Baurecht

Verjährungsbeginn bei Beseitigungsansprüchen wegen Feuchtigkeitseinwirkungen an einer Garagenwand

Aktenzeichen  4 U 7/16

Datum:
12.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 134850
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 199 Abs. 4, § 823, § 906 Abs. 2 S. 2, § 1004 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Ist ein positives Tun des Schädigers in sich abgeschlossen, ergreift die Verjährung von vornherein auch jene schädlichen Folgen, die ohne Zutun des Schädigers zeitweilig wiederkehren. Von Dauerhandlungen und wiederholten Handlungen zu unterscheiden ist die einmalige Handlung, die eine dauernde Beeinträchtigung nach sich zieht. Hier entsteht der Anspruch auf Beseitigung oder Schadensersatz bereits mit Beginn der Beeinträchtigung. Für die Entstehung des Beseitigungsanspruchs kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem die fortdauernde Beeinträchtigung vorauszusehen war und zum Gegenstand einer Beseitigungsklage gemacht werden konnte. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Vertraglich begründete Unterlassungsansprüche beginnen mit der erstmaligen Beeinträchtigung auch dann zu verjähren, wenn weitere Beeinträchtigungen folgen. Dies gilt auch für Unterlassungsansprüche hinsichtlich absolut geschützter Rechtsgüter, so dass es im Ergebnis zu einem Auseinanderfallen von wahrer und durchsetzbarer Rechtslage kommen kann. Voraussetzung ist, dass das weitere Verhalten die Fortsetzung des bisherigen ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

12 O 88/15 2015-12-09 Urt LGCOBURG LG Coburg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Coburg vom 09.12.2015, Az. 12 O 88/15, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Coburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 9.500,00 € festgesetzt (wie in erster Instanz).

