Baurecht

Vorbescheid für Neubau eines Doppelhauses (Unwirksamkeit eines Bebauungsplans)

Aktenzeichen  M 8 K 14.2086

Datum:
3.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 51701
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 1 Abs. 7, § 9, § 30 Abs. 1, § 34, § 214, § 215
BayNatSchG Art. 12 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Kann eine rechtzeitige Mängelrüge im Sinn des § 215 Abs. 1 BauGB (1987) nicht positiv belegt werden, weil die vollständigen Originalunterlagen des Bebauungsplanverfahrens nicht mehr auffindbar sind, ist dem Bauwerber eine Beweiserleichterung zuzugestehen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Das durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete privatnützige Eigentum gehört in hervorgehobener Weise zu den von der Bauleitplanung zu berücksichtigenden Belangen. Städtebaulich beachtliche Allgemeinbelange müssen umso gewichtiger sein, je stärker Festsetzungen eines Bebauungsplans die Befugnisse des Eigentümers einschränken. Die öffentlichen Belange des Naturschutzes können das private Interesse an einer baulichen Nutzung eines Grundstücks nur überwiegen, wenn die naturschutzrechtlichen Belange im Einzelfall besonders schützenswert sind. (redaktioneller Leitsatz)
3. Will eine Gemeinde vorhandene Baurechte mit den Mitteln der Bauleitplanung einschränken, muss sie eine auf einer zutreffenden überschlägigen Ermittlung beruhende Vorstellung davon haben, in welchem Umfang die beabsichtigte Planung bestehendes Baurecht einschränkt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 28. April 2014 verpflichtet, die mit dem Antrag vom 2. April 2014 beantragte Vorbescheidsfrage 1 positiv zu beantworten.
II.
Die Beklagte wird weiterhin verpflichtet, über die mit dem Vorbescheidsantrag vom 2. April 2014 beantragten Fragen 2 und 3 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III.
Von den Kosten des Verfahrens hat die Beklagte ¾ und der Kläger ¼ zu tragen.
IV.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache im tenorierten Umfang Erfolg.
Der Kläger hat einen Anspruch auf positive Beantwortung der Vorbescheidsfrage 1 gemäß dem Antrag vom 2. April 2014 nach Plan-Nr. …. Die negative Beantwortung der Frage 1 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Eine Verpflichtung der Beklagten zur positiven Beantwortung der Fragen 2 und 3 gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO kam nicht in Betracht, da die Verwaltungsstreitsache im Hinblick auf ein von der Beklagten noch auszuübendes Ermessen noch nicht spruchreif ist (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO), weshalb die Klage im Hinblick auf den Verpflichtungsantrag bezüglich der Fragen 2 und 3 des Vorbescheidsantrags vom 2. April 2014 nur teilweise Erfolg hat.
I.
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens beurteilt sich nach § 34 BauGB, da der Bebauungsplan Nr. … vom 29. Juni 1990 unwirksam ist und daher dem abgefragten Vorhaben nicht entgegengehalten werden kann. Das Vorhaben fügt sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung in seine nähere Umgebung ein und ist damit nach § 34 Abs. 1 BauGB planungsrechtlich zulässig.
1. Der inzidenten Überprüfung des Bebauungsplans Nr. … steht vorliegend die Vorschrift des § 215 Abs. 1 BauGB 1987 nicht entgegen.
§ 215 BauGB 1987 regelt die Voraussetzungen, unter denen ausgewählte, beachtliche Verstöße gegen Verfahrens- und Formvorschriften des Baugesetzbuches sowie Abwägungsmängel von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen sowie sonstigen Satzungen nach Ablauf einer Rügefrist ohne wirksame Mängelrügen unbeachtlich werden können. Ein Bebauungsplan ist gemäß § 215 Abs. 1 BauGB 1987 nicht mehr überprüfbar, wenn Mängel im Falle einer Verletzung der in § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BauGB 1987 genannten Verfahrens- und Formvorschriften nicht innerhalb eines Jahres (§ 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB 1987) und im Falle eines Abwägungsfehlers nicht innerhalb von sieben Jahren seit Bekanntmachung des Bebauungsplans (§ 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB 1987) schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind.
Der Bevollmächtigte des Klägers brachte im gerichtlichen Verfahren vor, die inzwischen verstorbene ehemalige Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks habe die aus ihrer Sicht gegebenen Fehler des Bebauungsplans Nr. … nach Bekanntmachung des Bebauungsplans fristgerecht an die Beklagte herangetragen. Dieser Vortrag des Klägers kann vorliegend weder bestätigt noch widerlegt werden, da seine Rechtsvorgängerin inzwischen verstorben ist und die einschlägigen vollständigen Originalverfahrensakten des Bebauungsplans Nr. … bei der Beklagten nicht mehr auffindbar sind. Auch klägerseits konnten dem Gericht keine Unterlagen vorgelegt werden, die seinen Vortrag stützen würden.
