Baurecht

Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung für ein Einzelhaus unter Beseitigung der bestehenden Doppelhaushälfte, Verhältnis bebaute zu unbebauter Fläche, Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot (bejaht)

Aktenzeichen  M 8 K 19.6197

Datum:
8.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41762
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 68
BauGB § 34
BauNVO § 22

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erteilung der beantragten Baugenehmigung, § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. Art. 59 Bayerische Bauordnung (BayBO) besteht nicht. Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Einschlägig ist vorliegend das vereinfachte Genehmigungsverfahren gem. Art. 59 BayBO. Die Baugenehmigung kann nicht erteilt werden, da das Bauvorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO i.V.m. §§ 29 ff. Baugesetzbuch (BauGB).
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens bestimmt sich vorliegend im Hinblick auf das vorhandene, gemäß § 173 Abs. 3 Bundesbaugesetz (BBauG) und § 233 Abs. 3 BauGB übergeleitete und fortgeltende Bauliniengefüge nach § 30 Abs. 3 BauGB und im Übrigen, da keine weitergehenden bauplanungsrechtlichen Festsetzungen vorhanden sind, nach § 34 BauGB. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich – insbesondere für das hier in Streit stehende Maß der baulichen Nutzung und der Bauweise – nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Die Zulässigkeit eines Vorhabens innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils setzt danach voraus, dass es sich nach dem Maß der baulichen Nutzung und der Bauweise in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.
1. Das Vorhaben fügt sich nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, da es sich nicht innerhalb des Rahmens hält, der durch die in der Umgebung vorhandene Bebauung gezogen wird und das streitgegenständliche Vorhaben städtebauliche Spannungen begründen würde.
Maßgeblicher Beurteilungsrahmen für das Vorhaben ist die nähere Umgebung. Berücksichtigt werden muss hier die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann, und zum anderen insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstückes prägt oder doch beeinflusst. Welcher Bereich als „nähere Umgebung“ anzusehen ist, hängt davon ab, inwieweit sich einerseits das geplante Vorhaben auf die benachbarte Bebauung und sich andererseits diese Bebauung auf das Baugrundstück prägend auswirken (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2013 – 14 B 11.1238 – juris Rn. 19 m.w.N.). Daraus folgt, dass nicht nur die unmittelbare Nachbarschaft des Baugrundstücks zu berücksichtigen ist, sondern auch die Bebauung der Umgebung insoweit berücksichtigt werden muss, als auch diese noch prägend auf das Baugrundstück wirkt (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Mai 2021, § 34 Rn. 36). Wie weit diese wechselseitige Prägung reicht, ist eine Frage des Einzelfalls. Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (vgl. BayVGH, B.v. 27.9.2010 – 2 ZB 08.2775 – juris Rn. 4; U.v. 10.7.1998 – 2 B 96.2819 – juris Rn. 25).
Dabei ist die nähere Umgebung für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB aufgeführten Zulässigkeitsmerkmale gesondert zu ermitteln, weil die prägende Wirkung der jeweils maßgeblichen Umstände unterschiedlich weit reichen kann (vgl. BVerwG, B.v. 6.11.1997 – 4 B 172.97, NVwZ-RR 1998, 539; BayVGH, U.v. 18.7.2013 – 14 B 11.1238 – juris Rn. 19). Bei den Kriterien Nutzungsmaß und überbaubare Grundstücksfläche ist der maßgebliche Bereich in der Regel enger zu begrenzen als bei der Nutzungsart (vgl. BayVGH, B.v. 16.12.2009 – 1 CS 09.1774 – juris Rn. 21 m.w.N.). Entscheidend bleiben in jedem Fall die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall (vgl. OVG NRW, U.v. 1.3.2017 – 2 A 46/16 – juris Rn. 35 m.w.N.).
1.1. Dies zugrunde gelegt, gehören die Grundstücke nördlich der … straße von der Ecke … straße/ …promenade bis Ecke … straße/ … straße zur maßgeblich prägenden Umgebung. Diese Grundstücke zeichnen sich durch einen ähnlichen Grundstückszuschnitt und eine überwiegend einheitliche Bebauung aus. Die Gebäude auf den Grundstücken …str. 25/27, … straße 1/ …str. 17, …str. 13/15, …str. 11/ … Weg 2, … Weg 1/ …str. 5 sowie …str. 3/ … straße 3 sind jeweils eingeschossig mit ausgebautem Dachgeschoss und steilgestelltem Satteldach. Auf den Grundstücken …str. 23/ … Str. 2 und …str. 29 befinden sich zweigeschossige Gebäude mit ausgebauten Dachgeschossen und Satteldach. Die vorgenannten Grundstücke sind überwiegend mit in der Kubatur ähnlichen ein- bis zweigeschossigen Baukörpern in offener Bauweise bebaut, an die sich im rückwärtigen Teil des Grundstücks Nebengebäude anschließen. Dieser einheitliche Eindruck wird aufgrund der städtebaulich einheitlich wirkenden weitestgehend homogenen Struktur auch nicht dadurch unterbrochen, dass die Gebäude auf den Grundstücken …str. 23/ … Str. 2 und …str. 29 ein Geschoss mehr aufweisen und die Baukörper insgesamt größer sind. Die Gebäude nördlich der … straße prägen einander in bauplanungsrechtlicher Hinsicht nach dem Ergebnis des gerichtlichen Augenscheins erkennbar.
Ob auch die Grundstücke auf der gegenüberliegenden Straßenseite, südlich der … straße zur maßgeblichen Umgebung zu zählen sind, kann offenbleiben. Dieser Bereich weist eine – gerade im Vergleich zu den Grundstücken nördlich der … straße – uneinheitlichere Bebauung auf und zeichnet sich durch unterschiedlich große und vom Ausnutzungsgrad (vermehrt) weniger kleinteilige Bebauung aus. Die dortige Bebauung kann aufgrund ihrer gegenüber der Nordseite des … straße geringen Dichte jedenfalls nicht als Vorbild für das geplante Maß der baulichen Nutzung dienen.
Zur maßgeblichen Umgebung gehören jedenfalls nicht die nordöstlich des Baugrundstücks anschließenden Grundstücke im Quartier … straße/ … Str./ … straße/ …promenade, d.h. die Grenze der wechselseitigen Prägung ist bei den Grundstücken mit den FlNrn. …, … zu ziehen. Die Bebauung entlang der … straße unterschiedet sich strukturell von dem Innern des Gevierts durch deutlich kleinere Grundstücke mit einem verhältnismäßig hohen baulichen Ausnutzungsgrad (vgl. VG München, U.v. 11.4.2016 – M 8 K 15.1603).
Bedeutsam für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung nach dem Maß der baulichen Nutzung sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts solche Maße, die nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung leicht in Beziehung zueinander setzen lassen. Als Bezugsgrößen zur Ermittlung des Maßes der baulichen Nutzung sind vorrangig Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bebauung zusätzlich auch ihr Verhältnis zur Freifläche heranzuziehen (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7/15 – juris Rn. 17 m.w.N.). Das Vorhaben fügt sich nach dem Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn es in der näheren Umgebung Referenzobjekte gibt, die bei einer wertenden Gesamtbetrachtung von Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bebauung auch nach dem Verhältnis zur Freifläche, vergleichbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Leitsatz 2, Rn. 20, B.v. 14.3.2013 – 4 B 49.12 – juris Rn. 5; B.v. 3.4.2014 – 4 B 12.14 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 14.2.2018 – 1 CS 17.2496 – juris Rn. 13). Auf die Maßbestimmungsfaktoren Grundfläche, Geschosszahl und Höhe ist kumulierend abzustellen. Die Übereinstimmung von Vorhaben und Referenzobjekten nur in einem Maßfaktor genügt nicht, weil sie dazu führen könnte, dass durch eine Kombination von Bestimmungsgrößen, die einzelnen Gebäude in der näheren Umgebung jeweils separat entnommen werden, Baulichkeiten entstehen, die in ihrer Dimension kein Vorbild in der näheren Umgebung haben. Dies widerspräche der planersetzenden Funktion des § 34 Abs. 1 BauGB, eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung eines Bereichs zu gewährleisten (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7/15 – juris Rn. 20). Dagegen ist der Maßbestimmungsfaktor des Verhältnisses von bebauter zu Freifläche nicht kumulativ, d.h. nicht auf dieselben Referenzobjekte beschränkt, anzuwenden (vgl. VG München, U.v. 9.11.2020 – M 8 K 20.2917 – juris Rn. 43, U.v. 22.1.2018 – M 8 K 16.3662 – juris Rn. 47; BayVGH, U.v. 12.12.2013 – 2 B 13.1995 – juris Rn. 19). Die mit diesem Kriterium bezweckte Steuerung der Bebauungsdichte wird – abhängig von der konkreten Situation (vgl. VG München, U.v. 25.1.2016 – M 8 K 14.5723 – juris Rn. 46) – nicht nur durch die relative und optisch allenfalls bei sehr ähnlich großen und ähnlich geschnittenen Grundstücken wahrnehmbare Grund- bzw. Geschossflächenzahl, sondern insbesondere durch die optisch unabhängig von den Grundstücksgrenzen gut wahrnehmbaren und die Wirkung der Bebauungsdichte deutlich beeinflussenden Gebäudeabstände (vgl. VG München, U.v. 9.11.2020 – M 8 K 20.2917 – juris; BayVGH, U.v. 12.12.2013 – 2 B 13.1995 – juris Rn. 18; B.v. 14.2.2018 – 1 CS 17.2496 – juris Rn. 18) und/oder die Größe der verbliebenen Gartenanteile in einem bestimmten Grundstücksbereich bestimmt (vgl. BayVGH, U.v. 12.12.2013 – 2 B 13.1995 – juris Rn. 18). Der Maßbestimmungsfaktor des Verhältnisses von bebauter zu unbebauter Fläche ist nur bei offener Bebauung heranzuziehen. Im Rahmen des Einfügens nach dem Maß der baulichen Nutzung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB kommt es auf den Verlauf der Grundstücksgrenzen und die Lage der Gebäude im Verhältnis zu diesen nicht an, sodass nicht maßgeblich ist, ob ein Grenzabstand eingehalten wird. Wesentlich für die nach dem Lageplan und dem unmittelbaren Eindruck vor Ort optisch wahrnehmbare Bebauungsdichte sind damit die Abstände der Gebäude zueinander. Diese Herangehensweise trägt dem Umstand Rechnung, dass die Frage, ob sich ein Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung einfügt, wahrnehmbar bzw. aus der Umgebung ablesbar sein soll.
1.2. Das von der Klägerin geplante Vorhaben findet hinsichtlich des Verhältnisses von bebauter Fläche zu Freifläche in der maßgeblichen näheren Umgebung kein Vorbild.
Dort herrscht eine einheitliche Struktur vor, die im nordwestlichen Teil durch seitliche Gebäudeabstände von etwa 10 m und auch zwischen … Straße und …traße von noch größeren seitlichen Abständen geprägt ist.
Selbst die dichter bebauten Grundstücke … Str. 2 und …str. 23 weisen als Gesamtgebäude betrachtet östlich einen Abstand von über 6 m zum Gebäude …str. 25 und westlich einen Abstand von 4 m zur … Straße auf. Im Norden besitzt das Gebäude … Str. 2 einen eingeschossigen Anbau, der zur Hälfte als Eingang zum Wohnhaus und zur nördlichen Grundstücksgrenze als Garage genutzt wird. Der Gebäudeabstand zur … Str. 4 beträgt – unter Berücksichtigung des eingeschossigen Anbaus, der zum Hauptgebäude zu zählen ist – ca. 10 m. Das Gebäude …str. 23 liegt ca. 14 m von dem Gebäude … Str. 4 von ca. 14 m entfernt. Durch das hier geplante Mehrfamilienhaus würden sich die Gebäudeabstände erheblich verringern und die Freiflächen würden reduziert