Baurecht

Schadensersatz, Leistungen, Werkleistung, Bauvertrag, Fachmann, Beschaffenheit, Bauvorhaben, Gutachterkosten, Gutachten, Feststellung, Verfahren, Berechnung, Technik, Widerspruch, Kosten des Rechtsstreits, Kosten des Verfahren, Regeln der Technik

Aktenzeichen  3 O 5590/13 Arch

Datum:
12.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 58805
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von Ansprüchen des B4. e.V. freizustellen, die sich aus dem Urteil des LG München II vom 19.09.2013, Az. 5 O 3189/09 ergeben; dies gilt insbesondere dahin, dass die Klägerin dem B4. sämtlichen Schaden zu ersetzen hat, der ursächlich darauf beruht, dass die Klägerin die Kalksäulen (CSV-Säulen) bei Gründung des Bauvorhabens des B4. S., N.-weg …, nur bis zu einer Tiefe von 10 m ab OK Gelände geführt hat, wodurch sich die Bodenplatte und die aufgehenden Teile des Casino-Gebäudes ungleichmäßig verformt bzw. gesetzt haben;
II.
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 23.568,52 € (außergerichtliche Kosten des B4. im Verfahren 5 O 3189/09) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.01.2014 zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16.214,00 € (außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren der Klägerin aus dem Verfahren vor dem Landgericht München II, Az, 5 O 3189/09) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.01.2014 zu bezahlen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die an den B4. bezahlten Kosten des Rechtsstreits des B4. vor dem Landgericht München II (Az. 5 O 3189/09) einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht München II (Az. 13 OH 4230/05) in Höhe von insgesamt 76.296,87 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.01.2014 zu bezahlen.
4. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 72.000,- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.01.2014 zu bezahlen (Vergleich mündliche Verhandlung vom 11.02.2010 LG München II, Az. 5 O 3189/09).
5. Der Beklagte wird verurteilt, die seitens der Klägerin im Verfahren vor dem Landgericht München II (Az. 5 O 3189/09) bezahlten Sachverständigenkosten in Höhe von 7.223,42 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz und in Höhe von 2.640,- € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.01.2014 zu bezahlen.
6. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 52.071,83 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.07.2014 zu bezahlen.
III. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 16.989,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.01.2014 zu bezahlen.
IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
V. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt. Die Kosten der Nebenintervention trägt der Streithelfer selbst.
VI. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.  

Gründe

I. Die Klage ist zulässig.
Insbesondere sind die Feststellungsanträge Ziffern I. und IV. der Klage zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin ist zu bejahen, da die vorgetragene Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist.
Die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen unproblematisch vor.
II. Die Klage ist überwiegend – mit Ausnahme des Klageantrags Ziffer IV. und einem Teil der Zinsforderungen – begründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 280 Abs. 1 S. 1, 281 Abs. 1, Abs. 2, 634 Nr. 4, 633 Abs. 2, 631 Abs. 1 BGB.
A.
Zwischen den Parteien wurde unstreitig unter dem 21.02.2003/05.03.2003 ein Vertrag über die Erbringung von Leistungen im Zusammenhang mit der technischen Bearbeitung der CSV Gründung des Casinos des B4. S. geschlossen, wonach der Beklagte Besprechungen, die stichprobenartige Überwachung der Säulenherstellung, die Dimensionierung der Gründung, eine statische und weggesteuerte Probebelastung und einen abschließenden geotechnischen Bericht zu erbringen hatte (Anlagen K 43, K8). Im Vertrag überwiegen werkvertragliche Elemente, § 631 BGB. Im Vordergrund stehen die Leistungen des Beklagten zur Planung der Dimensionierung der Gründung.
B.
Die Werkleistung des Beklagten war mangelhaft, § 633 BGB.
1. Gemäß § 633 Abs. 2 BGB ist ein Werk mangelhaft, wenn es nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat (Satz 1). Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist das Werk frei von Sachmängeln, wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte (Satz 2 Nr. 1), sonst für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken der gleichen Art üblich ist und die der Besteller nach der Art des Werks erwarten kann (Satz 2 Nr. 2).
Welche Beschaffenheit eines Werkes die Parteien vereinbart haben, ergibt sich aus der Auslegung des Werkvertrages. Zur vereinbarten Beschaffenheit im Sinne des § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB gehören alle Eigenschaften des Werkes, die nach der Vereinbarung der Parteien den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen sollen. Der vertraglich geschuldete Erfolg bestimmt sich nicht allein nach der zu seiner Erreichung vereinbarten Leistung oder Ausführungsart, sondern auch danach, welche Funktion das Werk nach dem Willen der Parteien erfüllen soll. Der Bundesgerichtshof hat deshalb in Fortführung des zu § 633 BGB a.F. entwickelten funktionalen Mangelbegriffs eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit angenommen, wenn der mit dem Vertrag verfolgte Zweck der Herstellung eines Werkes nicht erreicht wird und das Werk seine vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Funktion nicht erfüllt. Das gilt unabhängig davon, ob die Parteien eine bestimmte Ausführungsart vereinbart haben. Ist die Funktionstauglichkeit für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch vereinbart und ist dieser Erfolg mit der vertraglich vereinbarten Leistung oder Ausführungsart nicht zu erreichen, schuldet der Unternehmer die vereinbarte Funktionstauglichkeit (BGH, Urteil vom 29. September 2011 – VII ZR 87/11 -, Rn. 11, juris).
Bei einer Beauftragung mit Planungsleistungen schuldet der Planer daher eine mangelfreie und funktionstaugliche Planung, die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht (vgl. BGH, BauR 2001, 823; OLG Köln, Urteil vom 30. Oktober 2015 – 19 U 53/13 -, juris Palandt, BGB, § 633 Rn. 6).
Die Kammer geht hier davon aus, dass die von den Parteien übereinstimmend vorausgesetzte Verwendung der Planungsleistungen des Beklagten darin bestand, als Grundlage für die Herstellung der CSV-Säulen zum Zwecke der funktionstauglichen Gründung des Casinos des B4. S. zu dienen. Dies beinhaltet nach Überzeugung der Kammer eine Gründung, die nur übliche und gebäudeverträgliche Setzungen nach sich zieht.
2. Gemessen hieran ist die Planung des Beklagten mangelhaft.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. V. entspricht die Planung nicht den anerkannten Regeln der Technik. Zudem wurde aufgrund des Planungsfehlers des Beklagten die Gründung nicht so dimensioniert, dass sie nur übliche und gebäudeverträgliche Setzungen nach sich zieht. Aufgrund der mangelhaften Planung des Beklagten führte die Klägerin hier vielmehr CSV-Säulen nur bis in 10 Meter Tiefe aus. Mit dieser Säulenlänge war es nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. V. nicht möglich, eine übliche und gebäudeverträgliche Setzung des Casinos zu gewährleisten:
a. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. V. galten im Zeitpunkt der Leistungserbringung folgende anerkannten Regeln der Technik für die vom Beklagten vorzunehmende Setzungsberechnung:
– die DIN 4019 mit einer Vorgabe zur Tiefenberechnung der Setzung,
– die Annahme, dass bei Pfahlgruppen die Lasten etwa im unteren Drittelbereich der Säule in den Baugrund eingeleitet werden,
– eine differenzierte Betrachtung der Bodenkennwerte und eine Berücksichtigung von vorsichtigen und konservativen Schätzwerten bei den maßgebenden Größen sowie
– die Betrachtung dreier Setzungsanteile bei bindigen Böden.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. V. widersprach die Berechnung des Beklagten diesen anerkannten Regeln der Technik insbesondere insoweit, als der Beklagte hier bei seiner Setzungsberechnung im Tiefenbereich von 8 bis 12 Metern (und damit im maßgeblichen unteren Bereich der Säulen) bei seinen Berechnungen einen Steifemodul von 10 MN/m² annahm. Hiernach errechnete sich eine Setzung von 2 cm.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. V. wäre hier jedoch (vor dem Hintergrund der nach den anerkannten Regeln der Technik gebotenen Berechnung mit vorsichtigen und konservativen Schätzwerten) mit einem deutlich geringeren Steifemodul von 3 MN/m² zu rechnen gewesen. Der Sachverständige erläutert dies damit, dass sich aus dem Bodengutachten des Büros Dr. M2. & Dr. S1. vom 21.01.2002 (Anlage K10) für den hier maßgeblichen „Seeton I“ eine Steifeziffer von 2 MN/m² ergibt. Zudem errechnete der Sachverständige Prof. Dr. V. aus den durch das Bodengutachten des Büros Dr. M2. & Dr. S1. unmittelbar erlangten Bodenkennwerten unter Ansatz zweier verschiedener Berechnungswege Steifemoduln von ca. 0,5 bis 1,0 MN/m². Hierzu führt der Sachverständige aus, dass diese so errechneten Werte erfahrungsgemäß zu großen ermittelten Setzungen führten, weswegen ein Korrekturfaktor von 0,7 anzusetzen sei, der zu Steifemoduln von 0,75 MN/m² bis 1,5 MN/m² führe. Nachdem der Seeton im Basisbereich der Säulen aufgrund seiner Tiefenlage etwas günstiger zu bewerten sei, sei der Ansatz eines Steifemoduls von 3 MN/m² angemessen. Damit hätte sich eine Setzung von 9 cm bis 32 cm errechnet.
Soweit der Beklagte hier einen Steifemodul von 10MN/m² im Tiefenbereich seiner Berechnung zugrunde legte, führte der Sachverständige Prof. Dr. V. aus, dieser Wert sei für breiige bis weiche Tone extrem hoch. Selbst wenn durch Rückrechnung einiger Versuche ein solcher Wert herauskomme, dürfe er nicht für eine konservativ zu gestaltende Berechnung einer Gründung Grundlage sein. Vielmehr hätte dieser hohe Wert kritisch hinterfragt werden müssen, zumal sich bereits aus dem Bodengutachten des Büros Dr. M2. & Dr. S1. ein Wert von lediglich 2 MN/m² ergeben habe. Dieses kritische Hinterfragen dieses sehr hohen Werts durch den Beklagten sei hier nicht feststellbar.
Während des Rechtsstreits wurden an einem Nachbargrundstück Pressiometerversuche durchgeführt. Anhand derer wurden Steifemoduln errechnet, die über den von dem Sachverständigen Prof. Dr. V. seiner Berechnung zugrunde gelegten Steifemoduln lagen. Unter Zugrundelegung der so gewonnenen Steifemoduln errechnet der von der Beklagtenseite als Privatsachverständige hinzugezogene Prof. Dr. K2. eine zu erwartende Setzung von 5,6 cm. Diese Berechnung bestätigt der Sachverständige Prof. Dr. V. als zutreffend, wenngleich er hierzu erläuterte, dass er die Ermittlung von Steifemoduln aufgrund von Pressiometerversuchen als kritisch erachtet. Dennoch führte der Sachverständige Prof. Dr. V. aus, dass eine Berechnung, die eine Setzung von 5,6 cm prognostiziert hätte, keinen Verstoß gegen die im Jahr 2002 geltenden anerkannten Regeln der Technik dargestellt hätte. Hierbei hätte es sich nach den Ausführungen des Sachverständigen um einen plausibel ermittelten Wert gehandelt, der aber nicht eine Punktlandung bei den später tatsächlich auftretenden Setzungen hätte erwarten lassen.
Zusammenfassend führt der Sachverständige aus, dass der Beklagte aus damaliger technischer Sicht ex ante ex situatione einen Planungsfehler begangen hat, als er nach den damaligen anerkannten Regeln der Technik eine Setzungsprognose hätte machen können und müssen, die gezeigt hätte, dass Setzungen in Höhe von mindestens 5 cm zu erwarten waren.
b. Der Sachverständige erläuterte zudem, dass nach typischen Gepflogenheiten ohne besondere Rücksprache Gebäude so gebaut werden, dass sie mit etwa 2 cm Setzungen leben können. Dies finde z.B. darin Ausdruck, dass in der DIN 1054 Setzungswerte von etwa 2 cm Grundlage für die Festlegung der Tabellenwerte gewesen sei. Wenngleich die DIN 1054 bei feinkörnigen Böden (wie dem hier vorhandenen bindigen Seeton) 2 bis 4 cm in den Tabellenwerten vorsehe, lägen diese 4 cm ebenfalls unter den mindestens zu erwartenden 5 cm Setzung und wären von einem sorgfältigen Planer ebenfalls bereits zu kommunizieren und mit dem Bauherrn abzusprechen gewesen.
