Baurecht

Tekturgenehmigung, einstweiliger Rechtsschutz nach bereits erfolgreichem einstweiligem Rechtsschutz gegen Baugenehmigung

Aktenzeichen  AN 3 S 21.01480 ; AN 3 S 21.01498 ; AN 3 S 21.01500 ; AN 3 S 21.01502 ; AN 3 S 21.01504 ; AN 3 S 21.01506

Datum:
20.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31537
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 a Abs. 3, § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Anträge werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Die Anträge werden abgelehnt.
3. Die Kosten der Verfahren tragen die jeweiligen Antragsteller.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
4. Der Streitwert wird in allen Verfahren auf jeweils 1.875,00 EUR vor der Verbindung und auf insgesamt 11.250,00 EUR nach der Verbindung festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten im Wege einstweiligen Rechtsschutzes über die Vollziehbarkeit zweier der Beigeladenen mit Bescheiden vom 1. Juli bzw. 19. Juli 2021 erteilte „Baugenehmigungen“ für die veränderte Ausführung mehrerer mit Bescheid vom 17. März 2020 genehmigter Bauvorhaben im Zusammenhang mit einer Pensionspferdehaltung.
Die Antragsteller zu 1) und 2) sind Nießbrauchsberechtigte und mittelbare Besitzer des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … in … Das Grundstück grenzt im Norden, Osten und Süden unmittelbar an die Grundstücke der Beigeladenen an, auf denen eine Pensionspferdehaltung bestehend aus mehreren Bauvorhaben entstehen soll. Die Antragsteller bewohnen dieses Grundstück nicht selbst.
Die Antragstellerin zu 3) ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung …in … Auch sie bewohnt dieses Grundstück nicht selbst.
Die Antragsteller zu 4) und 5) sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … in … ( …). Das Grundstück der Antragsteller ist mit einem Doppelhaus bebaut, von dem die Antragsteller die östliche Hälfte ( …) bewohnen. Das Grundstück befindet sich östlich des Grundstücks der Beigeladenen (FlNr. … der Gemarkung …) in einer Entfernung von über 20 m Luftlinie.
Die Beigeladene ist Eigentümerin der Grundstücke FlNr. … und … der Gemarkung … in … Mit Bauantrag vom 12. September 2018 sowie weiteren Änderungsanträgen beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Reitplatz mit Flutlichtanlage, einer Pferdekoppel (Aktivstall) mit Offenstall, Heuraufe und Erdhügel, eines Funktionsgebäudes mit Reiterstube und Futterkammer, von acht Paddockboxen sowie die Nutzungsänderung und den Einbau einer Reithalle in die auf dem Grundstück FlNr. … bestehende Geräte- und Maschinenhalle. Dabei beantragte die Beigeladene die Haltung und Unterbringung von 28,6 Großvieheinheiten (GV), was etwa 26 Pferden entspricht. Davon sollen acht Pferde in den Paddockboxen gehalten werden (8,8 GV) und 18 Pferde im Offenstall (19,8 GV).
Mit Bescheid vom 17. März 2020 wurde der Beigeladenen die Baugenehmigung für das soeben genannte Bauvorhaben erteilt.
Die Antragsteller reichten gegen diese Baugenehmigung mit Schriftsatz vom 16. April 2020 Klage ein, über die bisher noch nicht entschieden wurde.
