Baurecht

Straßenausbaubeitrag

Aktenzeichen  B 4 K 17.310

Datum:
14.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 58215
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG 2017 Art. 5 Abs. 1 S. 1, 3, Art. 5a,Art. 19 Abs. 7
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 162 Abs. 2 S. 2
ZPO § 708 Nr. 11

 

Leitsatz

1. Der ausschlaggebende Gesamteindruck hat sich ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise, an der Straßenführung, der Straßenlänge, der Straßenbreite und der Straßenausstattung auszurichten (vgl. BayVGH, U. v. 30.11.2016 – 6 B 15.1835). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Maßgebend sind die tatsächlichen Verhältnisse, wie sie sich im Zeitpunkt des Entstehens sachlicher Beitragspflichten, also nach Durchführung der Herstellungsmaßnahme, einem unbefangenen Beobachter bei natürlicher Betrachtungsweise darstellen (vgl. BayVGH, B. v. 03.06.2013 – 6 CS 13.641). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 11.05.2015, betreffend das Grundstück Fl.-Nr. aa/14, Gemarkung …, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … vom 06.03.2017 wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt. 
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 11.05.2015 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts … vom 06.03.2017 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Beklagte darf keinen Straßenausbaubeitrag für die streitgegenständliche Ausbaumaßnahme vom Kläger erheben, weil sein herangezogenes Grundstück nicht an der maßgeblichen Einrichtung anliegt und deshalb keinen Vorteil von der Ausbaumaßnahme habt.
Die Gemeinden können gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG (in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung, vgl. Art. 19 Abs. 7 KAG) sollen für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach Art. 5a KAG zu erheben sind. Demgemäß war die Beklagte aufgrund ihrer Ausbaubeitragssatzung vom 21.10.2010 (ABS) dem Grunde nach berechtigt, von den Eigentümern der Grundstücke, denen die Anbaustraße einen Vorteil vermittelt, einen Ausbaubeitrag zu verlangen.
Wie weit eine einzelne Anbaustraße reicht und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Straße als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt. Deshalb hat sich der ausschlaggebende Gesamteindruck nicht an Straßennamen, Grundstücksgrenzen oder dem zeitlichen Ablauf von Planung und Bauausführung auszurichten, sondern, ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise, an der Straßenführung, der Straßenlänge, der Straßenbreite und der Straßenausstattung (ständige Rechtsprechung; etwa BayVGH, U. v. 30.11.2016 – 6 B 15.1835 – juris Rn. 23; B. v. 02.03.2017 – 6 ZB 16.1888 – juris Rn. 9). Maßgebend ist das Erscheinungsbild, d.h. die tatsächlichen Verhältnisse, wie sie sich im Zeitpunkt des Entstehens sachlicher Beitragspflichten, also nach Durchführung der Herstellungsmaßnahme, einem unbefangenen Beobachter bei natürlicher Betrachtungsweise darstellen (BayVGH, B. v. 03.06.2013 – 6 CS 13.641 – juris Rn. 9; B. v. 24.07.2013 – 6 BV 11.1818 – juris Rn. 13).
Gemessen daran geht das Gericht anhand der Luftbilder, der vorliegenden Fotos und insbesondere aufgrund des Eindrucks, der im Rahmen der Ortseinsicht am 04.03.2019 gewonnen wurde, davon aus, dass das östliche Ende der Ausbaustrecke gleichzeitig das Ende der maßgeblichen beitragspflichtigen Einrichtung bildet.
Dies ergibt sich aus Folgendem: Die Straßenbreite von 5,55 m ist vom Beginn der Ausbaumaßnahme an der Kreuzung … Straße/ … Allee bis zum Ausbauende auf Höhe der gegenüberliegenden Grundstücke … Platz Nrn. 5 und 8 gleich. Unmittelbar anschließend weitet sich die asphaltierte Fläche in nördlicher Richtung augenfällig auf und bildet den „eigentlichen“ … Platz, auf dem vier senkrechte Parkplätze ausgewiesen sind, sich das Pflanzrondell mit der Dorflinde und die Zuwegung zu dem Anwesen … Platz Nr. 3 befinden. Die Straßenführung und -breite ist in diesem Bereich beidseits nicht gekennzeichnet, weder durch eine Entwässerungsrinne noch durch einen Gehweg. Demgegenüber weist die insgesamt ca. 230 m lange Ausbaustrecke auf der südlichen Straßenseite einen durchgehenden, 1,5 m breiten Gehweg auf, der genau am Ausbauende ausläuft. Auf der nördlichen Straßenseite befindet sich ein ca. 2 m breiter Streifen, teilweise als Gehweg, teilweise als längsseitiger Parkstreifen gestaltet, der zwar vor der Fl.-Nr bb, Gemarkung …, endet, sich aber nach der Einmündung des nördlichen Arms der … Straße als farblich durch eine Randsteinzeile abgesetzten Gehweg fortsetzt, bis zum Ausbauende am Anwesen … Platz Nr. 5. Somit ist auch die Straßenausstattung entlang der Ausbaustrecke einheitlich, während die Orts straße im weiteren Verlauf des …-Platzes keinerlei Gehweg aufweist und sich in Richtung … so stark verengt, dass auch ein einseitiger Gehweg nicht möglich wäre.
Der Einwand der Beklagten, dass auch im Bereich des …-Platzes der Fahrbahnverlauf ungeachtet der Grüninsel und der markierten Senkrechtparkplätze deutlich erkennbar bleibe, mag zutreffen, bei natürlicher Betrachtung macht es aber sehr wohl einen Unterschied, dass nach dem Ende der Ausbaustrecke weder eine optische Fahrbahnbegrenzung durch Rinnsteine noch eine gleichartige Straßenausstattung durch Gehwegflächen vorhanden ist. Es entsteht vielmehr der Eindruck, dass an dieser Stelle eine neue Einrichtung beginnt.
Da das Gericht somit das östliche Ende der Ausbaustrecke als Ende der maßgeblichen Einrichtung ansieht, entfällt für den Kläger die Beitragspflicht, weil sein herangezogenes Grundstück nicht an dieser Einrichtung anliegt und von dem Ausbau keinen Vorteil erlangt.
Nachdem es für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich ist, braucht das Gericht keine Ausführungen dazu zu machen, ob der verbleibende Teil des …-Platzes und die Orts straße … eine gemeinsame oder zwei getrennte Einrichtungen darstellen, ebensowenig dazu, ob die Kreuzung … Straße/ … Allee von der Beklagten zu Recht als Beginn der Einrichtung angesehen wird oder ob sich die Anlage nach natürlicher Betrachtung über die Kreuzung hinweg in westlicher Richtung fortsetzt.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Zuziehung eines Rechtsanwaltes im Vorverfahren wird gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig erklärt. Kommunalabgabenrechtliche Verfahren weisen in der Regel eine Schwierigkeit auf, die es rechtfertigen, dass sich ein Bescheidadressat im Widerspruchsverfahren eines Rechtsanwalts bedient. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V. m. § 708 Nr. 11 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben