Baurecht

Vorläufige Sicherung eines Überschwemmungsgebiets für die geplante Errichtung zweier Flutpolder

Aktenzeichen  8 ZB 16.2560

Datum:
31.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NuR – 2020, 422
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2
WHG § 76 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 76 Abs. 3, § 86
BayWG Art. 46, Art. 47

 

Leitsatz

1 Unter Überschwemmungsgebiete fallen auch solche Gebiete, in die durch steuerbare Flutpolder aufgrund menschlicher Tätigkeit gezielt Hochwasser eingeleitet wird. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 § 76 Abs. 3 WHG sieht als Voraussetzung für die vorläufige Sicherung lediglich die Ermittlung von Überschwemmungsgebieten, deren Kartierung und die noch nicht erfolgte förmliche Festsetzung vor. vor (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ziel der Sicherung ist es, dem vorbeugenden Hochwasserschutz Geltung zu verschaffen und für die Hochwasserentlastung und Rückhaltung vorgesehene Flächen vor der Realisierung von Hochwasserschutzmaßnahmen von konkurrierender Nutzung freizuhalten. (Rn. 14 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die Instrumente der Veränderungssperre und der vorläufigen Sicherung bestehen nebeneinander. § 86 WHG ist keine abschließende Regelung, die die Heranziehung des § 76 Abs. 3 WHG sperrt. (Rn. 18 – 22) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 8 K 16.542 2016-10-04 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen die Bekanntmachung des Landratsamts Regensburg vom 8. April 2015, mit der unter anderem Teile der Flächen seines landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebs für zwei im Donauabschnitt Kelheim bis Straubing geplanten Flutpolder („E* …“ und „W* …“) vorläufig als Überschwemmungsgebiet gesichert werden.
Mit Urteil vom 4. Oktober 2016 hat das Verwaltungsgericht die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor (vgl. § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 36). Sie sind nicht erst dann gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. BVerfG, B.v. 16.1.2017 – 2 BvR 2615/14 – IÖD 2017, 52 = juris Rn. 19; B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – BVerfGE 110, 77/83). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548 = juris 8 ZB 16.1806 – juris Rn. 9 m.w.N.). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 19.3.2013 – 20 ZB 12.1881 – juris Rn. 2; B.v. 15.12.2017 – 8 ZB 16.1806 – juris Rn. 9).
Nach diesem Maßstab bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Die Einwendungen des Klägers greifen nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Entgegen den Ausführungen im Zulassungsantrag handelt es sich bei den nach Maßgabe der Bekanntmachung vom 8. April 2015 vorläufig gesicherten Flächen für die geplanten Flutpolder „E* …“ und W* …“ um ein nach § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WHG festsetzbares und damit nach § 76 Abs. 3 WHG vorläufig sicherbares Überschwemmungsgebiet.
Nach den Vorgaben des § 76 Abs. 1 und Abs. 2 WHG sind Überschwemmungsgebiete nicht nur die bei Bemessungshochwasser überfluteten Flächen (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WHG), sondern auch solche Gebiete, die für die Hochwasserentlastung oder Rückhaltung beansprucht werden (§ 76 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WHG). Hochwasserentlastung und Rückhaltung können ineinander übergehen und bezeichnen gezielte Eingriffe in den natürlichen Hochwasserverlauf mit dem Ziel der Steuerung von Hochwasserströmungen, Fließgeschwindigkeiten, Pegelspitzen etc. durch Umleitung des Wassers auf normalerweise von dem Hochwasserereignis nicht betroffene Flächen (Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 76 Rn. 29; Zloch in Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2. Aufl. 2017, § 76 Rn. 27; Hünnekens in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2018, § 76 WHG Rn. 6; vgl. auch Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Stand März 2019, Art. 43 BayWG Rn. 7). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat und der Kläger selbst einräumt, fallen darunter insbesondere auch solche Gebiete, in die durch steuerbare Flutpolder – wie auf den betroffenen Flächen des Klägers geplant – aufgrund menschlicher Tätigkeit gezielt Hochwasser eingeleitet wird (vgl. auch VG München, U.v. 12.7.2016 – M 2 K 15.3956 – juris Rn. 18; U.v. 14.6.2016 – M 2 K 15.3778 – juris Rn. 16; U.v. 14.6.2016 – M 2 K 15.1360 – juris Rn. 16).
