Baurecht

Verfassungswidrigkeit eines Bebauungsplans

Aktenzeichen  Vf. 17-VII-19

Datum:
30.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2021, 155
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:
BV Art. 3 Abs. 1 S. 1, Art. 103 Abs. 1
BauGB § 1 Abs. 6 Nr. 8 lit. b, § 9 Abs. 1 Nr. 25, § 214, § 215

 

Leitsatz

1. Aus dem Recht auf Eigentum (Art. 103 Abs. 1 BV) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) ergibt sich, dass grundstücksbezogene Regelungen eines Bebauungsplans keine unauflösbaren Widersprüche beinhalten dürfen. (Rn. 37)
2. Verfassungswidrigkeit eines Bebauungsplans, weil die textlichen und zeichnerischen Festsetzungen zur Ausgestaltung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf einem Grundstück widersprüchlich und damit nicht hinreichend bestimmt sind. (Rn. 36 und 42 – 43)

Tenor

1. Der Bebauungs- und Grünordnungsplan Baugebiet „Roither Berg“ der Gemeinde Wenzenbach vom 22. Januar 2015 (ABl Nr. 3) ist mit Art. 103 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV unvereinbar. Die Gemeinde Wenzenbach ist verpflichtet, binnen neun Monaten nach Zugang der Entscheidung nach Maßgabe der Gründe eine hinreichend bestimmte Regelung zu den Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf dem Grundstück Fl.Nr. 253/2 der Gemarkung Wenzenbach zu treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt der Bebauungs- und Grünordnungsplan mit Ausnahme der Festsetzungen zu den Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf dem Grundstück Fl.Nr. 253/2 weiter anwendbar.
2. Die Gemeinde Wenzenbach hat dem Antragsteller die ihm durch das Popularklageverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

I.
Gegenstand der Popularklage ist die Frage, ob der Bebauungs- und Grünordnungsplan Baugebiet „Roither Berg“ (im Folgenden: Bebauungsplan) der Gemeinde Wenzenbach vom 22. Januar 2015 (ABl Nr. 3) hinsichtlich der vorgesehenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf dem Grundstück Fl.Nr. 253/2 der Gemarkung Wenzenbach gegen Normen der Bayerischen Verfassung verstößt.
1. Der Bebauungsplan weist ein bisher landwirtschaftlich genutztes Gebiet mit ei ner Fläche von 9,27 ha am nordwestlichen Ortsrand der Gemeinde Wenzenbach als neues Baugebiet zur Wohnbebauung aus. Er sieht Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen aufgrund der Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz auf den Grundstücken Fl.Nrn. 399 und 400 (Ausgleichs-/Ersatzfläche I) sowie auf dem Grundstück Fl.Nr. 253/2 (Ausgleichs-/Ersatzfläche II) vor. Das Grundstück Fl.Nr. 253/2 hat eine Gesamtfläche von 30.324 m². Es liegt außerhalb des Baugebiets und wird bisher ausschließlich landwirtschaftlich genutzt. Nach II. 13. f) der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans sind auf einer Teilfläche von 19.920 m² dieses Grundstücks folgende Maßnahmen durchzuführen:
Ausgleichs-/Ersatzfläche II (Fl.Nr. 253/2):
– im zentralen Bereich der Kompensationsfläche ist ein im Mittel ca. 30 m breiter Laub-Waldstreifen bzw. ein Feldgehölz aus heimischen und standortgerechten Gehölzen unter dem Gesichtspunkt der Optimierung der Lebensraumqualitäten entsprechend den planlichen Festsetzungen zu pflanzen; der Strauchanteil beträgt mindestens 50%; es ist auf hohe Randlinieneffekte und insgesamt eine hohe Strukturdiversität zu achten; es sind autochthone Gehölze zu verwenden
– zur zusätzlichen Strukturbereicherung sind gemäß der Plandarstellung Obsthochstämme bewährter, robuster Sorten, alternativ Wildobsthochstämme sowie an zwei Stellen heimische Großbäume (Laubbäume, vorzugsweise Linden) zu pflanzen
– alle Gehölze sind dauerhaft zu erhalten, ausgefallene Gehölze, soweit erforderlich, sind zu ersetzen
– die nicht flächig bepflanzten Teile der Ausgleichsfläche sind als möglichst extensive Wiese anzulegen und zu entwickeln; Düngung und sonstige Meliorationsmaßnahmen sind nicht zulässig; die Wiese ist maximal 2-mal jährlich zu mähen und das Mähgut von der Fläche zu entfernen
– die Gehölze der Ausgleichsfläche zu den in den Randbereichen weiterhin landwirtschaftlich genutzten Flächen im Nordwesten, Norden und Osten sind vor Ort sichtbar zu markieren (z. B. durch große Findlinge, Lesesteinhaufen, Mulden o.ä.)
Nach II. 13. h) der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans sind die naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen spätestens in der auf die Fertigstellung der Erschließung folgenden Pflanzperiode herzustellen.
Dem Bebauungsplan ist als Plan Nr. 02/134 eine zeichnerische Darstellung der festgelegten Maßnahmen auf der Ausgleichs-/Ersatzfläche II im Maßstab 1:1.000 beigefügt, auf die II. 13. f) der textlichen Festsetzungen Bezug nimmt.
2. In seiner Sitzung vom 6. August 2013 beschloss der Gemeinderat die Aufstellung des Bebauungsplans. Der Aufstellungsbeschluss wurde am 31. Mai 2014 ortsüblich bekannt gemacht. Den beteiligten Trägern öffentlicher Belange wurde am 15. Mai 2014 ein Vorentwurf mit der Gelegenheit zur Stellungnahme bis 20. Juni 2014 übersandt. Die Bürgerbeteiligung für den Vorentwurf fand vom 2. bis 16. Juni 2014 statt. Nach nochmaliger Anhörung der Träger öffentlicher Belange wurde der Entwurf des Bebauungsplans vom 13. Oktober bis 14. November 2014 sowie nochmals in einer aktualisierten Fassung vom 29. Dezember 2014 bis 13. Januar 2015 im Rathaus der Gemeinde öffentlich ausgelegt. In der Sitzung vom 20. Januar 2015 beschloss der Gemeinderat den Bebauungsplan als Satzung. Am 22. Januar 2015 fertigte der erste Bürgermeister die Originalurkunde aus. Der Bebauungsplan wurde im Amtsblatt der Gemeinde vom 28. März 2015 öffentlich bekannt gemacht.
II.
Mit seiner am 29. Oktober 2019 erhobenen Popularklage rügt der Antragsteller, der Lageplan zu den Ausgleichs-/Ersatzmaßnahmen auf dem Grundstück Fl.Nr. 253/2 der Gemarkung Wenzenbach als Bestandteil des Bebauungsplans verletze den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 118 Abs. 1 BV) und das darin enthaltene Willkürverbot, das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) und die Eigentumsgarantie (Art. 103 Abs. 1 BV).
Der Antragsteller, Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 253/2, wende sich nicht dagegen, dass der Bebauungsplan auf einem Teil dieses Grundstücks Ausgleichsmaßnahmen festsetze. Gegenstand der Popularklage sei allein der qualifizierte Bepflanzungslageplan Nr. 02/134 als Bestandteil des Bebauungsplans, der eine Baumbepflanzung mittig von Nordwesten nach Südosten durch das gesamte Grundstück vorsehe. Dieses werde landwirtschaftlich genutzt und sei auch aktuell zu dem Zweck verpachtet. Die Planung entwerte die gesamte Teilfläche und mache sie für die Landwirtschaft ungeeignet. Völlig außer Acht bleibe, dass im südlichen Bereich ein Waldgebiet an das Grundstück angrenze. Ohne Grund werde die eigentlich benötigte Fläche ausgeweitet und nicht einmal der Versuch unternommen, diese an das Waldgebiet anschließen zu lassen. Der Antragsteller sei zunächst davon ausgegangen, dass sich die Ausgleichsfläche lediglich auf einen Teil des Grundstücks beziehe. Er habe erst kurz vor Erhebung der Popularklage erkannt, dass dies nicht der Fall sei.
1. Der Gleichheitssatz des Art. 118 Abs. 1 BV und das darin enthaltene Willkürverbot seien verletzt, da Bedeutung und Tragweite des Schutzes von Grund und Boden der Landwirtschaft gemäß Art. 163 BV bei der Abwägung in krasser Weise verkannt worden seien. Dem Ausgleichsflächenbedarf hätte auch in einer die Landwirtschaft weniger beeinträchtigenden Art und Weise Rechnung getragen werden können. Durch die flächenmäßig unnötig ausgedehnte Grünordnungsplanung werde landwirtschaftlicher Boden in nicht erforderlicher Weise entwertet und das gesamte Grundstück über die vorgesehene Fläche hinaus zur Ausgleichsfläche gemacht. Hierdurch werde das landwirtschaftliche Gut des Antragstellers in seinen Kernbestandteilen zerstört. Die verschwenderische Planung verstoße auch gegen § 1 Abs. 6 Nr. 8 Buchst. b BauGB. Die Ausgleichsfläche hätte platzsparender auf dem nördlichen Teil des Grundstücks vorgesehen werden können, statt die Pflanzung eines Laubwaldstreifens und von Obst- und Großbäumen unnötig auszudehnen. Auch die Umrandung der eigentlich nur notwendigen Fläche im nördlichen Teil des Grundstücks trotz des südlich angrenzenden Waldes verletze das Willkürverbot.
2. Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) sei ebenfalls durch die Verstöße gegen das bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot im Zusammenhang mit dem Schutz von Grund und Boden der Landwirtschaft (Art. 163 BV) und die unnötig ausgedehnte Planung der Ausgleichsflächen innerhalb des Lageplans verletzt. Eine Abwägung der widerstreitenden Interessen habe ersichtlich nicht stattgefunden. Eine genaue Anordnung der benötigten Ausgleichsfläche sei nach dem Wortlaut des Bebauungsplans nicht vorgeschrieben. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb diese auf das gesamte Grundstück ausgedehnt worden sei.
3. Eine Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 103 Abs. 1 BV) ergebe sich daraus, dass die Planung über die benötigte Ausgleichsfläche hinaus eine Verpachtung und letztendlich landwirtschaftliche Nutzung des gesamten Grundstücks vollends verhindere.
III.
1. Der Bayerische Landtag hat sich am Verfahren nicht beteiligt.
2. Die Bayerische Staatsregierung hat von einer Äußerung abgesehen.
3. Die Gemeinde Wenzenbach hält die Popularklage für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.
a) Die Ausweisung des Baugebiets stelle einen Eingriff in die Natur und Landschaft dar, der durch Festsetzungen im Bebauungsplan auszugleichen bzw. zu ersetzen sei. Dem diene der Lageplan Nr. 02/134 für die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf dem Grundstück Fl.Nr. 253/2 als Bestandteil des Bebauungsplans.
b) Die Gemeinde habe die Erschließung des Baugebiets in einem Erschließungsvertrag vom 27. Februar 2015 auf die R. GmbH als Erschließungsträger übertragen. Der Antragsteller sei einer der beiden Geschäftsführer des Erschließungsträgers und habe den Vertrag unterzeichnet. Außerdem seien sämtliche Aufträge im Zusammenhang mit dem Bauleitplanverfahren einschließlich der Planungen zu den Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen von der S. GmbH vergeben worden. Als deren Gesellschafter hätte der Antragsteller Einfluss auf den Bepflanzungsplan für sein Grundstück nehmen können.
c) Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung während des Bauleitplanverfahrens seien zu den Festsetzungen der Ausgleichsflächen keine Äußerungen eingegangen. Von den beteiligten Behörden und Trägern öffentlicher Belange hätten sich die untere Naturschutzbehörde beim Landratsamt Regensburg, das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Regensburg und der Bayerische Bauernverband zu den Ausgleichsmaßnahmen auf dem Grundstück Fl.Nr. 253/2 geäußert. Diese Äußerungen seien Gegenstand der Abwägung durch den Gemeinderat in den Sitzungen vom 16. September 2014 und vom 20. Januar 2015 gewesen.
d) Ein Verstoß gegen das in Art. 118 Abs. 1 BV verankerte Willkürverbot sei nicht erkennbar. Die Belange des Grundstückseigentümers und der Land- und Forstwirtschaft seien in die Abwägung eingestellt und entsprechend berücksichtigt worden. In der Begründung des Bebauungsplans werde ausgeführt, dass eine Zerschneidung der bisher im Zusammenhang bewirtschafteten Flächen zwar ungünstig erscheine und nach Möglichkeit zu vermeiden wäre, geeignete Ausgleichs- und Ersatzflächen im Bereich der Gemeinde in der erforderlichen Größe jedoch nur begrenzt verfügbar seien. Nachdem der Antragsteller als handelnder Gesellschafter des privaten Investors Eigentümer der geeigneten Ausgleichsfläche sei, habe die Gemeinde diesen zur Durchführung der Kompensationsmaßnahmen herangezogen. Außerdem sei davon auszugehen, dass der Antragsteller in die Überlegungen des Landschaftsarchitekten zur Gestaltung der Fläche eingebunden gewesen sei.
e) Ein Verstoß gegen das in Art. 3 Abs. 1 BV verankerte Rechtsstaatsprinzip sei nicht gegeben. Der Bebauungsplan stehe weder in verfahrensrechtlicher noch in materieller Hinsicht in einem offensichtlichen und schwerwiegenden Widerspruch zu Bundesrecht.
f) Schließlich sei eine Verletzung der in Art. 103 Abs. 1 BV verankerten Eigentumsgarantie weder substanziiert dargelegt noch liege sie vor. Als Geschäftsführer des Erschließungsträgers, auf dessen Betreiben die Bauleitplanung durchgeführt worden sei, sei der Antragsteller Begünstigter der Bauleitplanung. Die Popularklage sei daher rechtsmissbräuchlich.
