Baurecht

Vorausleistung auf den Beitrag für Verbesserung einer Entwässerungsanlage

Aktenzeichen  AN 19 K 19.01281

Datum:
18.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 16140
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2, Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

Für die Rechtmäßigkeit eines Vorausleistungsbescheides  ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Vorauszahlungsbescheides maßgeblich. Wird jedoch ein Widerspruchsverfahren durchgeführt, sind  Änderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Vorauszahlungsbescheids bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids zu berücksichtigen (vgl. VGH München, BeckRS 2012, 51960 Rn. 17). (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollsteckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Bei der Niederlegung des am 18. Mai 2020 unterschriebenen Entscheidungstenors wurde in Ziff. 3 die vorläufige Vollstreckbarkeit versehentlich mit Abwendungsbefugnis ausgesprochen. Hierbei handelt es sich um ein offensichtliches Versehen im Sinne des § 118 Abs. 1 VwGO, da in den Entscheidungsgründen § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO als Rechtsgrundlage angegeben ist. Das Gericht korrigiert daher diesen offensichtlichen Fehler mit der Zustellung des Urteils und der hier erfolgten Begründung von Amts wegen. Ein gesonderter Berichtigungsbeschluss ist entbehrlich, da der Urteilstenor nicht verkündet wurde und somit das Urteil ohnehin erst mit Zustellung der Urteilsausfertigung mit dem darin enthaltenen Urteilstenor wirksam wird.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 25. Juni 2018 sowie der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten.
1. Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG)) in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 1993 (GVBl S. 264) zuletzt geändert durch Art. 8a Haushaltsgesetz 2019/2020 vom 24. Mai 2019, können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung oder Verbesserung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Zu diesen Einrichtungen zählt auch die von der Beklagten öffentlich-rechtlich betriebene Entwässerungseinrichtung. Gemäß Art. 5 Abs. 5 Satz 1 KAG können für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, Vorauszahlungen auf den Beitrag verlangt werden, wenn mit der Herstellung der Einrichtung begonnen worden ist. Das Wesen der Vorauszahlung als eine Zahlung vor Entstehung der Beitragspflicht und die darin begründete Abhängigkeit von einer künftigen Beitragsschuld nach Grund und Höhe erfordern für eine Festsetzung jedoch das Vorhandensein einer gültigen Beitragsregelung in Gestalt einer Abgabesatzung nach Art. 2 Abs. 1 KAG, weil nur so die rechtliche Voraussetzung für die spätere Begründung einer Beitragspflicht geschaffen wird (st. Rspr., vgl. BayVGH Urteil v. 18.2.1998, 23 B 97.2810).
2. Der streitgegenständliche Bescheid verfügt über gültige Rechtsgrundlagen. Sowohl die EWS von 25. Juni 2011 als auch die BGS-EWS in der Fassung vom 25. Juni 2018 und die VES-EWS vom gleichen Tag weisen keine offensichtlichen Mängel auf. Auch wurden keine Mängel in den entsprechenden Satzungen vorgetragen.
3. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung des Aufwands für die Verbesserung oder Erneuerung leitungsgebundener Einrichtungen Beiträge erheben. Bei den in § 1 VBS aufgeführten Baumaßnahmen handelt es sich grundsätzlich um beitragsfähige Verbesserungsmaßnahmen.