Gemäß § 76 Abs. 3 WHG sind noch nicht durch Rechtsverordnung festgesetzte Überschwemmungsgebiete zu ermitteln, in Kartenform darzustellen und vorläufig zu sichern. Als vorläufig gesichert gelten gemäß Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayWG ermittelte und kartierte Überschwemmungsgebiete, die noch nicht festgesetzt sind, wenn sie als solche ortsüblich bekannt gemacht sind.
1. 1 Entgegen dem Vorbringen des Klägers erfasst die Bestimmung des § 76 Abs. 3 WHG nicht nur Gebiete mit einer 100-jährlichen Hochwasserwahrscheinlichkeit im Sinne des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WHG.
Diese in Teilen der Literatur vertretene Auffassung (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, § 76 Rn. 39; Schmitt in Beck-OK Umweltrecht, Stand 1.4.2019, § 76 WHG Rn. 23; Zloch in Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, § 76 Rn. 35; Hünnekens in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 76 WHG Rn. 36) ist schon mit dem Wortlaut des § 76 Abs. 3 WHG, der vollumfänglich auf § 76 Abs. 2 WHG verweist, nicht vereinbar (im Ergebnis ebenso Kotulla, WHG, 2. Aufl. 2011, § 76 Rn. 25; Rossi in Siedler/Zeitler/Dahme, WHG und AbwAbgrG, Stand 1.6.2018, § 76 WHG Rn. 33; unklar Breuer/Gärdiz, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 1323). In Absatz 3 der Norm heißt es, dass noch nicht nach Absatz 2 festgesetzte Überschwemmungsgebiete zu ermitteln und in Kartenform darzustellen sind. Als Überschwemmungsgebiete werden aber in § 76 Abs. 2 Satz 1 WHG sowohl die Bereiche nach Nr. 1 als auch die nach Nr. 2 bezeichnet. Hätte der Gesetzgeber hier differenzieren wollen, wäre die genaue Bezeichnung der Nummer möglich gewesen, was aber nicht erfolgt ist. Gründe, die dafür sprechen könnten, den Gesetzeswortlaut einschränkend auszulegen, gibt es nicht.
Soweit der Kläger sich auf die in der Literatur vertretene Ansicht beruft, überzeugt das nicht. Dort wird argumentiert, dass das Instrument der vorläufigen Sicherung nur die Gebiete erfasse, für die nach § 76 Abs. 2 WHG eine zwingende Festsetzungspflicht bestehe. Dieser Einwand verkennt aber, dass die Vorschrift auch die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten für Hochwasserentlastung und Rückhaltung verpflichtend vorschreibt (vgl. BT-Drs. 16/12275 S. 75; vgl. auch Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, § 76 Rn. 15). Es trifft zwar zu, dass für diese Gebiete keine präzise Festsetzungsfrist vorgegeben ist (vgl. § 76 Abs. 2 Satz 2 WHG). Deswegen kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass damit die Voraussetzungen der vorläufigen Sicherung nicht gegeben wären (so aber Czychowski/Reinhardt, WHG, § 76 Rn. 39). Denn § 76 Abs. 3 WHG sieht als Voraussetzungen für die vorläufige Sicherung lediglich die Ermittlung von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 76 Abs. 2 WHG, deren Kartierung und die noch nicht erfolgte förmliche Festsetzung vor. Sind diese Voraussetzungen gegeben, tritt gemäß Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayWG mit ihrer ortsüblichen Bekanntmachung die gesetzliche Fiktion der vorläufigen Sicherung ein. Eine Bezugnahme auf die Frist des § 76 Abs. 2 Satz 2 WHG lässt sich weder dem – auch insofern wiederum eindeutigen – Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien entnehmen. Eine Einschränkung der Norm kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Gesetzeshistorie gegen eine derartige den Wortlaut reduzierende Auslegung des § 76 Abs. 3 WHG spricht. Die Bestimmung des früheren § 31b Abs. 5, Abs. 2 Satz 3 WHG i.d.F. des