werden. Zur rückwärtigen FlNr. … würde ein Gebäudeabstand von ca. 8 m bestehen. An der West- und Ostseite würde lediglich ein Gebäudeabstand von jeweils 3,2 m verbleiben. Das geplante Gebäude rückt zudem deutlich – bis zur straßenseitigen Baugrenze – an die … straße heran. Durch die Einhausung der Tiefgaragenzufahrt an der östlichen Grundstücksgrenze und dem Mobilitätsraum an der westlichen Grundstücksgrenze gehen Freiflächen entlang der Grundstücksgrenze verloren. Eine ähnliche Bebauungsdichte ist im maßgeblichen Gebiet nicht vorzufinden. Die durch das streitgegenständliche Vorhaben entstehenden Gebäudeabstände würden im Vergleich zu dem Gebäude auf dem Grundstück … Str. 2/ …str. 23 auf drei Seiten verringert. Auch die umgebenden Freiflächen hinsichtlich der Bestandsgebäude würden minimiert. Auf die Grundstücksgrenzen kommt es insoweit nicht an. In der Gesamtbetrachtung ist festzustellen, dass eine Bebauungsdichte in dem maßgeblichen Gebiet entsteht, die so nicht vorhanden ist. Vor diesem Hintergrund fügt sich das streitgegenständliche Bauvorhaben hinsichtlich des Verhältnisses bebauter zu unbebauter Fläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
Auch wenn man unterstützend die relative Größe der Verhältniszahl bebaute/ unbebaute Fläche – ohne Beachtung der Feinheiten der Berechnungsregeln der Baunutzungsverordnung (vgl. BVerwG, U.v. 23.3.1994 – 4 C 18.92 – juris Rn. 9) – heranziehen würde, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Nach Angaben der Klägerin beläuft sich die Verhältniszahl auf 0,42. Nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Parteien liegt die im Geviert größte Verhältniszahl – unter ausschließlicher Berücksichtigung der Hauptnutzung zuzuordnenden Gebäude – bei 0,37.
1.3. Vorhaben, die den durch die Umgebung vorgegebenen Rahmen überschreiten, können sich zwar dennoch in die maßgebliche Umgebung einfügen. Denn das Kriterium des Einfügens bezweckt keine Einheitlichkeit, sondern Harmonie (BVerwG, U.v. 26.5.1978 – IV C 9.77 – juris Rn. 47). Das Vorhaben fügt sich in die maßgebliche Umgebung ein, wenn keine bodenrechtlich beachtlichen Spannungen begründet oder erhöht werden. Bodenrechtlich beachtliche und bewältigungsbedürftige Spannungen sind dadurch gekennzeichnet, dass das Vorhaben die vorhandene Situation in bauplanungsrechtlich relevanter Weise verschlechtert, stört oder belastet und das Bedürfnis hervorruft, die Voraussetzungen für seine Zulassung unter Einsatz der Mittel der Bauleitplanung zu schaffen (BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5/12 – juris Rn. 17, BayVGH, B.v. 4.7.2016 – 14 ZB 15.891 – juris Rn. 11). Betrachtet werden müssen die konkreten Wirkungen des Vorhabens in seiner konkreten Umgebung; nur abstrakte, entfernt gegebene Möglichkeiten genügen nicht (BayVGH, U.v. 2.8.2017 – 2 B 17.544 – juris Rn. 24; Jeromin in: Kröninger/Jaschke/Jeromin, BauGB, 4. Auflage 2018, § 34 Rn. 33). Die bodenrechtlichen Spannungen können darin bestehen, dass das Vorhaben aufgrund seiner Vorbildwirkung in naher Zukunft eine solche Verschlechterung nach sich zieht (BVerwG, U.v.15.12.1994 – 4 C 13/93 – juris Rn. 22).
Das streitgegenständliche Vorhaben würde jedoch aufgrund der (weiteren) baulichen Verdichtung unter Verlust von Freiflächen gegenüber der bisher vorhandenen Bestandsbebauung eine unerwünschte Vorbildwirkung haben und damit bodenrechtliche Spannungen durch die hierdurch eröffnete Möglichkeit der Nachverdichtung erzeugen, etwa durch Anbauten oder vollständige Neuerrichtung von Gebäuden mit ähnlich intensiver Ausnutzung der jeweiligen Grundstücksfläche.