Dafür, dass auch die Parteien hier Setzungen von 2 bis 3 cm als unkritische und gebäudeverträgliche Größenordnung einschätzten, spricht nach Dafürhalten der Kammer auch das Schreiben des Beklagten vom 06.12.2002 (Anlage K9), in dem er ausführt, dass Messungen an vergleichbaren Projekten erwarten ließen, „dass die Setzungen im ungünstigsten Fall in der Größenordnung von 2 bis 3 cm liegen, wobei Setzungsdifferenzen weitestgehend ausgeschlossen werden können“, und wonach zusammenfassend festgestellt werden könne, „dass bei einer sorgfältigen Ausführung der CSV-Bodenverbesserug die Setzungen auf jeden Fall in einer für die Gebäudekonstruktion unkritischen Größenordnung liegen werden“.
Hätte der Beklagte unter Ansatz zutreffender Parameter gerechnet und hierbei zutreffende Größenordnungen von Setzungen (zwischen mindestens 5 und bis zu 32 cm) errechnet, hätte nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. V. die Baugrundverbesserung mittels CSV-Säulen nach den Regeln der Bautechnik keine Anwendung gefunden oder die Säulen wären bis zu einer Tiefe von 15 m geführt worden.
Das Problem sei hier gewesen, dass mit 10 m langen Säulen fester Untergrund noch nicht erreicht worden sei und die Schichten unter den 10 m nennenswert zu Verformungen beigetragen haben. Hier habe man den Weg mit langen Säulen nicht gehen wollen, weil man gemeint habe, eine Lösung gefunden zu haben, die mit 10 m langen Säulen eine ausreichend geringe Verformung erwarten ließ.
Das Maß der Setzungsunterschiede korreliere zudem mit der Größe der Setzung und lasse sich auch nur grob abschätzen. Ein Bauwerk, das nur geringe Setzungsunterschiede verträgt, solle man deshalb nur so konstruieren, dass es von der Gründung her geringe Setzungen bekomme.
Zwar können nach den Ausführungen des Sachverständigen auch große Setzungen bauwerksverträglich sein. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sind aber große Setzungen mit dem Bauherrn abzusprechen und bergen ein höheres Risiko von Setzungsdifferenzen.
Die Kammer geht hiernach davon aus, dass mit Werten, wie sie der Beklagte richtiger Weise hätte errechnen müssen, also das übliche Setzungsmaß nicht mehr eingehalten worden wäre und sich Fragen hinsichtlich der Funktionstauglichkeit der Gründung gestellt hätten. Der Beklagte hatte hier aber Setzungsmaße prognostiziert, die dem Bauherrn gegenüber kommuniziert worden waren und die für das Gebäude als gebäudeunschädlich und verträglich angenommen wurden. Für die Klägerin gab es hiernach keine Veranlassung, die geplante Gründung zu ändern, um die zugesagt Setzung einzuhalten und übliche und als gebäudeverträglich eingestufte Setzungswerte einzuhalten.
c. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sieht es die Kammer daher als erwiesen an, dass dem Beklagten ein Planungsfehler dahingehend vorzuwerfen ist, dass der Beklagte eine unzutreffende Setzungsprognose erstellt hat, wonach sich die zu erwartenden Setzungen in einer üblichen und gebäudeverträglichen Größenordnung halten würden. Bei korrekter Vorgehensweise hätte seine Setzungsberechnungen indessen aufzeigen müssen, dass mit weit größeren und unüblichen und damit auch für das Gebäude kritischen Setzungen zu rechnen ist. Dieser Planungsfehler beruht darauf, dass der Beklagte statt mit einem vorsichtig und konservativ angesetzten Steifemodul eine Berechnung mit einem deutlich zu hohen Steifemodul vorgenommen hat und hieraus eine unzureichende, weil zu niedrige Setzungsprognose abgegeben hat.
Die Kammer folgt hier den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen in seinen schriftlichen Gutachten, die sich im selbständigen Beweisverfahren 13 OH 4230/05 und in der Akte dieses Rechtsstreits befinden, sowie dessen Ausführungen im Rahmen seiner mündlichen Anhörung.
Zweifel an der fachlichen Kompetenz des Sachverständigen bestehen für die Kammer nicht. Der Sachverständige ist Ordinarius i.R. für Grundbau, Felsmechanik und Tunnelbau. Die Angabe des Sachverständigen in der Anhörung, selbst keine Erfahrung mit solchen CSV-Säulen zu haben, sondern dass er selbst Säulen typischerweise nur habe herstellen lassen, wenn er unten in einen tragfähigen Boden habe einbinden können, spricht für die Kammer nicht für eine fehlende fachliche Eignung oder fehlende Kompetenz des Sachverständigen für die streitgegenständliche Thematik. Soweit der Sachverständige keine eigene Erfahrung mit der geplanten Gründungsweise hatte, hat er sein Gutachten durch Auswertung und Anwendung verschiedenster wissenschaftlicher Erkenntnisse erstellt.
Die Ausführungen des Sachverständigen überzeugten die Kammer. Der Sachverständige hatte im vorangegangenen selbständigen Beweisverfahren an dem streitgegenständlichen Grundstück Untersuchungen vorgenommen und hatte im Laufe des Rechtsstreits zumindest am Nachbargrundstück Untersuchungen beigewohnt (nachdem hier der B4. weitere Untersuchungen verweigerte). Mit den Ergebnissen dieser Untersuchungen wie auch mit den vorhandenen technischen Unterlagen hat er sich auseinander gesetzt. Der Sachverständige hat die anerkannten Regeln der Technik auf diesem Gebiet dargelegt und sein Gutachten gemessen an diesen erstellt.
Soweit der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten gelegentlich von Kalksäulen gesprochen hat, wenngleich hier Zementsäulen vorliegen, mag dies eine falsche Wortwahl sein, die aber nicht die Richtigkeit seiner grundlegenden Feststellungen in Frage zu stellen vermag. So hatte sich der Sachverständige in den Gutachten im selbständigen Beweisverfahren mit der vom Beklagten und dem Streithelfer aufgeworfenen Frage befasst, ob nicht eine unzureichende Abbindung des Zement-Sand-Gemischs in der Kiesschicht eine unzureichende Säulenausbildung verursachte. Bei Beantwortung dieser Fragestellung sprach der Sachverständige ausdrücklich von „Zementstein“, was zeigt, dass er bei seinen Überlegungen durchaus vom richtigen Säulenmaterial ausging, wenngleich er die Säulen an anderer Stelle gelegentlich fälschlicher Weise als Kalksäulen bezeichnete.
Auch soweit der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten im Rechtsstreit einen Rechenfehler hatte, vermag dies nicht, seine Kompetenz in Frage zu stellen. Hiermit konfrontiert räumte er den Rechenfehler offen ein, begründet aber nachvollziehbar, weswegen er ungeachtet dessen bei seiner Einschätzung eines Planungsfehlers des Beklagten bleibt.
Der Sachverständige erläuterte auch im Rahmen der mündlichen Anhörungen seine Feststellungen nachvollziehbar und überzeugend und begegnete den Einwänden des Beklagten, dessen Streithelfers und des von diesen hinzugezogenen Privatsachverständigen Prof. Dr. K2. überzeugend. Dabei hatte die Kammer nicht den Eindruck, dass der Sachverständige aus Prinzip an seiner Meinung festhielt, sondern er begründete seine Meinung im Hinblick auf die hiergegen erhobenen Einwendungen der Parteien nachvollziehbar und plausibel.
Die Einholung eines weiteren Gutachtens gem. § 412 ZPO war nicht erforderlich, da die Kammer durch die gutachterlichen Aussagen des Sachverständigen Prof. Dr. V. eine sichere Überzeugung gewinnen konnte und Widersprüche in der Begutachtung gerade nicht vorliegen.
3. Aufgrund des Beweisergebnisses vermochte die Argumentation des Beklagten, nicht die Berechnung des Beklagten sei falsch, sondern tatsächlich hätten Ausführungsfehler der Klägerin bei der Herstellung der Säulen zu den übermäßigen Setzungen geführt, die Kammer nicht zu überzeugen.
a. Ungeachtet der Rechtswirkungen der Streitverkündungen im selbständigen Beweisverfahren und dem vorangegangenen Rechtsstreit (5 O 3189/09) gegenüber dem hier Beklagten war dieser Behauptung durch eine ergänzende Beweiserhebung nachzugehen. Der Beklagte war in den vorangegangen Verfahren auf dortiger Beklagtenseite als Streithelfer beigetreten, mithin auf Seiten der hiesigen Klägerin. Insoweit war es ihm verwehrt, sich in Widerspruch zur unterstützten Partei zu setzen und zu deren Ungunsten zu argumentieren, § 67 ZPO. Zwar wurden in dem selbständigen Beweisverfahren dennoch die Frage eines Ausführungsmangels angesprochen (und vom Sachverständigen Prof. Dr. V. nach den damaligen Feststellungen dahingehend beantwortet, dass es hierauf keine Hinweise gebe). Jedenfalls war es dem Beklagten als Streithelfer aber verwehrt, diesen Standpunkt weiter zu verfolgen. Zudem waren diese Feststellungen für das Rechtsverhältnis zwischen dem B4. und der Klägerin auch nicht relevant, denn die Klägerin haftet gegenüber dem B4. verschuldensunabhängig aufgrund der nicht eingehaltenen Zusage bestimmter Setzungswerte. Worauf die Überschreitung der Setzungswerte beruht (ob auf einer unzureichenden Dimensionierung der Gründung oder Ausführungsfehlern bei der Herstellung der Säulen oder anderen Ursachen) war im dortigen Rechtsverhältnis aber ohne Bedeutung. Diesbezügliche Feststellungen wären daher überschießend und insoweit zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits nicht bindend.
b. Eine tatsächliche Untersuchung der Säulen durch den vom Gericht ernannten Sachverständigen Prof. Dr. V. konnte nicht erfolgen, da der Grundstückseigentümer, der B4., im hier zu entscheidenden Rechtsstreit einer Untersuchung der Säulen nicht zustimmte. Unter anderem argumentierte der B4., dass die technischen Maßnahmen, die zur Untersuchung der Säulen erforderlich wären (Abteufen zweier Kernbohrungen zur Durchführung von Pressiometerversuchen und Aushub zweier Schürfgruben am Gebäude, in denen im Schutz einer kleinen Wasserhaltung Säulen bis in den Seeton hinein hätten freigelegt werden sollen, siehe Schreiben des Prof. Dr. V. vom 04.11.2015 (zu Bl. 156 d.A.)), unzumutbar seien. Er verwies insbesondere auf die damit verbundenen technischen Risiken durch Erschütterungen, die die Standsicherheit des Gebäudes gefährdeten, und auf eine etwaige Kettenreaktion im Boden durch einen Eingriff in den breiigen bis flüssigen Boden, die die Gründung des Gebäudes gefährden könne. Zudem sei aus bereits erfolgten Rammkernsondierungen bekannt, dass Vibrationen auf dem Grundstück zu Schäden auch an anderen Objekten geführt hätten. Aus diesen in den Rechtsstreit eingeführten und nachvollziehbaren Gründen konnte der B4. seitens der Kammer nicht mittels Duldungsanordnung gem. §§ 371 Abs. 2, 144 Abs. 1, Abs. 3 ZPO gezwungen werden, derartige Untersuchungen zu dulden, § 144 Abs. 2 ZPO.
Hinreichende Anhaltspunkte für eine Beweisvereitelung durch die Klägerin liegen hier nicht vor. Wenngleich die Beklagtenvertreterin im Rahmen der letzten mündlichen Verhandlung darauf verwies, im Schriftsatz des anwaltlichen Vertreters des B4. an den Klägervertreter vom 20.04.2016 (zu Bl. 163/164) sei die Rede davon, dass es „dem gemeinsamen Willen“ des B4. und der Klägerin entspreche, keine weiteren Bodenerkundungen am Grundstück des B4. durchführen zu lassen, vermag die Kammer nicht nachzuvollziehen, woher diese Wortwahl des „gemeinsamen Willens“ resultiert. Jedenfalls hat der B4. in dem vorgenannten Schreiben an die Beklagtenvertreterin vom 14.04.2016 (zu Bl. 163/164) ausführlich und mit nachvollziehbaren Gründen dargelegt, weswegen er eine Begutachtung nicht wünscht. Dafür, dass die Klägerin diesbezüglich auf ihn eingewirkt hat und der B4. diese Gründe nur vorschiebt, sind keine Anhaltspunkte gegeben.
c. Bereits in seinen schriftlichen Gutachten führte der Sachverständige aus, dass sich die große Anfangsverformung und große Schiefstellung nicht mit einer mangelhaften Ausführung der Säulen hinreichend erklären lasse. Zugegebenermaßen könnten solche einen entsprechenden Beitrag leisten. Aus den Probesäulen könne man nicht schließen, dass die Säulen im Kopfbereich eine unzureichende Festigkeit aufwiesen.
Im selbständigen Beweisverfahren behaupteten der Beklagte bzw. der Streithelfer einen Ausführungsfehler dahingehend, dass im Zeitpunkt der Säulenherstellung der Wassergehalt des Arbeitsplanums und der darunterliegenden Kiesschicht sehr niedrig gewesen sei, so dass in der oberen Bodenschicht kein Wasser für die erforderliche Durchfeuchtung des Trockenmörtels vorhanden gewesen sei und deshalb keine kraftschlüssige Verbindung der Säulenköpfe mit der Bodenplatte entstanden sei.
Aufgrund damals vom Sachverständigen durchgeführter Schürfungen konnten Säulen im oberen Bereich freigelegt werden und Untersuchungen an den Säulen vorgenommen werden. Diese Untersuchungen ergaben nach den Feststellungen des Sachverständigen gleichmäßig und einwandfrei ausgebildete Probestücke der Säulen. Diese erreichten eine ordnungsgemäße Festigkeit. Zudem waren die Säulen nach den Feststellungen des Sachverständigen im freigelegten Bereich nicht ausgebaucht, Hammerschläge zeigten überall gleichmäßig harten Zementstein. Die Ergebnisse der Untersuchungen erbrachten keinen Hinweis darauf, dass die Säulen bei ihren Prozess der Verfestigung eine Störung erlitten haben.
Wie bereits ausgeführt, konnten weitere Untersuchungen der Säulen – auch im tieferliegenden Bereich – aufgrund der jetzt im Rechtsstreit aufgestellten Behauptung des Beklagten, die Säulen seien insgesamt unter Verstoß gegen die Herstellungsvorgaben des einschlägigen Merkblatts hergestellt worden, mangels Zustimmung des B4. nicht durchgeführt werden.
Die Argumente des Beklagten, ein Ausführungsfehler ergebe sich auch aus anderen Umständen, wurden durch den Sachverständigen Prof. Dr. V. entkräftet:
So steht das Setzungsverhalten des Objekts nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. V. nicht im Widerspruch zur Konsolidierungstheorie. Er führt aus, der Übergang von der Konsolidationsphase zur Kriechphase in sehr weichen feinkörnigen Böden könne sehr verschiedenartig ausfallen. Die Kriechphase lasse sich durch eine lineare Zunahme der Verformungen mit dem Logarithmus der Zeit beschreiben. Bei Auswertung der Messdaten des streitgegenständlichen Objekts lasse sich erkennen, dass die Zeitsetzungen weitgehend der klassischen Form von Kriechsetzungen folgten. Soweit der „Konsolidationsverlauf“ nach Auffassung des Beklagten anders aussehen solle (Kurve in Anlage BOH 2), sei nicht nachvollziehbar, wie dieser Konsolidierungsverlauf ermittelt wurde. Der tatsächliche Kurvenverlauf widerspreche zwar dem beklagtenseits angegeben Konsolidationsverlauf. Dies sei aber kein Beleg für fehlerhaft hergestellte CSV-Säulen.
Im Rahmen seiner mündlichen Anhörung erläuterte der Sachverständige zudem, nicht nur das Gebäude versinke, sondern auch das Gelände, das das Gebäude umgibt. Der für die Kriechsetzung charakteristische lineare Verlauf zeige sich am säulengegründeten Gebäude wie auch beim Nachbargelände.
Zu dem Argument der Beklagten, die Setzungsverteilung sei nicht nachvollziehbar und spreche für einen Ausführungsfehler bei Herstellung der CSV-Säulen, führt der Sachverständige aus, aus seiner Sicht seien die Setzungsdifferenzen bodenmechanisch gut mit der Streuung der Steifigkeiten im Untergrund zu erklären. Das Setzungsverhalten passe hinsichtlich der Größe der Setzungen und des Setzungsverlaufs mit üblichem Kriechverhalten zusammen und gebe keinen Hinweis auf Herstellungsfehler bei den Säulen.
Zum Argument des Beklagten, die Herstellung sei entgegen der Vorgaben des Merkblatts erfolgt, führt der Sachverständige Prof. Dr. V. aus, dass nach dem einschlägigen Merkblatt Anforderungen aufgestellt werden, wonach für die Herstellung der Säulen in weichen oder breiigen Böden Herstellungsweise und Gerätetechnik so angepasst werden, dass um die Förderschnecke ein Mantel aus Stabilisierungsmaterial erzeugt wird, der die notwendige Führung für den Materialtransport der Schnecke gewährleistet. Diese Anpassung erfolge nach dem Merkblatt im Zuge der Geräteeinstellung an Probesäulen. Es müsse hiernach gewährleistet sein, dass eine durchgehende Säule ausgebildet wird. Auf den Vorhalt des Beklagten, dass hiernach ein Pendeln bei der Säulenherstellung erforderlich sei, erklärte der Sachverständige, dass das Pendeln an sich bei der Säulenherstellung erforderlich sei, jedoch nicht explizit im Merkblatt genannt werde. Hierin werde nur eine ordnungsgemäße Säulenherstellung durch eine angepasste Herstellungsweise, die in einer Probesäule nachgewiesen werde, verlangt. Die Probesäulen seien ausgeführt worden und auch ordnungsgemäß gewesen (so auch Schreiben des Streithelfers vom 10.04.2003, Anlage K20).
Die im Merkblatt genannten zu protokollierenden Parameter für die Säulenherstellung ließen sich, wie im Rahmen der mündlichen Anhörung des Sachverständigen festgestellt wurde, den Herstellungsprotokollen durchaus entnehmen. Entgegen der Auffassung des Beklagten entsprechen die Herstellungsprotokolle daher den Vorgaben des Merkblatts.
Nach Vorhalt eines entsprechenden Merkblatts bestätigte der Sachverständige zudem, dass hiernach zumindest ein Hinweis enthalten sei, wonach bei der Säulenherstellung gependelt werden konnte, wenngleich der Vorgang des Pendelns selbst dem Graphen im Protokoll nicht zu entnehmen sei.
Auf Vorhalt des Streithelfers, dass die dem Protokoll zu entnehmende mögliche Pendelstrecke nach seiner Auffassung zu gering sein soll, verwies der Sachverständige nachvollziehbar darauf, dass die Probesäulen, die der Belastung standgehalten haben, mit der gleichen Technik hergestellt werden wie die später hergestellten Säulen. Die Probesäulen, die nach Erläuterungen der Klägerin zur Hälfte mit Pendeln und zur Hälfte ohne Pendeln hergestellt wurden, hielten der Belastung unstreitig stand. Die Probesäulen wurden unstreitig vom Streithelfer des Beklagten selbst für ordnungsgemäß befundenen. Dafür, dass die Säulen nicht fachgerecht hergestellt wurden und das Pendeln nicht ausreichend ausgeführt wurde, um eine ordnungsgemäße Säulenausbildung zu gewährleisten, hat die Kammer daher keine Anhaltspunkte.
Der Sachverständige führte in diesem Zusammenhang noch aus, auch wenn hier Probesäulen, die ohne Pendeln hergestellt worden seien, der Belastung standhielten, könne man nicht daraus schließen, dass die Steifigkeitswerte höher seien als im Baugrundgutachten beschrieben und durch Bohrungen ermittelt. Warum der Probepfahl der Belastung standhielt, könne er nicht sagen. Allerdings könne man bei einem feingeschichteten Seeton keine sauberen Korrelationen herstellen.
Zu einem etwaigen Ausführungsfehler erläuterte der Sachverständige, es sei grundsätzlich schon vorstellbar, dass hier Säulen nach und nach versagten. Der Sachverständige Prof. Dr. V. führte aber aus, dass er den vorliegenden Setzungsmessungen solche Effekte nicht entnehmen könne. Es gebe hierzu auch keine Vergleichsobjekte, mit denen er dies abgleichen könne. Andererseits gebe es Vergleichsobjekte, die ein ähnliches Setzungsverhalten zeigte, dies aber bei intakten Säulen. Diese dauerhaften Verformungen seien mit dem Baugrund natürlich zwanglos erklärbar.
Nach diesen Ausführungen des Sachverständigen ist die Kammer davon überzeugt, dass die Setzungen auf einem Planungsmangel des Beklagten beruhen und nicht auf einem Ausführungsmangel bei der Säulenherstellung. Für einen Ausführungsmangel liegen nach den Ausführungen des Sachverständigen keine die Kammer überzeugenden Anhaltspunkte vor. Der Setzungsverlauf und die Setzungsverteilung lassen sich mit den natürlichen Bodenverhältnissen zwanglos erklären. Anhaltspunkte für Herstellungsfehler ergaben sich weder, soweit die Säulen im vorangegangenen selbständigen Beweisverfahren untersucht werden konnten (wobei seitens des Beklagten und des Streithelfers noch ein anderer Ausführungsfehler als jetzt behauptet wurde), noch soweit die Probesäulen vom Streithelfer des Beklagten selbst überprüft wurden. Dies gilt ungeachtet dessen, dass der Sachverständige einräumte, nicht detailliert erklären zu können, weswegen die Probesäulen trotz des seines Erachtens zutreffenden geringen Steifigkeitswert des Bodens die Last mit sehr geringen Verformungen tragen konnten.
C.
Den aufgezeigten Planungsmangel hat der Beklagte auch gemäß § 276 BGB zu vertreten. Der Beklagte handelte zumindest fahrlässig. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen waren die großen Setzungen rechnerisch vorauszusagen und hätten auch bei angemessener Verwendung der Regelwerke erkannt werden müssen. Allein bei der Infragestellung des Steifemoduls von 10 MN/m², wie ihn der Beklagte und der Streithelfer verwendet haben, statt des Wertes von 2 MN/m², wie er im Baugrundgutachten vom 21.01.2002 für den Tiefenbereich von etwa 10 bis 15 m angegeben war, wäre das Problem erkannt worden.
Dem Beklagten obliegt es insoweit, den Nachweis zu führen, dass er den Mangel nicht zu vertreten hat, § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB. Diesen Nachweis vermochte der Beklagte nicht zu führen. Der Sachverständige führte hierzu aus, der angenommene Steifemodul von 10 MN/m² ab 8 m Tiefe sei für breiige bis weiche Tone extrem hoch. Selbst wenn durch Rückrechnung einiger Versuche ein solcher Wert von 10 MN/m² herauskomme, dürfe er nicht zur Grundlage einer konservativ zu gestaltenden Gründungsberechnung gemacht werden. Auch wenn aus den Probebelastungen ein Steifemodul von 10 MN/m² ermittelt worden sei, entspreche es nicht den anerkannten Regeln der Technik, einen derart ermittelten Steifemodul einer Setzungsberechnung zugrunde zu legen.
D.
Eine Nachfristsetzung durch die Klägerin ist entbehrlich, da sich der aufgezeigte Planungsmangel bereits im Bauwerk verkörpert hat und seine Beseitigung nicht mehr möglich ist (BGH BauR 2001, 667 m.w.n.).