So stellt die Erneuerung der Kläranlage … sowie der Neuanschluss des Entwässerungsortsnetzes der Ortsteile … und … an die zu erneuernde Zentralkläranlage … der Beklagten unter gleichzeitiger Auflassung der bisherigen Kläranlage … eine beitragsfähige Verbesserungsmaßnahme dar. Die Entscheidung darüber, wie die Ableitung und Klärung von anfallenden Abwässern im Einzelnen durchgeführt werden soll, liegt grundsätzlich im weiten Ermessen des Einrichtungsträgers, das nur in engen Grenzen einer gerichtlichen Überprüfung unterliegt (§ 114 VwGO). Allerdings darf neben der auf jeden Fall erforderlichen Notwendigkeit und Geeignetheit der beabsichtigten Maßnahmen deren Verwirklichung nicht mit einem sachlich nicht mehr zu vertretenen Mittelaufwand verbunden sein. Was zum umlegungsfähigen Aufwand konkret zählt, sagt das Kommunalabgabengesetz nicht. Man wird hierzu aber alles rechnen müssen, was zur sachgerechten Herstellung der Einrichtung aus der Sicht einer sparsam wirtschaftenden, zugleich vorausschauend planenden Gemeinde zum Zeitpunkt der Planung und Herstellung der (Teil) Anlage erforderlich erscheint. Jede innerhalb dieses Rahmens bleibende Entscheidung des Ortsgesetzgebers ist der gerichtlichen Überprüfung entzogen (vgl. BayVGH B. v. 10.06.2005 – 23 CS 05.927; U. v. 29.4.2010 – 20 BV 09.2010). Dazu gehört grundsätzlich auch die Errichtung eines Betriebsgebäudes, das dazu dient, einen ordnungsgemäßen Betrieb der verbesserten Zentralkläranlage sicherzustellen. Dass es sich bei der Errichtung des Betriebsgebäudes nicht um Verbesserungsmaßnahmen handelt, aus denen den Abgabepflichtigen ein zusätzlicher Vorteil erwachse oder das neue Betriebsgebäude keine positiven Auswirkungen auf die Gesamtanlage habe, wurde nicht substantiiert dargelegt noch drängt sich derartiges offensichtlich auf (vgl. auch VGH, B. v. 19.8.2014 – 23 B 04.200).
4. Gegen die Ermittlung der beitragspflichtigen Grundstücks- und Geschossfläche bestehen keine rechtlichen Bedenken. Sie beruht auf § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 2, Abs. 7 VES-EWS. Auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid wird insoweit Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend führt das Gericht Folgendes aus:
Die Berechnung der Beitragshöhe, die sich gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 VES-EWS nach der Grundstücksfläche und der zulässigen Geschossfläche richtet, begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Da das streitgegenständliche Grundstück im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Gewerbe- und Sportgelände in der …“ liegt, war gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 VES-EWS die danach zulässige Geschossflächenzahl von 1,5 zugrunde zu legen und mit der Grundstücksfläche zu vervielfachen. Von dieser so ermittelten Fläche ist gem. § 5 Abs. 7 VES-EWS die Geschossfläche der auf dem Grundstück vorhandenen Gebäude, die nach Art der Nutzung keinen Bedarf nach Anschluss an die Schmutzwasserableitung auslösen, abzuziehen. Dies hat die Beklagte durch Abzug der tatsächlichen Geschossfläche der Lagerhalle auch getan (a)) Die Fläche, auf der nunmehr Freiflächenphotovoltaikanlagen stehen, hat die Beklagte zu Recht nicht abgezogen (b)).
a) Die Abrechnung nach der zulässigen Geschossfläche und tatsächlichen Grundstücksfläche ist eine mögliche Methode der Beitragsbemessung. Nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 KAG kann ein Beitragsmaßstab unter anderem aus der Kombination Maß der baulichen Nutzung und Grundstücksfläche gebildet werden. Der aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz abgeleitete Grundsatz des Vorteilsausgleichs gebietet in der Regel sogar, nicht auf die tatsächliche, derzeitige Grundstücksnutzung abzustellen, sondern auf die mögliche Ausnutzung des Baugrundstücks. Diese mögliche Ausnutzung ergibt sich vorliegend aus dem Bebauungsplan. Danach beträgt die Geschossflächenzahl 1,5. Die Argumentation der Klägerin, diese Geschossflächenzahl hätte mit der vorhandenen Grundstückfläche, die zuerst mit der Grundflächenzahl von 0,75, wie sie im Bebauungsplan festgesetzt ist, oder allenfalls mit einer Grundflächenzahl von 0,8, wie sie in § 17 BauNVO als Höchstgrenze genannt ist, multipliziert werden müssen, keinesfalls jedoch sei die volle Grundstücksfläche zu Grunde zu legen gewesen, geht fehl. Die zulässige Grundfläche ist der Anteil des Baugrundstücks, der von baulichen Anlagen überdeckt werden darf, § 19 Abs. 2 BauNVO. Die Möglichkeit der Ableitung von Schmutz- und Oberflächenwasser gründet sich jedoch in der zulässigen Geschossfläche, § 20 Abs. 3 BauNVO. Diese Geschossfläche errechnet sich aus der (tatsächlich vorhandenen) Grundstücksfläche und nicht nach der Grundflächenzahl. Je geringer die Grundflächenzahl bei gleicher Geschossflächenzahl ist, desto mehr Vollgeschosse können grundsätzlich gebaut werden. Diese haben dann – unabhängig von der Grundflächenzahl und damit der Ausnutzung der Grundstücksfläche – die gleiche Möglichkeit der Ableitung von Schmutzwasser und sind daher zum gleichen Betrag heranzuziehen.
Auch der Abzug der Lagerhalle mit der tatsächlichen Geschossfläche von 1,0 und nicht der fiktiven von 1,5 ist rechtmäßig. Das Beitragsrecht stellt auf die Möglichkeit der Nutzung der Einrichtung ab. Von dieser möglichen Nutzung wird vorliegend, gestützt auf § 5 Abs. 7 Satz 1 VES-EWS, das tatsächlich vorhandene Gebäude, hier die Lagerhalle, mit der tatsächlich vorhandenen Geschossfläche abgezogen, da sich die Möglichkeit der Nutzung nur insoweit einschränkt, § 5 Abs. 7 Satz 3 VES-EWS i.V.m. § 20 BauNVO.
b) Soweit sich die Klägerin gegen die Einbeziehung der Fläche, auf der – mittlerweile -Freiflächenphotovoltaikanlagen stehen bzw. geplant sind, in den vorauszuzahlenden Beitrag wendet, geht sie in der Annahme fehl, dass diese Fläche nicht einzurechnen sei. Der Anspruch auf die Entrichtung der Vorauszahlung entsteht grundsätzlich mit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des streitgegenständlichen Bescheides (vgl. auch Schieder/Happ BayKAG, Dez. 2014, Art. 5 KAG Rn. 223), da mit der Beitragsmaßnahme zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen worden war, vgl. § 3 Abs. 2 VES-EWS, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG. Für die Rechtmäßigkeit des Bescheides ist daher grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Vorauszahlungsbescheides maßgeblich (vgl. BVerwG vom 3.11.1986 BVerwGE 78, 243). Wird jedoch ein, nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGVwGO fakultatives, Widerspruchsverfahren durchgeführt, ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der Vorauszahlungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids Gegenstand der Anfechtungsklage und damit der zu treffenden Eilentscheidung. Damit sind Änderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Vorauszahlungsbescheids nur bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids zu berücksichtigen (vgl. BayVGH U.v. 1.3.2012 – 20 B 11.1723; ebenso OVG Berlin-Brandenburg B. v. 22.11.2011 – Az.: 9 S 29.10). Der ursprüngliche Bescheid und der Widerspruchsbescheid sind eine einheitliche Verwaltungsentscheidung (BVerwG U. v. 28. 2. 2002 – 7 C 17/01). Der Widerspruchsbescheid gibt dem Vorauszahlungsbescheid die für die gerichtliche Überprüfung maßgebliche Gestalt.
Der streitgegenständliche Bescheid wurde im November 2018 erlassen. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 31. Mai 2019 zugestellt. Zu diesem Zeitpunkt standen die Freiflächenphotovoltaikanlagen noch nicht. Im Mai 2019 informierte die Klägerin die Beklagte erstmals von ihrem Plan, Photovoltaikanlagen errichten zu wollen. Die entsprechenden Bauunterlagen gingen am 16. Juli 2019 ein und damit erst nach dem hier für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit maßgebenden Zeitpunkt. Darauf, ob Photovoltaikanlagen der Beitragspflicht überhaupt unterliegen, kommt es daher vorliegend nicht an.
III.
Die Kostenentscheidung basiert auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 3 GKG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben