Baurecht

Verpflichtungsklagen auf Erteilung dreier Vorbescheide für drei Bauvarianten (abgewiesen), Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich: Die Entscheidung, ob ein Bebauungszusammenhang gegeben ist, ist nicht nach geografisch-mathematischen, Maßstäben, sondern auf Basis einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten berücksichtigenden Bewertung zu treffen, Kein Bebauungszusammenhang mehr für ca. 10.000m² großes, mit einer alten, räumlich etwa 80 m zur nächsten Wohnbebauung abgesetzten Schnapsbrennerei bebautes, nur von zwei Seiten mit Bebauung umgebenes, am Ortsrand liegendes Grundstück, Widerspruch zu den Darstellungen des Flächennutzungsplanes, Befürchtung der Entstehung und Verfestigung einer Splittersiedlung

Aktenzeichen  AN 17 K 20.00498, AN 17 K 20.00499, AN 17 K 20.00500

Datum:
20.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 52137
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34, § 35, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr.1, Nr. 7, Abs. 4
Art. 71 BayBO

 

Leitsatz

Gründe

Die gemäß § 93 Satz 1 VwGO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen sind zulässig, jedoch unbegründet. Die Ablehnung der drei beantragten Vorbescheide durch den Beklagten durch drei Bescheide jeweils vom 20. Februar 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Voraussetzung für einen Anspruch auf Erteilung eines Vorbescheides ist nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 71 Satz 4 BayBO, dass dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, deren Prüfung durch die Bauaufsichtsbehörde der Kläger im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens beantragt hat. Dies waren für alle drei beantragten Varianten jeweils die Art und das Maß der baulichen Nutzung, für Variante 3 zusätzlich die Frage der überbaubaren Grundstücksfläche, also jeweils Belange des Bauplanungsrechts der §§ 29 bis 36 BauGB.
Ein Anspruch auf Erteilung eines Vorbescheides scheidet hinsichtlich der drei zur Prüfung gestellten Varianten aus, da sich das Vorhabengrundstück in Gänze im Außenbereich nach § 35 BauGB befindet, die Vorhaben jeweils keine privilegierten im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB sind und sie öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 2, Abs. 3 BauGB beeinträchtigen.
1. Das Vorhabengrundstück des Klägers mit der FlNr. … (Gemarkung …*) ist nicht mehr dem Innenbereich nach § 34 BauGB, sondern dem von § 35 BauGB erfassten Außenbereich zugehörig.
a) Der Innenbereich definiert sich nach § 34 Abs. 1 BauGB als im Zusammenhang bebauter Ortsteil. Der Bebauungszusammenhang reicht dabei soweit, wie eine tatsächlich vorhandene Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt (BayVGH, U.v. 31.10.2013 – 1 B 13.794 – juris Rn. 13), wobei das geplante Vorhaben, dessen Zulässigkeit zu bestimmen ist, außer Betracht bleibt (schon BVerwG, U.v. 6.12.1967 – IV C 94.66 – juris Rn. 27). Ein Ortsteil ist in Abgrenzung von einer Splittersiedlung jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organisch gewachsenen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 – NVwZ 2015, 1767 Rn. 11). Unter Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist die tatsächliche Bebauung zu verstehen, wobei die Gründe für deren Genehmigung unerheblich sind. Es muss sich aber um Bauwerke handeln, die optisch wahrnehmbar sind, ein gewisses Gewicht besitzen und die grundsätzlich dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Die Entscheidung, ob ein Bebauungszusammenhang gegeben ist, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern auf Basis einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten berücksichtigenden Bewertung zu treffen (BVerwG, B.v. 2.4.2007 – 4 B 7/07 – juris Rn. 5). Jedoch ist ein Grundstück regelmäßig nur dann dem Innenbereich zuzuordnen, wenn es an mindestens drei Seiten von Bebauung umgeben ist (BayVGH, B.v. 3.2.2014 – 1 ZB 12.468 – juris Rn. 3).
b) Diesen Maßstab zugrunde gelegt, handelt es sich bei dem Vorhabengrundstück des Klägers nicht mehr um ein Innenbereichsgrundstück. Zunächst bilden das auf dem Vorhabengrundstück stehende, als solches nicht mehr betriebene Brennereigebäude und die auf dem östlichen Nachbargrundstück FlNr. … stehende landwirtschaftliche Maschinenhalle mit Fahrsilo nicht für sich genommen schon einen eigenen Ortsteil, weil sie allenfalls eine aus zwei Gebäuden bestehende Splittersiedlung sind, deren Anordnung eher zufällig erscheint und die keine gewachsene Siedlungsstruktur abbilden, noch dazu die landwirtschaftliche Maschinenhalle nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dient (vgl. VGH BW, U.v. 17.10.2003 – 3 S 2298/02 – juris Rn. 24 ff., der zwar keine Mindestzahl von Gebäuden fordert, jedoch vier Gebäuden in der Regel nicht das erforderliche Gewicht für einen Ortsteil zumisst).
Das Grundstück des Klägers nimmt auch nicht am Bebauungszusammenhang der nächstgelegenen Bebauung des Ortsteils … teil und ist insbesondere keine bloße Baulücke. So ist es allenfalls von zwei Seiten von Bebauung umgeben, einerseits durch die auf der nordwestlich liegenden FlNr. … liegenden beiden Wohnhäuser, wobei das auf der FlNr. … liegende Trafohäuschen und die auf der FlNr. … befindliche alte, baufällige Halle mit Ablagerungen im Inneren mangels Eignung zum Aufenthalt von Menschen keine maßgebliche Bebauung in diesem Sinne darstellen. Andererseits durch die sich auf der östlich liegenden FlNr. … befindliche landwirtschaftliche Maschinenhalle mit Fahrsilo, wobei deren Gewicht einerseits dadurch gemindert wird, dass sie als gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiertes Gebäude auch im Außenbereich stehen dürfte und sie zum anderen nach Osten hin isoliert steht und ihrerseits wiederum nicht in einen weiteren Bebauungszusammenhang eingegliedert ist. Zwar können auch nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierte Vorhaben zur Entwicklung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles beitragen (BVerwG, U.v. 30.6.2015 – 4 C 5/14 – juris Rn. 14), jedoch ist dies nicht zwingend und hier aufgrund der isolierten Anordnung der Maschinenhalle auch nicht naheliegend. Nach Süden hin grenzt das Grundstück an den … bzw. überlappt ihn teils, sodann schließt sich die freie Landschaft an. Aber auch Richtung Norden in dem Grundstücksteil, der unmittelbar südlich an den … grenzt, fehlt die Anbindung an den Bebauungszusammenhang. Direkt gegenüber, jenseits des …, befindet sich nämlich ein mit Sonnenblumen bewachsenes, aber im Übrigen unbebautes Feld und daran östlich anschließend und etwa gegenüber dem alten Brennereigebäude situiert, eine Garagenanlage, die wiederum mangels Eignung zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen keine maßstabsbildende Kraft für den Bebauungszusammenhang aufweist. Schließlich deutet auch die schiere Größe des Vorhabengrundstücks mit 10.727 m² darauf hin, dass keine bloße Baulücke mehr angenommen werden kann, wenn davon auch etwa 1.000 m² mit der alten Brennerei bebaut sind (vgl. BayVGH, U.v. 16.6.2015 – 1 B 14.2772 – juris Rn. 21, der eine unbebaute Fläche von 3.300 m² für zu groß für eine Baulücke gehalten hat). Angesichts der Größe und Einbettung in die Umgebung ist das Grundstück des Klägers einer eigenständigen, gesonderten städtebaulichen Planung und Entwicklung fähig, was die Anwendung des § 34 BauGB ausschließt, weil dieser als planersetzende Norm voraussetzt, dass die bereits vorhandene Bebauung die unerlässlichen Grenzen für die Zulässigkeit des Vorhabens setzt (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger [EZBK], BauGB, 141. EL Februar 2021, § 34 Rn. 21). Die beiden Weiher – der eine am südlichen Rand des mittleren Grundstücksteils gelegen, der andere, größere in der südwestlichen Ausbuchtung – tragen keine abweichende Bewertung. Zwar können größere Freiflächen, die aufgrund ihrer natürlichen Gegebenheiten nicht bebaubar sind, wie etwa Flüsse, Seen oder Gräben, im Einzelfall unbeachtlich für die Bejahung eines Bebauungszusammenhangs sein. Allerdings bleibt maßgeblich, ob die aufeinander folgende Bebauung noch den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt, was hier nach dem oben Gesagten gerade nicht der Fall ist (Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 34 Rn. 9 m.w.N.). Eine bloße Baulücke lässt sich auch nicht lediglich für den nördlichen, unmittelbar an den … angrenzenden Grundstücksteil und damit zugunsten der Varianten 1 und 2 annehmen, denn auch hier beträgt der Abstand der westlichen Außenwand des alten Brennereigebäudes zur westlich nächstgelegenen Wohnbebauung auf der FlNr. … gemessen anhand des Katasterauszugs noch knapp 80 m. Dem korrespondiert der im Rahmen der Augenscheinnahme gewonnene Eindruck, dass das Brennereigebäude sowohl von der Straßenseite (* …*) als auch vom rückwärtigen Teil des Vorhabengrundstücks aus betrachtet deutlich abgesetzt wirkt. Dieser Eindruck ist auch insofern plausibel, als naheliegt, dass die von der übrigen Bebauung des Ortsteils abgesetzte Errichtung, wie sie nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten auch bei anderen Brennereien im Landkreis üblich sei, bewusst zum Schutze des Innenortes vor Immissionen geschah. Zudem kommt der Straße …, soweit sie in diesem Bereich bis auf das Brennereigebäude nur einseitig bebaut ist, trennende Wirkung nach Norden hin zu (OVG SH, B.v. 20.8.2015 – 1 LA 20/15 – KommJur 2016, 78). Die in östlicher Richtung vom Vorhabengrundstück etwa 170 m entfernt von der östlichen Außenwand der Brennerei auf der FlNr. … und etwa auf gleicher Höhe wie der Kopfteil der Brennerei liegenden Wohnbebauung vermag aufgrund der großen Entfernung das Vorhabengrundstück nicht in einen die gesamte südlich des Mittelwegs liegende Zeile umfassenden Bebauungszusammenhang einzugliedern.
Nach alldem führt die vorzunehmende umfassende Bewertung des hier zu entscheidenden Sachverhaltes (BVerwG, B.v. 2.4.2007 – 4 B 7/07 – juris Rn. 5) nach Ansicht der Kammer dazu, dass das Vorhabengrundstück FlNr. … nicht mehr Teil des Bebauungszusammenhangs des Ortsteils … ist, weil es nicht mehr am Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnimmt. Deshalb beurteilt sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der zur Prüfung gestellten Vorhaben nach § 35 BauGB, der das Bauen im Außenbereich regelt.
2. Bei den durch den Kläger im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens zur Prüfung gestellten Wohnbauvorhaben in drei Varianten handelt es sich sämtlich nicht um privilegierte Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB. Auch handelt es sich insbesondere hinsichtlich der Variante 1 nicht um ein begünstigtes Vorhaben nach § 35 Abs. 4 BauGB. Die Nr. 1 des § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB scheidet schon deshalb aus, weil nichts dafür spricht, dass die vor 2013 betriebene Schnapsbrennerei einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dient. Zwar liegt nahe, dass die zur Herstellung des Alkohols benötigten Kartoffeln von Landwirten als den ehemaligen Brennereigenossen angeliefert wurden, jedoch würde dies allein keine dienende Funktion begründen. Im Übrigen ist der Betrieb der Schnapsbrennerei seit 2013 eingestellt und wurde sie von 2013 – 2018 als Unterstellhalle für Maschinen genutzt, weshalb kein Gebäude im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB (§ 35 Abs. 4 Satz 1 Nr.1 BauGB) mehr vorliegt. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB erfasst nämlich nur die erstmalige Nutzungsänderung, nachfolgende Nutzungsänderungen unterfallen dann § 35 Abs. 2 BauGB (Söfker in Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, 52. Ed. 1.2.2020, § 35 Rn. 124). Die übrigen Nummern des § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB und die Voraussetzungen des Satzes 2 sind offensichtlich nicht einschlägig.
Damit beurteilt sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der drei Varianten nach § 35 Abs. 2 BauGB als sogenannte sonstige Vorhaben.
3. Alle drei im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens zur Prüfung gestellten Varianten beeinträchtigen öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 2, Abs. 3 BauGB und sind damit bauplanungsrechtlich unzulässig.
a) Zunächst widersprechen sie allesamt den Darstellungen des Flächennutzungsplanes, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Der aktuelle Flächennutzungsplan des Marktes … in der Fassung vom 28. November 2019 – Ausfertigung am 2. Juli 2020, ortsübliche Bekanntmachung der Genehmigung des Landratsamtes … am 3. Juli 2020 (§ 6 Abs. 5 Sätze 1 und 2 BauGB) – sieht für das Vorhabengrundstück eine allgemeine Grünfläche sowie eine solche mit besonderer Bedeutung für Naturhaushalt und Ortsbild vor. Überdies sind für den Bereich der beiden Weiher sowie etwas nördlich über den kleineren Weiher hinausgehend und südlich des alten Brennereigebäudes vorgesehen: „Grünordnerische Maßnahmen im Siedlungsbereich anstreben, Grünverbindungen erhalten und entwickeln“. Die aktuelle Fassung des Flächennutzungsplanes war der Entscheidung über die Verpflichtungsklagen auch zugrunde zu legen, da maßgeblicher Entscheidungszeitpunkt insofern die letzte mündliche Verhandlung ist (Lechner in Busse/Knaus, BayBO, 141. EL März 2021, Art. 68 Rn. 653).
Mit der Festsetzung einer allgemeinen Grünfläche sowie einer Grünfläche mit besonderer Bedeutung für Naturhaushalt und Ortsbild für das gesamte Vorhabengrundstück hat der beigeladenen Markt … seine planerischen Vorstellungen derart konkretisiert, dass keine Wohnbebauung und -nutzung stattfinden soll. Der Festsetzung wohnt auch keine abgeschwächte Aussagekraft inne (BayVGH, U.v. 8.8.2019 – 2 B 19.457 – juris Rn. 25). Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der zusätzlichen Festsetzung der grünordnerischen Maßnahmen im „Siedlungsbereich“. Die Formulierung, dass grünordnerische Maßnahmen im Siedlungsbereich „angestrebt“ werden sollen, ist schwächer als die eindeutige Festsetzung der gesamten Fläche des Vorhabengrundstücks als Grünfläche mit besonderer Bedeutung für Naturhaushalt und Ortsbild und vermag diese als Grundsatzentscheidung nicht zu verdrängen. Das folgt zusätzlich als Umkehrschluss aus den im Flächennutzungsplan für Wohnbauflächen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 BauNVO), gemischte Bauflächen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 BauNVO) und weitere Flächen genutzten eindeutigen Kennzeichnungen – farblich rosa markierte Flächen mit einem „W“ für Wohnbauflächen und farblich braun unterlegte Flächen mit einem „M“ für gemischte Bauflächen -, mit denen das Vorhabengrundstück gerade nicht versehen ist.
b) Darüber hinaus lassen die drei zur Prüfung gestellten Varianten die Verfestigung bzw. Entstehung einer Splittersiedlung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB befürchten, weil mit einer grundsätzlich unerwünschten Zersiedelung des Außenbereichs zu rechnen ist. Der Begriff der Splittersiedlung meint eine zusammenhangslose oder unorganische Streubebauung zum einen durch Wohngebäude, aber auch sonstige, dem Aufenthalt von Menschen dienende Anlagen (BayVGH, U.v. 8.8.2019 – 2 B 19.457 – juris Rn. 26; Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 35 Rn. 93). Deren Entstehung kann auch durch die Ausuferung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils in den Außenbereich hinein zu befürchten sein, etwa wenn ein bereits im Zusammenhang bebauter Ortsteil durch Bebauung eines Zwischenraums zu einer vorhandenen Splittersiedlung erweitert würde (BVerwG, B.v. 11.10.1999 – 4 B 77/99 – juris Os. 1 und Rn. 6). Auf die Anordnung der Gebäude kommt es dabei nicht an, auch eine äußerlich geordnete Anordnung hindert nicht die Annahme einer Splittersiedlung (Söfker in EZBK, BauGB, 141. EL Februar 2021, § 35 Rn. 104). Insbesondere der Aspekt der negativen Vorbildwirkung des Vorhabens spricht für eine Einleitung der Zersiedelung, wobei bereits die erste Errichtung eines Wohngebäudes oder die Umnutzung in ein Wohngebäude genügt (Söfker in EZBK, BauGB, 141. EL Februar 2021, § 35 Rn. 107 f.). Für den Tatbestand des Befürchtens einer Splittersiedlung reicht es aus, dass die Gründe, die dem Vorhaben entgegengehalten werden, an Überzeugungskraft einbüßen würden, wenn das jetzt beantragte Vorhaben nicht aus eben den Gründen versagt würde. Mit der Versagung der Genehmigung „soll bereits den Anfängen gewehrt werden“ (BVerwG, B.v. 8.4.2014 – 4 B 5.14 – juris Rn. 8).
Hinsichtlich der Variante 1 – des geplanten Teilumbaus des Kopfes des alten Brennereigebäudes und der damit einhergehenden Umnutzung in ein Wohngebäude – ist nach den oben genannten Maßstäben die Verfestigung des aus dem Brennereigebäude bestehenden Siedlungssplitters zu befürchten (vgl. BVerwG, U.v. 14.4.2000 – 4 C 5/99 – NVwZ 2000, 1048, 1050 für den Umbau einer Bootshütte mit Aufenthaltsraum zu einem Wochenendhaus). Mit der Variante 1 hielte auf dem dem Außenbereich zuzuordnenden Vorhabengrundstück erstmals eine dauerhafte Wohnnutzung Einzug und brächte eine negative Vorbildwirkung für die Zulassung weiterer Wohngebäude, insbesondere im Rahmen einer an den … anschließenden straßenseitigen und mindestens zweireihigen Bebauung, die die Lücke bis zum westlichen Nachbargrundstück FlNr. … schließen würde, mit sich. Dies wiederum führte zu einem Ausufern des Innenbereichs bis wenigstens einschließlich des alten Brennereigebäudes, was § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB gerade verhindern soll und nur kann, wenn „den Anfängen [des Ausuferns] gewehrt [wird]“ (BVerwG, B.v. 8.4.2014 – 4 B 5.14 – juris Rn. 8).
Die zur Prüfung gestellte Variante 2 – Abriss des alten Brennereigebäudes und straßenseitige Errichtung dreier aus je zwei versetzt hintereinander gebauten Häusern bestehender Häusergruppen – lässt die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten, weil mit und durch sie der im Zusammenhang bebaute Ortsteil unter Inanspruchnahme des Außenbereiches bis hin zur auf der östlich des Vorhabengrundstücks auf der FlNr. … liegenden landwirtschaftlichen Maschinenhalle verlängert würde. Auch würde die Verwirklichung der Variante 2 erneut eine negative Vorbildwirkung auslösen, da in Folge die Argumente gegen eine Bebauung in dritter Reihe, wie sie mit der Variante 3 angedacht ist, erheblich an Überzeugungskraft verlieren würden. Denn dann ließe sich argumentieren, dass das gesamte Vorhabengrundstück bis zur natürlichen Südgrenze des … in den Innenbereich einbezogen wird (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2019 – 15 ZB 18.255 – juris Rn. 7).
Was die Variante 3 mit ihrer Bebauung in dritter Reihe hinter den drei Hausgruppen der Variante 2 und bis auf die Höhe des Nordufers des kleineren Weihers und an das Ostufer des größeren Weihers heranreichend anbelangt, so ließe auch ihre Realisierung die Zersiedelung des Außenbereichs befürchten, weil die vier vorgesehenen Einfamilienhäuser zusammenhangslos zur nächstgelegenen Wohnbebauung des Innenbereichs auf der FlNr. … mitten in den Außenbereich gesetzt würden. Die negative Vorbildwirkung ist offensichtlich, weil das Vorhabengrundstück so dem Außenbereich entzogen und die Tür für seine vollständige Bebauung weit geöffnet würde.
Der Variante 3 steht im Übrigen, ohne dass es hierauf noch entscheidungserheblich ankommt, der öffentliche Belang des Naturschutzes gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegen, weil die Bebauung in dritter Reihe in das Biotop „Auwald und Gewässer-Begleitgehölz am … bei …“ (Biotopteilflächen Nr. …*) hineinragt. Die nur für die Variante 3 im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens zur Prüfung gestellte Frage nach der zulässiger Weise überbaubaren Grundstücksfläche ist hinfällig, nachdem das Vorhaben bereits nach Art und Maß nicht zulässig ist. Im Übrigen ist anzumerken, dass sie selbst im Falle einer angenommenen Innenbereichslage so wie geplant nicht zulässig wäre, da sie mit der vorgesehenen Bebauung in dritter Reihe eine faktische Baugrenze überschreitet.
4. Soweit der Kläger im Verwaltungsverfahren hilfsweise für den Fall, dass der Beklagte an seiner Ablehnung festhalte, beantragt hat, dass die Vorbescheidsfragen auf Basis eines unterstellten Innenbereichsgrundstücks zu beantworten sind, war darüber nicht zu entscheiden. Es liegt nämlich ein Außenbereichsgrundstück vor (s.o.) und weder der Beklagte noch das Verwaltungsgericht sind verpflichtet, abstrakte Rechtsgutachten zu nicht entscheidungserheblichen Fragen zu erstellen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Dem Beigeladenen waren dessen Kosten nicht aus Billigkeitsgründen zu erstatten, da er keinen eigenen Antrag gestellt und sich somit nicht dem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO


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