2. Das streitgegenständliche Vorhaben verstößt zudem gegen das Gebot der Rücksichtnahme, da es die mit der Doppelhaushälfte auf dem FlNr. … gebildete Schicksalsgemeinschaft einseitig auflöst mit der Konsequenz, dass die verbleibende Doppelhaushälfte – in der durch offene Bauweise geprägten Umgebung – baurechtswidrig auf der Grenze steht.
Das Rücksichtnahmegebot ist im Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 BauGB verankert. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann vorliegen, wenn ein Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil das Vorhaben es an der gebotenen Rücksicht auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt (vgl. BVerwG, U.v. 26.5. 1978 – IV C 9.77 – juris Rn. 46).
Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalls kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977 – 4 C 22.75 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4). Das Rücksichtnahmegebot ist dann verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – juris Rn. 22).
2.1. Die Umgebung ist von offener Bauweise geprägt. Das Gebäude der …str. 23/ … Str. 2 bildet – entgegen der Ansicht der Klagepartei – ein Doppelhaus (2.1.1.). Das im nordwestlichen Teil des Grundstücks …str. 29 liegende eingeschossige Gebäude stellt einen Fremdkörper dar, der die nähere Umgebung nicht prägt (2.1.2.).
Die nähere Umgebung, die für jedes Kriterium des Einfügens im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gesondert abzugrenzen ist (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38/13 – juris Rn. 7 m.w.N.), wird nach dem Ergebnis des gerichtlichen Augenscheins – auch für das Einfügenskriterium der Bauweise – durch die Bebauung auf den Grundstücken südlich der … straße von der …promenade bis zur … straße bestimmt.
Die maßgebliche nähere Umgebung weist – abgesehen von der Bebauung auf dem Grundstück …str. 29 – durchgängig eine offene Bauweise im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO) auf. Die hier vorzufindende hauptsächliche Bauform in Gestalt von Doppelhäusern ist der offenen Bebauung zuzurechnen.
2.1.1. Das Gebäude …str. 23/ … Str. 2 stellt ein Doppelhaus i.S.d. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO dar.
Hinsichtlich des Begriffes des Doppelhauses kann im unbeplanten Innenbereich als Auslegungshilfe auf die Vorschrift der Baunutzungsverordnung zurückgegriffen werden. Gem. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO versteht man unter einem Doppelhaus i.S.v. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO, eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden (BVerwG, U.v. 24.2.2000 – 4 C 12/98 – BVerwGE 110, 355 – juris Rn. 16). Ein Doppelhaus bilden zwei Gebäude nur dann, wenn sie derart zusammengebaut werden, dass sie einen Gesamtbaukörper bilden (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2000 – 4 C 12/98 – juris Rn. 18). Ein Doppelhaus verlangt ferner, dass die beiden Haushälften in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden (vgl. BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5/12 – juris Rn. 13 m.w.N.). Insoweit enthält das Erfordernis der baulichen Einheit sowohl ein quantitatives, als auch ein qualitatives Element (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2000 – 4 C 12.98 – juris Rn. 20; U.v. 19.3.2015 – 4 C 12.14 – juris Rn. 19; B.v. 14.9.2015 – 4 B 16.15 – juris Rn. 5). Ob die Gebäude eine bauliche Einheit bilden, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2000 – 4 C 12/98 – juris Rn. 22). In quantitativer Hinsicht sind dabei insbesondere die Geschosszahl, die Gebäudehöhe, die Bebauungstiefe und -breite sowie das durch diese Maße im Wesentlichen bestimmte oberirdische Brutto-Raumvolumen zu heranzuziehen. In qualitativer Hinsicht finden unter anderem auch auf die Dachgestaltung und die sonstige Kubatur des Gebäudes Berücksichtigung (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.2015 – 4 C 12/14 – juris Rn. 14 u. 18; U.v. 14.9.2015 – 4 B 16/15 – juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 11.12.2014 – 2 BV 13.789 – juris Rn. 27; B.v. 15.9.2015 – 2 CS 15.1792 – juris Rn. 13).
Nicht erforderlich ist, dass die Doppelhaushälften gleichzeitig oder deckungsgleich errichtet werden. Insbesondere schließt das Erfordernis der baulichen Einheit nicht aus, dass die das Doppelhaus bildenden Gebäude an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zueinander versetzt oder gestaffelt aneinandergebaut werden (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2000 – 4 C 12/98 – juris Rn. 18). In welchem Umfang die beiden Haushälften an der Grenze zusammengebaut sein müssen, lässt sich weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual festlegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2000 – 4 C 12/98 – juris Rn. 22).
Die Gebäude … Str. 2 und …str. 23 erscheinen – ungeachtet der Tatsache, dass das Gebäude der … Str. 2 sowohl Richtung Südwesten um 1,5 – 2 m als auch nach Nordosten um einen überdachten Hauseingang versetzt ist – als einheitlicher Baukörper. Die Gebäude sind – abgesehen von diesen beiden das Gebäude erweiternden Anbauten – grenzständig über die gesamte Seitenlänge aneinandergebaut. Die beiden Gebäudehälften schließen in ihrer Höhe bündig ab. Sie unterscheiden sich in ihrer Breite nur um ca. 1 m, was insofern – zumindest optisch – durch einen eingeschossigen, etwa 1 m breiten Erker am Gebäude …str. 23, ausgeglichen wird. Die Einheitlichkeit des Baukörpers ergibt sich insbesondere daraus, dass dieser an der gemeinsamen Grundstücksgrenze keinen wesentlichen Versatz aufweist. Die zweigeschossigen Hauptgebäudeteile besitzen die gleiche Tiefe. Keine der Gebäudehälften erscheint überproportioniert, sodass sich der Anschein einer einseitig grenzständigen Bebauung ergeben würde.
Der eingeschossige Anbau mit Terrasse zur Straßenseite des Anwesens … Str. 2 hat nicht ein solches Gewicht, dass der Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus entstehen würde. Der Anbau bleibt hinsichtlich seiner Geschossigkeit und Maße hinter dem übrigen Baukörper zurück. Trotz der hierdurch entstehenden unterschiedlichen Bauvolumina bleibt ein einheitlicher Baukörper, der sich an der Gebäudefluchtlinie orientiert. Gleiches gilt für den Anbau im rückwärtigen Teil des Grundstücks. Dieser wird zur Hälfte, entlang der Grundstücksgrenze zum Grundstück FlNr. 313/20, nach den Erkenntnissen des gerichtlichen Augenscheins, als Garage genutzt. Der andere Teil dieses rückwärtigen Anbaus, der an das zweigeschossige Gebäude anschließt, stellt die Überdachung des Eingangs dar und ist damit zum Hauptbaukörper zu zählen. Der Anbau ordnet sich auch qualitativ unter. Er erscheint in seiner Kubatur insgesamt als typischer Garagenanbau und schließt – anders als der zweigeschossige Hauptbaukörper – mit einem Flachdach ab. Zwar handelt es sich hinsichtlich der Art der Nutzung – zum Teil – nicht um ein klassisches Nebengebäude. Darauf kommt es aber im Rahmen der qualitativen Merkmale auch nicht entscheidend an (BayVGH, U.v. 11.12.2014 – 2 BV 13.789 – juris Rn. 28). Insgesamt wird dieser Anbau, aufgrund seiner Höhe und Gestaltung, als Nebengebäude wahrgenommen.
An dem Ergebnis, dass die Gebäude als einheitlicher Baukörper erscheinen, ändert auch der an das Gebäude auf dem Grundstück … straße 23 anschließende eingeschossige – nach dem amtlichen Lageplan ca. 9 m lange und ca. 1 m breite – Erker nichts. Dieser ist jedoch aufgrund seiner Gestaltung, seines geringen Ausmaßes und der Entfernung von der gemeinsamen Grundstücksgrenze nicht geeignet, als Versatz der Gebäude zueinander wahrgenommen zu werden.
In quantitativer Hinsicht entsprechen sich die Dachgestaltungen der beiden Gebäudehälften. Sie verfügen beide über ein wenig steiles Satteldach. Die Kubaturen der Gebäude unterscheiden sich nicht wesentlich. Ein einheitlicher Gesamtbaukörper erfordert keine völlige Einheitlichkeit oder eine gleiche Fassadengestaltung (vgl. VG München, U.v. 26.6.2017 – M 8 K 16.2634 – juris Rn. 36). Nach Gesamtbetrachtung der qualitativen und quantitativen Kriterien bilden die beiden Gebäudehälften ein Doppelhaus i.S.d. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO.
