Baurecht

Straßenausbaubeitrag für die Erneuerung einer Ortsstraße und satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung

Aktenzeichen  6 ZB 16.1476

Datum:
24.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 110014
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 5 Abs. 1 S. 1, S. 3

 

Leitsatz

1 Bei einer beitragsfähigen Ausbaumaßnahme ist grundsätzlich auf die einzelne Ortsstraße als die maßgebliche öffentliche Einrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 S. 1 und 3 KAG abzustellen. Wo eine solche Ortsstraße beginnt und wo sie endet, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Einrichtung als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Deshalb hat sich der ausschlaggebende Gesamteindruck nicht an Straßennamen oder Grundstücksgrenzen, sondern ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise an der Straßenführung, der Straßenlänge, der Straßenbreite und der Ausstattung mit Teileinrichtungen auszurichten. Zugrundezulegen ist dabei der Zustand im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten, also nach Durchführung der Ausbaumaßnahme. (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung muss zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der bevorteilten von den anderen (minder- oder gar nicht bevorteilten) Flächen ausgerichtet werden und auf einer sorgfältigen Ermittlung der örtlichen Verhältnisse durch den Satzungsgeber beruhen. Dieser muss prüfen, ob er eine für alle Grundstücke im Gemeindegebiet gleichermaßen geltende Tiefenbegrenzung festlegen kann.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 4 K 14.801 2016-06-22 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I.
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 22. Juni 2016 – B 4 K 14.801 – wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 838,95 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der beklagten Gemeinde, die Berufung gegen den der Klage stattgebenden Teil des Urteils des Verwaltungsgerichts zuzulassen, hat keinen Erfolg. Die innerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
Dieser Zulassungsgrund läge vor‚ wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG‚ B. v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000‚ 1163/1164; B. v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007‚ 624). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, B. v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 f.; BayVGH, B. v. 19.1.2016 – 6 ZB 14.2519 – juris Rn. 3). Das ist nicht der Fall.
Mit Bescheid vom 12. März 2012 zog die beklagte Gemeinde den Kläger als Eigentümer der Grundstücke FlNr. 65 und 65/1 für die Erneuerung der Ortsstraße Alte Schulstraße zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 11.566,95 € heran. Über den vom Kläger erhobenen Widerspruch wurde in angemessener Frist sachlich nicht entschieden.
Auf dessen Untätigkeitsklage hin hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Urteil vom 22. Juni 2016 den Bescheid vom 12. März 2012 insoweit aufgehoben, als ein höherer Beitrag als 10.728 € festgesetzt worden ist und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat den der Klage stattgebenden Teil u. a. darauf gestützt, dass nach natürlicher Betrachtungsweise die Alte Schulstraße auf ihrer vollen als Ortsstraße gewidmeten Länge von 495 m die abzurechnende Einrichtung sei. Seinen Eindruck habe das Gericht auf der Grundlage des durchgeführten Augenscheins sowie der in den Akten befindlichen Lagepläne und Fotos gewonnen. Die Alte Schulstraße, die im Norden auf Höhe des Grundstücks FlNr. 217 von der Bergstraße abzweige und im Süden bei FlNr. 90/1 in die Neue Straße einmünde, beschreibe auf ihrer Länge von 495 m einen weiten Halbkreisbogen. Es handele sich um eine sehr schmale Ortsstraße ohne Gehweg (>3,30 m inklusive Entwässerungsrinne), streckenweise mit Betonstützmauern hangauf- und -abwärts, auf der Begegnungsverkehr mit größeren Fahrzeugen nur an wenigen Stellen möglich sei. Die auf einer Länge von ca. 350 m ausgebaute Strecke beginne im Einmündungsbereich von der Bergstraße bei dem Grundstück FlNr. 217 und ende an der gepflasterten Querrinne bei FlNr. 113. Auch wenn sich der der restliche, wieder bergauf führende Teil der Alten Schulstraße nach der Ausbaustrecke weiter verenge, so dass nur noch Fahrzeuge bis 2 m Breite zugelassen seien und eine Einbahnstraßenregelung bestehe, teile das Gericht nicht die Ansicht der Beklagten, dass diese Stelle eine Zäsur darstelle und dort eine zweite Einrichtung beginne. Da die gesamte Straße mit den wenigen Verbreiterungen als sehr schmal wahrgenommen werde und der Halbkreisbogen sich nahtlos an der Verengung fortsetze, gewinne der Betrachter nicht den Eindruck von zwei aneinander anschließenden Einrichtungen. Daran ändere auch die gepflasterte Querrinne nichts, die erforderlich sei, um das bergab fließende Regenwasser der Straßenentwässerungseinrichtung zuzuleiten. Die von der Beklagten vorgenommene beschränkte Verteilung des Aufwands auf die an der 350 m langen Ausbaustrecke liegenden Grundstücke sei nicht zulässig, vielmehr seien bei dem abrechnungsfähigen Teilstreckenausbau auch die an der 145 m langen Reststrecke anliegenden Grundstücke einzubeziehen. Einzubeziehen seien die Grundstücke FlNr. 40 und 65 mit ihrer vollen Fläche. Die satzungsmäßige Tiefenbegrenzungsregelung des § 8 Abs. 3 Nr. 2 ABS sei nämlich für Innenbereichsgrundstücke, die – wie hier – insgesamt Baulandqualität hätten, nicht zulässig. Durch eine schlichte Nichtanwendung der Tiefenbegrenzungsregelung könne eine sachgerechte Verteilung des Ausbauaufwands herbeigeführt werden, ohne dass dies auf die Wirksamkeit der Satzung durchschlage. Der vom Kläger erhobene Straßenausbaubeitrag sei daher entsprechend der von der Beklagten erstellten Vergleichsberechnung zu reduzieren gewesen.
Der gegen den stattgebenden Teil des Urteils gerichtete Zulassungsantrag der Beklagten zeigt keine Gesichtspunkte auf, die ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils begründen und weiterer Prüfung in einem Berufungsverfahren bedürfen.
a) Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass maßgebliche Einrichtung im Sinn des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 KAG nach der anzustellenden natürlichen Betrachtungsweise die Ortsstraße Alte Schulstraße auf ihrer vollen als Ortsstraße gewidmeten Länge von 495 m und nicht nur die neu ausgebaute etwa 350 m lange Strecke sei, begegnet keinen ernstlichen Zweifeln.
Bei einer beitragsfähigen Ausbaumaßnahme ist grundsätzlich auf die einzelne Ortsstraße als die maßgebliche öffentliche Einrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG abzustellen. Wo eine solche Ortsstraße beginnt und wo sie endet, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln (ständige Rechtsprechung, u. a. BayVGH, U. v. 28.1.2010 – 6 BV 08.3043 – BayVBl 2010, 470; B. v. 24.3.2015 – 6 CS 15.389 – juris Rn. 11). Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Einrichtung als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt. Deshalb hat sich der ausschlaggebende Gesamteindruck nicht an Straßennamen oder Grundstücksgrenzen, sondern ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise an der Straßenführung, der Straßenlänge, der Straßenbreite und der Ausstattung mit Teileinrichtungen auszurichten. Zugrundezulegen ist dabei der Zustand im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten, also nach Durchführung der Ausbaumaßnahme (BayVGH, U. v. 1.6.2011 – 6 BV 10.2467 – BayVBl 2012, 206/208; B. v. 24.3.2015 – 6 CS 15.389 – juris Rn. 11).
Gemessen an diesem Maßstab ist mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass es sich bei der insgesamt ca. 495 m langen Alten Schulstraße um eine einzige Ortsstraße im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG handelt. Es ist keine augenfällige Zäsur erkennbar, die den von Norden nach Süden in einem weiten Halbkreis durchgehenden Straßenzug in zwei Einrichtungen zerfallen lassen würde. Das Verwaltungsgericht hat seine Überzeugung hiervon aufgrund der Einnahme eines Augenscheins vor Ort und der in den Akten befindlichen Fotos und Lagepläne gewonnen. Der Gesamteindruck, der sich aus den in den Akten befindlichen Luftbildern, Fotos und Lageplänen ergibt, bestätigt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei der Alten Schulstraße um einen halbkreisförmig durchgehenden einheitlichen Straßenzug handelt, mit hinreichender Deutlichkeit. Die die Straße an ihrem Ausbauende querende schmale 2-zeilige Pflastersteinreihe auf Höhe des Grundstücks FlNr. 113 wirkt unauffällig, dient der Straßenentwässerung und stellt keine augenfällige Zäsur der sich fortsetzenden Straßenführung dar. Das gleiche gilt für die Einmündung des untergeordneten und schmalen beschränkt-öffentlichen (Fuß-)Weges „Staffelgasse“. Diese unterbricht den durchgehenden Straßenzug der Alten Schulstraße ebenso wenig wie der im Zulassungsantrag genannte – optisch kaum wahrnehmbare – „Knick“, die an der Erneuerungsstrecke vorhandenen Stützmauern oder die von der Beklagten geschilderten topographischen Verhältnisse. Die geringfügige Verschmälerung der Straße mit einem Regelquerschnitt von >3,30 m inklusive Entwässerung (ausgebaute Strecke) auf <3,00 m inklusive Entwässerung (nicht ausgebaute Strecke) fällt ebenfalls nicht augenfällig ins Gewicht, auch wenn auf letzterer Fahrzeugen mit einer Breite über 2 m die Durchfahrt untersagt ist. Die Alte Schulstraße wird nämlich bereits in ihrem gesamten Verlauf als sehr schmale Ortsstraße (ohne Gehweg) mit wenigen Aufweitungen wahrgenommen, in der Begegnungsverkehr nur gelegentlich möglich ist. Dass der Straßenbelag der 145 m langen Reststrecke im Gegensatz zu der ausgebauten Strecke einen schlechteren Erhaltungszustand aufweist und im Gegensatz zur ausgebauten Strecke nicht mit einer seitlichen Pflasterreihe eingefasst ist, ist in erster Linie auf dessen unterbliebene Erneuerung zurückzuführen, vermittelt aber ebenfalls nicht mit der gebotenen Deutlichkeit, dass eine eigenständige neue Ortsstraße beginnt.
Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht entschieden, dass eine wirksame Abschnittsbildung schon aufgrund des fehlenden Bauprogramms und des mangelnden zeitlichen Horizonts für die Erneuerung der Reststrecke der Alten Schulstraße nicht vorliegt (u. a. BayVGH, B. v. 6.10.2016 – 6 ZB 15.1163 – juris Rn. 14, 16). Es handelt sich bei der abgerechneten Ausbaumaßnahme vielmehr um einen beitragsfähigen Teilstreckenausbau, bei dem das Abrechnungsgebiet auch die Anliegergrundstücke der 145 m langen nicht erneuerten Reststrecke umfasst (vgl. BayVGH, U. v. 28.1.2010 – 6 BV 08.3043 – BayVBl 2010, 470/471). Wie sich aus der von der Beklagten dem Verwaltungsgericht vorgelegten Vergleichsberechnung (VG Akte S. 231) ergibt, reduziert sich der vom Kläger zu zahlende Straßenausbaubeitrag durch das vergrößerte Abrechnungsgebiet auf 10.728 €.
b) Von der Beklagten lediglich im Rahmen der Frage einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache thematisiert, bestehen auch insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils, als das Verwaltungsgericht die im unbeplanten Innenbereich gelegenen Grundstücke FlNr. 40 und 65 mit der vollen Fläche der jeweiligen Buchgrundstücke in das Abrechnungsgebiet einbezogen und die in § 8 Abs. 3 Nr. 2 ABS geregelte Tiefenbegrenzung auf 40 m nicht angewandt hat. Das Verwaltungsgericht vertritt insoweit – jedenfalls im Ergebnis – zu Recht die Auffassung, dass diese keine Anwendung findet.
Ob, wie das Verwaltungsgericht mit guten Gründen meint, ihre Anwendung auf vollständig im Innenbereich gelegene Grundstücke ausscheiden muss, kann letztlich dahinstehen. Allerdings sieht das Bundesverwaltungsgericht für das bundesrechtliche Erschließungsbeitragsrecht die satzungsmäßige Anordnung einer Tiefenbegrenzung für unbeplante Gebiete als zulässig an. Seiner – umstrittenen – Rechtsprechung nach ist der Anwendungsbereich einer solchen Tiefenbegrenzung nicht darauf beschränkt, den Innen- vom Außenbereich abzugrenzen (Abgrenzungsfunktion); er darf sich auch auf übertiefe Grundstücke erstrecken, die sich mit ihrer gesamten Fläche in „zentraler“ Innenbereichslage befinden (BVerwG, U. v. 12.11.2014 – 9 C 7.13 – juris Rn. 14, 15; B. v. 26.4.2006 – 9 B 1.06 – BayVBl 2006, 607 ff.; U. v. 1.9.2004 – 9 C 15.03 – BVerwGE 121, 365; a.A. Driehaus, in: Berliner Kommentar zum BauGB, § 131 Rn. 19 ff. m. w. N.). Sie begründet danach, sofern sie sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientiert, eine Vermutung dafür, dass im unbeplanten Innenbereich alle Grundstücke bis zur festgesetzten Tiefenbegrenzung erschlossen im Sinn von § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB sind und jenseits der Grenze ein Erschließungsvorteil wegen fehlender Ausnutzbarkeit nicht gegeben ist (Beschränkungsfunktion).
Ob dem für das bayerische Erschließungsbeitragsrecht (Art. 5a KAG i. V. m. §§ 128 ff. BauGB) zu folgen ist, hat der Senat bislang nicht ausdrücklich entschieden. Für das hier inmitten stehende Straßenausbaubeitragsrecht (Art. 5 KAG) begegnet eine satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung für Grundstücke in „zentraler Innenbereichslage“ jedenfalls schon deshalb erheblichen Bedenken, weil es eine dem § 133 Abs. 1 BauGB entsprechende Regelung nicht kennt und deshalb den beitragsrelevanten Sondervorteil nicht auf bebaubare Grundstücke beschränkt. Durch den Erschließungsbeitrag wird derjenige Vorteil aus der Inanspruchnahmemöglichkeit einer (Anbau-)Straße abgegolten, der mit der Rechtsfolge verbunden ist, dass eine Baugenehmigung nicht mehr unter Hinweis auf die fehlende Verkehrserschließung des Grundstücks abgelehnt werden darf. Dem Straßenausbaubeitragsrecht sind demgegenüber solche rechtlichen Auswirkungen einer Straßenbaumaßnahme auf die Nutzbarkeit eines bevorteilten Grundstücks fremd. Für seinen Rechtsbereich erschöpft sich der beitragsrelevante Sondervorteil in der qualifizierten „Möglichkeit der Inanspruchnahme“ (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG) der ausgebauten Straße als solcher. Dieser kommt deshalb nicht nur baulich oder gewerblich nutzbaren Grundstücken (oder Grundstücksteilflächen) zugute, sondern jeder sinnvollen und zulässigen Nutzung und damit grundsätzlich auch – anders als im Erschließungsbeitragsrecht – Außenbereichsflächen (BayVGH, B. v. 6.10.2016 – 6 ZB 15.1163 – juris Rn. 9; grundlegend BayVGH, U. v. 10.7.2002 – 6 N 97.2148 – VGH n. F. 55, 121/123 ff.). Welche Folgen sich aus diesen Unterschieden für die Funktion und Reichweite einer satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung im Straßenausbaubeitragsrecht ergeben, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.
Die Tiefenbegrenzungsregelung ist nämlich bereits aus einem anderen Grund unwirksam, zu dem die Beklagte im Zulassungsverfahren angehört wurde. Eine satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung muss zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der bevorteilten von den anderen (minder- oder gar nicht bevorteilten) Flächen ausgerichtet werden und auf einer sorgfältigen Ermittlung der örtlichen Verhältnisse durch den Satzungsgeber beruhen. Dieser muss prüfen, ob er eine für alle Grundstücke im Gemeindegebiet gleichermaßen geltende Tiefenbegrenzung festlegen kann (BVerwG, U. v. 12. 11.2014 – 9 C 7.13 – juris Rn. 24; BayVGH, U. v. 23.4.2015 – 6 BV 14.1621 – juris Rn. 31; U. v. 26.2.1998 – 6 B 94.3817 – BayVBl 1998, 537). Die gewählte Tiefenbegrenzung muss die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegeln und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren (BVerwG, U. v. 1.9.2004 – 9 C 15.03 – BVerwGE 121, 365/369; BayVGH, B. v. 6.10.2016 – 6 ZB 15.1163 – juris Rn. 10; vgl. auch OVG MV, U. v. 14.9.2010 – 4 K 12.07 – juris zum leitungsgebundenen Abgabenrecht). Die in § 8 Abs. 3 Nr. 2 ABS angeordnete generelle Beschränkung der Grundstücksfläche im unbeplanten Innenbereich auf die tatsächliche Grundstücksfläche bis zu einer Tiefe von 40 m kann bereits diesen Anforderungen nicht genügen. Denn die Beklagte hat keine konkreten Feststellungen zu den typischen örtlichen Bebauungsverhältnissen im Gemeindegebiet getroffen, welche die Festlegung einer solchen für alle Grundstücke (am Übergang in den Außenbereich und in zentraler Innenbereichslage) gleichermaßen geltenden Tiefenbegrenzung rechtfertigen können. Die in ihrem Schriftsatz vom 16. November 2016 angestellte allgemeine Erwägung, dass ihr „gesamtes Gemeindegebiet geprägt sei von einer extrem steilen Hanglage, wodurch die Nutzbarkeit von Grundstücken und somit der beitragsrechtlich relevante Vorteil in aller Regel – bis auf wenige unbedeutende Ausnahmen – bei 40 m nach der jeweiligen Erschließungsanlage ende“, genügt den Anforderungen an eine „sorgfältige Ermittlung der örtlichen Verhältnisse durch den Satzungsgeber“ nicht, zumal keinerlei prüfbare Unterlagen über derartige Feststellungen vorgelegt worden sind (vgl. dazu OVG MV, U. v. 14.9.2010 – 4 K 12.07 – juris zum leitungsgebundenen Abgabenrecht).
2. Die Rechtssache weist keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen lassen sich durch die Ausführungen unter 1. ohne weiteres beantworten.
3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob „satzungsmäßige Tiefenbegrenzungen, die in einer Straßenausbaubeitragssatzung enthalten sind, im unbeplanten bauplanungsrechtlichen Innenbereich generell anwendbar sind oder sie nur der Abgrenzung von Außen- und Innenbereich bei Grundstücken dienen, die aus dem bauplanungsrechtlichen Innenbereich (§ 34 BauGB) in den bauplanungsrechtlichen Außenbereich (§ 35 BauGB) ragen“, stellt sich im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich. Wie oben unter 1.b ausgeführt, fehlt es bereits an konkreten Feststellungen der Beklagten zu den typischen örtlichen Bebauungsverhältnissen im Gemeindegebiet, die die Anwendung einer für alle Grundstücke gleichermaßen geltenden Tiefenbegrenzung rechtfertigen könnten.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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