E.
Der Beklagte ist der Klägerin zum Ersatz des aufgrund dieser Pflichtverletzung entstandenen Schadens verpflichtet, § 249 BGB.
1. Der Schaden der Klägerin liegt darin, dass sie als ausführendes Unternehmen gegenüber dem Bauherrn (dem B4.) den Schaden zu ersetzen hat, der an dem Bauwerk aufgrund der aufgetretenen Setzungen von über 3 cm entstanden sind und noch entstehen werden.
Die Pflichtverletzung des Beklagten ist kausal für den bei der Klägerin eingetretenen Schaden.
Zwar ist zutreffend, dass der Beklagte gegenüber der Klägerin vertraglich nicht ausdrücklich ein Setzungsmaß von maximal 3 cm zugesichert hat. Auch ist zutreffend, dass die Klägerin die diesbezügliche verschuldensunabhängige Zusicherung gegenüber dem B4. abgegeben hat, bevor der Vertrag mit dem Beklagten geschlossen wurde. (Der Vertrag B4.-Klägerin wurde unstreitig am 24.02./28.02.2003 geschlossen, der Vertrag Klägerin-Beklagter wurde am 21.02./05.03.2003 geschlossen).
Hätte der Beklagte den Fehler bei der Setzungsberechnung nicht gemacht, wäre der Schaden bei der Klägerin jedoch ungeachtet des zeitlichen Ablaufs der Vertragsschlüsse nicht eingetreten: Hätte der Beklagte eine zutreffende Setzungsprognose gemacht, wären die CSV-Säulen nicht oder nicht nur mit 10 m Länge ausgeführt worden, sondern mit einer Einbindung in den tragfähigeren Grund in 15 m Tiefe ausgeführt worden, wie auch der Sachverständige ausführte.
Dass die Klägerin bei einem „rechtmäßigen Alternativverhalten“ des Beklagten, nämlich wenn dieser richtigerweise bei einer Säulenlänge von 10 m Setzungen von mindestens 5 bis zu 32 cm prognostiziert hätte, die Säulen dennoch mit nur 10 m ausgeführt hätte und derartige Setzungen in Kauf genommen hätte, erscheint nach Dafürhalten der Kammer abwegig (gerade weil die Klägerin den Vertrag mit dem B4. unter verschuldensunabhängigen Zusicherung einer geringeren Setzung schon geschlossen hatte, als der Beklagte sein Berechnungsergebnis für die Klägerin erstellt hatte).
Dass der Planungsfehler einer unzutreffenden Setzungsprognose für den bei der Klägerin eingetretenen Schaden kausal im Sinne der Äquivalenz (conditio-sine-qua-non), der Adäquanz und des Schutzzwecks der Norm ist, steht damit fest.
Es mag zutreffend sein, dass die Einbindung der Säulen in tragfähigeren Grund dem von der Klägerin gegenüber dem B4. angebotenen Konzept einer „schwimmenden“ Gründung widersprochen hätte, wie der Beklagte ausführt. Dass es dem Bauherrn aber nicht darauf ankam, ob die Säulen der Gründung tatsächlich in weicherem Boden „schwimmen“ oder nicht „schwimmen“, weil sie in tragfähigere Schichten geführt werden, sondern dass es dem Bauherrn lediglich darauf ankam, dass die Säulen von ihrer Dimensionierung her geeignet sind, eine funktionstaugliche, tragfähige Gründung zu gewährleisten, liegt auf der Hand.
2. Zu den bezifferten Schadensersatzforderungen dem Grunde und der Höhe nach:
Dass die von der Klägerin geltend gemachten Schadenspositionen im Zusammenhang mit der übermäßigen Setzung des Casinos des B4. S. stehen, ist unstreitig. Auch der Höhe nach sind die Schadensposten nicht bestritten.
a. Der Beklagte hat der Klägerin hiernach die außergerichtlichen Kosten des B4. im Verfahren 5 O 3189/09 in Höhe von 23.568,52 €, die die Klägerin zu tragen hatte, zu erstatten.
Wie ausgeführt wäre ohne den Planungsfehler des Beklagten die Gründung des Casinos des B4. nicht so ausgeführt worden, dass sich Setzungen über das übliche und zudem gegenüber dem B4. vertraglich zugesicherte Setzungsmaß ergeben hätten. Dann hätte der B4. die Klägerin nicht auf Schadensersatz wegen der Überschreitung des vereinbarten Setzungmaßes in Anspruch genommen, der Rechtsstreit wäre nicht entstanden und nicht in Folge von der Klägerin verloren worden mit der Folge, dass die Klägerin dem B4. seine außergerichtlichen Anwaltskosten zu erstatten hatte.
b. Entsprechendes gilt für den Anfall eigener Anwaltskosten der Klägerin im Zusammenhang mit dem Verfahren vor dem Landgericht München II, Az, 5 O 3189/09 in Höhe von 16.214,- €. Auch diese Kosten wären nicht enstanden, wenn nicht der B4. die Klägerin wegen der Überschreitung der vereinbarten und üblichen Setzungsmaße in Anspruch genommen hätte.
c. Entsprechendes gilt hinsichtlich der von der Klägerin die an den B4. bezahlten Kosten des Rechtsstreits des B4. vor dem Landgericht München II, Az. 5 O 3189/09 einschließlich der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht München II, Az. 13 OH 4230/05 in Höhe von insgesamt 76.296,87 €
d. wie auch hinsichtlich des Vergleichsbetrages von 72.000,- €, den die Klägerin aufgrund des Schadensersatzprozesses vor dem LG München II, Az. 5 O 3189/09 an den B4. wegen bereits aufgrund der übermäßigen Setzung entstandener Schäden zahlte.
e. Auch die seitens der Klägerin im Verfahren vor dem Landgericht München II, Az. 5 O 3189/09 bezahlten Sachverständigenkosten in Höhe von 7.223,42 € und in Höhe von 2.640,- € wären bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten nicht angefallen und sind deshalb vom Beklagten an die Klägerin zu erstatten.
f. Zu den weiteren Schadenspositionen von insgesamt 52.071,83 €:
Die Kosten für die Kontrollmessungen während des vorangegangenen selbständigen Beweisverfahrens und während des vorangegangenen Hauptsacheverfahrens durch das Ingenieurbüro O., S. in Gestalt von 22 Setzungsmessungen in Höhe von 8.729,25 € (netto) sind als Kosten der Schadensfestellung erstattungsfähig.