Auf Antrag der hiesigen Antragsteller vom 26. April 2021 ordnete die Kammer die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klagen mit Beschluss vom 17. Mai 2021 an (Az.: AN 3 S 21.00773, AN 3 S 21.00780 und AN 3 S 21.00782). Zur Begründung hatte das Gericht im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung auch in Zusammenschau mit den dazugehörigen Betriebsbeschreibungen in nachbarrechtsrelevanten Punkten zu unbestimmt sei. Die Genehmigungsbehörde habe es unterlassen, die Grenzwerte der TA Lärm im Bescheid anzuordnen, worauf aufgrund der mangelnden Rechtssatzqualität der TA Lärm nicht verzichtet werden könne. Darüber hinaus gebe die Betriebsbeschreibung keinen Aufschluss darüber, in welchem Umfang die Reiterstube genutzt werde. Der Betriebsumfang der Reiterstube – insbesondere im Hinblick auf die Nutzung durch andere Gäste als die Reiter – lasse sich weder aus der Baugenehmigung noch aus den in Vorlage gebrachten Unterlagen entnehmen. Ebenso sei nicht geklärt, ob in der Reiterstube Speisen angeboten würden.
Mit Bauantrag vom 13. Januar 2021 beantragte die Beigeladene eine Änderung der bisherigen Baugenehmigung. Wesentlicher Änderungsgegenstand ist – soweit ersichtlich – die Verlegung des Offenstalls sowie des anschließenden Sandbereichs des „Aktivstalls“ in südwestliche Richtung. Unter dem 2. Juni 2021 wurde darüber hinaus eine überarbeitete Betriebsbeschreibung vorgelegt. Darin ist ausgeführt, dass die Reiterstube maximal während der Betriebszeiten Montag bis Freitag von 7:00 bis 22:00 Uhr genutzt werde. Die Reiterstube biete Platz für bis zu 14 Personen und erfahrungsgemäß kämen die Reiter gestaffelt über den Tag verteilt in die Stube. Die Reiterstube werde als Aufenthaltsraum der Reiter bzw. des Personals genutzt. Dort würden Getränke und kleine Imbisse eingenommen bzw. zubereitet. Die Stube diene dem fachlichen Austausch der Reiter und betriebsinternen Besprechungen. Der Raum werde nicht bewirtet oder für Feiern vermietet, denn dazu diene die nahegelegene Gaststätte „…“, welche von der Beigeladenen betrieben werde. Die Reiterstube habe eine Fläche von 25,48 qm im sogenannten Funktionsgebäude. Sie sei ausgestattet mit Wasserkocher, Kaffeemaschine, Spüle und Spülmaschine, Mikrowelle und Herd sowie Tisch und Stühlen.
Mit Bescheid vom 1. Juli 2021 wurde das Bauvorhaben der Beigeladenen genehmigt. In der Begründung des Bescheides ist ausgeführt, dass die Auflagen und Hinweise des Baugenehmigungsbescheids vom 7. März 2020 weiterhin Gültigkeit behalten. Unter der Ziffer A.14, wurden gemäß der TA Lärm für die Antragsteller zu 1) bis 3) (Immissionsort 1) sowie für die Antragsteller zu 4) und 5) (Immissionsort 8) reduzierte Immissionsrichtwerte entsprechend einem Misch-/Dorfgebiet von 57 dB(A) tagsüber (6:00 bis 22:00 Uhr) und 42 dB(A) nachts (22:00 bis 6:00 Uhr) festgesetzt. Darüber hinaus dürfen einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen die Immissonsrichtwerte tagsüber um nicht mehr als 30 dB(A) und nachts um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten.
Unter der Ziffer H.52 wurde festgelegt, dass für den Fall, dass immissionsrelevante Anlagen der technischen Gebäudeausrüstung im Außenbereich oder an der Außenfassade erforderlich werden sollten (z.B. Kompressoren), die Einhaltung der zulässigen Immissionsrichtwertanteile bzw. Spitzenpegel in einem Gutachten nach vorheriger Absprache nachzuweisen ist.
Unter dem 19. Juli 2021 erließ die Genehmigungsbehörde einen Ergänzungsbescheid, der ausweislich seines Tenors den Baugenehmigungsbescheid vom 1. Juli 2021 ergänzen sollte. Unter der Ziffer A.15 wurde die Betriebsbeschreibung vom 2. Juni 2021 zum Teil der Antragsunterlagen und zur Auflage erhoben. Klarstellend wurde ausgeführt, dass sich dies insbesondere auf die Angaben zu den Betriebszeiten, zur Nutzungsweise und zur Nutzungsart des Reiterstüberls beziehe.
