Baurecht

Verstoß einer Plakatanschlagtafel gegen das Verunstaltungsverbot

Aktenzeichen  AN 3 K 15.01182

Datum:
9.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 8 S. 2

 

Leitsatz

Werbeanlagen verunstalten ihren Anbringungsort, wenn sie die Gebäudewand, an der sie angebracht werden sollen, zu einem Werbeträger umfunktionieren oder einem vorhandenen ruhigen Erscheinungsbild einen Fremdkörper aufsetzen und damit empfindlich stören (vgl. BayVGH Urt. v. 11.11.2014 – 15 B 12.2765 mwN). (redaktioneller Leitsatz)
Ein Werbeträger verstößt ferner gegen das Verunstaltungsverbot, wenn er im vorhandenen unauffälligen, sehr einheitlichen Straßenbild als störender Fremdkörper erscheinen würde. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Streitgegenstand vorliegender Klage ist das Begehren der Klägerin auf Verpflichtung des Beklagten zur Neuverbescheidung über die beantragte Baugenehmigung zur Errichtung einer freistehenden Plakatanschlagtafel auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung …
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu; eine Rechtsverletzung durch die erfolgte Ablehnung der beantragten Baugenehmigung ist zu verneinen, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO sind im vorliegend durchzuführenden vereinfachten Genehmigungsverfahren Prüfungsmaßstab die Vorschriften über die planungsrechtliche Zulässigkeit (§ 29 ff. BauGB) sowie die Regelungen örtlicher Bauvorschriften i. S. d. Art. 81 Abs. 1 BayBO.
Nachdem sich der Beklagte als Ablehnungsgrund – unter anderem – auf das Verunstaltungsverbot des Art. 8 BayBO berufen hat, ist auch diese Vorschrift im gerichtlichen Verfahren Prüfungsgegenstand (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO).
Die streitgegenständliche Werbeanlage widerspricht – so das Ergebnis des durchgeführten Augenscheins in Verbindung mit der im Genehmigungsverfahren vorgelegten Fotomontage – dem umgebungsbezogenen Verunstaltungsverbot des Art. 8 Satz 2 BayBO.
Die beantragte Werbeanlage verunstaltet das Orts- und Straßenbild i. S. d. Art. 8 BayBO zum einen durch die Verunstaltung der Gebäude, vor welchen sie angebracht werden soll (siehe unten 1.) sowie durch den nicht gegebenen, jedoch erforderlichen maßvollen Kontrast zur vorhandenen näheren Umgebung (siehe unten 2.).
1.
In welchem Umfang die Umgebung zur gestalterischen Beurteilung heranzuziehen ist, bestimmt sich nach dem Umfang der gestalterischen Auswirkungen der baulichen Anlage (vgl. BayVGH vom 16.2.2016, 2 ZB 15.2503 – juris).
Als vorliegend für die Beurteilung einer Verunstaltung i. S. d. Art. 8 BayBO relevante Umgebung ist demnach, so das Ergebnis des durchgeführten Augenscheins, das Baugrundstück selbst, welches von dem sich nordöstlich anschließenden Grundstück FlNr. … durch eine große unbebaute gepflasterte Fläche abgegrenzt wird, sowie die auf der dem Baugrundstück gegenüberliegenden Straßenseite vorhandenen Grundstücke FlNr. … und … zugrunde zu legen. Dieser Bereich ist von der … Straße aus, sich auf den geplanten Standort der Werbeanlage zubewegend, gemeinsam mit dieser ins Blickfeld kommend.
In Bezug auf Werbeanlagen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BayVGH, welcher sich die Kammer anschließt, dass sie ihren Anbringungsort verunstalten, wenn sie die Gebäudewand, an der sie angebracht werden sollen, zu einem Werbeträger umfunktionieren oder einem vorhandenen ruhigen Erscheinungsbild einen Fremdkörper aufsetzen und damit empfindlich stören (vgl. BayVGH vom 11.11.2014, 15 B 12.2765 – juris m. w. N.).
Unter Zugrundelegung dieser Gesichtspunkte, die auch für den vorliegend gegebenen Fall der Anbringung unmittelbar vor einer Gebäudewand anwendbar sind, würde die streitgegenständliche Werbeanlage einen unästhetischen Fremdkörper darstellen in Folge der unsymmetrischen Aufstellung vor dem sich unmittelbar an die Giebelwand des Wohnhauses anschließenden Nebengebäude, dessen Höhe sie teilweise überragen würde. Diese unsymmetrische und unbündige Aufstellung der Werbeanlage unmittelbar vor dem Nebengebäude würde darüber hinaus auf die hinter diesem Nebengebäude vorhandene Giebelwand des Wohnhauses in einer ästhetisch nicht hinnehmbaren Art ausstrahlen.
Diese durch die streitgegenständliche Werbeanlage verursachte Verunstaltung des Nebengebäudes und auch der Giebelfläche des Hauptgebäudes dadurch, dass mit Errichtung der geplanten Werbeanlage gegen die Gebote der Maßstäblichkeit und des Verhältnisses der Bau-massen und Bauteile zueinander verstoßen würde, führt zu einer Verunstaltung des Straßenbildes i. S. d. Art. 8 Satz 2 BayBO.
Im relevanten Umgebungsbereich, wie eingangs dargestellt, findet sich ein einheitlich aus Wohn- und landwirtschaftlichen Nebengebäuden bestehendes, sehr gleichartig/gleichmäßig wirkendes Straßenbild, das sich in diesem Bereich entlang der … Straße als eine sehr ruhige „unspektakuläre“ Bebauung darstellt.
Dieses unauffällige Straßenbild würde nach Überzeugung der Kammer – so das Ergebnis des durchgeführten Augenscheins – durch die in Bezug auf die geplante Werbeanlage festgestellte Verunstaltung von Nebengebäude und Giebelfläche des Hauptgebäudes von einem für ästhetische Eindrücke offenen Durchschnittsbetrachter nicht nur als beeinträchtigend, sondern als massiv belastend empfunden werden.
Das Tatbestandsmerkmal der Verunstaltung i. S. d. Art. 8 Satz 2 BayBO ist damit erfüllt.
2.
Darüber hinaus würde das vorgefundene Straßenbild nach Auffassung der Kammer durch die streitgegenständliche Anlage auch dann verletzt werden i. S. d. Art. 8 Satz 2 BayBO, wenn man keine Verunstaltung des sich auf dem Baugrundstück befindlichen Nebengebäudes und der diesem zugewandten Giebelwand des Hauptgebäudes annehmen wollte.
Eine Werbeanlage ist dazu bestimmt aufzufallen. Der dafür nötige Kontrast zur Umgebung muss maßvoll sein, um das Gesamtbild nicht zu stören.
Dieses wird beeinträchtigt, wenn die Werbeanlage so aufdringlich wirkt, dass sie als wesensfremdes Gebilde zu ihrer Umgebung in keinerlei Bezug mehr steht (vgl. z. B. BayVGH vom 16.9.2005, 26 B 04.3258 – juris).
Nach diesen Maßstäben ist vorliegend eine Verunstaltung des Straßenbildes (unmittelbar) durch die geplante Werbeanlage gegeben. Sie brächte (erstmals) gestalterische Unruhe in die relevante Umgebung, die bisher keinerlei Entsprechung findet und in ästhetischer Hinsicht zu erheblichen Beeinträchtigungen der baulichen Situation führen würde.
Der geplante Werbeträger würde im vorhandenen unauffälligen, sehr einheitlichen Straßenbild als störender Fremdkörper erscheinen.
Aus alldem folgt, dass die beantragte Baugenehmigung wegen Verstoßes gegen das Verunstaltungsverbot in Art. 8 Satz 2 BayBO zu Recht nicht erteilt wurde.
Die Klage war demnach abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
(§ 52 Abs. 1 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.


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