehmigung höhere Innenpegel nicht ausschließt, insbesondere auch nicht in der Zeit zwischen 20.00 Uhr – 22.00 Uhr. Da innerhalb dieser Ruhezeiten nach 6.5 der TA Lärm ein Zuschlag von 6 dB(A) anzusetzen ist, ist anzunehmen, dass ein höherer Innenpegel, der sich bei zwei gleichzeitig stattfindenden Veranstaltungen in den Ruhezeiten ergeben kann, Auswirkungen auf den festgestellten Gesamtbeurteilungspegel von 54,4 dB(A) hat und der beauflagte Wert von 55 dB(A) nicht mehr eingehalten werden kann.
2.1.4.3 Erschwerend kommt hinzu, dass die Messungen am 13. März 2009 – die in den Gutachten vom 17. November 2015 und 9. März 2016 lediglich fortgeschrieben wurden – auf der Basis einer Musikbeschallung ohne Publikum stattgefunden haben. Dementsprechend wurden auch keine Zuschläge für Impulshaltigkeit nach A.2.5.3 der Anlage zur TA Lärm vergeben.
Allerdings ist gerade bei einem Tanzstudio bei Veranstaltungen bzw. laufendem Unterricht von einer nicht unerheblichen Impulshaltigkeit der Geräusche auszugehen, da hier üblicherweise zur Musik auch noch Stampf- und Klatschgeräusche hinzukommen.
Als Grundlage für eine realistische Messung wäre somit eine Tanz-/Unterrichtsveranstaltung mit Publikum und entsprechender Musikbegleitung notwendig gewesen, um auch die Impulshaltigkeit der Geräuschimmissionen beurteilen zu können und gegebenenfalls – was für das Gericht naheliegt – einen entsprechenden Zuschlag anzusetzen. Somit ergeben sich nicht nur aufgrund der Defizite der Betriebsbeschreibung sondern auch der des TÜV-Gutachtens vom 9. März 2016 – dem letztlich kein hinreichend bestimmtes und realistisches Betriebsgeschehen zugrunde gelegt worden ist – Defizite, da die vorhabenbedingten Immissionsbelastungen der Kläger nicht als ausreichend konservativ bemessen und verlässlich angesetzt wurden.
Nach alledem war der Klage mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 163 Abs. 3 VwGO stattzugeben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).


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