Mit Schriftsatz vom 12. August 2021 ließen die Antragsteller gegen die beiden Bescheide Klage erheben und stellten zugleich Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass auch die neuerlichen Bescheide nicht zu einer Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens führten. Die Bestimmungen im Bescheid vom 1. Juli 2021 seien erneut zu unbestimmt, um die Genehmigungsfähigkeit auszulösen. Der Bescheid werde den Einwänden der betroffenen Antragsteller nicht gerecht, die die Nutzungsmöglichkeiten des Reitstüberls ebenso beanstandeten, wie die Nutzungsmöglichkeiten von Reitplatz und Reithalle. Der Bescheid stelle nicht klar, ob und inwieweit die in dem Reiterstüberl eingebrachte Küche für gastronomische Zwecke genutzt werden könne, die nicht zwingend als Feierlichkeiten einzustufen seien. Es würden die Nutzungsmöglichkeiten begrenzt, aber eben nicht aktiv vorgegeben, was in dem Reiterstüberl erlaubt sein solle. Es sei zu fragen, wie das Landratsamt den Begriff Feierlichkeit definiere (wird weiter ausgeführt). Der zweite Änderungsbescheid umfasse daher nach Meinung der Antragsteller gerade nicht ausreichend den genehmigten Betriebsumfang. Die Antragsteller könnten nicht entnehmen, wann mit welchen Lärmimmissionen zu rechnen sei.
Das Landratsamt versuche darauf abzustellen, dass bei Einhaltung bestimmter Auflagen (was in die Verantwortung des Bauherrn gestellt würde) das Bauvorhaben genehmigungsfähig sei. Es seien zwar nun die Gültigkeit der TA Lärm angeordnet und Immissionsorte benannt worden, die Anordnung sei aber nach Ansicht der Antragsteller weiterhin unzureichend. Der Charakter der einzelnen auf dem Gelände geplanten Vorhaben mache es notwendig, dass klar definiert werde, welche Grenzwerte ausgehend von den einzelnen Vorhaben in Bezug auf die Immissionsorte einzuhalten seien und daneben, mit welchen Maßnahmen die Beigeladene die Einhaltung umzusetzen habe, wenn die Notwendigkeit bestehe. Die unzureichende Festsetzung zeige sich am Beispiel des Reitplatzes. Dieser solle von 7:00 bis 22:00 Uhr benutzt werden dürfen. Wenn sich aber um 22:00 Uhr dort noch Pferde und Reiter aufhielten und Lärm verursachten, der bis 57 dB(A) ausfallen dürfe, dann werde dieser Lärm nicht automatisch aufhören, wenn sich Reiter und Pferde um 22:00 Uhr vom Reitplatz wegbewegten (wird weiter ausgeführt). Es sei zu prüfen, wie viele Pferde samt Reiter den Reitplatz frequentieren könnten, um die Grenzwerte nicht zu überschreiten. Andernfalls könnten die Antragsteller nicht einschätzen und bewerten, ob der Auflage Folge geleistet werde oder nicht. Die Einhaltung der Lärmgrenzen werde der Beigeladenen bzw. den Reitern und Pferden überlassen. Das Ganze werde unkontrollierbar. Ähnliches gelte für die Reithalle und das Reiterstüberl.
Zu ungenau sei auch, dass eine Abstimmung im Falle der Erforderlichkeit von immissionsschutzrechtlich relevanten Anlagen der technischen Gebäudeausrüstung erfolgen müsse. Die Antragsteller hätten einen Rechtsanspruch darauf, bereits zum jetzigen Zeitpunkt Kenntnis darüber zu erhalten, was konkret geplant sei oder auch nicht. Nur wenn die Baugenehmigungsbehörde Kenntnis darüber habe, welche immissionsschutzrechtlich relevanten Anlagen erforderlich seien, dürfe überhaupt über eine Genehmigung nachgedacht werden. Diese Anlagen seien bereits jetzt zu planen und deren Betriebsmöglichkeiten zu prüfen. Derartige Störquellen nicht bereits jetzt zu beauflagen, sei nach Meinung der Antragsteller geradezu fahrlässig.
Den Antragstellern sei auch eine Tekturplanung von November 2020, welche genehmigt worden sein soll, nicht zugegangen. Die zur Verfügung gestellten Pläne seien unzureichend, da sie keine Planänderung zeigten.
Nach Ansicht der Antragsteller stelle sich das Vorhaben derart weitreichend dar, dass es den gesamten Orts- und Gebietscharakter beeinflusse. Aus diesem Grund hätte eine Bürgerbeteiligung erfolgen müssen. Das vereinfachte Genehmigungsverfahren sei nicht ausreichend gewesen.
Im Übrigen beziehe sich die Antragstellerseite auf sämtliche ihrer Schriftsätze in allen Hauptsacheverfahren und Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung der zu Az. …erlassenen Baugenehmigung zur Errichtung eines Reitplatzes, einer Reithalle, einer Pferdekoppel, eines Funktionsgebäudes sowie weiterer baulicher Maßnahmen vom 17. März 2020 in Form der Änderungsbescheide vom 1. Juli 2021 und 19. Juli 2021 erhobenen Klagen der Antragsteller vom 12. August 2021 wird hergestellt.
Mit Schriftsatz vom 24. August 2021 beantragt der Antragsgegner,
die Anträge abzulehnen.
Die vom Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu treffende Interessensabwägung falle nach Ansicht der Genehmigungsbehörde zu Ungunsten der Antragsteller aus. Auf die aktenkundige Stellungnahme des technischen Umweltschutzes vom 17. August 2021 werde Bezug genommen. Die Begrifflichkeit „Immissionen“ beschreibe die Lärmauswirkung aller Geräusche, die auf den Immissionsort einwirken könnten. Eine Unterscheidung dahingehend, welche Immissionen „der genehmigten Teile der baulichen Anlage wo einwirken könnten“, wäre schon dahingehend fehlerhaft, da es sich nach dem Wortlaut dann um Emissionen handeln würde. Hier werde ein Immissionsrichtwert definiert, der auch einzuhalten sei. Dagegen würde es den Anlagenbetreiber in seinen Rechten unzulässig einschränken, wenn für jeden Anlagenteil ein definierter Emissionspegel festgesetzt werden würde. Nur in Fällen, bei denen offensichtlich sei, dass der Immissionsrichtwert nicht eingehalten werden könne, könnten einschränkende Auflagen notwendig sein.
Bei dem Betrieb der Anlage im beschriebenen Umfang sei es aus fachtechnischer Sicht und aufgrund von Erfahrungswerten in vergleichbaren Fällen nicht ersichtlich, dass eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte denkbar sei. Die Antragsteller hätten auch nicht ausgeführt, welche Lärmquellen explizit zu einer Überschreitung des Immissionsrichtwerts führen könnten. Aus fachtechnischer Sicht sei es sehr zweifelhaft, dass es aufgrund der geringen Anzahl der Pferde in Verbindung mit den relativ großen Entfernungen zu den Immissionsorten auch nur annähernd zu einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte kommen könne.
Haustechnische Anlagen im normalen Maßstab unterlägen im Regelfall nicht der baurechtlichen Genehmigungspflicht. Sie könnten damit jederzeit verwirklicht werden, ohne dass das Landratsamt hiervon Kenntnis erlangen könne. Aus diesem Grund sei zur Auflage gemacht worden, dass Anlagen der technischen Gebäudeausrüstung durch ein schalltechnisches Gutachten zu verifizieren seien.
Zum Vortrag der Antragsteller bezüglich des Reiterstüberls sei auszuführen, dass die Antragstellerseite davon ausgehe, dass alleine eine Kücheneinrichtung ausreichen würde, um unzulässigen Lärm zu emittieren. Es sei nicht vorstellbar, dass ein „Reiterstüberl“ auf einer Reitanlage eine ähnliche Lärmauswirkung aufweisen könne, wie eine Diskothek. Es würde auch den Nutzungszweck der Anlage zuwiderlaufen, wenn lautstark Geräusche auf die Pferde einwirken würden. Es läge somit schon im Interesse des Anlagenbetreibers, dass die Reiterstube dem eigentlichen Nutzungszweck entsprechend genutzt werde. Die Betriebsbeschreibung sei hinreichend bestimmt. Letztlich sei es aus fachtechnischer Sicht sogar denkbar, dass bei weitem mehr Gäste und ebenso die Betriebszeiten ausgeweitet werden könnten, ohne dass der Immissionsrichtwert überschritten würde. Eine weitergehende Auflagenformulierung sei daher rechtlich nicht haltbar.
Am 19. November 2020 seien von Seiten des Landratsamtes die Baumaßnahmen der Beigeladenen eingestellt worden. Eine Genehmigung sei nicht ergangen.
Die Forderung nach einer Bürgerbeteiligung im Hinblick auf einen Verfahrensfehler erschließe sich dem Landratsamt nicht. Gemäß Art. 66a Abs. 1 BayBO könne die Bauaufsichtsbehörde auf Antrag des Bauherrn das Bauvorhaben im amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem in örtlichen Tageszeitungen öffentlich bekannt machen. Im vorliegenden Fall liege kein solcher Antrag vor, so dass die Voraussetzungen für eine Bürgerbeteiligung nicht gegeben seien.
Die Beigeladene äußerte sich nicht im Verfahren.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klagen gegen die streitgegenständlichen Bescheide sind bereits unzulässig.
Nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen, soweit der Klage – wie im vorliegenden Fall – aufgrund § 80 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 212a BauGB keine aufschiebende Wirkung zukommt. Hierbei trifft das Gericht eine originäre Ermessensentscheidung, welche sich in erster Linie an den Erfolgsaussichten der Hauptsache (BayVGH, B. v. 26.4.2021 – 15 CS 21.1081 – juris Rn. 22) orientiert. Dem Charakter des vorläufigen Rechtsschutzes entspricht es, dass diese Prüfung grundsätzlich nur summarisch erfolgt, da für eine Beweisaufnahme grundsätzlich bei diesen Verfahren kein Raum bleibt. Bei offenen Erfolgsaussichten wird die Ermessensentscheidung anhand einer Interessenabwägung getroffen (BayVGH a.a.O.).
Die Anträge haben keine Aussicht auf Erfolg, da sie bereits unzulässig sind.
1. Den Anträgen fehlt schon das Rechtsschutzbedürfnis, weshalb sie als unzulässig abzuweisen sind.
Ändert die Behörde das bereits einer gerichtlichen Eilentscheidung unterworfene Vorhaben durch eine „neue Genehmigung“, so kommt es für die weiteren Wirkungen entscheidend darauf an, ob es sich um eine bloße „Tekturgenehmigung“ oder ein „aliud“ handelt (BayVGH, B. v. 2.8.2007 – 1 CS 07.801 – juris Rn. 33 = BayVBl 2007, 758; B. v. 21.2.2007 – 15 CS 07.162 – juris Rn. 17 = NVwZ-RR 2007, 821). Für die Beantwortung dieser Frage ist darauf abzustellen, ob die Identität des ursprünglichen Vorhabens durch die „Tekturgenehmigung“ gewahrt bleibt oder ob es sich um eine das ursprüngliche Vorhaben austauschende oder wesentlich abändernde Genehmigung handelt. Indizien für die Abgrenzung ergeben sich etwa aus einer geänderten Lage, Nutzungsart oder den Änderungen am umbauten Raum des Vorhabens (BayVGH, B. v. 21.2.2007 – 15 CS 07.162 – juris Rn. 17 = NVwZ-RR 2007, 821; ausführlich BayVGH, B. v. 23.10.2019 – 15 ZB 18.1275 – juris Rn. 12 ff.).
Handelt es sich um eine identitätswahrende Tekturgenehmigung und keine Neugenehmigung im Sinne eines aliud, so bleibt eine bereits vor Erlass der Tekturgenehmigung getroffene Eilentscheidung des Gerichts weiterhin gültig, da die Tektur nicht selbständig vollziehbar ist (BayVGH, B. v. 27.11.2019 – 15 CS 19.1906 – juris Rn. 53). Eine Vollziehbarkeit gewinnt die Tektur nur in Zusammenhang mit der Ausgangsgenehmigung. Mithin ist eine durch Gerichtsbeschluss angeordnete aufschiebende Wirkung gegen eine solche Ausgangsgenehmigung auch nach Erlass einer Tekturgenehmigung weiterhin wirksam und schützt den betroffenen Nachbarn. Soweit ein Beigeladener dieses Ergebnis unter Verweis auf die Tektur nicht hinnehmen möchte, steht ihm die Möglichkeit des Antrags auf Abänderung des ursprünglichen Eilbeschlusses wegen veränderter Umstände nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO offen (BayVGH, B v. 22.1.2013 – 1 CS 12.2709 – juris Rn. 14 = NVwZ 2013, 671).
Ausgehend von obigen Grundsätzen sind die gestellten Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig, da Tekturgenehmigungen vorliegen und die Rechtposition der Antragsteller durch den rechtskräftigen Beschluss der Kammer vom 17. Mai 2021 immer noch gewahrt und eine Verbesserung dieser nicht möglich ist.
Bei den Bescheiden vom 1. Juli 2021 und vom 21. Juli 2021 handelt es sich nicht um Neugenehmigungen im Sinne eines aliud, sondern um Tekturgenehmigungen zur ursprünglichen Baugenehmigung vom 17. März 2020. Dieses Ergebnis ergibt sich jedenfalls aus der Auslegung der vorliegenden Unterlagen. Zwar trägt der Bescheid vom 1. Juli 2021 nur den Titel „Bescheid“ und regelt in seinem Tenor, dass „das Bauvorhaben genehmigt wird“, jedoch ergibt sich in der Gesamtschau aller Umstände, dass es sich um eine Tektur handelt. Die bloße Bezeichnung als „Genehmigungsbescheid“ ist insofern nicht entscheidend (vgl. BayVGH, B. v. 2.8.2007 – 1 CS 07.801 – juris Rn. 31 = BayVBl 2007, 758). Hier ist vielmehr zu berücksichtigen, dass ausdrücklich geregelt wird, dass im Rahmen der Begründung des Bescheids vom 1. Juli 2021 sämtliche „Auflagen und Hinweise“ der Genehmigung vom 17. März 2020 weiterhin gültig sein sollen. Zahlenmäßig ausgedrückt handelt es sich hierbei um über 70 solcher Bestimmungen, wohingegen mit den Bescheiden vom 1. und 21. Juli lediglich zwei bzw. eine „Nebenbestimmung“ aufgenommen wurde. Aus den Planunterlagen ist keine wesentliche Änderung der baulichen Anlagen erkennbar. Größe, Lage und Funktion des mit Bescheid vom 17. März 2020 genehmigten Vorhabens bleiben im Wesentlichen identisch. Es ist für das Gericht daneben deutlich erkennbar, dass die „Tektur“ auch den Zweck hatte, die im Beschluss der Kammer vom 17. Mai 2021 gerügten Mängel abzustellen, was im Rahmen einer identitätswahrenden Tektur durchaus möglich erscheint. Schließlich deuten auch die angeforderten Kosten von nur 243,80 EUR im Vergleich zu 1.219 EUR für den Bescheid vom 17. März 2020 auf eine bloße Tektur hin (so auch BayVGH, B. v. 21.2.2007 – 15 CS 07.162 – juris Rn. 17 = NVwZ-RR 2007, 821).
2. Selbst wenn man dies aber anders sehen wollte, also eine selbständig belastende Neugenehmigung in den streitgegenständlichen Bescheiden erblicken mag, hätten die Anträge keine Aussicht auf Erfolg, da sie wohl unbegründet sind.
Die Anfechtungsklage hat nach summarischer Prüfung wohl keine Aussicht auf Erfolg, da die angegriffene Baugenehmigung rechtmäßig ist und die Antragsteller nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Einem Kläger kommt im Rahmen einer Drittanfechtungsklage gegen eine an einen Dritten gerichtete Baugenehmigung kein Vollüberprüfungsanspruch zu. Vielmehr kann der Kläger als Nachbar nur solche Rechtsverletzungen ins Feld führen, die auf Normen beruhen, die in qualifizierter und individualisierter Weise gerade auch dem Schutz des Klägers dienen (BayVGH, B. v. 26.5.2020 – 15 ZB 19.2231 – juris Rn. 8). Soweit ein Vorhaben im Außenbereich in Streit steht, sind solche drittschützenden Belange regelmäßig nur aus dem Gebot der Rücksichtnahme, wie es sich etwa in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB manifestiert, ableitbar (BayVGH, B. v. 23.12.2016 – 9 CS 16.1672 – juris Rn. 13).
Die in den vorliegenden Verfahren ausführlich diskutierte Frage der Privilegierung des Beigeladenenvorhabens als landwirtschaftlicher Betrieb i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist nicht drittschützend und damit entscheidungsunerheblich (BayVGH, B. v. 26.5.2020 – 15 ZB 19.2231 – juris Rn. 11). Gleiches gilt für die rein objektiv-rechtliche Frage der ausreichenden Erschließung nach § 35 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB (BayVGH, B. v. 1.3.2016 – 1 ZB 15.1560 – juris Rn. 9 m.w.N.).
Eine sich auch auf das Gebot der Rücksichtnahme auswirkende Unbestimmtheit der Bauvorlagen und damit der Baugenehmigung ist nach summarischer Prüfung hier wohl nicht mehr anzunehmen. Die im Beschluss der Kammer vom 17. Mai 2021 dargelegten Bedenken sind durch die erlassene Tekturgenehmigungen jedenfalls ausgeräumt.
Einerseits bleibt festzuhalten, dass beim Betrieb der Anlage einzuhaltende Immissionsrichtwerte von 57 dB(A) tagsüber und 42 dB(A) nachtsüber explizit auch beim Grundstück der Antragsteller zu 1 bis 3 („IO 1“) und der Antragsteller zu 4 und 5 („IO 8“) festgelegt wurden. Andererseits wurden diese Richtwerte nunmehr auch erstmalig mit einer belastbaren „Definition“ des Betriebs des „Reitstüberls“ unterlegt.
Dies dürfte nach der bisherigen Aktenlage im Zusammenspiel mit den fachkundigen Stellungnahmen des Umweltingenieurs des Antragsgegners ausreichen, um einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme auszuschließen.
Darauf kommt es aber hier schon aufgrund der Unzulässigkeit der Anträge nicht mehr an, weshalb keine vertieften Ausführungen geboten sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da sich die Beigeladene mangels Antragstellung keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es auch nicht der Billigkeit gemäß § 162 Abs. 3 VwGO, ihr einen Kostenerstattungsanspruch zuzubilligen.
Die Entscheidung zum Streitwert fußt auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs. Es erscheint hier sachgerecht, die unzulässigen Anträge gegen zwei Tekturbescheide als jeweils einen unzulässigen Antrag zu behandeln. Dementsprechend war pro Aktenzeichen nur 1/4 des regulären Streitwerts festzusetzen.


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