IV.
Die Popularklage ist zulässig.
1. Das Vorbringen des Antragstellers bedarf der Auslegung, um festzustellen, was Gegenstand seiner Popularklage ist. Diese Prüfung ergibt, dass er sowohl die zeichnerischen als auch die textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans zur konkreten Ausgestaltung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf dem Grundstück Fl.Nr. 253/2 angreift.
a) Ein Bebauungsplan, der von einer Gemeinde gemäß § 10 Abs. 1 BauGB als Satzung beschlossen wurde, kann sowohl insgesamt als auch hinsichtlich einzelner Festsetzungen Gegenstand einer Popularklage gemäß Art. 98 Satz 4 BV, Art. 55 Abs. 1 Satz 1 VfGHG sein (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 28.10.2014 VerfGHE 67, 274 Rn. 24; vom 13.5.2015 VerfGHE 68, 93 Rn. 34; vom 21.3.2016 VerfGHE 69, 99 Rn. 23; vom 18.3.2020 – Vf. 17-VII-18 – juris Rn. 34).
b) Der Antragsteller wendet sich ausdrücklich nicht gegen die Festsetzung der Ausgleichsmaßnahmen als solche, sondern nur gegen deren konkrete Ausgestaltung im Lageplan Nr. 02/134 als Bestandteil des Bebauungsplans.
aa) Der Bebauungsplan enthält die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung (§ 8 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Nur aus diesen Festsetzungen ergibt sich sein verbindlicher Inhalt als Rechtsnorm (Söfker in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 9 Rn. 6 und 14). Die Festsetzungen sind im Bebauungsplan in geeigneter Form aufzunehmen. In Betracht kommen Zeichnung oder Text, auch in Kombination miteinander. Textliche Festsetzungen können zusätzliche Aussagen über verbindliche Regelungen enthalten und hierzu auf die Zeichnungen Bezug nehmen. Welche Festsetzungsform gewählt wird, ist grundsätzlich der Gemeinde überlassen (Söfker, a. a. O., Rn. 13 und 235).
Dies gilt auch für Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen aufgrund der Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz (§ 1 a Abs. 3 Satz 2, § 9 Abs. 1 a, § 200 a BauGB); insoweit kommt die Ausweisung von Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB) in Betracht. Für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen können das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 25 Buchst. a BauGB) und Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern (§ 9 Abs. 1 Nr. 25 Buchst. b BauGB) festgesetzt werden.
bb) Rechtsverbindlich geregelt hat die Gemeinde Wenzenbach die konkreten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf dem Grundstück Fl.Nr. 253/2 nicht nur durch Zeichnungen im Lageplan Nr. 02/134 als Bestandteil des Bebauungsplans, sondern auch in II. 13. f), g) und h) der textlichen Festsetzungen. Eine isolierte Anfechtung lediglich der zeichnerischen Festsetzungen im Plan Nr. 02/134 würde die Regelungen des Bebauungsplans zu den konkreten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen somit nicht in vollem Umfang erfassen. Auch die textlichen Festsetzungen im Bebauungsplan sind daher nach dem wohlverstandenen Interesse des Antragstellers Gegenstand seiner Popularklage.
2. Die Popularklage erweist sich weder als rechtsmissbräuchlich noch unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung als unzulässig.
a) Eine Popularklage kann unzulässig sein, wenn sie missbräuchlich erhoben wird und dem Sinn und Zweck des Instituts der Popularklage widerspricht (VerfGH vom 29.4.1983 VerfGHE 36, 56/61; vom 16.2.1989 VerfGHE 42, 11/15; vom 15.1.2007 VerfGHE 60, 1/4; vom 12.6.2013 VerfGHE 66, 70/81). Dies käme etwa dann in Betracht, wenn das Rechtsbegehren von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss und die Anrufung des Verfassungsgerichtshofs daher rechtsmissbräuchlich erscheint (vgl. VerfGH vom 20.3.2019 – Vf. 77-VI-18 – juris Rn. 39).
