Baurecht

Rechtswidrige Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens im Rahmen eines Vorbescheids bei Unbestimmtheit des Vorbescheidsantrags

Aktenzeichen  M 1 K 15.4168

Datum:
16.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 67, Art. 71
BauGB BauGB § 36 Abs. 2
BayVwVfG BayVwVfG Art. 37 Abs. 1

 

Leitsatz

Ein Vorhaben muss in dem Vorbescheidsantrag hinsichtlich der Merkmale, die für die beantragte bauplanungsrechtliche Zulässigkeitsprüfung von Bedeutung sind, ausreichend bestimmt bezeichnet sein. Eine Vorbescheidsanfrage, die hinsichtlich der bauliche Nutzung lautet: „Ist der Neubau eines Heimes für deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige – Vertriebene (§ 1 BVFG), Heimatvertriebene (§ 2 BVFG), Sowjetzonenflüchtlinge (§ 3 BVFG) und Spätaussiedler (§ 4 BVFG) planungsrechtlich zulässig?“ genügt dem nicht. Ein Vorbescheid, der diese Frage unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens positiv beantwortet, verletzt die Gemeinde in ihren Rechten. (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Aktenzeichen: M 1 K 15.4168
Gericht: VG München
Urteil
16. Februar 2016
1. Kammer
Sachgebiets-Nr. 920
Hauptpunkte: Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens; Unbestimmtheit eines Vorbescheidsantrags; Heim für Vertriebene u. a. Personen
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
Gemeinde R.
vertreten durch den ersten Bürgermeister, K-platz …, R.
– Klägerin –
bevollmächtigt: Rechtsanwälte …
gegen

vertreten durch: Landratsamt F., L-Str. …, F.
– Beklagter –
beigeladen: …
bevollmächtigt: Rechtsanwälte …
wegen Vorbescheids für Neubau eines Heimes
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 1. Kammer, durch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts …, die Richterin am Verwaltungsgericht …, den Richter am Verwaltungsgericht …, den ehrenamtlichen Richter …, die ehrenamtliche Richterin … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2016 am 16. Februar 2016 folgendes
Urteil:
I.
Der Vorbescheid des Landratsamts Freising vom 19. August 2015 wird aufgehoben.
II.
Der Beklagte und der Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen der Beigeladenen unter Ersetzung ihres Einvernehmens erteilten Vorbescheid für ein Heim.
Unter dem Datum des …. Februar 2015 beantragte die Beigeladene beim Landratsamt Freising die Erteilung eines Vorbescheids für den „Neubau eines Heimes für deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige – Vertriebene (§ 1 BVFG), Heimatvertriebene (§ 2 BVFG), Sowjetzonenflüchtlinge (§ 3 BVFG) und Spätaussiedler (§ 4 BVFG)“ auf dem Grundstück FlNr. …/5 Gemarkung …. Nach dem vorgelegten Plan ist vorgesehen, die südliche Grundstückshälfte mit drei Gebäuden mit jeweils 16 x 12 m Grundfläche zu bebauen. Die dem Antrag beigefügte Vorbescheidsfrage lautet: „Ist der Neubau eines Heimes für deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige – Vertriebene (§ 1 BVFG), Heimatvertriebene (§ 2 BVFG), Sowjetzonenflüchtlinge (§ 3 BVFG) und Spätaussiedler (§ 4 BVFG)“ mit 3 Gebäuden bei jeweils 2 Vollgeschossen und ausgebautem Dachgeschoss, Wandhöhe 7,00 m und Firsthöhe 9,875 m, planungsrechtlich zulässig?“ Weitere Unterlagen zur Beschreibung des Vorhabens liegen dem Vorbescheidsantrag nicht bei.
Das Vorhabengrundstück FlNr. …/5 liegt östlich der … Straße und ist in dem nordöstlichen Grundstücksteil mit einem Lagergebäude (circa 15 x 40 m, E + D) bebaut. Die südliche Grundstückshälfte ist unbebaut. Nördlich der beiden westlich geplanten Gebäude befindet sich ein Wohn- und ehemaliges Geschäftshaus (… Straße …), südlich davon ist Wohnbebauung (… Straße …) vorhanden. Nördlich des östlich geplanten Gebäudes liegt die Lagerhalle, südlich ein Pferdestall (circa 11 x 18 m) mit Nutzung im Dachgeschoss.
Die Klägerin verweigerte zu dem Vorbescheidsantrag aufgrund Beschlusses ihres Gemeinderats vom 16. März 2015 das gemeindliche Einvernehmen. Die nähere Umgebung entspricht nach ihrer Auffassung einem Dorfgebiet oder allgemeinen Wohngebiet. Sie meint, die Vorbescheidsunterlagen seien nicht ausreichend, insbesondere fehlten Angaben zu Art (Nutzungskonzept) und Maß der baulichen Nutzung.
Nach interner Prüfung kam das Landratsamt zu dem Ergebnis, dass die zulässige Wandhöhe des Vorhabens ab Oberkante Rohfußboden 6,5 m betrage, weil der Erdgeschoßfußboden des größten benachbarten Wohngebäudes (… Straße …, Wandhöhe 7,0 m) an der Südseite über dem vorhandenen Gelände liege. Nach entsprechender Mitteilung an den Beigeladenen änderte dieser unter dem Datum des …. Juni 2015 seinen Vorbescheidsantrag. Beantragt ist nunmehr – bei ansonsten unveränderter Formulierung der Vorbescheidsfrage – eine Wandhöhe von 6,5 m und eine Firsthöhe von 9,965 m.
Das Landratsamt ersuchte die Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 29. Juni 2015 um nochmalige Behandlung im Gemeinderat. Dieser blieb mit Beschluss vom 3. August 2015 bei der Verweigerung des Einvernehmens, was die Klägerin dem Landratsamt unter dem …. August 2015 mitteilte.
Mit Bescheid vom 19. August 2015, der Klägerin zugestellt am 27. August 2015, erteilte das Landratsamt dem Beigeladenen den beantragten Vorbescheid. Es erachtete die Nutzung als Heim für deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige als zulässig (Nr. 1.1). Das Heim sei mit drei Gebäuden mit je 16 x 12 m, Wandhöhe max. 6,5 m, Firsthöhe max. circa 9,97 m, Dachneigung max. 30 Grad und max. 2 Vollgeschossen zu planen (Nr. 1.2). Zur Begründung ist ausgeführt, hinsichtlich der Art der Nutzung sei das Vorhaben nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 Baunutzungsverordnung (BauNVO) im allgemeinen Wohngebiet wie auch nach § 5 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO im Dorfgebiet zulässig.
Am …. September 2015 erhob die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Antrag,
den Bescheid des Landratsamts Freising vom 19. August 2015 aufzuheben.
Sie trägt vor, ihr Einvernehmen sei zu Unrecht ersetzt worden. Der Standort für den östlichsten Baukörper gehöre nicht mehr dem Bebauungszusammenhang an, weil der südlich liegende kleine Pferdestall und die nördlich liegende Lagerhalle nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienten. Außerdem genügten die Antragsunterlagen nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Antrags. Mangels Betriebsbeschreibung sei unklar, um was für ein Heim es sich handeln solle, etwa ob eine vorübergehende oder dauerhafte Unterbringung geplant sei, dort auch gearbeitet werden solle, eine Heimleitung oder Aufsicht vorhanden sei, und welche Zahl der Wohneinheiten, Zimmer und der untergebrachten Personen vorgesehen sei. Auch wenn eine Einrichtung für soziale Zwecke allgemein zulässig sei, müsse nach § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauNVO geklärt werden, ob solche Einrichtungen im Einzelfall gebietsverträglich seien.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, die in zweiter Reihe stehenden Scheunen prägten aufgrund ihrer Dimensionierung (Grundfläche, 2 Geschosse) und der Ausführung in Massivbauweise die umgebende Bebauung mit. Das östliche Gebäude würde aber auch als sonstiges Vorhaben im Außenbereich keine öffentlichen Belange beeinträchtigen, insbesondere weise der Flächennutzungsplan Dorfgebiet aus. Auch hinsichtlich der Bestimmtheit des Vorbescheidsantrags seien die rechtlichen Vorgaben erfüllt. Der Begriff des Heimes stehe regelmäßig für eine wohnartige Unterbringung von Personen. Wenn dort zusätzlich gearbeitet werden solle, hätte dies separat bezeichnet werden müssen. Eine Gebietsunverträglichkeit im Einzelfall nach § 15 Abs. 1 BauNVO werde bei der vorliegenden Konstellation für ausgeschlossen erachtet. Verhaltensbedingte Störungen würden keine städtebauliche Relevanz besitzen und könnten nicht Gegenstand bauplanungsrechtlicher Betrachtungen sein.
Der Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Er führt aus, das gemeindliche Einvernehmen sei zu Recht ersetzt worden. Das Vorhaben sei bauplanungsrechtlich zulässig. Auch der östliche Baukörper befinde sich im Bebauungszusammenhang, insbesondere werde das Gebäude auf dem Grundstück FlNr. …/3 (…) nicht nur vorübergehend genutzt, sei wegen seines nicht unerheblichen Gebäudevolumens optisch deutlich wahrnehmbar und zudem Teil der umliegenden Bebauung. Der Antrag genüge den an einen Vorbescheidsantrag zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen. Diese dürften nicht überspannt werden. Die Fragestellung sei hinreichend konkret gefasst, so dass es der Behörde ohne weiteres möglich sei, insbesondere auch die Gebietsverträglichkeit des Vorhabens – unter Beachtung des Gebots der Rücksichtnahme – zu beurteilen. Aus dem Antrag gehe die Art der Nutzung, die Lage der baulichen Anlagen, deren Grundfläche, Geschosszahl, Wand- und Firsthöhe hervor; diese Angaben seien in ihrer Kumulation ausreichend, um über die Gebietsverträglichkeit zu entscheiden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakte und der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat Erfolg. Der Bescheid des Landratsamts Freising vom 19. August 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die Klägerin ist in ihrer durch Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG) und Art. 11 Abs. 2 Bayerische Verfassung (BV) garantierten Selbstverwaltungshoheit verletzt. Mangels ausreichender Bestimmtheit der Vorbescheidsunterlagen kann nicht eindeutig beurteilt werden, ob dem Vorhaben Gründe der §§ 31, 33, 34 oder 35 Baugesetzbuch (BauGB) entgegenstehen, so dass die Klägerin ihr Einvernehmen nach § 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB zu Recht verweigert und das Landratsamt es zu Unrecht gemäß Art. 67 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 Bayerische Bauordnung (BayBO) ersetzt hat.
Gemäß Art. 71 Satz 1 BayBO kann vor Erteilung des Bauantrags auf schriftlichen Antrag des Bauherrn zu einzelnen, in der Baugenehmigung zu entscheidenden Fragen vorweg ein schriftlicher Bescheid (Vorbescheid) erteilt werden, der während seiner regelmäßigen Geltungsdauer von drei Jahren (Art. 71 Satz 2 BayBO) Bindungswirkung für ein nachfolgendes Baugenehmigungsverfahren entfaltet. In der Baugenehmigung ist nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO insbesondere über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach §§ 29 bis 38 BauGB zu entscheiden.
Der Umfang des Vorbescheids wird dabei bestimmt durch die Vorbescheidsfrage. Hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung lautet diese hier: „Ist der Neubau eines Heimes für deutsche Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige – Vertriebene (§ 1 BVFG), Heimatvertriebene (§ 2 BVFG), Sowjetzonenflüchtlinge (§ 3 BVFG) und Spätaussiedler (§ 4 BVFG)“ … planungsrechtlich zulässig?“ Ein Vorbescheid, der diese Frage ohne weitere Angaben in den Vorbescheidsunterlagen zum Betriebsablauf positiv beantwortet, genügt nicht dem Bestimmtheitserfordernis des Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG). Ein Vorhaben muss in dem Antrag hinsichtlich der Merkmale, die für die beantragte bauplanungsrechtliche Zulässigkeitsprüfung von Bedeutung sind, ausreichend bestimmt bezeichnet sein. Wird ein Vorbescheid unter Ersetzung des Einvernehmens erteilt, obwohl der Antrag in dieser Hinsicht Mängel aufweist, wird die Gemeinde allein deshalb in ihren Rechten verletzt (Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand Sept. 2015, Art. 71 Rn. 157; BayVGH, U.v. 10.12.2007 – 1 BV 04.843 – BayVBl 2008, 376 – juris Rn. 26). Diese Rechtsprechung korrespondiert mit der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach auf ein Rechtsmittel der Gemeinde hin im Fall des § 35 BauGB die tatbestandlichen Voraussetzungen in vollem Umfang nachzuprüfen sind, unabhängig davon, ob der jeweils gerügte Belang des § 35 Abs. 3 BauGB mit der Planungshoheit der jeweiligen Gemeinde Berührungspunkte aufweist (BVerwG, U.v. 20.5.2010 – 4 C 7.09 – DVBl 2010, 1235 – juris Rn. 34 und U.v. 1.7.2010 – 4 C 4.08 – DVBl 2010, 1377 – juris Rn. 32). Eine Gemeinde kann sich dabei auf die unzureichende Bestimmtheit eines Vorbescheidsantrags berufen, weil der Vorbescheid ihr gegenüber uneingeschränkte Bindungswirkung entfaltet und deren Reichweite bei unbestimmtem Antrag unklar wäre.
Das Gericht sieht die Vorbescheidsfrage dabei als zu unbestimmt an, obwohl ein Bauvorbescheid auch über die grundsätzliche Zulässigkeit der Bebauung eines Grundstücks mit einem Vorhaben ergehen kann, dessen Ausführung im Einzelnen der Prüfung in einem nachfolgenden Genehmigungsverfahren vorbehalten bleibt (BVerwG, U.v. 3.4.1987 – 4 C 41.84 – BauR 1987, 538 – juris Ls. 1 und Rn. 13). Im vorliegenden Fall besteht Unklarheit im Hinblick auf mehrere Umstände, die Gegenstand des Vorbescheidsverfahrens sind.
Nach dem Vorbescheidsantrag ist bereits unklar, welcher Nutzungsart der Baunutzungsverordnung das Vorhaben unterfällt. Im Hinblick auf die massive Bebauung nördlich und südlich des Vorhabengrundstücks ist davon auszugehen, dass es in seiner Gesamtheit innerhalb eines Bebauungszusammenhangs i. S. d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB liegt. Die nähere Umgebung entspricht dabei einem allgemeinen Wohngebiet (§ 4 BauNVO) oder einem Dorfgebiet (§ 5 BauNVO, jeweils i. V. m. § 34 Abs. 2 BauGB). Ein „Heim“ für Vertriebene und andere Personen kann dabei – ohne nähere Konkretisierung der Nutzung, insbesondere ohne Baubeschreibung nach § 9 Satz 1 Bauvorlagenverordnung – ein Wohngebäude, eine Anlage für soziale Zwecke oder ein Betrieb des Beherbergungsgewerbes sein. Bei Annahme eines Beherbergungsbetriebs im allgemeinen Wohngebiet bedürfte es überdies nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO der Zulassung einer Ausnahme. Unabhängig davon, dass sämtliche der genannten Anlagen in einem allgemeinen Wohngebiet oder einem Dorfgebiet zulässig sind, führt allein die fehlende Bestimmtheit und die daraus resultierende Unmöglichkeit einer zweifelsfreien Subsumtion unter die Vorschriften der Baunutzungsverordnung zu einer Rechtsverletzung der Klägerin. Insbesondere ist es nur bei ausreichender Bestimmtheit eines Vorhabens gewährleistet, dass eine Gemeinde entscheiden kann, ob sie aus Anlass eines Vorbescheidsantrags ihre Planungs- und Sicherungsinstrumente betätigen will.
Weiter ist unklar, ob sich das geplante Vorhaben „einfügt“ i. S. d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB und damit die erforderliche Rücksicht auf die Umgebungsbebauung nimmt. Die Frage nach der grundsätzlichen bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit nach § 34 BauGB bezieht sich dabei auf das jeweils abgefragte Kriterium des § 34 Abs. 1 BauGB und umfasst regelmäßig auch das Gebot der Rücksichtnahme. Es ist zweifelhaft, kann aber hier letztlich unentschieden bleiben, ob über die abgefragte bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 34 BauGB unter Ausklammerung des Gebots der Rücksichtnahme entschieden werden kann, oder ob dies unzulässig ist, weil das Rücksichtnahmegebot als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal im Begriff des Sicheinfügens eines Vorhabens in die nähere Umgebung enthalten ist (Decker in Simon/Busse, a. a. O., Art. 71 BayBO Rn. 73 m. w. N.). Dafür, dass hier mit dem Vorbescheidsantrag auch die Frage der Rücksichtnahme geklärt werden sollte, spricht das Vorbringen des Beigeladenen als Antragsteller, der sich im Klageverfahren darauf beruft, die Fragestellung sei so konkret gefasst, dass es der Behörde ohne weiteres möglich sei, insbesondere auch die Gebietsverträglichkeit des Vorhabens – unter Beachtung des Gebots der Rücksichtnahme – zu beurteilen. Eine Beurteilung, ob das Vorhaben das Gebot der Rücksichtnahme verletzt, ist jedoch anhand der vorgelegten Unterlagen nicht möglich. Das Gebot der Rücksichtnahme enthält dabei ein dem § 15 Abs. 1 BauNVO entsprechendes Prüfprogramm (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand Aug. 2015, § 34 Rn. 48). Zweifelhaft ist hier, ob das Vorhaben nach seinem Umfang der Eigenart des Baugebiets widerspricht (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO), ob hier also Quantität in Qualität umschlägt und die Größe der baulichen Anlage die Art der baulichen Nutzung erfasst (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.1995 – 4 C 3.94 – NVwZ 1995, 899 – juris Rn. 17). Zur Beurteilung dieser Frage wäre eine Betriebsbeschreibung erforderlich gewesen, aus der mindestens die Zahl der Heimbewohner, die Belegungsdichte der Unterkünfte und die groben Betriebsabläufe hervorgehen. Eine solche liegt jedoch nicht vor.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladenen waren die hälftigen Kosten aufzuerlegen, da sie einen eigenen Antrag gestellt hat und insoweit unterlegen ist (§ 154 Abs. 3 Halbs. 1 VwGO). Als Partei, die im Rechtsstreit unterlegen ist, trägt sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die hälftige Teilung der Kosten beruht auf § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 15.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG – i. V. m. Nr. 9.10 des Streitwertkatalogs).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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