Gründe

Die Parteien sind Nachbarn in A..
Der Kläger verlangt Beseitigung und Schadensersatz nach Feuchteeinwirkungen auf seine Garagenwand im Zusammenhang mit dem 1998 erfolgten Anbau eines Carports durch die Beklagten an seine im Jahr 1993 errichtete Garage.
Die Beklagten lagern im Carport vor der Seitenwand der Garage des Klägers Holz (Lichtbilder in den Akten). Darüber streiten die Parteien schon seit den Jahren 2002/2003. An der Garagenwand des Klägers entstanden Putzschäden, welche die Beklagten 2004 beseitigten. Später entstanden neue Schäden, über deren Ursache (Holzlagerung / aufsteigende Feuchtigkeit) die Parteien ebenfalls streiten.
1. Das Landgericht hat die zunächst zum Amtsgericht erhobene Klage (Anträge und Hilfsanträge: Urteil S. 3/4) nach Verweisung und Beweisaufnahme (vom Amtsgericht erhobenes Sachverständigengutachten) abgewiesen. Der Schadensersatzanspruch und der Beseitigungsanspruch (eindringende Feuchtigkeit) seien verjährt. Zudem habe der Kläger die Passivlegitimation der Beklagten nicht bewiesen. Ein Schadensersatzanspruch (Zahlung von 1.000 €) sei nicht gegeben, weil der Kläger nicht bewiesen habe, dass die Beklagten eine Geländeauffüllung veranlasst haben. Die Verjährung habe 2003 (Kenntnis des Klägers, Schriftsatz vom 15.07.2015, Bl. 227 d.A.) bezüglich des Unterlassungsanspruchs und 1998 bezüglich des Beseitigungsanspruchs begonnen (Störungsquelle Carport / Literatur- und Rechtsprechungsnachweise, vgl. Urteil S. 9). Bezüglich der Beseitigung der Sperrholzplatte habe der Kläger keinen bauordnungsrechtlichen Anspruch auf Abstandhaltung bei einer auf die Grenze gesetzten Garage (Urteil S. 10). Auf die Feststellungen des Landgerichts wird Bezug genommen.
2. Mit der Berufung verfolgt der Kläger gegen die Beklagten folgende Anträge weiter (wegen der genauen Formulierung der Anträge vgl. die Berufungsbegründung vom 29.02.2016, S. 2 bis 4): (1) Aufhebung des angefochtenen Urteils, (2) Zahlung von 1.000 € und Zinsen, (3) Beseitigung einer (vom Sachverständigen festgestellten) Belüftungsbehinderung (Holz an Garagenaußenwand) und (4) Beseitigung einer Feuchtigkeitseinwirkung auf den Garagenaußenputz. Hilfsweise verfolgt der Kläger (1) den Antrag auf Zurückverweisung der Sache an das Landgericht und (2) vier weitere Hilfsanträge („HiA“) zum Hauptantrag Ziffer 4, nämlich (HiA 1) Herstellung und Einbau von Erdreich an der Garagenaußenwand zur Vermeidung einer Schädigung durch Wasser und Feuchtigkeit und Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten für die Durchfeuchtung der Garagenaußenwand, (HiA 2) Zurückführung der Feuchtigkeit an der Garagenaußenwand auf unter 61 Digits, (HiA 3) Maßnahmen zur Vermeidung des Feuchtigkeitseintritts vom Grundstück der Beklagten in die Garagenaußenwand, die zu mehr als 60 Digits führt, und (HiA 4) Maßnahmen zur Vermeidung des Feuchtigkeitseintritts vom Grundstück der Beklagten in die Garagenaußenwand, ausgehend von Erdmassen / sonstigen Bodenmassen.
Zur Begründung trägt er vor:
Das Landgericht habe den Sachverständigen entgegen dem Antrag des Klägers (Schriftsatz vom 04.11.2015, S. 5, Bl. 287 d.A.) zum Gutachten vom 10.02.2014 (Wassereintritt durch Erdaufschüttung / Zustandsstörer) nicht gehört und auch kein Ergänzungsgutachten (Zustandsverantwortlichkeit der Beklagten, siehe schon Schriftsatz vom 25.04.2014, S. 5, Bl. 95 d.A.) unter Hinweis auf die Unwirtschaftlichkeit (Protokoll vom 21.10.2015, S. 2, Bl. 270 d.A.) erholt („unvollständige Tatsachenfeststellung“). Zu Unrecht habe das Landgericht Verjährung angenommen. Es komme auf den Beginn der Beeinträchtigungen durch Feuchtigkeit an. Diese fänden aber immer wieder statt. Den Entschädigungsanspruch (analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB – Feuchteeinwirkungen, Schriftsatz vom 24.03.2014, Bl. 71/76 -faktischer Duldungszwang) habe es zu Unrecht als Schadensersatzanspruch (§ 823 BGB) eingeordnet und die Argumentation des Klägers (Schriftsatz vom 24.03.2014) rechtsfehlerhaft nicht beachtet. Die angebrachte Sperrholzplatte müsse der Kläger nicht dulden, weil sie die Belüftung der Garagenwand beeinträchtige (gegenseitige Rücksichtnahme – kein Interesse der Beklagten).
3. Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung. Sie bestreiten, dass Feuchtigkeit von ihrem Grundstück eindringt, und berufen sich auf Verjährung. Der Kläger verhalte sich widersprüchlich, weil die Beklagten auf seinen Wunsch die Sperrholzplatte mit Abstandshaltern (= ausreichende Hinterlüftung) angebracht hätten. Die Erdmassen, die eine Durchfeuchtung der Garagenwand verursacht haben sollen, seien bereits bei Erwerb des Grundstücks vorhanden gewesen. Der Kläger habe die Garagenwand nicht abgedichtet. Feuchtigkeit habe schon vor Errichtung des Carports einwirken können. Deswegen hätten die Beklagten die Wand auch auf Wunsch des Klägers 2003/2004 gestrichen. Ansprüche könnten nur an eine Handlung im Jahr 1998 anknüpfen.
4. Wegen der Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Parteivorbringen Bezug genommen. Beweis ist nicht erhoben worden.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Landgericht hat bezüglich der geltend gemachten Ansprüche auf Beseitigung von Feuchtigkeitseinwirkungen (§ 1004 BGB) bzw. auf einen angemessenen Ausgleich (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB) zu Recht Verjährung angenommen. Dem folgt der Senat.
Ergänzend wird ausgeführt:
1. Es ist von folgendem zeitlichen Ablauf auszugehen: Anbau eines Carports durch die Beklagten (1998) an die (1993 errichtete) Garage des Klägers, Streit über lagerndes Holz an der klägerischen Garagenmauer seit den Jahren 2002/2003, Putzschäden 2004 von den Beklagten erstmals beseitigt, später Auftreten neuer Schäden, Klage vom 26.08.2013, Klageerweiterung (Beseitigung von Feuchtigkeit) mit Schriftsatz vom 25.04.2014.
