Baurecht

Unterwertige Veräußerung eines Gemeindegrundstücks

Aktenzeichen  18 U 4075/20

Datum:
7.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 37968
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BayGO Art. 75 Abs. 1 S. 2
BGB § 134

 

Leitsatz

Der Verstoß einer bayerischen Gemeinde gegen das Verbot, Vermögensgegenstände in der Regel nicht unter ihrem Wert zu veräußern (Art. 75 Abs. 1 S. 2 BayGO), macht bei einem Grundstückskaufvertrag sowohl das Verpflichtungs- als auch das dingliche Verfügungsgeschäft nach § 134 BGB nichtig (Anschluss an BGHZ 47, 30; BGH BeckRS 2013, 17000). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

7 O 3478/17 2020-01-14 Urt LGTRAUNSTEIN LG Traunstein

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 14.01.2020, Az. 7 O 3478/17, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung des Beklagten offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dies zeigt die Berufungsbegründung nicht auf. Das Landgericht hat zu Recht den Beklagten verurteilt, der Grundbuchberichtigung zuzustimmen und das Grundstück an die Klägerin herauszugeben.
Zur Begründung wird zunächst auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen, die sich der Senat in vollem Umfang zu eigen macht. Das Berufungsvorbringen des Beklagten gibt Veranlassung zu folgenden ergänzenden Ausführungen:
1. Soweit der Beklagte rügt, die Klägerin habe einen nicht vollstreckungsfähigen Klageantrag gestellt, den das Landgericht ohne entsprechenden Hinweis übernommen habe, ist dem nicht zu folgen.
Der Klageantrag zu 1), dem das Landgericht vollumfänglich entsprochen hat, ist zulässig. Anders als der Beklagte meint, hat die Klägerin zuletzt keinen Antrag auf Rückauflassung des Grundstücks mehr gestellt und das Landgericht dementsprechend keinen Rückauflassungsanspruch tenoriert, sondern allein einen Anspruch auf Grundbuchberichtigung nach § 894 BGB. Denn der Verstoß des Kaufvertrags gegen Art. 75 GO führt dazu, dass sowohl das Verpflichtungs- als auch das dingliche Verfügungsgeschäft unwirksam sind (vgl. BGH, Urteil vom 30.01.1967 – III ZR 35/65, BGHZ 47, 30; BGH, Urteil vom 12.07.2013 – V ZR 122/12, NZM 2014, 722). Damit blieb die Klägerin aber Eigentümerin des Grundstücks und eine Rückauflassung ist nicht veranlasst.
Der Antrag auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung ist nicht unzulässig, weil die Klägerin das Zurückbehaltungsrecht des Beklagten an dem bereits geleisteten Kaufpreis berücksichtigt hat. Dass ein solches Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB besteht und im Prozess geltend gemacht werden kann, ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. RGZ 163, 62; BGH, Urteil vom 28.10.1988 – V ZR 94/87, NJW-RR 1989, 201). Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Klägerin diesem Zurückbehaltungsrecht von sich aus Rechnung trägt und Leistung Zugum Zug verlangt (BGH, Urteil vom 16. 3. 1973 – V ZR 118/71, BGHZ 60, 323). Der Nachweis gegenüber dem Grundbuchamt für das Vorliegen sämtlicher Eintragungsvoraussetzungen richtet sich dann nach § 894 ZPO bzw. § 29 GBO.
Da die Klägerin Eigentümerin des Grundstücks geblieben ist, erreicht sie durch die Klageanträge zu 1) und zu 2), die auf Grundbuchberichtigung und Herausgabe des Grundstücks gerichtet sind, auch ihr Rechtsschutzziel. Etwaige praktische Probleme bei der Vollstreckung des Titels führen nicht zur Unzulässigkeit des Klageantrags.
2. Soweit der Beklagte rügt, das Landgericht habe die Zeugen S., R. und M. nicht vernommen, ist ein Verfahrensfehler nicht ersichtlich.
Der Beklagte hat die Zeugen (wenn auch teilweise ohne Nennung einer ladungsfähigen Adresse) für die strittige Behauptung angeboten, die Gemeinde habe massive Schwierigkeiten gehabt, für das streitgegenständliche Grundstück geeignete Kaufinteressenten zu finden. Der einzig ernsthafte Kaufinteressent sei der Zeuge M. gewesen, der noch ein niedrigeres Kaufangebot abgegeben habe als der Beklagte. Die Vernehmung der Zeugen sei notwendig, da das Ergebnis des Zeugenbeweises geeignet sei, auf die marktgerechte Bewertung des Grundstücks und damit den Ausgang des Rechtsstreits Einfluss zu nehmen.