Durch Verwirkung kann die Antragsbefugnis für eine Popularklage nach den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes erlöschen, wenn sich die Klage als unredlich, gegen Treu und Glauben verstoßend oder aus anderen Gründen als unzulässige Rechtsausübung darstellt. Das Klagerecht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten (Umstandsmoment), die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Dies gilt insbesondere bei Rechtsvorschriften, die nicht während einer unbestimmt langen Geltungsdauer in abstraktgenereller Weise fortlaufend Rechte und Pflichten begründen, sondern sich – wie bei Bebauungsplänen – im Wesentlichen in einer konkreten und individuellen Regelung erschöpfen und bei denen daher der Gedanke der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes von besonderer Bedeutung ist (VerfGHE 67, 274 Rn. 32; VerfGH vom 9.3.2016 VerfGHE 69, 84 Rn. 24; vom 17.7.2020 – Vf. 23-VII-19 – juris Rn. 26).
b) Für eine missbräuchliche Erhebung der Popularklage sind keine Anhaltspunkte festzustellen. Es liegen auch keine besonderen Umstände vor, die die Klageerhebung als unredliche, gegen Treu und Glauben verstoßende und damit verwirkte Rechtsausübung erscheinen lassen. Insbesondere kann die Annahme einer Verwirkung nicht darauf gestützt werden, dass der Antragsteller sich im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung während des Planaufstellungsverfahrens nicht gegen die Inanspruchnahme einer Teilfläche seines Grundstücks als Ausgleichsfläche gewandt hat. Der Antragsteller rügt mit seiner Popularklage nicht grundsätzlich die Inanspruchnahme seines Grundstücks für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, sondern lediglich deren konkrete Ausgestaltung. Darin kann weder ein Rechtsmissbrauch noch eine unzulässige Rechtsausübung gesehen werden, zumal die festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen offenbar noch nicht umgesetzt sind.
3. Der Antragsteller hat eine Grundrechtsverletzung in hinreichend substanziierter Weise dargelegt.
Nach Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG gehört zu den prozessualen Voraussetzungen einer Popularklage, dass der Antragsteller darlegt, inwiefern durch die angegriffene Rechtsvorschrift ein in der Verfassung gewährleistetes Grundrecht verfassungswidrig eingeschränkt wird. Eine ausreichende Grundrechtsrüge liegt nicht schon dann vor, wenn ein Antragsteller lediglich behauptet, dass die angegriffene Rechtsvorschrift nach seiner Auffassung gegen Grundrechtsnormen der Bayerischen Verfassung verstößt. Der Verfassungsgerichtshof muss anhand substanziiert bezeichneter Tatsachen und Vorgänge beurteilen können, ob der Schutzbereich der Grundrechtsnorm berührt ist. Die zur Überprüfung gestellten Tatsachen und Vorgänge müssen dies zumindest als möglich erscheinen lassen. Ist die geltend gemachte Verletzung einer Grundrechtsnorm nach Sachlage von vornherein ausgeschlossen, weil der Schutzbereich des angeblich verletzten Grundrechts durch die angefochtene Rechtsvorschrift nicht berührt wird, ist die Popularklage unzulässig. Auf die tatsächlichen Gegebenheiten abstellende Darlegungen eines Antragstellers sind besonders bei solchen Normen von Bedeutung, die – wie hier ein Bebauungsplan – keine abstraktgenerellen Rechtsvorschriften im klassischen Sinn darstellen, sondern konkretindividuelle Elemente enthalten (vgl. VerfGH vom 4.5.2012 VerfGHE 65, 73/81 m. w. N.; VerfGH vom 18.3.2020 – Vf. 17-VII-18 – juris Rn. 36).
Hieran gemessen hat der Antragsteller hinreichend substanziiert dargelegt, aus welchen Gründen die Festsetzungen des Bebauungsplans zur konkreten Ausgestaltung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf dem Grundstück Fl.Nr. 253/2 nach seiner Auffassung gegen ein durch die Verfassung gewährleistetes Grundrecht verstoßen. Mit seiner Rüge einer unnötigen Inanspruchnahme des gesamten Grundstücks als Ausgleichsfläche erscheint zumindest eine Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 103 Abs. 1 BV) nicht von vornherein ausgeschlossen.
Da die Popularklage in zulässiger Weise erhoben ist, erstreckt der Verfassungsgerichtshof seine Prüfung auf alle in Betracht kommenden Normen der Bayerischen Verfassung, auch wenn diese – wie z. B. das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) – keine Grundrechte garantieren (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 18.2.2016 VerfGHE 69, 52 Rn. 30 m. w. N.).
V.
Die Popularklage erweist sich im tenorierten Umfang als begründet.
1. Der Bebauungs- und Grünordnungsplan Baugebiet „Roither Berg“ der Gemeinde Wenzenbach vom 22. Januar 2015 (ABl Nr. 3) verstößt gegen die Eigentumsgarantie (Art. 103 Abs. 1 BV) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV), weil die textlichen und zeichnerischen Festsetzungen zur konkreten Ausgestaltung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf dem Grundstück Fl.Nr. 253/2 widersprüchlich und damit nicht hinreichend bestimmt sind.
a) Die Festsetzungen eines Bebauungsplans als Rechtsnorm im materiellen Sinn müssen den für alle Rechtsvorschriften geltenden Geboten der Bestimmtheit und Normenklarheit entsprechen, die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) ergeben. Insbesondere dürfen die Festsetzungen keine unauflösbaren Widersprüche beinhalten (vgl. VerfGH vom 22.9.2008 VerfGHE 61, 214/220 f.).
Die Notwendigkeit hinreichender Bestimmtheit zeichnerischer und textlicher Festsetzungen im Bebauungsplan für grundstücksbezogene Regelungen ergibt sich daraus, dass sie das nach Art. 103 Abs. 1 BV geschützte Eigentum unmittelbar berühren.
Die Anforderungen an die Bestimmtheit hängen von der Art der jeweiligen Festsetzung, den Planungszielen und den Umständen des Einzelfalls, insbesondere den örtlichen Verhältnissen, ab. Die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit fehlt nicht schon dann, wenn die Festsetzung auslegungsbedürftig ist. Es ist ausreichend, wenn ihr Inhalt durch Auslegung ermittelt werden kann, wobei die Interpretation nicht durch den formalen Wortlaut beschränkt wird. Ausschlaggebend ist der objektive Wille des Plangebers, soweit er wenigstens andeutungsweise im Satzungstext einen Niederschlag gefunden hat (vgl. BayVGH vom 6.12.2019 – 15 N 18.636 – juris Rn. 26; vom 7.1.2020 – 15 ZB 19.1641 – juris Rn. 8; vom 23.6.2020 – 1 N 17.972 – juris Rn. 17; vom 28.7.2020 – 9 N 16.2497 – juris Rn. 30; vgl. auch OVG NW vom 2.12.2016 – 2 D 121/14.NE – juris Rn. 62 m. w. N.). Die Festsetzung darf jedoch keinesfalls in sich widersprüchlich sein.
b) Gemessen daran stehen die Festsetzungen des angefochtenen Bebauungsplans zur konkreten Ausgestaltung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf dem Grundstück Fl.Nr. 253/2 mit den Geboten der Bestimmtheit und Normenklarheit nicht in Einklang, weil aus ihnen nicht eindeutig hervorgeht, in welchem Umfang das Grundstück in Anspruch genommen wird.
aa) Sind aufgrund der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten, ist über die Vermeidung, den Ausgleich und den Ersatz nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs zu entscheiden (§ 18 Abs. 1 BNatSchG). Für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen können auch Grundstücke an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs herangezogen werden (§ 1 a Abs. 3 Satz 3, § 9 Abs. 1 a und § 200 a Satz 2 BauGB). Werden land- oder forstwirtschaftlich genutzte Flächen für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen herangezogen, ist auf agrarstrukturelle Belange Rücksicht zu nehmen. Insbesondere sind für die landwirtschaftliche Nutzung besonders geeignete Böden nur im notwendigen Umfang in Anspruch zu nehmen (§ 1 a Abs. 3 Satz 5 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 3 Satz 1 BNatSchG).