Gesetzes zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes vom 3. Mai 2005 (BGBl I S. 1224) beschränkte die Pflicht zur vorläufigen Sicherung und Festsetzung von Überschwemmungsgebieten ausdrücklich auf die vom (zumindest hundertjährlichen) Hochwasser bedrohten Gebiete, obwohl Absatz 1 der Vorschrift nicht nur diese, sondern auch die für Hochwasserentlastung und Rückhaltung beanspruchten Gebiete als Überschwemmungsgebiete definierte. Mit der Übernahme der Vorschrift in § 76 WHG i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31. Juli 2009 (BGBl I S. 2585) entschied sich der Gesetzgeber bewusst dafür, die Festsetzungspflicht auch auf diese Gebiete zu erstrecken (vgl. BT-Drs. 16/12275 S. 75). Es ist daher davon auszugehen, dass er bei Fassung des § 76 Abs. 3 WHG eine Beschränkung des Instrumentariums der vorläufigen Sicherung auf die Gebiete des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WHG deutlich gemacht hätte, wenn er diese gewollt hätte. Dies ist nicht ersichtlich. Vielmehr weist die Regelung des § 76 WHG eine klare Gliederung und eine ausdifferenzierte Verweisungstechnik auf, die auch zwischen den Alternativen in Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 unterscheidet. Der klägerischen Auffassung stehen daher neben dem eindeutigen Gesetzeswortlaut sowohl die historische Auslegung als auch systematische Aspekte entgegen.
Auch der Sinn und Zweck des Instruments der vorläufigen Sicherung sprechen gegen eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 76 Abs. 3 WHG auf Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WHG. Ausgangspunkt sind der hohe Rang und die zunehmende Bedeutung, die dem Hochwasserschutz zukommt (vgl. EuGH, U.v. 28.1.1991 – C 57.89 – Slg. 1991, I – 883 [Deichanlage in der Leybucht]; BVerfG, B.v. 25.3.1998 – 1 BvR 1084/92 – NVwZ 1998, 725 = juris Rn. 37; BVerwG, U.v. 27.1.2000 – 4 C 2.99 – BVerwGE 110, 302 = juris Rn. 37; U.v. 22.7.2004 – 7 CN 1.04 – BVerwGE 121, 283 = juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 22.2.2019 – 8 AS 19.40002 u.a. – juris Rn. 22 m.w.N.). Den Regelungen über die vorläufigen Sicherung liegt die Überlegung zugrunde, dass Überschwemmungsgebiete schon vor ihrer förmlichen Festsetzung (§ 76 Abs. 2 und 4 WHG, Art. 46 Abs. 1 bis 3 BayWG) schutzbedürftig sind (vgl. BT-Drs. 15/3168 S. 14 zur früheren Bestimmung des § 31 b Abs. 5 WHG a.F., deren Regelungsauftrag durch § 76 Abs. 3 WHG 2010 in eine unmittelbar geltende Regelung überführt wurde, vgl. dazu BT-Drs. 16/12275 S. 75). Ziel der vorläufigen Sicherung ist es sicherzustellen, dass keine Fakten geschaffen werden, die dem vorbeugenden Hochwasserschutz, dem nach dem Willen des Gesetzgebers ein hoher Rang zukommt (vgl. oben), zuwiderlaufen (so auch – wenn auch unter Bezugnahme auf die Festsetzungsfristen – zum alten Recht Drost, Das Wasserrecht in Bayern, Stand Juli 2009, § 31b WHG Rn. 98). Daher gelten die in § 78 WHG (in der im Zeitpunkt des Fiktionseintritts maßgeblichen Fassung, nunmehr auch in § 78a WHG) für festgesetzte Überschwemmungsgebiete geregelten besonderen Schutzvorschriften für vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiete entsprechend (§ 78 Abs. 6 WHG; nunmehr auch § 78a Abs. 6 WHG). Eine wirksame Hochwasservorsorge umfasst jedoch nicht nur den Schutz der vom hundertjährlichen Hochwasser betroffenen Gebiete, sondern auch die Erhaltung von für die Hochwasserentlastung oder Rückhaltung geeigneten Flächen, die nach dem Willen des Landesgesetzgebers vorrangig für diese Zwecke genutzt werden sollen (vgl. Art. 43 Abs. 1 BayWG).
1. 2 Der Einwand des Klägers, eine vorläufige Sicherung eines Überschwemmungsgebiets gemäß § 76 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WHG setze voraus, dass die betroffenen Flächen bereits tatsächlich zur Hochwasserentlastung und Rückhaltung genutzt oder die zur Errichtung der Flutpolder notwendigen Genehmigungsverfahren bereits abgeschlossen oder zumindest eingeleitet seien, greift nicht durch. Sie findet im Wortlaut der Norm keinen ausreichenden Anhalt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass § 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG von für die Hochwasserentlastung oder Rückhaltung „beanspruchten“ Flächen spricht. Hieraus kann nicht gefolgert werden, dass damit nur die zu diesem Zweck bereits beanspruchten Gebiete gemeint sind, da § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WHG dann leer liefe. Denn diese Flächen werden tatsächlich, wenn auch aufgrund gezielten menschlichen Eingriffs, bei Bemessungshochwasser überflutet und erfüllen damit bereits die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WHG. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, dient das Instrument der vorläufigen Sicherung gerade auch dazu, für die Hochwasserentlastung und Rückhaltung vorgesehenen Flächen vor der Realisierung der Hochwasserschutzmaßnahme von konkurrierender Nutzung freizuhalten. Der Begriff der Beanspruchung ist daher in Verbindung mit der Formulierung in Absatz 3, die Gebiete seien zu ermitteln, dahingehend zu verstehen, dass damit auch Gebiete erfasst werden, die zur Hochwasserentlastung oder Rückhaltung eingeplant, also gezielt dafür vorgesehen sind (vgl. Hünnekens in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 76 WHG Rn. 6 m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall, weil die geplanten Flutpolder „E* …“ und „W* …“ als Teil eines Gesamtkonzepts von geplanten Flutpoldern an der bayerischen Donau im Rahmen des Bayerischen Hochwasseraktionsprogramms 2020plus vorgesehen sind. Zwar gibt es nach Pressemeldungen Überlegungen, von der Errichtung konkret dieser Polder Abstand zu nehmen, eine endgültige Entscheidung ist hierzu aber noch nicht ergangen (vgl. https://www.br.de/nachrichten/bayern/glauber-informiert-sich-ueber-polder-in-w* …-und-e* …,RL5o1w4).
Das Verwaltungsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass die in der Bekanntmachung vom 8. April 2015 bezeichneten, für den Bau der Flutpolder „E* …“ und „W* …“ vorgesehenen Flächen gemäß § 76 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WHG vorläufig gesichert werden können. Der Anwendungsbereich des § 76 Abs. 3 WHG ist entgegen dem Vorbringen des Klägers nicht erst dann eröffnet, wenn die zur Errichtung der Flutpolder notwendigen Genehmigungsverfahren bereits abgeschlossen oder zumindest eingeleitet sind. Auch hierfür ergeben sich im Wortlaut der Bestimmung keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Vorschrift soll zudem nach ihrem Sinn und Zweck zu einer zügigen Umsetzung der dringlichen Hochwasserschutzmaßnahmen beitragen (vgl. Schmitt, BeckOK Umweltrecht, § 76 Rn. 22). Die förmliche Festsetzung von Überschwemmungsgebieten beansprucht wegen der zu erstellenden technischen Gutachten und der einzuhaltenden Verfahrensvorschriften einen beträchtlichen Zeit- und Verwaltungsaufwand; durch die vorläufige Sicherung werden bereits im Vorfeld des förmlichen Verfahrens vom Hochwasser bedrohte und für die Hochwasserentlastung und Rückhaltung geeignete Gebiete ermittelt und gesichert, um so die zeitnahe Durchführung dringender Hochwasserschutzmaßnahmen zu ermöglichen und Schadenspotenziale in dem noch nicht festgesetzten Gebiet zu verhindern (vgl. Hünnekens in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 76 WHG Rn. 36 m.w.N.). Es würde den Zielen der Vorschrift zuwiderlaufen, wenn § 76 Abs. 3 WHG erst nach Einleitung oder Abschluss des zur Errichtung des Flutpolders erforderlichen Genehmigungsverfahrens, das in der Regel in Form eines zeitaufwendigen Planfeststellungsverfahrens erfolgt, zur Anwendung käme. Bereits die Einleitung eines solchen Verfahrens setzt einen Planungsvorlauf des Vorhabenträgers voraus, der über die bloße Ermittlung und Kartierung der für das Vorhaben erforderlichen Flächen hinausgeht. Denn nach Art. 67 Abs. 2 Satz 1 BayWG i.V.m. § 1 Abs. 1 WPBV besteht für den Antragsteller die Pflicht zur Vorlage von Plänen und Beilagen, aus denen das Vorhaben selbst und seine Auswirkungen, insbesondere auf den Wasserhaushalt, die Gewässereigenschaften, den Zustand der Gewässer und andere Umweltbereiche ersichtlich wird. Die Ausarbeitung der in §§ 4 bis 13 WPBV näher konkretisierten Unterlagen erfordert einen nicht unerheblichen Zeitaufwand und birgt damit die Gefahr, dass dem Hochwasserschutz zuwiderlaufende Fakten geschaffen werden, wenn das dafür vorgesehene Gebiet nicht vorläufig gesichert wird.
1. 3 Der vorläufigen Sicherung der für den Bau der Flutpolder „E* …“ und „W* …“ vorgesehenen Gebiete steht auch nicht entgegen, dass sie sich auf eine vorläufige planerische Ermessensentscheidung stützt. Dies liegt bei vorläufigen Sicherungsmaßnahmen in der Natur der Sache. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass dies zwangsläufig der Fall ist, weil die Errichtung gesteuerter Flutpolder regelmäßig planfeststellungspflichtig ist und auf planerischen Ermessensentscheidungen beruht. Soweit der Kläger auf die Notwendigkeit mess- und modelltechnisch ermittelter Tatsachen verweist, verkennt er, dass das Landratsamt die Größe und den Umgriff des vorgesehenen Flutpolders nicht nach eigenem Gutdünken festgelegt hat. Vielmehr beruhen diese auf Messungen und Modellen des Wasserwirtschaftsamts und des Landesamts für Umwelt, die auf Grundlage einer Studie der Technischen Universität München zur „Verzögerung und Abschätzung von Hochwasserfällen entlang der bayerischen Donau“ vorgenommen wurden, um den Standort und die Dimensionierung des Flutpolders zu bestimmen.
1. 4 Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil durch die vorläufige Sicherung der für die Flutpolder vorgesehenen Flächen nach § 76 Abs. 3 WHG i.V.m. Art. 47 BayWG die Regelungen zur Flächensicherung durch eine Veränderungssperre nach § 86 WHG umgangen werden.
Dem Kläger ist zuzugeben, dass die Kartierung und vorläufige Sicherung eines Überschwemmungsgebiets eine ähnliche Funktion hat wie die Veränderungssperre, die gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG unter anderem auch auf der Allgemeinheit dienende Maßnahmen des Hochwasserschutzes – und damit auch für die Errichtung von gesteuerten Flutpoldern – Anwendung finden kann (vgl. zur baurechtlichen Veränderungssperre nach §§ 14 ff. BauGB Breuer/Gärdiz, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rn. 1325; vgl. auch Appel in Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, § 86 Rn. 2 m.w.N.; Hünnekens in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 76 WHG Rn. 35). Auch dieses Planungssicherungsinstrument kann im Einzelfall dem Schutz einer ernsthaften und konkreten Planung dienen und sicherstellen, dass sich das in Rede stehende wasserwirtschaftliche Vorhaben in der in § 86 Abs. 3 WHG vorgesehenen maximalen Sperrdauer von vier Jahren überhaupt realisieren lässt (vgl. Appel in Berendes/Frenz/Müggenborg, a.a.O., Rn. 19 m.w.N.). Das Vorhandensein eines zusätzlichen Sicherungsinstruments erscheint aber, nicht zuletzt angesichts der erheblichen Bedeutung der Belange des Hochwasserschutzes, nicht systemwidrig. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, § 86 WHG insofern als abschließend anzusehen. Zudem sieht die vorläufige Sicherung nach § 76 Abs. 3 WHG i.V.m. Art. 47 BayWG gemäß Art. 47 Abs. 4 BayWG nicht nur einen Sicherungszeitraum von (lediglich) drei Jahren mit einer Verlängerungsmöglichkeit um ein Jahr vor (§ 86 Abs. 3 WHG), sondern eine Zeitdauer von fünf Jahren mit der Möglichkeit, diesen in begründeten Einzelfällen um bis zu zwei Jahre zu verlängern.
Hinzu kommt die Gesetzeshistorie. Der Gesetzgeber begründete die Einführung der im Wesentlichen in § 86 WHG inhaltsgleich übernommenen Vorgängervorschrift des § 36a WHG i.d.F. des Vierten Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 26. April 1976 (BGBl I S. 1109) mit der Notwendigkeit, schon im Planungsstadium die Flächen für raumbeanspruchende Maßnahmen, die im Allgemeinen mehrjähriger Planungsvorbereitungen bedürfen, von Veränderungen, die die Vorhaben stören oder vereiteln könnten, freizuhalten, weil diese weitgehend ortsgebunden sind und die nach der Planung vorgesehenen Standorte sich im allgemeinen nicht oder nur unter größten Schwierigkeiten ändern lassen (vgl. BT-Drs. 7/888 S. 20). Trotz des Vorhandenseins dieses Instruments hat der Normgeber mit der Schaffung des § 31b Abs. 5 WHG i.d.F. des Gesetzes zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes vom 3. Mai 2005 (BGBl I S. 1224) die spezielle Möglichkeit der vorläufigen Sicherung von Überschwemmungsgebieten zusätzlich geschaffen (kritisch hierzu ausdrücklich unter Verweis auf § 36a WHG: Drost, Das Wasserrecht in Bayern, Stand Juli 2009, § 31b WHG Rn. 98; danach war die Notwendigkeit der Regelung in § 31b Abs. 5 WHG im Laufe der parlamentarischen Beratungen umstritten, was in den Gesetzesmaterialien jedoch keinen Niederschlag gefunden hat). Damit hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass diese Bestimmung neben der im damaligen § 36a WHG geregelten Veränderungssperre Anwendung finden kann. Da im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens nicht nur § 31b Abs. 5 WHG neu eingeführt, sondern im Hinblick auf § 36a WHG auch eine Anpassung an das ROG vorgenommen wurde (vgl. BT-Drs. 15/3168 S. 15), ist sichergestellt, dass der Normgeber beide Bestimmungen im Blick hatte. Es spricht daher alles dagegen, § 86 WHG als insofern abschließende Regelung zu verstehen, die eine Heranziehung des § 76 Abs. 3 WHG sperrt (vgl. Appel in Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, § 86 Rn. 89; Czychowski/Reinhardt, WHG, § 86 Rn. 25 jeweils zum Verhältnis der Veränderungssperre nach § 86 WHG zu nach anderen Gesetzen bestehenden Veränderungssperren und sonstigen Nutzungsbeschränkungen). Die nähere Ausgestaltung des Verfahrens zur vorläufigen Sicherung und Festsetzung eines Überschwemmungsgebiets überlässt § 76 Abs. 2 WHG dem Landesgesetzgeber (Czychowski/Reinhardt, WHG, § 76 Rn. 16). Da nach Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayWG die vorläufige Sicherung durch gesetzliche Fiktion bewirkt wird, wird hierbei der Verwaltungsaufwand, wie er bei Erlass einer gesondert zu erlassenden Veränderungssperre erforderlich ist, vermieden (Drost, das neue Wasserrecht in Bayern, Stand März 2019, Art. 47 BayWG Rn. 4). Dies dient der Effektivierung des Hochwasserschutzes, die angesichts der Bedeutung dieser Belange keinen Bedenken begegnet.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Veränderungssperre, wie bereits oben ausgeführt, regelmäßig nach drei Jahren bzw. bei Verlängerung oder Erneuerung nach Ablauf eines weiteren Jahres außer Kraft tritt (§ 86 Abs. 3 Satz 1 und 2 WHG), während die vorläufige Sicherung von Überschwemmungsgebieten nach maximal sieben Jahren endet (Art. 47 Abs. 4 Satz 2 und 3 BayWG). Der Einwand des Klägers, eine „Hintereinanderschaltung“ von vorläufiger Sicherung und Veränderungssperre hätte eine entschädigungslose Eigentumsbindung für den Eigentümer der gesicherten Fläche für einen Zeitraum von bis zu 11 Jahren zur Folge, wäre gegebenenfalls in einem Verfahren gegen eine der vorläufigen Sicherung nachfolgende Veränderungssperre zu berücksichtigen (vgl. zur Frage der Anrechnung anderer Veränderungssperren auf die Dauer der Veränderungssperre nach § 86 WHG Schenk in Sieder/Zeitler/Dahme, WHG und AbgrG, § 86 Rn. 34). Das Vorhandensein mehrerer Sicherungsinstrumente, die jeweils zeitlichen Höchstgrenzen unterworfen sind, berechtigt nicht automatisch dazu, von beiden Möglichkeiten beim selben Vorhaben Gebrauch zu machen und die vorgesehene zeitliche Begrenzung dadurch auszudehnen.
2. Ein Berufungszulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt ebenfalls nicht vor.
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinn dieser Bestimmung weist eine Rechtssache auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sich diese also wegen ihrer Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 3.11.2011 – 8 ZB 10.2931 – BayVBl 2012, 147/149 = juris Rn. 28; B.v. 10.4.2017 25
– ZB 16.673 – juris Rn. 42 jeweils m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.
Die Zulassungsbegründung sieht die besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache in der Neuartigkeit und Ausgefallenheit der in der Zulassungsbegründung aufgeworfenen Rechtsfragen. Diese lassen sich jedoch bereits aus dem Gesetzeswortlaut ohne weiteres lösen. Die davon abweichenden Rechtsauffassungen des Klägers lassen sich bei Heranziehung der Gesetzesmaterialien und der gängigen Auslegungsmethoden ohne weiteres widerlegen (vgl. oben 1.). Es liegen insofern auch keine besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten vor.
3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 20; B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – juris Rn. 33; BVerwG, B.v. 4.8.2017 – 6 B 34.17 – juris Rn. 3). Die grundsätzliche Bedeutung ist zu verneinen, wenn sich eine Rechtsfrage ohne weiteres aus der Anwendung anerkannter Auslegungsmethoden beantworten lässt (vgl. BVerfG, B.v. 29.7.2010 – 1 BvR 1634/04 – NVwZ 2010, 1482 = juris Rn. 62).
Danach kommt der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage,
„ob nach Bemessungshochwasser hochwasserfreie Flächen, die in der Zukunft aufgrund erst noch planfeststellungspflichtiger Vorhaben etwaig als Flutpolder zur Hochwasserentlastung und Rückhaltung beansprucht werden sollen, bereits vor Einleitung und Abschluss der erforderlichen Planfeststellungsverfahren Gegenstand einer vorläufigen Sicherung nach § 76 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WHG sein können“, 31 keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sich deren Beantwortung aus dem Gesetzeswortlaut und den gängigen Auslegungsmethoden ohne weiteres ergibt (vgl. oben unter 1).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG. Nach der Rechtsprechung des Senats ist in Verfahren, die sich gegen die vorläufige Sicherung eines Überschwemmungsgebiets richten, wegen deren einer Veränderungssperre ähnelnden Wirkung (vgl. auch oben unter 1.3) unter Orientierung an die Empfehlung in Nr. 9.8.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit eine Wertfestsetzung in Höhe von 5.000 Euro sachgerecht (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2019 – 8 C 18.456 – juris Rn. 7).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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