Es ist nicht ersichtlich, zu welchem anderen Beweisergebnis die Vernehmung der Zeugen hätte führen können. Denn der gerichtliche Sachverständige K. ist in seiner zusammenfassenden Beurteilung auf Seite 18 des Gutachtens vom 05.03.2019 (Bl. 92 d.A.) davon ausgegangen, dass das streitgegenständliche Grundstück aufgrund des Kostenrisikos für den Abbruch und die Neuerstellung eines zeitgemäßen Gebäudekörpers samt Genehmigung und der dafür notwendigen sachlichen Kompetenz nur eine verhältnismäßig kleine Käuferschicht anspreche. Damit hat die Schwierigkeit eines Verkaufs aufgrund der begrenzten Anzahl an Kaufinteressenten in dem Gutachten Berücksichtigung gefunden.
3. Soweit der Beklagte die Fehlerhaftigkeit des Gutachtens des Sachverständigen vom 05.03.2019 (Bl. 92 d.A.) als solches rügt, kann er damit in zweiter Instanz nicht mehr gehört werden. Das Landgericht hat den Parteien mit Beschluss vom 08.03.2019 (Bl. 93/94 d.A.) eine Frist gesetzt, etwaige Einwände gegen das Gutachten vorzutragen. Der Beklagte hat in der Folge keine Einwände gegen das Gutachten vorgebracht. Wenn der Beklagte diese Möglichkeit nicht nutzt und auch nicht die mündliche Anhörung des Sachverständigen beantragt, kann er seine Einwände nicht erstmals in der Berufungsinstanz geltend machen und ein weiteres Sachverständigengutachten beantragen.
Das gilt insbesondere für den Einwand, der Verkehrswert sei aufgrund der eingetragenen Baubeschränkung und Geh- und Fahrtrechte um mindestens 15 Prozent zu mindern. Der Sachverständige hat hierzu auf Seite 23 seines Gutachtens Stellung genommen und begründet, warum diese Eintragungen wertmäßig ohne Berücksichtigung bleiben. Auch die Abbruchreife des Bestandsgebäudes hat der Sachverständige seinem Gutachten zugrunde gelegt (Seite 19). Ebenso wurde ein Abschlag für die „Qualität der Lage“, insbesondere die lagetypische Immissionsbelastung, vorgenommen (Seite 21). Mit der Erschließungsbeitragspflicht setzt sich der Gutachter auf Seite 11 und 21 seines Gutachtens auseinander. Bei den zu erwartenden Abbruchkosten hat der Gutachter das vom Beklagten vorgelegte Angebot zugrunde gelegt (Seite 23).
4. Soweit der Beklagte geltend macht, dass aufgrund der unter Ziffer XV des notariellen Kaufvertrages vom 20.12.2013 vereinbarten nachträglichen Kaufpreiserhöhung für den Fall des Weiterverkaufs bzw. Abrisses des Bestandsgebäudes von einem höheren vereinbarten Kaufpreis ausgegangen werden müsse, kann dem auf der Basis der getroffenen Feststellungen nicht gefolgt werden. Zwar geht der gerichtliche Sachverständige bei der Ermittlung des Verkehrswerts des Grundstücks davon aus, dass die Verbesserung der vorhandenen baulichen Anlagen nicht wirtschaftlich sei. Dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien bei Abschluss des Kaufvertrages sicher damit gerechnet hätten, dass das Bestandsgebäude abgerissen werden sollte. Vielmehr haben sie in Ziffer XIII des notariellen Kaufvertrages geregelt, dass der Beklagte beabsichtige, das bestehende Gebäude zu renovieren und künftig als Büro- und Verwaltungsgebäude zu nutzen. Für den Fall, dass die hierfür notwendige Nutzungsänderungs- bzw. Baugenehmigung nicht bis zum 30.06.2014 erteilt werde, wurde ein Rücktrittsrecht für beide Seiten vereinbart. Der Beklagte hatte bereits am 04.11.2013 einen entsprechenden Antrag auf Nutzungsänderung beim Landratsamt B. eingereicht. Dem notariellen Kaufvertrag ist damit zu entnehmen, dass die Parteien den Erhalt des Bestandsgebäudes beabsichtigten. Dieses steht auch bis heute auf dem streitgegenständlichen Grundstück. Wenn aber der Abriss nicht sicher geplant war, kann die für diesen Fall vereinbarte nachträgliche Kaufpreiserhöhung bei der Beurteilung einer Unterwertveräußerung nicht berücksichtigt werden.
5. Die Anschlussberufung der Klägerin steht der Zurückweisung der Berufung des Beklagten durch Beschluss nicht entgegen, § 524 Abs. 4 ZPO.
6. Der Streitwert ist nach Auffassung des Senats auf 200.000 € festzusetzen. Dabei legt der Senat den von der Klägerin im Schriftsatz vom 25.11.2019 (Bl. 151/152 d.A.) vorgelegten aktuellen Bodenrichtwert zugrunde, der um die vom Sachverständigen angesetzten Abbruchkosten (Seite 23 des Gutachtens) zu reduzieren ist.
Zur Vermeidung weiterer Kosten regt der Senat die Zurücknahme der offensichtlich unbegründeten Berufung an. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz).


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