Es spricht vorliegend jedoch nach den konkreten Umständen des Falles und nach allgemeiner Lebenserfahrung Überwiegendes dafür, dass sich die Rechtsvorgängerin des Klägers gegen den Bebauungsplan Nr. … gewehrt hat und sich mit diesem nicht abfinden wollte, so dass der Vortrag des Klägers plausibel erscheint. Aus den seitens der Beklagten vorgelegten Kopien von Teilen der Verfahrensunterlagen ergibt sich zweifelsohne, dass die Rechtsvorgängerin des Klägers im Bebauungsplanverfahren zahlreiche Einwendungen erhoben und sich damit gegen den Bebauungsplan gewehrt hat. Des Weiteren ergibt sich aus der klägerseits vorgelegten Kopie des Schreibens des damaligen Bevollmächtigten der Rechtsvorgängerin des Klägers vom 15. Juni 1992, dass sie gegenüber der Beklagten Entschädigungsansprüche geltend gemacht hat. Vor dem Hintergrund dieser Umstände erscheint es naheliegend, dass sich die Rechtsvorgängerin des Klägers auch nach Bekanntmachung des Bebauungsplans Nr. … nicht mit seinen Festsetzungen abgefunden und fristgerecht Abwägungsmängel geltend gemacht hat.
Da die vollständigen Originalunterlagen des Bebauungsplanverfahrens bei der Beklagten nicht mehr auffindbar sind, kann eine rechtzeitige Mängelrüge im Sinne des § 215 Abs. 1 BauGB 1987 nicht positiv belegt werden. Allerdings kann dieser Umstand nicht zum Nachteil des Klägers gereichen, da die entsprechende Beweislast bei der Beklagten zu sehen ist. Sie beruft sich vorliegend auf Unbeachtlichkeit von Mängeln nach § 215 Abs. 1 BauGB 1987, die zu einer Unüberprüfbarkeit des Bebauungsplans führen würde, da nach rügelosem Fristablauf der Bebauungsplan so behandelt werden muss, als ob er formell und materiell rechtmäßig wäre (vgl. Jäde in: Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB, 7. Aufl. 2013, § 215 Rn. 1). Insoweit beruft sich die Beklagte daher auf eine für sie günstige Rechtsfolge, so dass sie bereits nach den allgemeinen Beweisregeln hierfür die Beweislast trifft.
Hinzu kommt, dass die Gemeinde grundsätzlich dazu verpflichtet ist, eingehende Rügen zu prüfen und zu den Planakten zu nehmen. Sie trifft insoweit eine Dokumentierungs- und Aufbewahrungspflicht, die hier durch den Verlust der Verfahrensunterlagen des Bebauungsplans Nr. … verletzt wurden, so dass es sachgerecht erscheint dem Kläger eine Beweiserleichterung zuzugestehen (vgl. Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 120. EL Februar 2016, § 215 Rn. 41; zu einer möglichen Beweiserleichterung vgl. auch BVerwG, B.v. 1.4.1997 – 4 B 206.96 – juris Rn. 31).
Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Rechtsvorgängerin des Klägers den Bebauungsplan Nr. … akzeptierte. Die oben angeführten Tatsachen – Erhebung von Einwänden im Planaufstellungsverfahren, Geltendmachung von Entschädigungsforderungen nach dem Inkrafttreten des Bebauungsplans – machen deutlich, dass sie sich gegen den Bebauungsplan zur Wehr setzten wollte. Es ist daher von einer ordnungsgemäßen und fristgerechten Mängelrüge durch die Rechtsvorgängerin des Klägers und damit von der Überprüfbarkeit des Bebauungsplans auszugehen.
Entgegen der Ansicht der Beklagten führt die fehlende gerichtliche Geltendmachung von Mängeln des Bebauungsplans durch Einleitung eines Normenkontrollverfahrens nicht zur Unmöglichkeit einer Inzidentkontrolle des Bebauungsplans (BayVGH, U.v. 4.12.2001 – 2 B 97.1393 – juris).
2. Der Bebauungsplan Nr. … ist unwirksam und kann dem streitgegenständlichen Vorhaben nicht entgegengehalten werden, so dass die Frage 1 des Vorbescheidsantrags vom 2. April 2014 positiv zu beantworten ist.
2.1 Es ist vorliegend bereits zweifelhaft, ob die Festsetzung einer Fläche mit zu erhaltender Vegetation von dem abschließenden Festsetzungskatalog des § 9 BauGB 1987 gedeckt ist.
Weder in dem Bebauungsplan selbst noch in der Begründung hierzu ist die einschlägige Rechtsgrundlage im Sinne des § 9 BauGB 1987 explizit genannt. Für die Festsetzung einer Fläche mit zu erhaltender Vegetation könnten sowohl eine Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 lit b. BauGB 1987 als auch nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB 1987 in Betracht kommen. Aus der Begründung des Bebauungsplans und den übrigen Bebauungsplanunterlagen ergibt es sich, dass die fragliche Festsetzung primär dem Zweck des Schutzes des auf dem streitgegenständlichen Grundstück bestehenden Biotops diente. In der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2015 hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die Fläche mit zu erhaltender Vegetation sei auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB 1987 festgesetzt worden. Dieser Auffassung der Beklagten wiederspricht jedoch die Tatsache, dass eine Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB 1987 aus dem Bebauungsplanentwurf gestrichen wurde, wie sich aus den Ausführungen auf Seite 2 Ziffer 1 des Beschlusses des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung vom 7. März 1990 ergibt. Da die Festsetzung der Fläche mit zu erhaltender Vegetation dennoch in die endgültige Fassung des Bebauungsplans übernommen wurde, liegt es nahe, dass für diese Festsetzung eine abweichende Rechtsgrundlage herangezogen wurde.
Denkbar wäre eine sog. Erhaltungsfestsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 Lit b. BauGB 1987, die primär aus städtebaulichen Gründen möglich ist. Ob entsprechende städtebauliche Gründe im vorliegenden Fall tatsächlich gegeben waren, kann offen bleiben, da der streitgegenständliche Bebauungsplan bereits aus anderen Gründen unwirksam ist.
Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass eine städtebauliche Zielsetzung der streitigen Festsetzung vor dem Hintergrund der in der Begründung des Bebauungsplans Nr. … genannten Planungsziele zweifelhaft erscheint (vgl. Seite 14 Ziffer 3). Hier werden in erster Linie naturschutzfachliche Ziele der Planung angeführt. Ziel der städtebaulichen Neuordnung sei danach der Schutz und die Sicherung der südlichen Teilfläche des Biotops zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes, insbesondere der Tier- und Pflanzenwelt entsprechend dem Bundesnaturschutzgesetz sowie eine auf diese Belange abgestimmte Bebauung.
Lediglich im letzten Absatz der Ziffer 4 der Bebauungsplanbegründung (Seite 15) wird ausgeführt, dass das Plangebiet neben seiner Schutzwürdigkeit als Biotop zusammen mit seinem kleinen waldähnlichen Bestand ein städtebauliches Element, das für das Ortsbild im Raum … typisch sei, darstelle. Nähere Erläuterungen diesbezüglich sind in dem Bebauungsplan jedoch nicht enthalten.
2.2 Der Bebauungsplan Nr. … leidet an einem Abwägungsfehler.
Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass das streitgegenständliche Grundstück vor Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. … dem planungsrechtlichen Innenbereich nach § 34 BauGB zuzuordnen gewesen war. Durch diese Bauleitplanung wurde auf ca. 70% der Gesamtfläche des Vorhabengrundstücks (ca. 2.090 m²) eine „Fläche mit zu erhaltender Vegetation“ im westlichen Teil des Grundstücks festgesetzt. Nach § 2 Abs. 1 des Bebauungsplans sind in dieser Fläche nur unversiegelte Wege zulässig. Lediglich im östlichen Grundstücksbereich sind auf einer Fläche von ca. 896 m² ein Reines Wohngebiet (WR) mit einem 210 m² großen Bauraum festgesetzt worden. Damit wurde das auf dem Grundstück ursprünglich nach § 34 BauGB bestehende Baurecht erheblich eingeschränkt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt der normativen Entziehung des Baurechts, wenn ein solches besteht, erhebliches Gewicht zu, das sich im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB auswirken muss (BVerfG, B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – juris Rn. 18). Beim Erlass eines Bebauungsplans müssen daher im Rahmen der planerischen Abwägung das private Interesse am Erhalt bestehender baulicher Nutzungsrechte mit dem öffentlichen Interesse an einer städtebaulichen Neuordnung des Plangebiets abgewogen werden. Dabei ist in die Abwägung einzustellen, dass sich der Entzug der baulichen Nutzungsmöglichkeiten für den Betroffenen wie eine (Teil-)Enteignung auswirken kann (vgl. BVerfG, B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – juris Rn. 18 m. w. N.). Die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG fordert, dass in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums so weit wie möglich erhalten (BVerfG, B.v. 19.2.2002 a. a. O. Rn. 17 m. w. N.).
Bei der Festsetzung einer Fläche mit zu erhaltender Vegetation, die eine Bebauung des Grundstücks im Geltungsbereich der Festsetzung ausschließt, muss die Beklagte die damit verfolgten Belange des Naturschutzes und die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitssatzes im Rahmen der Abwägung in ein ausgewogenes Verhältnis bringen (vgl. BVerfG, B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 14.7.2006 – 1 N 04.582 – juris Rn. 29). Im Rahmen der Abwägungsentscheidung nach § 1 Abs. 7 BauGB muss der erhebliche Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt werden und anhand dieses Sachverhalts alle sachlich beteiligten Belange und Interessen der Entscheidung zugrunde gelegt sowie umfassend und in nachvollziehbarer Weise abgewogen werden.
2.2.1 Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Beklagte bei ihrer Abwägungsentscheidung im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens den für die Planentscheidung erheblichen Sachverhalt nicht vollständig ermittelt hat, so dass schon deshalb ein Fehler des Abwägungsvorgangs vorliegt.
Will eine Gemeinde die vorhandenen Baurechte mit den Mitteln der Bauleitplanung einschränken, muss sie sich ein zutreffendes Bild von deren Umfang machen (vgl. BayVGH, U.v. 27.10.2014 – 1 N 13.586, 1 N 13.604 – juris Rn. 31 mit Verweis auf den Beschluss des BVerfG vom 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01). Das gilt insbesondere auch für den Umfang eines nach § 34 BauGB bestehenden Baurechts. Letzteres muss zwar in der Regel nicht quadratmetergenau ermittelt werden; die Gemeinde muss aber eine auf einer zutreffenden überschlägigen Ermittlung beruhende Vorstellung davon haben‚ in welchem Umfang die beabsichtigte Planung bestehendes Baurecht einschränkt (BayVGH‚ U.v. 25.10.2010 – 1 N 06.2609 – BayVBl 2011‚ 311 – juris Rn. 67). Eine rechtmäßige Abwägung setzt daher eine hinreichende Ermittlung der insoweit zu berücksichtigenden gegenläufigen (privaten) Belange durch eine sorgfältige Bestandsanalyse voraus (OVG NRW, U.v. 11.2.2914 – 2 D 15/13.NE – juris Rn. 144). Nur unter dieser Voraussetzung kann der Plangeber das private Interesse am Erhalt dieser Rechte mit dem öffentlichen Interesse an einer Neuordnung des Plangebiets sachgerecht abwägen (BayVGH‚ U.v. 25.10.2010 a. a. O.).
Diesen Anforderungen genügt das Vorgehen der Beklagten nicht. Hinsichtlich der Größe des Plangebiets und der Umgebungsbebauung wird in der Bebauungsplanbegründung ausgeführt, dass das Planungsgebiet ca. 3000 m² umfasse und zu einem privaten Eigentum gehöre. Das Grundstück liege innerhalb eines Siedlungsbereiches mit ein- und zweigeschossiger Einzel- und Doppelhausbebauung (Seite 13 Ziffer 2). Die Beklagte hat somit zwar erkannt, dass das streitgegenständliche Grundstück dem planungsrechtlichen Innenbereich angehört und nach Maßgabe des § 34 BauGB bebaubar ist. Eine nach der obergerichtlichen Rechtsprechung für eine sachgerechte Abwägung erforderliche Ermittlung des nach § 34 BauGB bestehenden Baurechts auf dem streitgegenständlichen Grundstück sowie eine ordnungsgemäß durchgeführte Bestandsanalyse lässt sich den Verfahrensunterlagen jedoch nicht entnehmen. Lediglich auf Seite 16 der Bebauungsplanbegründung wird unter der Überschrift „Kosten“ ausgeführt, dass im Falle einer Entschädigungspflicht ca. 1,9 Mio. DM berechnet werden würden (Entschädigungsrisiko). Dies deutet zwar darauf hin, dass eine grobe Schätzung des bestehenden Baurechts erfolgte, jedoch offensichtlich nur unter dem Gesichtspunkt des Entschädigungsrisikos und nicht der Gewichtung des privaten Belangs des Eigentums für die vorzunehmende Interessenabwägung. Diese grobe Kostenrisikoschätzung wird den oben beschriebenen Anforderungen an die Ermittlung des bestehenden Baurechts im Rahmen einer Abwägungsentscheidung keinesfalls gerecht.
Die erforderliche Ermittlung des bestehenden Baurechts seitens der Beklagten ist vorliegend vollständig unterblieben. Die Beklagte hätte unter Heranziehung der Bestandsbebauung in dem näheren Umgriff des betroffenen Grundstücks ermitteln müssen, in welchem Umfang das Grundstück nach den Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB – insbesondere nach dem Maß der baulichen Nutzung und der überbaubaren Grundstücksfläche – bebaubar war, um betroffene Eigentümerposition mit entsprechendem Gewicht bei der Abwägung berücksichtigen zu können.
Dieser Fehler des Abwägungsvorgangs ist gemäß § 214 Abs. 3 Satz 3 BauGB 1987 beachtlich, da er offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss ist. Die mangelhafte Ermittlung des für die Abwägung erheblichen Sachverhalts ergibt sich vorliegend eindeutig aus der Begründung des Bebauungsplans und ist somit offensichtlich.
Die Beklagte hat bei ihrer Abwägungsentscheidung den Belangen des Naturschutzes ein höheres Gewicht beigemessen, ohne dass ihr der konkrete Umfang des durch die Bauleitplanung eingeschränkten Baurechts und die Intensität des damit verbundenen Eigentumseingriffs bewusst waren. Aus den Verfahrensunterlagen des streitgegenständlichen Bebauungsplans ergibt sich, dass die Beklagte den auf dem Vorhabengrundstück bestehenden naturnahen Grünbereich „höherwertiger“ eingestuft hat, als eine über die Bebauung auf dem östlichen Grundstücksteil hinausgehende Baurechtsausweisung (vgl. Seite 5 Ziffer 3 letzter Absatz des Beschlusses des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung vom 7. März 1990). Es wird damit lediglich pauschal festgestellt, dass der naturnahe Grünbereich als höherwertiger betrachtet wird, als das entzogene Baurecht. Im Falle einer zutreffenden Ermittlung des Umfangs des durch die Bauleitplanung eingeschränkten Baurechts, würde auch die planerische Abwägungsentscheidung insgesamt abweichend ausfallen. Die den Eigentümerbelangen gegenüberstehenden Belange des Naturschutzes wären unter Beachtung des Umfangs und der Intensität des Eigentumseingriffs in die Abwägung einzustellen, so dass anzunehmen ist, dass bei richtiger Gewichtung der betroffenen Belange abweichendes Abwägungsergebnis gefunden worden wäre.