Gleiches gilt für die Kosten für temporäre Nachbesserungsarbeiten und zur Entwicklung eines denkbaren Sanierungskonzepts. Daher sind auch die Kosten des Architekturbüros Goetz/Hootz/Castorph in Höhe von 2.265,50 € (netto) erstattungsfähig.
Gleiches gilt für die unstreitigen Kosten in Höhe von insgesamt 22.585,58 €, die die Klägerin dem B4. für dessen externe Beratung im Hinblick auf die Mangelfeststellung und die erforderlichen und denkbaren Sanierungsmaßnahmen erstattet hat.
Soweit die Klägerin durch ihre Mitarbeiter Dr. W. S2., Dr. Ing B. K1. und Paul L3. eigene Arbeitsleistungen zur Betreuung und Bearbeitung des Schadensfalles erbrachte, sind auch diese Kosten erstattungsfähig, da derartige Arbeitsleistungen zweifllos nach der Verkehrsanschauung einen Marktwert haben. Auch diese Kosten sind der Höhe nach unstreitig, so dass die Personalkosten für Herrn Dr. S2. in Höhe von 9.415,- € netto, für Herrn Dr. Ing. K1. von 7.206,50 € netto und für Herrn P. L3. in Höhe von von 1.870,- € netto der Klägerin vom Beklagten zu erstatten sind.
g. Die außergerichtlichen Anwaltskosten der Klägerin im Zusammenhang mit diesem Rechtsstreit in Höhe von 16.989,50 € sind ebenfalls durch den Beklagten zu erstatten.
h. Der Zinsanspruch hinsichtlich der bezifferten Forderungen ergibt sich aus § 291 BGB i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB. Unschlüssig waren insoweit die Zinsanträge, mit denen Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit begehrt wurden (Ziffern II. 1, II.2, II. 3, II.4, II.6). Zuzusprechen waren hier nur Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, da es sich bei den geltend gemachten Schadensersatzansprüchen nicht um Entgeltforderungen im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB handelt (Palandt, BGB, 77. Aufl., § 286 Rn. 27).
3. Zum Feststellungsantrag Ziffer I. der Klage (Freistellung der Klägerin von Ansprüchen des B4., die sich aus dem Urteil des LG München II vom 19.09.2013, Az. 5 O 3189/09 ergeben):
Nach obigen Ausführungen erweist sich der Feststellungsantrag als begründet.
4. Zum Feststellungsantrag Ziffer IV. der Klage (Verzinsungspflicht für von der Klägerin eigezahlte Gerichtskosten):
Insoweit erweist sich die Klage als unbegründet:
Eine Anspruchsgrundlage hierfür besteht nicht. Zudem fehlt schlüssiger Vortrag zu einem der Klägerin insoweit entstandenen Schaden.
Bei der von der Klägerin zum Gegenstand ihres Feststellungsantrags gemachten Verzugszinsforderung ist die sich aus § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO ergebende gesetzliche Verzinsung der im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens festgesetzten Kosten ab Eingang des Kostenfestsetzungsantrags von vorneherein ausgeklammert. Die Klägerin begehrt allein die Feststellung einer Verzinsungspflicht der Beklagten im Hinblick auf die von ihr im Laufe des Prozesses bezahlten Gerichtskosten (Gebühren, Vorschüsse u. Auslagen) ab dem Zeitpunkt ihrer Einzahlung bei der Gerichtskasse bis zu dem für die Verzinsung gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO maßgeblichen Zeitpunkt nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote.
Eine materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch ist neben einem prozessualen nicht von vorneherein ausgeschlossen (vgl. BGHZ 45, 251, 256 f.; BGHZ 52, 393, 396; BGH NJW 2007, 1458 TZ 7), doch erfordert ein Antrag auf dieser Grundlage, dass die Voraussetzungen einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage für Kostenerstattung (z. B. aus Vertrag, Verzug, § 311 BGB, Geschäftsführung ohne Auftrag oder Delikt) erfüllt sind.
Die pauschale gesetzliche Zinsregelung gem. § 288 Abs. 1 Satz 1 u. 2 BGB ist keine Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Feststellung der Verzinsungspflicht.
Hinsichtlich des Feststellungsantrags der Klägerin bedarf neben dem Nachweis einer Verzugslage auch der eingetretene Schaden besonderer Darlegung. Schadensbegründend ist vorliegend nicht die Unterlassung der rechtzeitigen Zahlung einer Geldforderung durch den Schuldner, deren Geldwert damit dem Gläubiger nicht zur Verfügung steht und Verzugszinsfolgen auslöst. Für diese „Geldschuld“ bildet § 288 Abs. 1 Satz 1 u. Satz 2 BGB die Rechtsgrundlage für einen gesetzlich pauschalierten Schadensersatz in Höhe eines bestimmten Zinssatzes.
Die Klägerin begehrt hier aber Verzugszinsen nicht auf die verzugsauslösende Geldschuld, sondern für ihre Geldaufwendungen als Gläubigerin, die sie getätigt hat, um mit gerichtlicher Hilfe eine nach ihrer Ansicht berechtigte Geldforderung durchzusetzen. In Fällen dieser Art kann zur Schadensbemessung nicht auf die abstrakten Regelungen des § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zurückgegriffen werden.
Der Schaden kann allenfalls in einer konkreten Aufwendung von Zinsen (z. B. durch Kreditaufnahme oder Kontoüberziehung) oder in dem Verlust einer Zinsanlagemöglichkeit für den als Gerichtskosten eingezahlten Geldbetrag liegen. Hierfür hat die Klägerin nichts vorgetragen. (Vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. Juli 2012 – 8 U 66/11 -, Rn. 46 – 50, juris).
III. Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 101 Abs. 1, 2. HS ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.


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