Der planenden Gemeinde steht es dabei frei zu entscheiden, welcher Mittel sie sich bedient, um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen. Sie hat die Wahl zwischen zeichnerischer Festsetzung und textlicher Beschreibung; sie kann auch beide Elemente kombinieren. Entscheidend ist nur, dass hinreichend klar ist, welche Regelungen mit welchem Inhalt normative Geltung beanspruchen (zum Ganzen vgl. BayVGH vom 6.12.2019 – 15 N 18.636 – juris Rn. 26 m. w. N.).
bb) Die textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans sehen unter II. 13. f) Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf einem Teilbereich von 19.920 m² des Grundstücks Fl.Nr. 253/2 vor. Ferner werden die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Einzelnen beschrieben, wobei ausdrücklich auf die Planzeichnungen Bezug genommen wird. Die Planzeichnung Nr. 02/134 zu den Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf dem Grundstück Fl.Nr. 253/2 erstreckt jedoch die vorgesehenen Maßnahmen auf das gesamte 30.324 m2 große Grundstück, ohne dass noch eine wie bisher landwirtschaftlich nutzbare Teilfläche übrig bliebe. Hierzu wird unter Anwendung der in Nr. 13.1 der Anlage zur Verordnung über die Ausarbeitung der Bauleitpläne und die Darstellung des Planinhalts (Planzeichenverordnung – PlanZV – vom 18. Dezember 1990, BGBl I 1991 S. 58, zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Mai 2017, BGBl I S. 1057) vorgesehenen Umgrenzung von Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft nicht nur eine Teilfläche, sondern das gesamte Grundstück erfasst. Zwar ist auf der Karte die Abgrenzung einer „Teilfläche von 18.314 m² für vorliegendes Eingriffsvorhaben“ eingezeichnet. Allerdings entspricht die angegebene Größe von 18.314 m² zum einen nicht der textlichen Festsetzung von 19.920 m² des Grundstücks, sodass sich schon aus dieser Abweichung ein unauflösbarer Widerspruch ergibt. Zum anderen sind die im Text des Bebauungsplans vorgesehene ca. 30 m breite Anpflanzung im zentralen Bereich der Kompensationsfläche, die in den Randbereichen des Grundstücks zur Strukturbereicherung vorgesehenen Pflanzungen von Großbäumen und Obsthochstämmen und die als „möglichst extensive Wiese“ bezeichneten, nicht flächig bepflanzten Teile der Ausgleichsfläche nicht auf den zeichnerisch abgegrenzten Teil des Grundstücks beschränkt, sondern erstrecken sich im Plan auf die Gesamtfläche des Grundstücks. Auch insoweit besteht ein nicht auflösbarer Widerspruch zu den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans.
Es lässt sich auch nicht durch Auslegung ermitteln, in welchem Umfang das Grundstück Fl.Nr. 253/2 für die vorgesehenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen herangezogen werden soll. Zwar ist den textlichen Festsetzungen im Einklang mit den protokollierten Abwägungen des Normgebers vom 16. September 2014 und vom 20. Januar 2015 zu entnehmen, dass Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen lediglich auf einer Teilfläche des Grundstücks Fl.Nr. 253/2 vorgesehen sind und dass in den Randbereichen weiterhin landwirtschaftlich genutzte Flächen verbleiben sollen. Hierzu bedürfte es allerdings einer zeichnerischen Festsetzung, aus der hinreichend bestimmt hervorgeht, auf welcher Teilfläche welche Ausgleichsund Ersatzmaßnahmen durchzuführen sind und welche Bereiche des Grundstücks noch landwirtschaftlich nutzbar bleiben sollen. Daran fehlt es vorliegend.
cc) Der Verstoß der angefochtenen Festsetzungen ist nicht nach §§ 214, 215 BauGB unbeachtlich, weil der Antragsteller innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Bebauungsplans keine entsprechende Rüge gegenüber der Gemeinde erhoben hat. Es kann dahinstehen, welche Bedeutung die Vorschrift des § 215 Abs. 1 BauGB für die verfassungsrechtliche Überprüfung hat. Ein Verstoß gegen das Gebot der Normenklarheit begründet die Unwirksamkeit der Festsetzung, ohne dass es auf §§ 214, 215 BauGB ankommt (vgl. BayVGH vom 23.6.2020 – 1 N 17.972 – juris Rn. 17).
2. Der aufgezeigte Mangel führt zur Verfassungswidrigkeit des gesamten Bebauungsplans. Die Verfassungswidrigkeit bestimmter Festsetzungen hat nur dann unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 139 BGB nicht die Verfassungswidrigkeit des Bebauungsplans insgesamt zur Folge, wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, dass die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung ohne den verfassungswidrigen Teil beschlossen hätte (vgl. BayVGH vom 6.12.2019 – 15 N 18.636 – juris Rn. 32; vom 24.6.2020 – 15 N 19.442 – juris Rn. 39; vom 28.7.2020 – 9 N 16.2497 – juris Rn. 64; vgl. auch OVG RhPf vom 6.11.2013 – 8 C 10607/13 – juris Rn. 52; Müller in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 6. Aufl. 2020, Art. 98 Satz 4 Rn. 41; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Auf. 2017, Art. 98 Rn. 73).
Davon ist hier jedoch nicht auszugehen. Die Belange des Umweltschutzes einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne zu berücksichtigen und mit den weiteren öffentlichen und privaten Belangen abzuwägen (§ 1 Abs. 6 Nr. 7, Abs. 7 BauGB). § 1 a Abs. 3 Satz 1 BauGB hebt die Pflicht zur Vermeidung und zum Ausgleich voraussichtlich erheblicher Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts in seinen in § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. a BauGB bezeichneten Bestandteilen (Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz) sowie deren Berücksichtigung im Rahmen der Abwägung besonders hervor. Der Ausgleich erfolgt bei Bebauungsplänen durch geeignete Festsetzungen nach § 9 BauGB als Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich (§ 1 a Abs. 3 Satz 2 BauGB); die Entscheidung darüber ist zwingend (§ 18 Abs. 1 BNatSchG). Ohne Berücksichtigung der Belange des Umweltschutzes einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege durch Ausgleich erheblicher Beeinträchtigungen ist die Abwägung fehlerhaft, was sich auf den Bebauungsplan insgesamt auswirkt. Bei der Heranziehung einer Fläche von 19.920 m² handelt es sich auch nicht um eine lediglich marginale Ausgleichsmaßnahme, deren Fehlerhaftigkeit das Abwägungsergebnis nicht tangieren würde, sondern um eine Entscheidung von gesamtplanerischer Tragweite. Von den im Bebauungsplan vorgesehenen Ausgleichsund Ersatzflächen I und II mit insgesamt 24.256 m² nimmt das Grundstück Fl.Nr. 253/2 mit der betroffenen Teilfläche von 19.920 m² den weitaus größeren Teil ein. Es ist davon auszugehen, dass die Gemeinde Wenzenbach den Bebauungsplan ohne die für dieses Grundstück festgesetzten Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht erlassen hätte.
3. Erachtet der Verfassungsgerichtshof eine Rechtsvorschrift für verfassungswidrig, erklärt er sie im Allgemeinen für nichtig. Die Entscheidung wirkt grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Erlasses dieser Vorschrift zurück. Grundsätze der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens, insbesondere des Vertrauensschutzes, können es jedoch ausnahmsweise erfordern, die Ungültigkeit einer Norm ganz oder teilweise nicht mit ex tunc-Wirkung, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt festzustellen. Diese Voraussetzungen sind gegeben, wenn die vollständige Nichtigerklärung einer Norm einer verfassungsmäßigen Regelung noch ferner stünde als die jetzige Rechtslage (VerfGH vom 1.8.1975 VerfGHE 28, 143/171 ff.; vom 23.10. 1991 VerfGHE 44, 109/123; vom 28.11.2007 VerfGHE 60, 184/222; vgl. auch Müller in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 98 Satz 4 Rn. 39; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 98 Rn. 74).
So liegt es hier. Die beanstandete Festsetzung betrifft nicht die Baumaßnahmen als solche, sondern lediglich die hierfür vorgesehenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Würde der Verfassungsgerichtshof den Bebauungsplan insgesamt für nichtig erklären, wäre den bereits realisierten Baumaßnahmen die Rechtsgrundlage entzogen. Der hierdurch herbeigeführte Zustand stünde einer verfassungsgemäßen Regelung noch ferner als die jetzige Rechtslage. Es ist auch davon auszugehen, dass die Gemeinde Wenzenbach hinsichtlich der Ausgleichsund Ersatzmaßnahmen innerhalb eines Zeitraums von neun Monaten nach Zugang der Entscheidung eine hinreichend bestimmte Regelung im Bebauungsplan treffen oder mit dem Antragsteller im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags gemäß § 1 a Abs. 3 Satz 4 i. V. m. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB vereinbaren kann, zumal dieser angegeben hat, mit einer partiellen Inanspruchnahme seines Grundstücks einverstanden zu sein. Deshalb sieht der Verfassungsgerichtshof davon ab, den gesamten Bebauungsplan für nichtig zu erklären. Mit Ausnahme der Festsetzungen zu den Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf dem Grundstück Fl.Nr. 253/2 bleibt der Bebauungsplan daher in der Übergangszeit weiter anwendbar.
VI.
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Die Gemeinde Wenzenbach hat dem Antragsteller die ihm durch das Popularklageverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten (Art. 27 Abs. 3 VfGHG).


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