Baurecht

Stellplatzpflicht, isolierte Anfechtung von Nebenbestimmungen, Begründungspflicht

Aktenzeichen  9 ZB 20.19

Datum:
19.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 12556
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 47
BayBO Art. 68 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 3 K 18.1369 2019-11-20 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen zwei Nebenbestimmungen betreffend die Anzahl und die Sicherung notwendiger Stellplätze zu der ihr von der Beklagten erteilten Baugenehmigung vom 12. Juni 2018 für ein Produktlager für geprüfte, zertifizierte und güteüberwachte Baustoffe auf den Grundstücken FlNr. … … und … Gemarkung S.In der Baugenehmigung wurde festgelegt, dass für das mit diesem Bescheid genehmigte Vorhaben ein Stellplatzbedarf für acht Kraftfahrzeuge entsteht, die erforderlichen Kfz-Stellplätze nach Maßgabe der Festlegungen in den genehmigten Bauvorlagen auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung S.nachgewiesen sind und die erforderlichen Stellplätze von FlNr. … und … jeweils Gemarkung S.grundbuchamtlich und beschränkt persönlich zu Gunsten der Beklagten auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung S.zu sichern sind. Die hiergegen erhobene Klage wurde vom Verwaltungsgericht mit Urteil vom 20. November 2019 abgewiesen. Mit Ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg. Die allein geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.
Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel hier nicht.
1. Soweit die Klägerin vorträgt, der Stellplatzbedarf gemäß Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayBO i.V.m. § 2 Abs. 1 der Satzung über die Herstellung und Bereithaltung von Kraftfahrzeugstellplätzen und Abstellplätzen der Beklagten in der zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden Fassung vom 24. September 2015 in der Fassung der Berichtigung vom 27. Juni 2017 (StS) sei falsch berechnet, führt dies nicht zum Erfolg des Antrags.
Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass sich die Zahl der notwendigen Stellplätze zum einen aus den Planunterlagen der beantragten Baugenehmigung ergebe und sich zudem aus § 2 Abs. 1 StS i.V.m. Nr. 9.2 der Anlage 1a errechne. Stützt das Verwaltungsgericht seine Entscheidung – wie hier – auf mehrere selbständig tragende Gründe, kommt eine Zulassung der Berufung nur dann in Betracht, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund dargelegt wird und vorliegt (vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2019 – 9 ZB 15.2181 – juris Rn. 9). Dies ist hier nicht der Fall.
Das Zulassungsvorbringen setzt sich mit der Begründung des Verwaltungsgerichts, dass sich die notwendige Zahl der Stellplätze aus den Planunterlagen ergebe, schon nicht auseinander. Es zeigt ferner auch nicht auf, dass es sich bei den in der Baubeschreibung vom 18. Februar 2013 (Bl. 5, 7 der Behördenakte) von der Klägerin angeführten sowie den genehmigten Planunterlagen (Genehmigungsplanung vom 25.2.2013 [Bl. A20 der Behördenakte]) und dem genehmigten Übersichtsplan vom 7.2.2013 (Bl. A21 der Behördenakte) von ihr dargestellten acht Stellplätzen nicht um die notwendigen Stellplätze handeln könnte, zumal die Klägerin auch genau diese in der Baubeschreibung vom 18. Februar 2013 als rechtlich zu sichernde Stellplätze bezeichnet hat.
Den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, der Betrieb der Klägerin sei aufgrund seiner Vergleichbarkeit gemäß § 2 Abs. 5 StS unter Nr. 9.2 der Anlage 1a zu subsumieren, tritt das Zulassungsvorbringen darüber hinaus ebenfalls nicht substantiiert entgegen. Der bloße Hinweis darauf, dass der Betrieb der Klägerin nicht in einem Gebäude oder Bauwerk, sondern auf befestigten Flächen ausgeübt werde, zeigt nicht auf, dass deshalb hinsichtlich des Stellplatzbedarfs keine Vergleichbarkeit bestehe, zumal die Klägerin selbst in der Betriebsbeschreibung (Bl. 10 der Behördenakte) angeführt hat, dass das Grundstück (auch) zum Abstellen der Fahrzeuge der Firma und ihrer Angestellten diene und insoweit in der Baubeschreibung vom 18. Februar 2013 sowie den Planunterlagen die beauflagten acht Stellplätze angeführt werden.
Der Vortrag, es fehle an einer Begründung der festgesetzten notwendigen Zahl an Stellplätzen, ist nicht entscheidungserheblich. Denn zum einen wurde von der Beklagten – wie oben ausgeführt – antragsgemäß entschieden und es hätte dem Bauherrn oblegen, in den zur Genehmigung eingereichten Unterlagen darzulegen, dass es sich bei der angegebenen und zur Sicherung vorgesehenen Stellplatzzahl nicht um die Zahl der notwendigen Stellplätze handelt. Zum anderen ist die Baugenehmigung gegenüber dem Bauherrn regelmäßig nicht zu begründen (vgl. Art. 68 Abs. 3 Satz 2 BayBO bzw. Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO a.F. in der zum Genehmigungszeitpunkt geltenden Fassung). Dies gilt auch für Nebenbestimmungen, soweit diese – wie hier – jedenfalls keine einschneidenden oder gravierenden Planrevisionen beinhalten (vgl. Lechner in Busse/Kraus, BayBO, Stand Februar 2021, Art. 68 Rn. 477). Der Vortrag, die beantragte Zahl an Stellplätzen entspreche nicht der notwendigen Zahl an Stellplätzen, weil diese dann alle dauerhaft zu erhalten wären, verfängt schon deswegen nicht, weil die Klägerin genau für diese (beantragte und beauflagte) Anzahl eine rechtliche Sicherung angegeben hat (vgl. Baubeschreibung vom 18. Februar 2013, Bl. 5, 7 der Behördenakte). Es ist deshalb nicht ernstlich zweifelhaft, dass es sich hierbei – wie vom Verwaltungsgericht angenommen – um die notwendige Zahl an Stellplätzen handelt, von der auch die Klägerin zum Zeitpunkt der Bauantragstellung ausgegangen ist. Darüber hinaus lassen sich dem Zulassungsvorbringen keinerlei Ausführungen, nähere Erläuterungen oder Begründungen entnehmen, aus denen sich die nach Ansicht der Klägerin notwendige konkrete Stellplatzzahl – abweichend vom Bauantrag und den Planunterlagen – entnehmen oder ermitteln ließe.
2. Soweit sich die Klägerin gegen die Nebenbestimmung A467 wendet, die erforderlichen Stellplätze seien grundbuchamtlich und beschränkt persönlich zu Gunsten der Beklagten auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung S.zu sichern, bleibt der Antrag ebenfalls erfolglos.
Dass die Beklagte im Rahmen der Nebenbestimmung zur Sicherung der notwendigen Stellplatzzahl ein konkretes Grundstück benennen kann, ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Art. 47 Abs. 3 Nr. 2 BayBO, der darauf abstellt, dass die Stellplatzpflicht u.a. dadurch erfüllt werden kann, dass die Herstellung der notwendigen Stellplätze auf einem geeigneten Grundstück in der Nähe des Baugrundstücks erfüllt werden kann, wenn dessen Benutzung für diesen Zweck gegenüber dem Rechtsträger der Bauaufsichtsbehörde rechtlich gesichert ist. Für die Prüfung, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, bedarf es daher regelmäßig der Konkretisierung des für die Stellplatzpflicht vorgesehenen Grundstücks, was hier durch die Klägerin in der Baubeschreibung vom 18. Februar 2013 auch erfolgt ist.
Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Nebenbestimmung A467 aus dem Bescheid vom 12. Juni 2018 hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass sich die Klägerin als Bauherrin zur Erfüllung der Stellplatzpflicht für die Variante des Art. 47 Abs. 3 Nr. 2 BayBO entschieden habe, was auch den Angaben der Klägerin in der Baubeschreibung vom 18. Februar 2013 (Bl. 5, 7 der Behördenakte) entspreche. Dem tritt das Zulassungsvorbringen nicht entgegen. Auf den Vortrag in der Zulassungsbegründung, der Bauherr habe nach Art. 47 Abs. 3 BayBO die Wahl, wie bzw. wo er die Stellplatzpflicht erfülle, kommt es damit nicht an. Unabhängig davon ist der Nachweis der Erfüllung der Stellplatzpflicht grundsätzlich bereits durch die Bauvorlagen im Baugenehmigungsverfahren zu führen (vgl. BayVGH, U.v. 10.12.1985 – 26 B 83 A.996 – BayVBl 1987, 85) und hier von der Klägerin auch hinsichtlich Art. 47 Abs. 3 Nr. 2 BayBO erfolgt, weil sie angegeben hat, die angegebenen Stellplätze rechtlich sichern zu wollen. Die Varianten der Herstellung der notwendigen Stellplätze auf dem Baugrundstück (Art. 47 Abs. 3 Nr. 1 BayBO) sowie einer Ablöse (Art. 47 Abs. 3 Nr. 3 BayBO) kommen nach den Angaben der Klägerin in der Baubeschreibung damit offensichtlich nicht in Betracht. Eine rechtliche Sicherung ist nach Art. 47 Abs. 3 Nr. 2 BayBO auch unabhängig davon erforderlich, wem das Grundstück, auf dem die Stellplätze hergestellt werden sollen, gehört (vgl. Würfel in Busse/Kraus, a.a.O., Art. 47 Rn. 151). Das Zulassungsvorbringen verkennt insoweit, dass es damit der Entscheidung des Bauherrn obliegt, ob er sich zur Erfüllung der Stellplatzpflicht nach Art. 47 Abs. 3 Nr. 2 BayBO insoweit gegebenenfalls von der Mitwirkung eines Dritten abhängig macht.
Entgegen dem Bauantrag und dem Zulassungsvorbringen genügt eine rein schuldrechtliche Sicherung durch Verträge nicht, um die Stellplätze dauerhaft zu sichern (Würfel in Busse/Kraus, a.a.O., Art. 47 Rn. 160); es bedarf daher in jedem Fall einer dinglichen Sicherung durch Bestellung einer Grunddienstbarkeit zu Lasten des Stellplatzgrundstücks und zugunsten des Baugrundstücks (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2016 – 2 AS 16.420 – juris Rn. 6; Hensel in Spannovsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Stand 1.11.2019, Art. 47 Rn. 92). Zusätzlich bedarf es daneben einer Absicherung zugunsten des Rechtsträgers der Bauaufsichtsbehörde. Dies kann zwar – wie das Zulassungsvorbringen anführt – durch eine inhaltsgleiche beschränkt persönliche Dienstbarkeit zugunsten des Trägers der Bauaufsichtsbehörde geschehen oder durch eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen Bauherren und Träger der Bauaufsichtsbehörde, in der sich der Bauherr verpflichtet, die Grunddienstbarkeit nur mit Zustimmung des Rechtsträgers zu löschen oder zu verändern und im Falle der Veräußerung diese Verpflichtung an den Rechtsnachfolger weiterzugeben (vgl. Hensel in Spannovsky/Manssen, a.a.O., Art. 47 Rn. 93; Molodovsky in Molodovsky/Farmers/Waldmann, BayBO, Stand Mai 2021, Art. 47 Rn. 83). Insoweit zeigt das Zulassungsvorbringen aber nicht auf, dass die von der Beklagten in der Nebenbestimmung A467 zum Bescheid vom 12. Juni 2018 festgesetzte, rechtlich zulässige und mögliche Sicherung im Rahmen des vom Bauherrn gewählten Art. 47 Abs. 3 Nr. 2 BayBO die Baugenehmigung rechtswidrig machen würde, zumal die vom Bauherrn rein schuldrechtlich angebotene Sicherung mittels Miet- und Pachtvertrags gerade nicht ausreichend ist und eine Begründungspflicht gegenüber dem Bauherrn – wie oben ausgeführt – auch hier nicht besteht. Im Übrigen steht es dem Bauherrn frei, im Rahmen eines Änderungsantrags, eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende, gleichwertige Sicherung anzubieten bzw. zu beantragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG. Sie entspricht der Festsetzung des Verwaltungsgerichts im Beschluss vom 21. November 2019 (Az. AN 3 K 19.02267), gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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