2. Nach den denkbaren Varianten ist Verjährung eingetreten:
a. Stellt man auf die Errichtung des Carports (so das Landgericht: „Störungsquelle“) mit der entsprechenden Erdaufschüttung im Jahr 1998 ab, so ist die absolute (kenntnisunabhängige) Verjährung (§ 199 Abs. 4 BGB n.F.) spätestens am 31.12.2011 (EG BGB 229 § 6 Abs. 4 S. 1 BGB) eingetreten.
b. Stellt man auf die Kenntnis ab, so wusste der Kläger seit dem Schaden 2004, dass am Putz Schaden entsteht. Wenn das allein ausreichen würde (vgl. aber Palandt / Ellenberger, 75 Auflage 2016, § 199, RN 28), wäre Verjährung spätestens am 31.12.2007 eingetreten.
c. Wenn dem Kläger die Ursache (Holzlagerung oder aufsteigende Feuchtigkeit) nicht bekannt war (wovon auszugehen ist) und auch nicht bekannt sein konnte (was bezweifelt werden kann), dann wird der Argumentation des Landgerichts zu „ersten Pflichtwidrigkeit“ im Jahr 2003 mit der Folge der (kenntnisunabhängigen) Verjährung (§ 199 Abs. 4 BGB) zum 31.12.2013 gefolgt (Urteil S. 9). Ist ein positives Tun des Schädigers in sich abgeschlossen, ergreift die Verjährung von vornherein auch jene schädlichen Folgen, die ohne Zutun des Schädigers zeitweilig wiederkehren (MüKo – Grothe, BGB, 7. Auflage 2015, § 1004, RN 10 m.w.N.). Von Dauerhandlungen und wiederholten Handlungen zu unterscheiden ist – wie hier – die einmalige Handlung, die eine dauernde Beeinträchtigung nach sich zieht. Hier entsteht der Anspruch auf Beseitigung oder Schadensersatz bereits mit Beginn der Beeinträchtigung (a.a.O., § 1004, RN 15). Dies gilt z.B. für den Anspruch auf Beseitigung einer Eigentumsstörung nach § 1004 Abs. 1 BGB. Für die Entstehung des Beseitigungsanspruchs kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem die fortdauernde Beeinträchtigung vorauszusehen war und zum Gegenstand einer Beseitigungsklage gemacht werden konnte. Dies war 2003 der Fall. Die Klage vom 26.08.2013 war – so das Landgericht zutreffend – zunächst (soweit hier von Bedeutung) nur auf Schadensersatz von 1.000 € und nicht auf Beseitigung gerichtet. Die Klageerweiterung erfolgte erst mit Schriftsatz vom 25.04.2014 (Bl. 91 d.A.).
d. Auf ein (immer wiederkehrendes) pflichtwidriges Unterlassen oder Handeln der Beklagten kann nicht abgestellt werden. Der Kläger argumentiert, die Beklagten würden es bei jeder Feuchtigkeitseinwirkung unterlassen, die Störungsquelle zu beseitigen. Weil immer wieder Feuchtigkeit einwirken könne, könne ein Unterlassungsanspruch nie verjähren.
Dem folgt der Senat nicht.
Der an der vom Kläger zitierten Stelle (Palandt / Bassenge, a.a.O., § 1004, RN 45) geschilderte Fall, wonach der Beseitigungsanspruch mit jeder Beeinträchtigung neu entsteht, liegt nicht vor, weil der behauptete Feuchtigkeitseintritt nicht auf einer (wiederholten) Handlung der Beklagten, sondern auf einem Zustand beruht. Bassenge verweist an zitierter Stelle auf BGH NJW 1990, 2555 (= BGH V ZR 3/89). Dort (RN 24 bei JURIS) ist ausgeführt, es gehe (im dortigen Beispielsfall) nicht um die Fortdauer von schädigenden Einwirkungen ein und derselben Handlung und ihre Beseitigung (wie aber vorliegend), sondern um die Wiederholung gleichartiger Rechtsverletzungen und ihre Unterlassung. Vorliegend können gleichartige Rechtsverletzungen der Beklagten nicht angenommen werden; es geht vielmehr um die Fortdauer einer behaupteten schädigenden Einwirkung.
aa. Vertraglich begründete Unterlassungsansprüche beginnen mit der erstmaligen Beeinträchtigung auch dann zu verjähren, wenn weitere Beeinträchtigungen folgen (vgl. die nach Ansicht des Senats zutreffende Kommentierung bei Staudinger / Frank Peters / Florian Jacoby (2014) BGB § 199, RN 110 unter Verweis auf RGZ 63, 252). Dies gilt auch für Unterlassungsansprüche hinsichtlich absolut geschützter Rechtsgüter (a.a.O., RN 111), so dass es im Ergebnis zu einem Auseinanderfallen von wahrer und durchsetzbarer Rechtslage kommen kann (vgl. hierzu auch BGH V ZR 141/10, RN 5, 6, 9 bei JURIS). Voraussetzung ist freilich, dass das weitere Verhalten die Fortsetzung des bisherigen ist. Daran kann es fehlen, wenn es andere Dimensionen erreicht. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es liegt – die Behauptung des Klägers als zutreffend unterstellt – eine dauernde (nicht von einem Verhalten der Beklagten beeinflusste) Störungsquelle vor, bei der die Verjährung fortläuft.
bb. Dies gilt auch für Beseitigungsansprüche (Staudinger, a.a.O., RN 115, 116). Einen neuen Verjährungsbeginn wird man nur dann und insoweit annehmen können, wie neue und qualitativ andersartige Störungen eintreten (vgl. Staudinger a.a.O., RN 116). Dies ist ebenfalls nicht vorgetragen oder ersichtlich.
3. Bezüglich der Beseitigung der Belüftungshinderung (Sperrholzplatte) folgt der Senat der Argumentation des Landgerichts (Urteil S. 10). Zwischen der Holzlagerung und dem Putzschaden besteht (nach beiden Gutachten) kein Ursachenzusammenhang. Zudem liegt eine Belüftungsbehinderung wegen des (detaillierten und ohne weiteres nachvollziehbaren) Privatgutachtens des Architekten T. vom 11.04.2014 (Anlage B 19) nicht vor.
4. Die Hilfsanträge 1 bis 4 zum Hauptantrag 4 folgen als Modifikationen des Beseitigungsanspruchs dessen Schicksal (Verjährung), weil sie auf das gleiche Ziel gerichtet sind.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1 (Kosten) und §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit) sowie § 543 Abs. 2 ZPO (Nichtzulassung der Revision).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben