Baurecht

Verstoß einer Werbeanlage gegen das Verunstaltungsverbot

Aktenzeichen  AN 3 K 15.01175

Datum:
9.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 8 S. 2

 

Leitsatz

Eine Werbeanlage verunstaltet ihren Anbringungsort, wenn sie die Gebäudewand, an der sie angebracht werden soll, zu einem Werbeträger umfunktioniert oder einem vorhandenen ruhigen Erscheinungsbild einen Fremdkörper aufsetzt und damit empfindlich stört (vgl. VGH München BeckRS 2014, 58919 m. w. N.; VGH München BeckRS 2016, 43632). (redaktioneller Leitsatz)
Eine Werbeanlage verstößt ferner gegen das Verunstaltungsverbot, wenn sie im vorhandenen unauffälligen, sehr einheitlichen Straßenbild als störender Fremdkörper erscheinen würde. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung und ist durch deren Versagung nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO sind im vorliegend durchzuführenden vereinfachten Genehmigungsverfahren Prüfungsmaßstab die Vorschriften über die planungsrechtliche Zulässigkeit (§§ 29 ff. BauGB) sowie die Regelungen örtlicher Bauvorschriften i. S. d. Art. 81 Abs. 1 BayBO.
Nachdem sich der Beklagte als Ablehnungsgrund – unter anderem – auf das Verunstaltungsverbot des Art. 8 BayBO berufen hat, ist auch diese Vorschrift im gerichtlichen Verfahren Prüfungsgegenstand (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO).
Die streitgegenständliche Werbeanlage widerspricht – so das Ergebnis des durchgeführten Augenscheins in Verbindung mit der im Genehmigungsverfahren vorgelegten Fotomontage – dem umgebungsbezogenen Verunstaltungsverbot des Art. 8 Satz 2 BayBO.
Nach dieser Vorschrift dürfen bauliche Anlagen das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild nicht verunstalten.
Die beantragte Werbeanlage verunstaltet das Orts- und Straßenbild i. S. d. Art. 8 Satz 2 BayBO durch die Verunstaltung des Gebäudes selbst, an welchem sie angebracht werden soll (siehe unten 1.) und durch die hiervon ausgehende Auswirkung auf das umgebende Straßenbild, da der erforderliche maßvolle Kontrast zu vorhandenen näheren Umgebung nicht gegeben ist (siehe unten 2.).
Die Umgebung, die zur gestalterischen Beurteilung heranzuziehen ist, bestimmt sich nach dem Umfang der gestalterischen Auswirkungen der baulichen Anlage (vgl. BayVGH vom 16.2.2016, – 2 ZB 15.2503 – juris).
Relevante Umgebung ist nach dem Ergebnis des durchgeführten Augenscheins das Baugrundstück selbst, die sich westlich anschließende mit einem Wohnhaus und einem Garagengebäude bebaute FlNr. …, die sich unmittelbar östlich anschließende in geschlossener Bauweise ebenfalls mit einem Wohnhaus bebaute FlNr. … und die auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf Höhe des Baugrundstücks befindlichen FlNrn… und …, in deren südlichen Bereich Container aufgestellt, die aber im nördlichen Bereich entlang der … Straße lediglich eine eingefriedete Grünfläche aufweisen sowie das Feuerwehrhaus auf FlNr. … und der davor befindliche freie Platz FlNr. … Diese Umgebung gelangt aus südwestlicher Richtung ins Blickfeld, weshalb die streitgegenständliche Werbeanlage an der westlichen Giebelseite der FlNr. … gestalterische Wirkung auf diesen Bereich hat.
1.
In Bezug auf Werbeanlagen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des BayVGH, welcher sich die Kammer anschließt, dass sie ihren Anbringungsort verunstalten, wenn sie die Gebäudewand, an der sie angebracht werden sollen, zu einem Werbeträger umfunktionieren oder einem vorhandenen ruhigen Erscheinungsbild einen Fremdkörper aufsetzen und damit empfindlich stören (vgl. BayVGH U. v. 11.11.2014 – 15 B 12.2765 – juris m. w. N.; BayVGH B. v. 16.2.2016 a. a. O.).
Gemessen an diesen Grundsätzen würde die streitgegenständliche Werbeanlage die Giebelfläche des Wohnhauses auf der FlNr. … zu einem Werbeträger umfunktionieren und dadurch das Gebäude verunstalten. Die Werbefläche ist im Verhältnis zur freien Fassadenfläche zu groß.
Der geplante Anbringungsort der streitgegenständlichen Werbeanlage im Euro-Format soll die verbleibende Giebelfläche mittig fast vollständig ausfüllen. Damit steht die Werbeanlage gestalterisch im Vordergrund und lässt das Erscheinungsbild des Giebels als Teil eines Wohnhauses unangemessen zurücktreten.
Außerdem würde die entstehende Situation das ästhetische Empfinden eines „gebildeten Durchschnittsmenschen“ verletzen und als belastend oder Unlust erregend empfunden werden (BVerwG, U. v. 28.6.1955 – I C 146.53 -, BVerwGE 2, 172; Simon/Busse/Dirnberger, BayBO, Art. 8 Rn. 54, 59 m. w. N.). Denn die Giebelfläche weist vier unterschiedlich große Fensteröffnungen auf, die auf vier verschiedenen Höhen im Erd- und ersten Obergeschoß auf der linken Giebelseite, im zweiten Obergeschoß und im Dachboden in der Mitte der Giebelfläche liegen.
Die Werbetafel befindet sich zwischen dem Erd- und dem ersten Obergeschoß auf der rechten Giebelseite. Sie schafft damit hinsichtlich Form, Anbringungshöhe und Fläche einen fünften, von den übrigen Gestaltungselementen wiederum abweichenden Bezugspunkt auf der Giebelseite und verstärkt damit noch den ohnehin unruhigen und unsymmetrischen Zustand der Fassade in nicht mehr hinnehmbarer Weise. Dabei gilt, dass es einen Rechtssatz des Inhalts „Was bereits verunstaltet ist, kann nicht mehr verunstaltet werden“ nicht gibt (OVG NRW, U. v. 6.2.1992 – 11 A 2235/89 -, NVwZ 1993, 89; Simon/Busse/Dirnberger, a. a. O. Rn. 55).
Diese durch die streitgegenständliche Werbeanlage verursachte Verunstaltung führt zu einer Verunstaltung des Straßenbildes i. S. d. Art. 8 S. 2 BayBO.
Im relevanten Umgebungsbereich findet sich ein einheitlich aus Wohn- und landwirtschaftlichen Nebengebäuden bestehendes, sehr gleichartig/gleichmäßig wirkendes Straßenbild, das sich in diesem Bereich entlang der … Straße als eine sehr ruhige „unspektakuläre“ Bebauung darstellt.
Dieses unauffällige Straßenbild würde nach Überzeugung der Kammer – so das Ergebnis des durchgeführten Augenscheins – durch die in Bezug auf die geplante Werbeanlage festgestellte Verunstaltung der Giebelfläche des Gebäudes von einem für ästhetische Eindrücke offenen Durchschnittsbetrachter nicht nur als beeinträchtigend, sondern als massiv belastend empfunden werden, insbesondere deshalb, weil die Fassade des unmittelbar westlich gelegenen Garagengebäudes auf dem Grundstück FlNr. …fensterlos, dörflich und sehr ruhig gestaltet ist.
Das Tatbestandsmerkmal der Verunstaltung i. S. d. Art. 8 Satz 2 BayBO ist damit erfüllt.
2.
Darüber hinaus würde das vorgefundene Straßenbild nach Auffassung der Kammer durch die streitgegenständliche Anlage auch dann verletzt werden i. S. d. Art. 8 Satz 2 BayBO, wenn man keine Verunstaltung der Giebelfläche annehmen wollte.
Eine Werbeanlage ist dazu bestimmt aufzufallen. Der dafür nötige Kontrast zur Umgebung muss maßvoll sein, um das Gesamtbild nicht zu stören.
Dieses wird beeinträchtigt, wenn die Werbeanlage so aufdringlich wirkt, dass sie als wesensfremdes Gebilde zu ihrer Umgebung in keinerlei Bezug mehr steht (vgl. z. B. BayVGH vom 16.9.2005, 26 B 04.3258 – juris).
Nach diesen Maßstäben ist vorliegend eine Verunstaltung des Straßenbildes (unmittelbar) durch die geplante Werbeanlage gegeben. Bisher ist das hier relevante Straßenbild entlang der … Straße frei von Fremdwerbung. Die streitgegenständliche Werbeanlage brächte (erstmals) gestalterische Unruhe in diese Umgebung, die bisher keinerlei Entsprechung findet und in ästhetischer Hinsicht zu erheblichen Beeinträchtigungen der baulichen Situation führen würde.
Der geplante Werbeträger würde im vorhandenen unauffälligen, sehr einheitlichen Straßenbild als störender Fremdkörper erscheinen.
Aus alldem folgt, dass die beantragte Baugenehmigung wegen Verstoßes gegen das Verunstaltungsverbot in Art. 8 Satz 2 BayBO zu Recht nicht erteilt wurde.
Die Klage war demnach abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt. (§ 52 Abs. 1 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.


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