2.1.2. Das im nordwestlichen Teil des Grundstücks …str. 29 liegende eingeschossige Gebäude ist als Fremdkörper anzusehen und prägt die nähere Umgebung nicht.
Auszusondern sind solche baulichen Anlagen, die nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfallen. Dies ist namentlich dann anzunehmen, wenn singuläre Anlage in einem auffälligen Kontrast zu der sie umgebenden, im Wesentlichen homogenen Bebauung stehen, soweit sie nicht ausnahmsweise ihre Umgebung beherrschen oder mit ihr eine Einheit bilden. In Betracht kommen insbesondere solche baulichen Anlagen, die nach ihrer – auch äußerlich erkennbaren – Zweckbestimmung in der näheren Umgebung einzigartig sind. Sie erlangen die Stellung eines „Unikats“ umso eher, je einheitlicher die nähere Umgebung im Übrigen baulich genutzt ist. Trotz ihrer deutlich in Erscheinung tretenden Größe und ihres nicht zu übersehenden Gewichts in der näheren Umgebung bestimmen sie nicht deren Eigenart, weil sie wegen ihrer mehr oder weniger ausgeprägt vom übrigen Charakter der Umgebung abweichenden Struktur gleichsam isoliert dastehen (vgl. BVerwG, U.v. 15.2.1990 – 4 C 23/86 – juris Rn. 15; BVerwG, U.v. 7. 12. 2006 – 4 C 11.05 – juris Rn. 9; VG München, U.v. 27.6.2016 – M 8 K 15.2110 – juris Rn. 46).
Das eingeschossige Gebäude an der nordwestlichen Grundstücksgrenze stellt einen Fremdkörper dar. Es hebt sich von der weit gehend homogenen Wohnbebauung, die die nähere Umgebung kennzeichnet, ab. Es handelt sich um eine singuläre Anlage, die in Kontrast zu der sie umgebenden, insbesondere im Hinblick auf die Bauweise, homogenen Bebauung steht. Das Gebäude unterscheidet sich auch insofern von der übrigen Bebauung, als es in seiner Höhe und Geschossigkeit hinter den übrigen Gebäuden in der näheren Umgebung zurückbleibt. Die nähere Umgebung wird durch das Gebäude nicht geprägt.
2.2. Die Bestandsgebäude auf dem Baugrundstück und dem Grundstück …str. 25 bilden – nach dem Ergebnis des Augenscheins und insoweit auch unstreitig zwischen den Beteiligten – ein Doppelhaus.
Nach dem im unbeplanten Innenbereich über das Gebot der Rücksichtnahme geltenden Grundsätzen der von dem Bundesverwaltungsgericht herausgearbeiteten Doppelhausrechtsprechung bindet der wechselseitige Verzicht auf seitliche Grenzabstände an den jeweiligen gemeinsamen Grundstücksgrenzen die benachbarten Grundeigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs. Das Abstandsgebot an der gemeinsamen Grundstücksgrenze wird auf Grundlage der Gegenseitigkeit überwunden. Die Baufreiheit wird hierdurch zugleich erweitert und beschränkt: Die bauliche Nutzbarkeit der häufig schmalen Grundstücke wird durch den Verlust seitlicher Grenzabstände erkauft. Diese enge Wechselbeziehung, die jeden Grundstückseigentümer zugleich begünstigt und belastet, ist Ausdruck einer planungsrechtlichen Konzeption. Sie ist aus städtebaulichen Gründen (Steuerung der Bebauungsdichte, Gestaltung des Orts- und Stadtbildes) gewollt und begründet ein nachbarliches Austauschverhältnis, das nicht einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht werden darf (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2000 – 4 C 12/98 – BVerwGE 110, 355 – juris Rn. 21, U.v. 19.3.2015 – 4 C 12/14 – juris Rn. 16 ff., U.v. 5.12.2013 – 4 C 5/12 – BVerwGE 148, 290 ff.). Dieses nachbarliche Austauschverhältnis rechtfertigt es, dem Bauherrn eine Rücksichtnahmeverpflichtung aufzuerlegen (vgl. BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5/12 – BVerwGE 148, 290 ff. – juris Rn. 22). Insofern ist es anerkannt, dass ein grenzständiger Bau ausgeschlossen ist, wenn er den bisher durch das Doppelhaus gezogenen Rahmen überschreitet. Im unbeplanten Innenbereich ergibt sich diese Beschränkung der Baufreiheit aus der Umgebungsbebauung (vgl. BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5/12 – BVerwGE 148, 290 ff. – juris Rn. 22).
2.3. Die durch Errichtung des Doppelhauses an der gemeinsamen Grundstücksgrenze begründete Schicksalsgemeinschaft darf nicht einseitig aufgehoben werden. Dies lässt sich ausdrücklich der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 2020 – 4 C 12/98 entnehmen […begründete in nachbarliches Austauschverhältnis, das nicht einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht werden darf.] (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2000 – 4 C 12/98 – BVerwGE 110, 355 – juris Rn. 21). Das geplante Bauvorhaben soll vorliegend nicht an der Grenze, sondern unter Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen errichtet werden. Auch hierdurch „entsteht“ ein einseitig grenzständiger Bau, dem es in der Umgebung an einem Vorbild fehlt. Dadurch, dass einseitig die zuvor begründete Schicksalsgemeinschaft aufgehoben wird, verbleibt die zweite Doppelhaushälfte – in einer durch offene Bauweise geprägten Umgebung – baurechtswidrig an der Grenze. Hierin liegt ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Das nachbarliche Austauschverhältnis wird durch die vorgesehene einseitige Auflösung der Schicksalsgemeinschaft in einem Maße aus dem Gleichgewicht gebracht, das deutlich über das hinausgeht, was ein nicht auf die andere Haushälfte abgestimmter Anbau mit sich bringt. Das hat der Nachbar nicht mehr hinzunehmen. Der Nachbar der verbleibenden Grundstückshälfte bedarf des Schutzes gegen eine einseitige Auflösung, da er in seiner Rechtsstellung erheblich betroffen ist. Er kann dabei nicht darauf verwiesen werden, er könne ein freistehendes Gebäude unter Wahrung der gesetzlichen Abstandsflächenvorschriften errichten. Sein aufgrund der planungsrechtlichen Schicksalsgemeinschaft entstandenes Grenzanbaurecht würde ihm jedenfalls entzogen. Ein Verzicht auf das Grenzanbaurecht kann jedoch unter Auflösung der Schicksalsgemeinschaft nur gemeinschaftlich erfolgen.
Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts betont, dass mit Blick auf die bauplanungsrechtlichen Ziele der Steuerung der Bebauungsdichte sowie der Gestaltung des Orts- und Stadtbildes ein Mindestmaß an Übereinstimmung verlangt werden kann. Diese bauplanungsrechtlichen Ziele werden erst Recht durch die Auflösung der Doppelhausgemeinschaft bei Belassung einer Doppelhaushälfte tangiert.
Diese Bindung der Grundeigentümer in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs wird zwar durch den erstmaligen Verzicht auf seitliche Grenzabstände begründet, sie endet jedoch nicht, wenn – wie die Bevollmächtigten der Klägerin ausführen – einseitig beschlossen wird, nun doch Grenzabstände einzuhalten und das Grundstück als Einzelhaus zu bebauen. Denn die zuvor begründete Schicksalsgemeinschaft kann nicht einseitig aufgehoben werden. Diese Erkenntnis steht nicht im Widerspruch zum Urteil der Kammer vom 28. Februar 2011 im Verfahren M 8 K 10.923. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt unterscheidet sich von dem vorliegenden insoweit, als in dieser Konstellation einseitig nur eine Doppelhaushälfte errichtet wurde, die Schicksalsgemeinschaft der beiden Doppelhaushälften somit nie begründet und damit auch nicht aus dieser ausgebrochen werden kann. Der Eigentümer der an der Grenze stehenden Haushälfte ist in einer solchen Konstellation auch nicht in gleichem Maße schutzbedürftig, da er sich nicht in ein gegenseitiges Austauschverhältnis begeben hat.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO).


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