Baurecht

Reinigungspflicht für Gehwege

Aktenzeichen  8 B 15.2552

Datum:
18.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2017, 451
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG Art. 51 Abs. 1 S. 1 Hs. 2, Abs. 4, Abs. 5
Verordnung über die Reinhaltung und Reinigung der öffentlichen Straßen und die Sicherung der Gehbahnen im Winter der Gemeinde S.(Straßenreinigungsverordnung) § 5 S. 2 lit. a, lit. b

 

Leitsatz

1. Die Abwälzung gemeindlicher Reinigungs-, Räum- und Streupflichten auf Anlieger darf nicht zeitlich pauschal, sondern nur für den Fall eines konkreten Reinigungsbedarfs geregelt werden. (amtlicher Leitsatz)
2. An der Rechtsprechung des Senats, wie der Ortsdurchfahrtsbegriff des Art. 4 Abs. 1 BayStrWG zu konkretisieren ist und dass die Beseitigung flächenhaften Unkrautbewuchses aus Ritzen eines Gehsteigs in den Aufgabenbereich des Straßenbaulastträgers fällt (BayVGH BayVBl 2007, 558; 2009, 471), wird festgehalten. (amtlicher Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 10 K 13.1573 2014-10-15 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 15. Oktober 2014 wird geändert.
II.
Die Bescheide der Gemeinde S. vom 31. Juli 2013, jeweils Az: 6314.28, betreffend die Grundstücke …., …, …/…, … und … der Gemarkung S. werden aufgehoben.
III.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
IV.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
V.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet.
Die Bescheide der Beklagten vom 31. Juli 2013, mit denen die Kläger verpflichtet wurden, die Gehwege vor den Grundstücken FlNr. …, …, …/…, …, … der Gemarkung S. von Gras und Unkraut zu befreien, sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Bescheide der Beklagten sind deshalb unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 15. Oktober 2014 aufzuheben.
1. Die von den Klägern im Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage ist zulässig.
Die in den Bescheiden ausgesprochene Verpflichtung, die Gehsteige vor den o.g. klägerischen Grundstücken von Gras und Unkraut zu befreien, hat sich nicht dadurch erledigt, dass die Kläger dieser Verpflichtung nachgekommen sind. Streitgegenstand der gegen die Bescheide gerichteten Anfechtungsklage ist die Behauptung der Kläger, die in den Bescheiden enthaltenen Regelungen verletzten sie in ihren Rechten. Diese Regelungen bilden den Rechtsgrund für das von den Klägern geforderte Verhalten. Befolgen sie die ihnen auferlegten Verpflichtungen – wie hier -, so entfällt dadurch nicht die damit verbundene Beschwer (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 81 m. w. N.). Selbst wenn durch die Befolgung der Verwaltungsakte ein nicht mehr rückgängig zu machender Zustand entstanden ist, bedarf es der Aufhebung der Verwaltungsakte, wenn – wie hier – Ansprüche auf Beseitigung von Vollstreckungsfolgen nach Art. 39 BayVwZVG in Betracht kommen. Die Anfechtungsklage ist daher die statthafte Klageart.
2. Die Klage ist auch begründet.
2.1 Die Pflicht, öffentliche Straßen zu reinigen, wird in Art. 51 Abs. 1 BayStrWG so ausgestaltet, dass es sich dabei im Ausgangspunkt um eine gemeindliche Aufgabe handelt.
Diese den Gemeinden obliegende Verpflichtung steht nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayStrWG unter dem Vorbehalt, dass sie erstens dringend erforderlich ist und zweitens nicht andere aufgrund sonstiger Rechtsvorschriften verpflichtet sind. Sie ist mithin subsidiär. Zu der Verpflichtung anderer aufgrund sonstiger Rechtsvorschriften gehören namentlich die Fälle der Abwälzung der Reinigungspflicht nach Maßgabe des Art. 51 Abs. 4 und 5 BayStrWG durch gemeindliche Verordnung auf die Anlieger der Straße. Sind die hier in Streit stehenden Reinigungspflichten durch Rechtsverordnung auf die Anlieger abgewälzt und ist auch kein Anschluss- und Benutzungszwang an eine gemeindliche Straßenreinigungseinrichtung verfügt, sind diese Pflichten somit primär von den Anliegern zu erfüllen (vgl. BayVGH, U. v. 4.4.2007 – 8 B 05.3195 – BayVBl. 2007, 558/559).
Die Abwälzung der gemeindlichen Reinigungspflicht durch Rechtsverordnung nach Art. 51 Abs. 4 und 5 BayStrWG auf die Anlieger ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs grundsätzlich verfassungsmäßig (vgl. BayVerfGH, U. v. 28.3.1977 – Vf. 3-VII-76 – BayVBl 1977, 369; BayVGH, U. v. 4.4.2007 – 8 B 05.3195 – BayVBl 2007, 558/560).
Die Ermächtigung zur Abwälzung in Art. 51 Abs. 4 und 5 BayStrWG berührt Grundrechtspositionen von Anliegern aus dem Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 103 Abs. 1 BV), dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) und der Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 101 BV). Der Eingriff in diese Rechtspositionen erfolgt jedoch grundsätzlich nicht unverhältnismäßig oder sonst unzulässig. Die Abwälzbarkeit der Reinigungspflicht steht jedoch unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit.
Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung darf der Ausgangspunkt der von der Gemeinde abgewälzten Pflichten nicht übersehen werden. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayStrWG legt fest, dass die Verpflichtung der Gemeinde nur besteht, wenn die Reinigungspflicht „dringend erforderlich“ ist. Abgewälzt werden kann nur, wozu die Gemeinde im Ausgangspunkt selbst verpflichtet ist. Deshalb ist auch der Anlieger nach Art. 51 Abs. 4 und 5 BayStrWG nur verpflichtet, wenn die Erfüllung „dringend erforderlich“ ist. Damit ist es von vornherein unvereinbar, pauschal vorbeugende, zeitlich wiederkehrende Reinigungspflichten aufzuerlegen (vgl. BayVGH, U. v. 4.4.2007 – 8 B 05.3195 – BayVBl 2007, 558/560). Derartige Regelungen sind unwirksam.
Die vorliegende Straßenreinigungsverordnung – Verordnung 2010 – ist zwar vor dem dargelegten rechtlichen Hintergrund in Teilregelungen des § 5 Satz 2 Buchst. a unwirksam (s. unten). Die Unwirksamkeit der Teilregelungen führt jedoch nicht zur Gesamtnichtigkeit der Verordnung. Die vorliegend herangezogene Regelung des § 5 Satz 2 Buchst. b der Verordnung 2010 ist – entgegen der Auffassung der Klägerseite – nicht unwirksam.
Unwirksam ist § 5 Satz 2 Buchst. a der Verordnung 2010, soweit er die Anlieger zu einer Straßenreinigung „regelmäßig, aber mindestens einmal im Monat, an jedem ersten Samstag“ verpflichtet.
Dabei handelt es sich um eine unzulässige Pauschalregelung, die von der Ermächtigungsnorm des Art. 51 Abs. 4 BayStrWG nicht gedeckt ist (vgl. BayVGH, U. v. 4.4.2007 – 8 B 05.3195 – BayVBl 2007, 558/561). § 5 Satz 2 Buchst. a der Verordnung 2010 verlangt ausnahmslos die Reinigung der dem Anlieger zuzuordnenden Straßenfläche mindestens einmal im Monat, und zwar an jedem ersten Samstag. Die Ermächtigungsnorm sieht dagegen eine Reinigungspflicht nur vor, wenn die Reinigung „dringend erforderlich“ ist. Dieses Tatbestandsmerkmal des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayStrWG ist in Art. 51 Abs. 4 BayStrWG hineinzulesen, weil nicht mehr an Pflichten abgewälzt werden kann, als die abwälzende Gemeinde selbst zu erfüllen hätte (vgl. BayVGH, U. v. 4.4.2007 – 8 B 05.3195 – BayVBl. 2007, 558/562). Einen Erfahrungssatz, dass die den Anliegern zuzuordnenden Straßenflächen, „regelmäßig“ an jedem ersten Samstag im Monat derart erheblich verschmutzt wären, dass ein dringlicher Bedarf bestünde, diese Straßenflächen zu reinigen, wie die Beklagte meint, existiert nicht. Vielmehr kommt es für die Frage der Erforderlichkeit einer Reinigung auf den Bedarf im Einzelfall an, d. h. ob eine konkrete Verunreinigung vorliegt (vgl. bereits BayVGH, U. v. 4.4.2007 – 8 B 05.3195 – BayVBl 2007, 558/562). § 5 Satz 2 Buchst. a der Verordnung 2010 verstößt deshalb insoweit, als die Anlieger „regelmäßig, aber mindestens einmal im Monat, an jedem ersten Samstag“ zur Straßenreinigung verpflichtet werden, gegen den in Art. 51 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. Abs. 4 BayStrWG konkretisierten Grundsatz der Erforderlichkeit und ist insoweit nichtig.
Entsprechendes gilt für die Regelung, dass im Herbst die Reinigungsarbeiten bei Laubfall „regelmäßig, aber einmal in der Woche, jeweils am Samstag“ durchzuführen sind. Von der Unwirksamkeit wird auch die Regelung erfasst, dass die Reinigungsarbeiten am vorausgehenden Werktag durchzuführen sind, wenn auf den Reinigungstag ein Feiertag fällt (§ 5 Satz 2 Buchst. a letzter Satz der Verordnung 2010).
Diese Wirksamkeitsmängel führen jedoch noch nicht zur Gesamtnichtigkeit der Verordnung 2010.
Die Entscheidung, ob ein Rechtsmangel zur Gesamtnichtigkeit einer Verordnung oder nur zur Nichtigkeit einzelner Vorschriften führt, hängt davon ab, ob – erstens -die Beschränkung der Nichtigkeit eine mit höherrangigem Recht vereinbare sinnvolle (Rest-)Regelung des Lebenssachverhalts belässt und ob – zweitens – hinreichend sicher ein entsprechender hypothetischer Wille des Normgebers angenommen werden kann (vgl. BVerwG, B. v. 13.1.2012 – 9 B 56/11 – NVwZ 2012, 375 m. w. N.).
Vorliegend bleiben die Regelungen der Reinigung der Geh- und Radwege und der innerhalb der Reinigungsflächen befindlichen Fahrbahnen in § 5 Satz 2 Buchst. a der Verordnung 2010 auch dann sinnvolle Regelungen, wenn die nach dem oben Gesagten unwirksamen Teilregelungen entfallen. Denn es verbleibt – bei Unwirksamkeit der o.g. Teilregelungen – die Verpflichtung der Vorder- und Hinterlieger zur Reinigung der Geh- und Radwege und der innerhalb der Reinigungsflächen befindlichen Fahrbahnen gemäß § 5 Satz 2 Buchst. a der Verordnung 2010 nach Bedarf. Dies entspricht der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage (Art. 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 BayStrWG) und der Rechtsprechung (BayVGH, U. v. 4.4.2007 – 8 B 05.3195 -BayVBl 2007, 558/560). Die Regelung des § 5 Satz 2 Buchst. a Verordnung 2010 bleibt daher – auch wenn die unwirksamen Teilregelungen entfallen – weiterhin sinnvoll. Außerdem entspricht es auch dem hypothetischen Willen des Verordnungsgebers, mindestens im Kern eine gesetzeskonforme Regelung zu treffen. Die Verordnung 2010 ist daher nur hinsichtlich der o.g. Teilregelungen, nicht jedoch insgesamt unwirksam.
Die im vorliegenden Fall herangezogene Regelung des § 5 Satz 2 Buchst. b der Verordnung 2010, wonach die Vorder- und Hinterlieger die Geh- und Radwege und die innerhalb der Reinigungsflächen befindlichen Fahrbahnen von Gras und Unkraut zu befreien verpflichtet sind, soweit es aus Ritzen und Rissen im Straßenkörper wächst, ist – entgegen der Auffassung der Klägerseite – nicht unwirksam. Denn diese Beseitigungspflicht ist für den Anlieger noch nicht unzumutbar (vgl. BayVGH, U. v. 4.4.2007 – 8 B 05.3195 – BayVBl 2007, 558/562). Eine Grenze dieser Reinigungspflicht liegt vielmehr dort, wo es um die Beseitigung von flächenhaft in den befestigten Straßenkörper hineinwucherndes Gras und Unkraut geht. Denn dies ist nicht mehr Reinigung, sondern Unterhaltung der Straße. Diese zählt zum Inhalt der Straßenbaulast nach Art. 9 Abs. 1 BayStrWG, die der Straßenbaulastträger zu erbringen hat (vgl. BayVGH, U. v. 4.4.2007 – 8 B 05.3195 – BayVBl 2007, 558/562). Eine Verpflichtung, in den befestigten Straßenkörper flächenhaft hineinwucherndes Gras und Unkraut zu beseitigen, enthält auch die Verordnung nicht.
2.2 Im vorliegenden Fall sind die angegriffenen Bescheide deshalb rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, weil allgemeine Voraussetzungen für die Verpflichtung, die Gehwege von Gras und Unkraut zu befreien, nicht erfüllt sind.
2.2.1 Die Reinigungspflicht nach Art. 51 Abs. 4 und 5 BayStrWG besteht nur „innerhalb der geschlossenen Ortslage“ im Sinn des Art. 4 Abs. 1 BayStrWG.
Der Begriff der „geschlossenen Ortslage“ ist in Art. 4 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BayStrWG definiert und in § 2 Abs. 3 der Verordnung 2010 wortgleich übernommen worden. Danach ist eine „geschlossene Ortslage“ der Teil des Gemeindegebiets, der in geschlossener oder offener Bauweise zusammenhängend bebaut ist. Einzelne unbebaute Grundstücke, zur Bebauung ungeeignetes oder ihr entzogenes Gelände oder einseitige Bebauung unterbrechen den Zusammenhang nicht (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 BayStrWG; § 2 Abs. 3 der Verordnung 2010). Es handelt sich insoweit um eigenständige straßenrechtliche Begriffe; auf die §§ 29 ff. BauGB ist nicht zurückzugreifen (vgl. BayVGH, U. v. 25.2.2009 – 8 B 07.197 – BayVBl 2009, 471). Auch auf das Recht kommunaler Straßenreinigungsdienste kann im Zweifel nicht zurückgegriffen werden, weil insoweit das Anschlussgebiet nicht immer voll mit Art. 4 Abs. 1 BayStrWG koordiniert ist. Die vorliegend zitierten Ansätze des Erstgerichts sind daher nicht weiterführend.
Die Reinigungspflicht des Straßenanliegers setzt voraus, dass sich nicht nur sein Grundstück, sondern auch die streitbefangene Straße innerhalb der geschlossenen Ortslage befindet und nicht nur an ihr vorbeiführt.