2.2.2 Die Beklagte hat ferner bei ihrer Abwägungsentscheidung die Eigentümerbelange des durch die Bauleitplanung betroffenen Eigentümers nicht mit dem Gewicht berücksichtigt, das ihnen aufgrund der Lage des Grundstücks im planungsrechtlichen Innenbereich zukommt. Die mit der Festsetzung der Fläche mit zu erhaltender Vegetation verbundene Einschränkung des Grundeigentums ist unverhältnismäßig und daher auch insoweit abwägungsfehlerhaft.
Wie bereits oben unter Ziffer 2.2 ausgeführt, kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Eigentumsinteresse im Falle einer Entziehung der baulichen Nutzung des privaten Eigentums ein erhebliches Gewicht zu. Wird privates Grundstückseigentum einer baulichen Nutzung entzogen, ist das Gewicht der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 und 2 GG) zu beachten. Dieser private Eigentumsbelang ist in hervorgehobener Weise zu berücksichtigen und kann nur durch gewichtige öffentliche Belange überwunden werden (BayVGH, U.v. 30.11.2006 – 26 N 06.2289 – juris Rn. 25 m. w. N.). Die öffentlichen Belange des Naturschutzes können das private Interesse eines Grundstückseigentümers an einer baulichen Nutzung seines Grundstücks nur überwiegen, wenn die naturschutzrechtlichen Belange im Einzelfall besonders schützenswert sind. Eine nach § 34 BauGB zulässige Bebauung einer Baulücke kann aus Gründen des Naturschutzes allenfalls modifiziert, nicht jedoch schlechthin verhindert werden, auch wenn sie im Laufe der Jahre mit Bäumen und Sträuchern bewachsen ist und in ihnen heimische Vögel nisten und brüten (vgl. BVerwG, U.v. 11.1.2001 – 4 C 6/00 – juris Rn. 18).
(1) Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 4. April 2006 (1 N 04.1661 – juris) unter Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt, dass der Plangeber bei der Festsetzung der von der Bebauung freizuhaltenden Flächen die damit verfolgten Belange des Gemeinwohls und die schutzwürdigen Interessen der Eigentümer unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitssatzes im Rahmen der Abwägung in ein ausgewogenes Verhältnis bringen muss (vgl. dazu BVerfG vom 19.12.2002 – NVwZ 2003, 727). Dabei hat die Gemeinde zu beachten, dass die mit einer Festsetzung der von der Bebauung freizuhaltenden Flächen verbundene Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums an den überplanten Grundstücken (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) die Eigentümerbefugnisse sehr weitgehend einschränkt. Im Hinblick auf ihre einschneidenden Folgen ist eine solche Festsetzung nur dann verhältnismäßig, wenn für den Ausschluss jeglicher Bebauung gewichtige Belange sprechen und diese die entgegenstehenden Eigentumsbelange überwiegen. Besteht auf dem betroffenen Grundstück ein Recht zur Bebauung, kommt der normativen Entziehung desselben erhebliche Bedeutung im Rahmen der Abwägung zu. In die Abwägung ist insbesondere einzustellen, dass sich der Entzug der baulichen Nutzungsmöglichkeiten für den Betroffenen wie eine (Teil-) Enteignung auswirken kann (BayVGH, U.v. 4.4.2006 – 1 N 04.1661 – juris Rn. 39).
(2) Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. März 2007 (26 N 05.2317 – juris) betraf eine Festsetzung einer Fläche als private Grünfläche nach § 9 Abs.1 Nr. 15 BauGB, mit der eine Einschränkung des bestehenden Baurechts einherging. Nach dieser Entscheidung müssen die Gründe, die für eine derartige Festsetzung sprechen, nachvollziehbar und hinreichend gewichtig sein, um sich im Rahmen der Abwägung gegenüber dem durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten privatnützigen Eigentumsrecht des Grundstückseigentümers durchsetzen zu können. Dabei müssen die städtebaulich beachtlichen Allgemeinbelange umso gewichtiger sein, je stärker Festsetzungen eines Bebauungsplans die Befugnisse des Eigentümers einschränken oder Grundstücke von der Privatnützigkeit gänzlich ausschließen. Das durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete privatnützige Eigentum gehört in hervorgehobener Weise zu den von der Bauleitplanung zu berücksichtigenden Belangen (BayVGH, U.v. 12.3.2007 – 26 N 05.2317 – juris Rn. 24 mit Verweis auf BVerwG vom 18.12.1987 ZfBR 1988, 91 und BayVGH vom 17.3.2000 Az. 2 N 93.3028, vom 16.6.2006 Az. 1 N 03.2347 und vom 14.7.2006 Az. 1 N 04.582).
Aus dieser Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs folgt, dass eine Einschränkung der Eigentümerbefugnisse bzw. ein vollständiger Ausschluss der Privatnützigkeit eines Grundstücks im Wege der Bauleitplanung im Hinblick auf die hervorgehobene Bedeutung des durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisten privatnützigen Eigentums nur dann verhältnismäßig ist, wenn für die Einschränkung bzw. für den Ausschluss besonders schutzwürdige Belange sprechen, die entgegenstehende Eigentumsbelange überwiegen.
(3) Die Anwendung dieser Grundsätze führt zu dem Ergebnis, dass die Beklagte die betroffenen Belange fehlgewichtet hat.
Nach dem Ergebnis des gerichtlichen Augenscheins verbleibt dem Kläger keinerlei Möglichkeit, den als Fläche mit zu erhaltender Vegetation ausgewiesenen Teil seines Grundstücks privatnützig zu nutzen. Insbesondere ist auch eine gärtnerische Nutzung dieses Grundstücksbereichs ausgeschlossen, da das Grundstück dicht mit Bäumen und Büschen bestanden ist, die in ihrem ursprünglichen Zustand belassen werden müssen. Die vorhandenen Freiflächen sind für eine Nutzung zu Garten- oder Freizeitzwecken ungeeignet. Dem Kläger verbleiben lediglich die Unterhaltungslasten und Verkehrssicherungspflichten.
Dagegen erschließt sich eine von der Rechtsprechung geforderte besondere Schutzwürdigkeit der naturschutzrechtlichen Belange aus den Bebauungsplanunterlagen nicht. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnten keine Erkenntnisse gewonnen werden, die eine herausragende naturschutzfachliche Bedeutung der betroffenen Grundstücksfläche begründen würden. Eine besondere Gewichtigkeit der naturschutzfachlichen Belange ist vorliegend auch sonst nicht erkennbar. Die in der Bebauungsplanbegründung angeführten Gründe (vgl. Seiten 13 und 14, Ziffer 2) vermögen einen vollständigen Ausschluss einer privatnützgen Nutzungsmöglichkeit nicht zu rechtfertigen. Die Begründung beschränkt sich auf allgemeine Formulierungen, wie beispielsweise „gut geschichteter und artenreicher Gehölzbestand“ und eine Insektenfauna „deutlich über dem Hausgarten- und Stadtparkniveau“. Sie bietet keine Anhaltspunkte für die Annahme einer besonderen Schutzwürdigkeit der betroffenen naturschutzfachlichen Belange.
Die Lage des Grundstücks an zwei öffentlichen Straßen sowie dadurch bedingte fehlende direkte Verbindung mit der nördlich gelegenen Biotopfläche auf der Fl.Nr. … sprechen für eine naturschutzfachlich eher geringere Bedeutung der klägerischen Freifläche. Zudem ist das Grundstück eingezäunt und von zwei Seiten von Bebauung umgeben. Aus diesen Gründen kann die geschützte Fläche des klägerischen Grundstücks auch nicht als Teil des nach Norden verlaufenden Grünzugs betrachtet werden, der sich aus der Biotopfläche auf der Fl.Nr. … und der sich nördlich anschließenden Grünfläche zusammensetzt.
(4) Hinzu kommt, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan davon ausgegangen ist, dass keine Entschädigung nach den §§ 39 ff. BauGB und dementsprechend – wegen der Entschädigungslosigkeit des Entzugs der Bebaubarkeit – die Eigentümerbelange in ihrer Gewichtigkeit zu gering in die Abwägung eingestellt hat.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes ist auch ein gemäß § 42 Abs. 3 BauGB entschädigungsfreier Eingriff nicht voraussetzungslos zulässig (U.v. 14.7.2006 – 1 N 04.582 – juris). Er ist entschädigungsfrei, wenn er zulässig ist, aber er ist nicht schon deshalb zulässig, weil er entschädigungsfrei wäre. Auch wenn dem Eigentümer – auf der Ebene des Sekundärrechtsschutzes – also im Falle eines zulässigen Eingriffs keine Entschädigung zustünde, bedeutet das nicht, dass er sich – auf der Ebene des Primärrechtsschutzes – gegen die Aufhebung bestehender Nutzungsmöglichkeiten nicht auf die Eigentumsgarantie berufen kann (BayVGH, U.v. 14.7.2006 – 1 N 04.582 – juris Rn. 33). Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass sich die Wertungen des Planungsschadensrechts auf die Beurteilung von Festsetzungen eines Bebauungsplans zumindest in der Weise auswirken, dass sich das Gewicht privater Eigentumsbelange nach Ablauf der Siebenjahresfrist des § 42 Abs. 2 und 3 BauGB verringert (so BayVGH, U.v. 3.9.2002 – BayVBl. 2003, 273), könnte dies allenfalls Einschränkungen hinsichtlich der Art und Weise der baulichen Nutzbarkeit des Grundstücks, nicht aber den vollständigen Entzug jeglichen Baurechts rechtfertigen (BayVGH, U.v. 14.07.2006 a.a.O.).
Eine Fehlgewichtung der Eigentümerposition im Hinblick auf die Entschädigungsfreiheit des Eigentumseingriffs ergibt sich vorliegend mehrfach aus den Bebauungsplanunterlagen, da sowohl in dem Beschluss des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung vom 7. März 1990 als auch in der Bebauungsplanbegründung von der Möglichkeit einer entschädigungsfreien Baurechtsminderung ausgegangen wurde.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass vorliegend nicht das Baurecht für das gesamte Grundstück entzogen, sondern nur der wesentliche Bereich als zu erhaltende Vegetation festgesetzt wurde. Bei einer Grundstücksgröße von 2.987 m² wurde lediglich eine Fläche von ca. 896 m² (30%) als ein Reines Wohngebiet (WR) festgesetzt. Die übrige Fläche mit ca. 2.090 m² (70%) ist von der Bebauung ausgeschlossen. Die Festsetzung als Reines Wohngebiet mit Bauraumfestsetzung im östlichen Bereich kann nicht kompensierend bzw. den Eigentumseingriff abmildernd angesetzt werden, da mit dieser Überplanung tatsächlich kein Baurecht geschaffen oder zuerkannt wurde, da das Grundstück bereits vorher im unbeplanten Innenbereich lag und nach § 34 BauGB bebaubar war.
2.3 Diese Fehler des Bebauungsplans führen zu seiner Gesamtunwirksamkeit, da die Festsetzung der Fläche mit zu erhaltender Vegetation einen wesentlichen Teil des Bebauungsplans ausmacht und nach dem Willen des Plangebers eine dem Hauptziel der Bauleitplanung dienende Festsetzung darstellt (vgl. Seite 14 Ziffer 3 der Bebauungsplanbegründung).
2.4 Nach alldem richtet sich die planungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens nach § 34 BauGB. Dieses fügt sich – wovon auch die Beklagte ausgeht – nach den Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart seiner näheren Umgebung ein und ist damit planungsrechtlich zulässig. Die Beklagte war zu einer positiven Beantwortung der Frage 1 des Vorbecheidsantrages vom 2. April 2014 zu verpflichten.
3. Eine Verpflichtung der Beklagten zur positiven Beantwortung der Vorbescheidsfrage 2 kommt dagegen nicht in Betracht, da es sich bei der Erteilung einer Befreiung von den Vorschriften der Verordnung der Beklagten über den Schutz des Landschaftsbestandteils „Feldgehölze an der …straße“ in … vom 6. Juli 1990 nach § 5 der Verordnung um eine Ermessensentscheidung handelt und die Beklagte das ihr zustehende Ermessen bislang noch nicht ausgeübt hat. Sie hat eine positive Beantwortung der Frage mit der Begründung abgelehnt, das Bauvorhaben widerspreche den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. …, weshalb auch keine Befreiung von den Verboten der Verordnung in Betracht komme. Dem Kläger steht jedoch ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten über die Erteilung einer Befreiung zu, weshalb diese zu erneuter Verbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten war.
3.1 § 1 der Landschaftsbestandteilverordnung stellt den westlichen Teil des klägerischen Grundstücks mit einer Fläche von ca. 2.090 m² (Teilfläche b) unter Schutz. § 3 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung verbietet in dem Schutzgebiet insbesondere die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen aller Art. Daher schließt die Verordnung der Beklagten nach ihrem Wortlaut das streitgegenständliche Vorhaben aus. Nach § 5 Abs. 1 der Verordnung kann von den Verboten des Bayerischen Naturschutzgesetzes und der Landschaftsbestandteilverordnung nach den Vorschriften des Art. 49 BayNatSchG 1986 im Einzelfall Befreiung erteilt werden. Die Befreiung kann nach § 5 Abs. 2 der Verordnung mit Nebenbestimmungen (Auflagen, Bedingungen, Befristungen) erteilt werden. Eine Befreiung nach Art. 49 Abs. 1 BayNatSchG 1986 kann im Einzelfall erteilt werden, wenn überwiegende Gründe des allgemeinen Wohls die Befreiung erfordern (Nr. 1) oder der Vollzug der Bestimmung zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Abweichung mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist (Nr. 2) oder die Durchführung der Vorschrift zu einer nicht gewollten Beeinträchtigung von Natur und Landschaft führen würde (Nr. 3).
Die Landschaftsbestandteilverordnung der Beklagten vom 6. Juli 1990 findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 12 BayNatSchG 1986. Danach können durch Rechtsverordnung Teile von Natur und Landschaft, die nicht die Voraussetzungen des Art. 9 BayNatSchG 1986 erfüllen, aber im Interesse des Naturhaushalts, insbesondere der Tier- und Pflanzenwelt, erforderlich sind oder zur Belebung des Landschaftsbilds beitragen, als Landschaftsbestandteile geschützt werden. Die Beklagte hat als zuständige Behörde (Art. 45 Abs. 1 Nr. 4 BayNatSchG 1986) die Verordnung am 6. Juli 1990 erlassen, die mit ihrer Bekanntmachung am 10. Juli 1990 in Kraft getreten war.
3.2 Es erscheint jedoch fraglich, ob die materiellen Voraussetzungen für die Unterschutzstellung des westlichen Teils des klägerischen Grundstücks (Teilfläche b) als Landschaftsbestandteil erfüllt sind. Denn die Landschaftsbestandteilverordnung muss als Gesetz im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG den allgemeinen verfassungsrechtlichen Anforderungen an Inhalt und Schranken des Grundeigentums bestimmende Normen entsprechen. Vor allem muss sie die von ihr verfolgten Interessen mit den Belangen der Grundeigentümer in einen gerechten Ausgleich bringen und darf die Eigentümerbefugnisse nicht stärker einschränken, als es durch ihren Zweck gerechtfertigt ist (BayVGH, U.v. 27.9.1991 – 1 B 91.738 – juris Rn. 42).
Ob die streitige Landschaftsbestandteilverordnung diesen Anforderungen gerecht wird, kann vorliegend offen bleiben, weil auch im Falle einer wirksamen Unterschutzstellung der Teilfläche b die öffentlichen Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege keinen gleichsam automatischen oder unbedingten Vorrang vor den Eigentumsbelangen beanspruchen könnten. Allein die Lage eines Innenbereichsgrundstücks im Geltungsbereich einer Landschaftsbestandteilverordnung schließt ein auf dem Grundstück bestehendes Baurecht nicht aus (BayVGH, U.v. 14.07.2006 – 1 N 04.582 – juris Rn. 36). Wenn die materiellen Anforderungen einer Landschaftsbestandteilverordnung eine nach dem bauplanungsrechtlichen Maßstab des § 34 BauGB zulässige Bebauung völlig ausschließen, kann eine die Erteilung einer Befreiung rechtfertigende, offenbar nicht beabsichtigte Härte im Sinne von Art. 49 Abs. 1 Nr. 2 BayNatSchG 1986 zu bejahen sein (vgl. BayVGH, U.v. 14.07.2006 – 1 N 04.582 – juris Rn. 36; BayVGH, U.v. 27.9.1991 – 1 B 91.738 – juris Rn. 42).
3.3 So liegt der Fall hier. Vorliegend kommt eine Befreiung nach § 5 Abs. 1 der Verordnung i. V. m. Art. 49 Abs. 1 Nr. 2 BayNatSchG 1986 in Betracht, da § 3 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung eine Bebauung des dem planungsrechtlichen Innenbereich zuzuordnenden Grundstückteils des Klägers vollständig ausschließt. Eine Abweichung von dem Verbot des § 3 der Verordnung wäre auch mit den öffentlichen Belangen des Bayerischen Naturschutzgesetzes vereinbar, da es sich bei dem geplanten Bauvorhaben um eine maßvolle Bebauung handelt, die naturschutzrechtliche Bedeutung und Wertigkeit des geschützten Landschaftsbestandteils nicht beeinträchtigt. Im Hinblick auf die nicht unerhebliche Größe der geschützten Teilfläche b bleibt die Verwirklichung des Verordnungszwecks – die in der Stadt … an der …straße in … gelegenen Feldgehölze zu erhalten und zu schützen (vgl. § 1 Abs. 1 der Verordnung) – in unbebauten Grundstücksbereichen – wie beispielsweise im rückwärtigen Bereich – weiterhin möglich.
Allerdings ist nicht auszuschließen, dass bei der bisher unterbliebenen naturschutzrechtlichen Prüfung des Vorhabens Nebenbestimmungen nach § 5 Abs. 2 der Verordnung erforderlich werden, die Details der Situierung und Ausführung betreffen. Aus diesem Grund kann der Kläger nur eine erneute Entscheidung der Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts beanspruchen und nicht die Verpflichtung, Frage 2 positiv zu beantworten.
4. In der Frage 3 des Vorbescheidsantrags vom 2. April 2014 ist die Erteilung einer Genehmigung zur Fällung von durch die Baumschutzverordnung der Beklagten vom 18. Januar 2013 geschützten Bäumen auf dem Grundstück des Klägers abgefragt. Die Beklagte hat eine positive Beantwortung dieser Frage mit der Begründung abgelehnt, das Bauvorhaben sei nach § 30 Abs. 1 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig, weshalb eine Zustimmung zu den beantragten Baumfällungen nicht in Aussicht gestellt werden könne. Diese Begründung der Beklagten ist – wie oben ausgeführt – unzutreffend. Da eine Entscheidung über die Erteilung einer Zustimmung zur Baumfällung nach § 5 BaumSchV im Ermessen der Genehmigungsbehörde steht und die Beklagte sich bisher nicht mit den baumschutzrechtlichen Fragen auseinander gesetzt hat, scheidet eine Verpflichtung der Beklagten zur positiven Beantwortung der Frage 3 aus. Ob vorliegend eine Genehmigung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BaumSchV erteilt werden kann, bedarf einer Prüfung der Beklagten, die bisher nicht stattgefunden hat.
II.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO. Da der Beigeladene trotz ordnungsgemäßer Ladung zum Termin der mündlichen Verhandlung vom 3. Mai 2016 nicht erschienen war, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, vgl. §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
III.
Das Datum des Antrages des Klägers war im Tenor der Entscheidung gemäß § 118 Abs. 1 VwGO wegen offenbarer Unrichtigkeit von Amts wegen von „4. Februar 2014“ in „2. April 2014“ zu berichtigen, da in dem handschriftlich niedergelegten Tenor ein Fehler enthalten war, der offensichtlich auf einem Zahlendreher beruhte.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 20.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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