Baurecht

Versagung einer Baugenehmigung für ein Saunahäuschen auf der Dachterrasse

Aktenzeichen  M 8 K 14.5234

Datum:
22.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 6, Art. 63

 

Leitsatz

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage hat in der Sache keinen Erfolg, da dem Kläger kein Anspruch auf die Erteilung der beantragten Baugenehmigung zusteht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Neuverbescheidung nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
Die Beklagte durfte das beantragte Vorhaben gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz Bayerische Bauordnung (BayBO) auch unter Berufung auf die Bestimmungen des Abstandsflächenrechts ablehnen, obwohl diese an sich nicht zum Prüfumfang im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO gehören.
Das Vorhaben weist nach den eingereichten Planunterlagen eine Gesamthöhe von 23,39 m auf. Es soll auf der Dachterrasse über dem 6. Obergeschoss errichtet werden bzw. ist dort bereits errichtet. Nach dem Lageplan hält das Vorhaben weder in Richtung Osten noch in Richtung Süden die erforderliche Abstandsfläche auf dem eigenen Grundstück ein. Dem Vorhaben kommt auch nicht der Vorrang des Bauplanungsrechts nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO zugute. Danach ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf.
Vorliegend ist das Bestandsgebäude nicht grenzständig errichtet und es ist auch das beantragte Saunahäuschen nicht grenzständig situiert. Von daher muss die durch das Saunahäuschen ausgelöste Abstandsfläche gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO auf dem Vorhabengrundstück selbst liegen. Die Anwendung der Abstandsflächenverkürzung nach § 3 der Bebauungsplansatzung kommt vorliegend nicht in Betracht, da schon das Bestandsgebäude die nach dem Bebauungsplan zulässige Höhenentwicklung überschreitet. Gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayBO bemisst sich die Tiefe der Abstandsfläche nach der Wandhöhe, die vorliegend nach den eingereichten Planunterlagen 23,39 m beträgt.
Die Beklagte ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Erteilung einer Abweichung von der Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO mangels einer atypischen Fallgestaltung nicht in Betracht kommt.
Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind. Während bei bautechnischen Anforderungen der Zweck der Vorschriften vielfach auch durch eine andere als die gesetzlich vorgesehene Bauausführung gewahrt werden kann (die dann im Wege der Abweichung zuzulassen ist), wird der Zweck des Abstandsflächenrechts, der vor allem darin besteht, eine ausreichende Belichtung und Lüftung der Gebäude zu gewährleisten und die für Nebenanlagen erforderlichen Freiflächen zu sichern, regelmäßig nur dann erreicht, wenn die Abstandsflächen in dem gesetzlich festgelegten Umfang eingehalten werden. Da somit jede Abweichung von den Anforderungen des Art. 6 BayBO zur Folge hat, dass die Ziele des Abstandsflächenrechts nur unvollkommen verwirklicht werden, setzt die Zulassung einer Abweichung Gründe von ausreichendem Gewicht voraus, durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an Belichtung und Lüftung (sowie eine Verringerung der freien Flächen des Baugrundstücks) im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen. Es muss sich um eine atypische, von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln (BayVGH, B. v. 13.2.2002 – 2 CS 01.1506 – juris Rn. 16; B. v. 23.5.2005 – 25 ZB 03.881 – juris Rn. 8; B. v. 15.11.2005 – 2 CS 05.2817 – juris Rn. 2; B. v. 29.11.2006 – 1 CS 06.2717 – juris Rn. 24; B. v. 11.1.2007 – 14 B 03.572 – juris Rn. 22; B. v. 17.7.2007 – 1 CS 07.1340 – juris Rn. 16; B. v. 4.8.2011 – 2 CS 11.997 – juris Rn. 23; B. v. 5.12.2011 – 2 CS 11.1902 – juris Rn. 3; U. v. 22.12.2011 – 2 B 11.2231, BayVBl. 2012, 535 – juris Rn. 16). Diese kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern, ergeben (BayVGH, B. v. 17.7.2007 – 1 CS 07.1340 – juris Rn. 16; B. v. 22.9.2006 – 25 ZB 01.1004 – juris Rn. 4). In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, eine Verkürzung der Abstandsflächen durch Zulassung einer Abweichung rechtfertigen.
Von Bedeutung ist bei der Beurteilung des Vorliegens der erforderlichen Atypik insbesondere, ob eine sinnvolle Ausnutzung des Baugrundstücks unter Beachtung der Anforderungen des Art. 6 Abs. 5 BayBO unmöglich oder unzumutbar ist (BayVGH, B. v. 30.8.2011 – 15 CS 11.1640 – juris Rn. 16). Demgegenüber ist in dicht bebauten innerstädtischen Bereichen eine atypische Situation dann anzunehmen, wenn jedwede bauliche Veränderung der historischen Bausubstanz geeignet ist, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen (vgl. BayVGH, B. v. 4.8.2011 – 2 CS 11.997 – juris Rn. 23). Zu berücksichtigen ist schließlich, dass tatsächlich vorhandene abstandsflächenwidrige Bebauungsverhältnisse nach Möglichkeit bereinigt und nicht verewigt werden sollen (vgl. BayVGH, U. v. 22.11.2006 – 25 B 05.1714, BayVBl. 2007, 276 – juris Rn. 20), weshalb eine Abstandsflächenüberschreitung durch einen Altbestand als solche und für sich allein nicht geeignet ist, die erforderliche Atypik zu begründen. Die erforderliche Atypik ist in Bezug auf die Einhaltung der Abstandsflächen des Art. 6 Abs. 5 BayBO nicht stets allein schon deshalb gegeben, weil das Vorhaben Außenwände eines Altbestands einbezieht, der die Abstandsflächenvorschriften nicht einhält (BayVGH, B. v. 23.5.2005 – 25 ZB 03.881 – juris Rn. 8). Die gesetzlichen Ziele, ein bestimmtes Mindestmaß an Belichtung, Belüftung und Wohnfrieden sicherzustellen, gelten vielmehr für Neubauten und Umbauten gleichermaßen. Dass der Bauherr dadurch vor die Wahl gestellt ist, entweder seinen vom Gesetz abweichenden Altbestand im bisherigen Umfang weiter zu nutzen oder bei einer neuen Genehmigung das geltende Recht einzuhalten, ist im Gesetz selbst angelegt und kann nicht als anormaler, nicht bedachter Ausnahmefall angesehen werden (BayVGH, B. v. 23.5.2005 – 25 ZB 03.881 – juris Rn. 8). Das Vorhandensein eines Altbestandes stellt lediglich eine objektive Gegebenheit dar, die bei Hinzutreten weiterer objektiver Umstände – z. B. Anforderungen der Stadtgestaltung – im Einzelfall eine atypische Sondersituation begründen kann.
Vorliegend ist hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstücks keine eine Abweichung rechtfertigende Atypik erkennbar. Vielmehr ist das Baugrundstück mit dem Bestandsgebäude über das an sich nach dem Bebauungsplan zulässige Maß hinaus bebaut und damit wirtschaftlich hinreichend sinnvoll genutzt. Das beantragte Saunahäuschen ist für eine sinnvolle Nutzung des Grundstücks nicht erforderlich.
Da das Bauvorhaben schon an den bauordnungsrechtlichen Anforderungen des Abstandsflächenrechts scheitert, kommt es auf die bauplanungsrechtlichen Fragen, insbesondere ob dem Kläger ein Anspruch auf die Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zusteht, nicht mehr an.
Da die Rechtssache spruchreif ist, steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Neuverbescheidung nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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