Wie sich aus Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG ergibt, grenzen Grundstücke im Sinn des Art. 51 Abs. 4 BayStrWG nur innerhalb der geschlossenen Ortslage an öffentliche Straßen, wenn die Straße „durch“ eine geschlossene Ortslage führt. Die Straße darf also nicht bloß an einer geschlossenen Ortslage vorbei führen, selbst aber im straßenrechtlichen Außenbereich („freie Strecke“) verlaufen. Dementsprechend ist in Fällen durchgehend einseitiger Bebauung entlang eines größeren Straßenabschnitts wie hier vor allem zu untersuchen, ob ein an die unbebauten Grundstücke angrenzender Gehsteig noch der geschlossenen Ortslage zugeordnet werden kann. Verläuft ein solcher Gehsteig über eine größere Distanz (mehrere 100 m wie hier) entlang einseitiger Bebauung und/oder unbebautem Gebiet, wird nämlich der Zusammenhang mit der Bebauung im Sinn des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 BayStrWG regelmäßig unterbrochen; zumindest der Gehsteig verläuft dann regelmäßig selbst nicht mehr innerhalb der geschlossenen Ortslage; auch bei der Fahrbahn selbst kann dies in Betracht kommen (vgl. BayVGH, U. v. 25.2.2009 – 8 B 07.197 – BayVBl 2009, 471 f.). Dies kann dazu führen, dass bei beidseits vorhandenen Gehsteigen einer an freier Strecke liegt, während der andere noch (teilweise) zur Innenbereichslage gehört. Ein solcher Sachverhalt ist hier teilweise gegeben, wobei die Einordnung der Fahrbahn offen bleiben kann. Dass dabei einzelne Teile/Streifen der Straße im Sinn des Art. 2 BayStrWG eine unterschiedliche rechtliche Bewertung erfahren, muss insoweit zurücktreten, weil in diesem Zusammenhang dem oben näher dargelegten Zumutbarkeitskriterium der Vorrang zukommt (zum Ganzen vgl. BayVGH, U. v. 4.4.2007 – 8 B 05.3195 – BayVBl 2007, 598/560 ff; U. v. 25.2.2009 – 8 B 07.197 -BayVBl 2009, 471 f. m. w. N.).
Die Grundstücke FlNr. …, …/…, … und … der Gemarkung S. befinden sich im straßenrechtlichen Außenbereich („freie Strecke“) und grenzen auch nicht innerhalb der geschlossenen Ortslage an öffentliche Straßen. Das gleiche gilt hinsichtlich des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung S., soweit es nicht – mit dem Wohnhaus des Klägers zu 1 – bebaut ist.
Auf der Nordseite des M.-wegs befindet sich auf einer Strecke von ca. 700 m (Luftlinie) zwischen der beidseitig geschlossenen Bebauung im Westen und der beidseitig geschlossenen Bebauung im Osten lediglich eine Splitterbebauung (Sporthalle und Hallen- und Freibad mit Wohnhaus), die von der nächsten beidseitig geschlossenen Bebauung im Westen und im Osten jeweils nahezu 250 m entfernt liegt. Jedenfalls der nördliche Gehsteig ist insoweit dem straßenrechtlichen Außenbereich zuzuordnen, weil von einer zusammenhängenden Bebauung hier nicht die Rede sein kann. Die auf der Südseite des M.-wegs teilweise vorhandene einseitige Bebauung lässt die Annahme einer geschlossenen Ortslage allenfalls bis zur Waldgrenze zu. Die einseitige Bebauung auf der Südseite des M.-wegs wird nämlich in gewichtiger Weise durch unbebaute Grundstücke unterbrochen. Insbesondere die ausgedehnten Waldflächen auf den klägerischen Grundstücken FlNr. … und …/… der Gemarkung S., die sich über eine Länge von ca. 170 m erstrecken, treten so markant und dominant in Erscheinung, dass die hieran im Westen sich anschließende kleinteilige Wohnbebauung in den Hintergrund tritt. Entsprechendes gilt für die weiter südlich liegende J.-…-…-Straße. Auch hier unterbrechen die Waldgrundstücke FlNr. … und …/… der Gemarkung S. auf einer Strecke von ca. 200 m den Bebauungszusammenhang zwischen der beidseitig geschlossenen Bebauung im Osten und der geschlossenen Bebauung auf der Nordseite der J.-…-…-Straße so deutlich, dass nicht mehr von einer geschlossenen Ortslage gesprochen werden kann. Diese, im Ergebnis dem straßenrechtlichen Außenbereich zuzuordnende Strecke führt lediglich vorbei an der einseitigen Bebauung im Süden der J.-…-…-Straße. Dies ist indes wie oben dargelegt nach dem Tatbestand des Art. 4 Abs. 1 BayStrWG nicht ausreichend. Jedenfalls der nördliche Gehweg der J.-…-…-Straße führt deshalb auf der Strecke zwischen der beidseitig geschlossenen Bebauung im Osten und der geschlossenen Bebauung im Westen ebenfalls nicht „durch“ eine geschlossene Ortslage im Sinn des Art. 4 Abs. 1 BayStrWG.
Von den hier betroffenen Grundstücken liegt lediglich das Grundstück FlNr. … der Gemarkung S. im Bereich der geschlossenen Ortslage, soweit es mit dem Wohnhaus des Klägers zu 1 bebaut ist. Denn dieses Wohnhaus schließt sich an den im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Westen des Anwesens an. Nur insoweit sind die weiteren Voraussetzungen von Art. 51 Abs. 1, 4 und 5 BayStrWG überhaupt zu prüfen.
2.3. Jedoch sind sämtliche angegriffenen Bescheide auch deshalb rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Verpflichtung, Gras und Unkraut von den Gehsteigen zu entfernen, nicht vorlagen.
Hinsichtlich des Gehsteigs vor dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung S., das mit einem Wohnhaus bebaut ist, fehlte es schon an der Erforderlichkeit der angeordneten Maßnahmen.
Wie sich aus den von der Beklagten vor Erlass der Bescheide angefertigten Fotos ergibt, befanden sich im Bereich des Gehsteigs vor dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung S. weder Gras noch Unkraut in nennenswerten Umfang. Aus den Fotos ergibt sich, dass vier Pflasterreihen völlig frei von Gras und Unkraut waren. Lediglich am Rand der 5. Pflasterreihe waren im geringen Umfang Bodendecker aus dem Grundstück des Klägers auf den Gehsteig gewachsen. Außerdem war an der Stelle, wo der vorhandene Jägerzaun den Boden berührt, auch Unkraut in Form von Quecken (u. a.) vorhanden, das nach den Angaben der Klägerin zu 2 in der mündlichen Verhandlung von ihr jedenfalls regelmäßig entfernt wurde und wird. Lediglich dort, wo einzelne der verlegten Gehwegplatten bereits etwas abgesackt gewesen seien, habe sie das Unkraut nicht entfernt, um nicht eine Stolperfalle zu schaffen oder zu verstärken (siehe Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 2. August 2016, Seite 3). Diese Erwägungen der Klägerin zu 2 erscheinen auch sachgerecht, weil die von ihr genannten Mängel im Bereich der Betonplatten nicht mehr zum Verantwortungsbereich des Anliegers, sondern zum Verantwortungsbereich des Straßenbaulastträgers zählen (Art. 9 Abs. 1 BayStrWG). Vor diesem Hintergrund kann von der Erforderlichkeit, Gras und Unkraut im gesamten Gehwegbereich der FlNr. … zu entfernen, keine Rede sein.
Der Bewuchs der Gehsteigbereiche vor den übrigen Grundstücken der Kläger erweist sich anhand der Fotos als durchgehend flächenhaft. Die Beseitigung eines derartigen flächenhaften Bewuchses von den Gehwegen ist – wie bereits oben dargelegt – den Anliegern nicht zumutbar. Vielmehr gehört die Beseitigung eines derartigen Bewuchses nach der Rechtsprechung des Senats zur Unterhaltung der Straße, die dem Straßenbaulastträger obliegt. Die Entfernung eines derartigen flächenhaften Bewuchses wird auch in der Regelung des § 5 Satz 2 Buchst. b der Verordnung 2010 nicht gefordert. Vielmehr betrifft diese Regelung lediglich die Verpflichtung, die Gehwege von Gras und Unkraut zu befreien, soweit es aus Ritzen und Rissen im Straßenkörper wächst. Davon kann jedoch bei einem flächenhaften Bewuchs nicht mehr gesprochen werden.
Die Klage ist daher im vollen Umfang begründet.
2.4 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 25.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Orientierung an Nr. 43.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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