Baurecht

Vorläufige Sicherung von Überschwemmungsgebieten

Aktenzeichen  RO 8 K 16.560

Datum:
4.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 136744
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WHG § 76 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 3, § 86
BayWG Art. 47 Abs. 1 S. 1, S. 3
GG Art. 28 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Zur Hochwasserentlastung und Rückhaltung beanspruchte Gebiete sind Gebiete, die bei Hochwasser nicht schon auf natürliche Weise überschwemmt oder durchflossen werden, sondern in die – etwa gerade auch durch gezielt steuerbare Flutpolder – durch menschliche Tätigkeiten gezielt Hochwasser eingeleitet wird.  (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine vorläufige Flächensicherung gem. § 76 Abs. 3 WHG kann nicht nur gestützt auf mess- und modelltechnische Tatsachen erfolgen, sondern auch, soweit sie aufgrund einer vorläufigen planerischen Ermessensentscheidung erfolgt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die vorläufige Sicherung von Flächen führt nicht zu einer gesetzgeberisch nicht gewollten Umgehung der vor allem zeitlich stärker begrenzten Beschränkungen der Nutzung von Grundeigentum bei einer Flächensicherung durch eine Veränderungssperre gem. § 86 WHG. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
1. Die Klage ist zulässig.
Insbesondere ist sie als Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft. Die Klägerin begehrt die Aufhebung der durch die Bekanntmachung des LRA 2 … vom 8.4.2015, jeweils ortsüblich bekannt gemacht im Amtsblatt des Landkreises 2 … vom 10.4.2015, bewirkten vorläufigen Sicherungen des vom WWA … ermittelten Überschwemmungsgebiets für den Flutpolder „E …“. Dabei handelt es sich um eine mit der Anfechtungsklage angreifbare Allgemeinverfügung (so auch VG Augsburg, U. v. 19.02.2013 – 3 K 12.1265 – juris; VG München U.v. 14.6.2016 – M 2 K 15.1360, M 2 K15.3676, M 2 K 15.3677 – juris). Deren Regelungswirkung ist darin zu sehen, dass sie die vorläufige Sicherung der genannten Flächen bewirken und damit gem. § 78 Abs. 6 WHG die in § 78 Abs. 1 bis 5 WHG genannten Rechtsfolgen auslösen.
Der Kläger ist gem. § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, weil eine Verletzung in eigenen Rechten zumindest möglich erscheint. Es ist nicht offenkundig ausgeschlossen, dass die von der vorläufigen Flächensicherung bewirkten Rechtsfolgen gem. § 78 Abs. 1 bis 5 WHG einen unzulässigen Eingriff in die durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie gem. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete gemeindliche Planungshoheit der Klägerin darstellt.
2. Die Klage ist unbegründet. Die Allgemeinverfügung vom 8.4.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
a) § 76 Abs. 3 i.V.m Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WHG stellt eine taugliche Rechtsgrundlage für die Allgemeinverfügung dar.
Nach dieser Regelung sind noch nicht durch Rechtsverordnung festgesetzte Überschwemmungsgebiete gem. § 76 Abs. 2 WHG zu ermitteln, in Kartenform darzustellen und vorläufig zu sichern. Als vorläufig gesichert gelten ermittelte und kartierte Überschwemmungsgebiete, die noch nicht festgesetzt sind, wenn sie als solche ortsüblich bekanntgemacht sind, Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayWG.
aa) Bei den verfahrensgegenständlichen Flächen handelt es sich um zur Hochwasserentlastung und Rückhaltung beanspruchte Grundstücke gem. § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WHG und damit um nach § 76 Abs. 2 WHG festsetzbare Überschwemmungsgebiete, die folglich einer solchen vorläufigen Sicherung nach § 76 Abs. 3 WHG zugänglich sind. Zur Hochwasserentlastung und Rückhaltung beanspruchte Gebiete gem. § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WHG sind Gebiete, die bei Hochwasser nicht schon auf natürliche Weise überschwemmt oder durchflossen werden, sondern in die – etwa gerade auch durch gezielt steuerbare Flutpolder, wie im Gemeindegebiet der Klägerin geplant – durch menschliche Tätigkeiten gezielt Hochwasser eingeleitet wird. Durch das menschliche Tätigkeit beschreibende „beansprucht“ legt dies schon der Wortlaut der Vorschrift nahe (so auch VG München U.v. 14.6.2016 – M 2 K 15.1360, M 2 K15.3676, M 2 K 15.3677 – juris). Außerdem ergibt sich dies aus Wortlaut und Systematik des § 76 Abs. 1 Satz 1 WHG, welcher zwischen Gebieten, die natürlich überschwemmt werden, einerseits und zur Hochwasserentlastung und Rückhaltung beanspruchten Gebieten andererseits unterscheidet. Diese Unterscheidung wäre überflüssig, wenn nicht die letztgenannte Alternative auf Gebiete bezogen wäre, in denen es zu Überschwemmungen infolge menschlich veranlasster, technischer Maßnahmen zum Hochwasserschutz kommt.
Da zu solchen Maßnahmen nach alledem auch die Errichtung von Flutpoldern zu zählen ist und die verfahrensgegenständlichen Flächen des Gemeindegebiets der Klägerin für die Errichtung des Flutpolders „E …“ benötigt werden, handelt es sich dabei um zur Hochwasserentlastung und Rückhaltung beanspruchte Gebiete gem. § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WHG. Dem steht nicht – wie die Klägerseite meint – entgegen, dass diese Gebiete (möglicherweise) erst zukünftig tatsächlich zur Hochwasserentlastung und Rückhaltung genutzt werden, weil die Flutpolder erst noch zu errichten und die hierzu erforderlichen Planfeststellungsverfahren erst noch durchzuführen sind. Eine solch enge Auslegung gebieten weder der Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift. Denn es besteht die Absicht der Bayerischen Staatsregierung, die verfahrensgegenständlichen Flächen für die Errichtung von Flutpoldern zu nutzen. Diese Absicht ist auch schon ausreichend konkret, nachdem das Bayerische Landesamt für Umwelt auf Grundlage umfassender Untersuchungen der TU … eine konkrete Standortempfehlung für die Errichtung der Flutpolder ausgesprochen hat und die Errichtung Teil eines bereits bestehenden Gesamtkonzepts von geplanten Flutpoldern an der bayerischen G … im Rahmen des Hochwasseraktionsprogamms 2020plus ist (vgl. zum Erfordernis eines Entlastungs- und Retentionsraumkonzepts Köck, ZuR 2015, 515, 517). Es erscheint also hinreichend wahrscheinlich, dass die verfahrensgegenständlichen Flächen zukünftig tatsächlich zur Hochwasserentlastung und Rückhaltung beansprucht werden. Dies ist ausreichend. Das Instrument der vorläufigen Flächensicherung verfolgt gerade den Zweck, für solche Maßnahmen benötigte Flächen im Vorfeld ihrer Realisierung von konkurrierender Nutzung freizuhalten und ermöglicht dadurch eine angemessen umfangreiche Planung solcher Vorhaben. Neben der Verhinderung von Maßnahmen gem. § 78 Abs. 1 Satz 1 WHG, die ein solches Vorhaben erschweren könnten, dient die vorläufige Flächensicherung aber auch der Vorbereitung der Unterlagen für das Verfahren, in dem die benötigte Flächen durch Rechtsverordnung gem. § 76 Abs. 2 Satz 2 WHG als Überschwemmungsgebiete festgesetzt werden und das der Errichtung der Flutpolder ebenfalls vorauszugehen hat (vgl. Cormann, in: BeckOK UmweltR, § 76 WHG Rn. 22; Hünnekes, in: Landmann/Rohmer, UmweltR, § 76 WHG Rn. 35 f.). Es liegt daher in der Natur der Sache, dass eine vorläufige Sicherung von zur Hochwasserentlastung und Rückhaltung beanspruchten Überschwemmungsgebieten bereits zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem zwar bereits die Absicht besteht, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, eine tatsächliche Nutzung dieser Fläche aber erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen wird (vgl. Hünnekes, in: Landmann/Rohmer, UmweltR, § 76 WHG Rn. 6; vgl. auch VG München, U.v.14.6.2016 – M 2 K 15.3620 – juris Rn. 24).
bb) Entgegen dem klägerischen Vorbringen kann eine vorläufige Flächensicherung gem. § 76 Abs. 3 WHG auch nicht nur gestützt auf mess- und modelltechnische Tatsachen erfolgen, sondern auch, soweit sie aufgrund einer vorläufigen planerischen Ermessensentscheidung erfolgt. Auch hierfür maßgebliche Umstände und damit die auf Grundlage dieser Umstände zu treffende Entscheidung, welche Flächen gesichert werden sollen, können der Wortbedeutung nach „ermittelt“ und das Ergebnis der Entscheidung in Kartenform „dargestellt“ werden. Der Wortlaut des § 76 Abs. 3 WHG steht also der vorläufigen Sicherung von Flächen für planfeststellungspflichtige Gewässerbaumaßnahmen wie etwa von Flutpoldern, die aufgrund planerischer Ermessensentscheidungen errichtet werden, nicht entgegen.
Überdies beschränkt § 76 Abs. 3 WHG die Anwendbarkeit der vorläufigen Sicherung nicht auf bestimmte Arten noch nicht festgesetzter Überschwemmungsgebiete, sondern schreibt die vorläufige Sicherung sämtlicher noch nicht festgesetzter Überschwemmungsgebiete gem. § 76 Abs. 2 WHG und somit auch von zur Hochwasserentlastung und Rückhaltung beanspruchten Gebieten gem. § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WHG vor. Wenn nach dem oben Gesagten hierunter solche Gebiete fallen, in die – etwa gerade auch durch steuerbare Flutpolder – durch menschliche Tätigkeiten gezielt Hochwasser eingeleitet wird, so gestattet § 76 Abs. 3 WHG auch die Sicherung von Flächen für die Durchführung von baulichen Maßnahmen zur gezielten Einleitung von Hochwasser. Derartige Gewässerbaumaßnahmen werden aber in der Regel planfeststellungspflichtig sein und auf planerischen Ermessensentscheidungen beruhen. Die vorläufige Sicherung hierfür benötigter Flächen muss sich daher zwangsläufig auf das Ergebnis vorläufiger planerischer Ermessensentscheidungen stützen können.
cc) Die Sicherung der Flächen für die geplanten Flutpolder im Wege der vorläufigen Sicherung gem. § 76 Abs. 3 WHG i.V.m. Art. 47 BayWG führt nicht zu einer gesetzgeberisch nicht gewollten Umgehung der vor allem zeitlich stärker begrenzten Beschränkungen der Nutzung von Grundeigentum bei einer Flächensicherung durch eine Veränderungssperre gem. § 86 WHG. Zwar unterfallen auch Flutpolder als dem Wohl der Allgemeinheit dienende Vorhaben des Hochwasserschutzes i.S.d. § 86 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG grundsätzlich dem Anwendungsbereich der fachplanerischen Veränderungssperre gem. § 86 WHG und entfaltet eine vorläufige Sicherung hierfür benötigter Flächen gem. § 76 Abs. 3 WHG i.V.m. Art. 47 BayWG der fachplanerischen Veränderungssperre letztlich weitgehend gleichkommende Wirkungen. Allerdings sind in § 78 Abs. 2 bis 5 WHG zahlreiche Ausnahmetatbestände enthalten, die weit über das hinausgehen, was bei Erlass einer Veränderungssperre nach § 86 WHG (nur) noch zulässig wäre. Es widerspricht aber nicht dem gesetzgeberischen Willen, wenn im Wege der vorläufigen Sicherung gem. § 76 Abs. 3 WHG in ihrer Wirkung vergleichbare Beschränkungen über einen längeren Zeitraum herbeigeführt werden können als mit dem Erlass einer fachplanerischen Veränderungssperre gem. § 86 WHG. Da die vorläufige Sicherung gem. § 76 Abs. 3 WHG und die fachplanerische Veränderungssperre gem. § 86 WHG jeweils eigenständige Ziele verfolgen, können sie nebeneinander bestehen (vgl. Riese, in: Landmann/Rohmer, UmweltR, § 86 WHG Rn. 11). Denn während § 86 WHG die Verwirklichung geplanter wasserwirtschaftlicher Vorhaben sichern soll, bezweckt die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten und ihre vorläufige Sicherung gem. § 76 WHG ganz allgemein das Ergreifen und die Sicherung der Verwirklichung von Maßnahmen zum Hochwasserschutz. Hierzu können, müssen aber nicht unbedingt bauliche Maßnahmen erfolgen, sondern es ist – etwa bei Festsetzung von Überschwemmungsgebieten gem. § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WHG – auch eine bloße Freihaltung von Flächen durch Beschränkungen der Flächennutzung gem. § 78 Abs. 1 WHG denkbar. Wenn aber Überschwemmungsgebiete zur Hochwasserentlastung und Rückhaltung festgesetzt und in Vorbereitung hierzu dienender baulicher Maßnahmen Flächen gem. § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WHG vorläufig gesichert werden sollen, so dient die Flächensicherung gem. § 76 Abs. 3 WHG nicht nur allein dazu, die Verwirklichung baulicher Vorhaben zu sichern, was schon im Wege der Veränderungssperre gem. § 86 WHG erreicht werden könnte, sondern darüber hinaus dem Ziel, angesichts des mit einem Hochwasserereignis verbundenen, erwartbaren, teilweise erheblichen Schadenspotentials möglichst frühzeitig Maßnahmen zum Hochwasserschutz in die Wege zu leiten und bereits in einem frühen Verfahrensstadium die Grundlagen für deren möglichst ungehinderte Verwirklichung zu schaffen (vgl. Cormann, in: BeckOK UmweltR, § 76 WHG Rn. 23). Angesichts der immensen Bedeutung effektiven Hochwasserschutzes für den Schutz von Leib, Leben und Eigentum von Bewohnern hochwassergefährdeter Gebiete sollen zu diesem Zweck auch zeitlich umfassendere Beschränkungen von Grundeigentum als im Wege einer Veränderungssperre gem. § 86 WHG möglich sein. Dies unterstreicht die Existenz einer eigenständigen Regelung zur Flächensicherung in solchen Konstellationen in Form der vorläufigen Sicherung gem. § 76 Abs. 3 WHG.
Selbst wenn man aber davon ausgehen könnte, dass der Einsatz des Mittels der vorläufigen Flächensicherung gem. § 76 Abs. 3 WHG zu einer unzulässigen Umgehung der nach dem bundesgesetzgeberischen Willen äußersten Grenze von vier Jahren für eine entschädigungslos zulässige Eigentumsbindung führen würde – wie nicht – könnte daraus keine Rechtsverletzung der Klägerin erwachsen. Denn auf das Eigentumsgrundrecht gem. Art. 14 GG bzw. Art. 103 BV kann sich die Klägerin nicht berufen. Sie ist als Gemeinde Grundrechtsverpflichtete und daher nicht Grundrechtsträgerin (vgl. nur BayVGH, B. v. 21.9.2015 – 22 ZB 15.1095 – juris Rn. 48 m.w.N.).
b) Ein relevanter Rechtsverstoß ergibt sich auch nicht aus einer etwaigen unzulässigen Doppelsicherung.
Die Klägerseite hat geltend gemacht, dass teilweise eine gem. Art. 47 Abs. 1 Satz 3 BayWG unzulässige Doppelsicherung“ der Überschwemmungsgebiete des geplanten Flutpolders „E …“ vorliege, weil die verfahrensgegenständlichen Flächen teilweise nicht nur der strittigen vorläufigen Sicherung unterliegen, sondern im Regionalplan für die Region 2 … als Vorranggebiet für den Hochwasserschutz „H1 G …“ ausgewiesen sind. Seitens des Beklagten wird dem entgegengehalten, dass das Vorranggebiet „H1 G …“ nur die natürlichen Überschwemmungsgebiete betreffe, nicht aber die künstlich zu schaffenden Überschwemmungsbereiche des geplanten Flutpolders „E …“. Dies kann aber aufgrund folgender Erwägungen letztlich dahinstehen:
aa) Zwar ergibt sich aus Art. 47 Abs. 1 Satz 3 BayWG ein „Verbot der Doppelsicherung“. Eine „Doppelsicherung“ hat jedoch nur zur Folge, dass die vorläufige Sicherung nach Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayWG insoweit entfällt. Bei wortlautgetreuer Auslegung bedeutet dies lediglich, dass die vorläufige Sicherung insoweit wirkungslos ist. Einer entsprechenden Bekanntmachung ermittelter und kartierter Überschwemmungsgebiete, die eine vorläufige Flächensicherung bewirken soll, steht dies jedoch nicht entgegen. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, so hätte er die Unwirksamkeit der Bekanntmachung anordnen können. Auch Sinn und Zweck der Regelung des Art. 47 Abs. 1 Satz 3 BayWG gebieten es nicht, dass die in einer solchen Bekanntmachung liegende Allgemeinverfügung rechtswidrig ist. Denn die Vorranggebiete in Regionalplänen und das Gebiet, welches Gegenstand einer Bekanntmachung zur Herbeiführung einer vorläufigen Sicherung von Überschwemmungsgebieten ist, sind nicht immer deckungsgleich (im Übrigen ist die Ausweisung der Vorranggebiete auch nicht parzellenscharf), so dass ein Bedürfnis bestehen kann, eine vorläufige Sicherung von Flächen herbeizuführen, auch wenn diese zum Teil im Regionalplan als Vorranggebiete für den Hochwasserschutz ausgewiesen sind. Denn so kann vermieden werden, dass bei der Beschreibung der Fläche, welche vorläufig gesichert werden soll, die als Vorranggebiete ausgewiesenen Teilbereiche mühsam ausgenommen werden müssen. Außerdem wird bei diesem Verständnis des Regelungsgehalts des Art. 47 Abs. 1 Satz 3 BayWG vermieden, dass Schutzlücken entstehen, wenn ein Regionalplan ganz oder teilweise für unwirksam erklärt wird oder Änderungen vorgenommen werden, die zum Entfall des Schutzes durch die Festlegung von Vorranggebieten führen. Letzteres ist durchaus zu erwarten, nachdem im Landesentwicklungsprogramm im Hinblick auf fachrechtliche Regelungsmöglichkeiten darauf verzichtet wurde, die Regionalplanung mit der Festlegung von Vorranggebieten für den Hochwasserschutz zu betrauen. In diesem Fall würden dann insoweit die Wirkungen einer vorläufigen Flächensicherung wieder aufleben, die bei einer „Doppelsicherung“ dann nur vorübergehend entfallen.
Die Frage nach den Wirkungen der vorläufigen Sicherung der für die geplanten Flutpolder benötigten Überschwemmungsgebiete, auf welche eine „Doppelsicherung“ gem. Art. 47 Abs. 1 Satz 3 BayWG Auswirkungen haben könnte, aber ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Die Klägerin begehrt die Aufhebung der in der Bekanntmachung liegenden Allgemeinverfügung, d.h. sie begehrt die Beurteilung der Wirksamkeit dieser Allgemeinverfügung. Diese würde durch eine „Doppelsicherung“ aber ohnehin nicht berührt. Die Feststellung, welche Wirkungen diese Bekanntmachung konkret entfaltet, ist hingegen gerade nicht Gegenstand ihres Klagebegehrens.
bb) Ohne dass es darauf noch entscheidungserheblich ankäme, würde eine unzulässige „Doppelsicherung“ gem. Art. 47 Abs. 1 Satz 3 BayWG die Klägerin zudem nicht in eigenen Rechten verletzen. Wie im klägerischen Vortrag selbst eingeräumt wird, stellen schon die Rechtswirkungen von Vorranggebieten im Regionalplan eine hinreichende Sicherung vor gegenläufigen Planungen dar. Bereits die Ausweisung von Vorranggebieten im Regionalplan hat damit, wie sich aus dem Verweis auf § 78 Abs. 3 WHG in Art. 47 Abs. 1 Satz 3 Hs. 2 BayWG ergibt, Beschränkungen für die Nutzung von Grundstücken im Bereich von Vorranggebieten zur Folge, die im Ergebnis den Wirkungen einer vorläufigen Flächensicherung gem. § 76 Abs. 3 WHG gleichkommen. Die sich aus § 78 WHG ergebenden Wirkungen einer vorläufigen Flächensicherung bewirken daher schon keine zusätzlichen Beschränkungen, die eine eigenständige Verletzung von Rechten der Klägerin begründen könnten. Im Übrigen begründet Art. 47 Abs. 1 Satz 3 BayWG ersichtlich auch keine subjektive Rechtsposition, sondern ist reine Ordnungsvorschrift zur Koordinierung wasserrechtlicher und regionalplanerischer Verwaltungsverfahren.
c) Es steht – entgegen der klägerischen Auffassung – zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch keinesfalls offensichtlich fest, dass der geplante Bau des Flutpolders „E …“ keinerlei Aussicht auf Verwirklichung hat.
Zwar trägt die Klägerseite eine Vielzahl von öffentlichen und privaten Belangen vor, die einer Errichtung der Flutpolder entgegenstehen könnten und daher in einer ordnungsgemäßen Abwägung im Rahmen des erforderlichen Planfeststellungsverfahrens für eine rechtmäßige Planfeststellung Berücksichtigung finden müssen. Nach Sinn und Zweck des Instruments der vorläufigen Sicherung gem. § 46 Abs. 3 WHG muss zum Zeitpunkt der vorläufigen Sicherung von Überschwemmungsgebieten für die Errichtung von Flutpoldern jedoch noch nicht feststehen, ob und inwieweit sich die geplanten Flutpolder tatsächlich realisieren lassen. Denn die vorläufige Sicherung erfolgt nach dem oben Gesagten gerade deshalb, weil – auch angesichts der Vielzahl der zu ermittelnden und zu berücksichtigenden privaten und öffentlichen Belange – für die Errichtung von Flutpoldern eine langwierige und umfangreiche Planung notwendig ist. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines künftigen Planfeststellungsbeschlusses für die Errichtung der Flutpolder ist deshalb vielmehr der weiteren Planung und insbesondere dem späteren wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren vorbehalten. Sie kann schon aufgrund ihres Umfangs und des frühen Verfahrensstadiums im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Flächensicherung nicht antizipiert werden. Nur wenn offensichtlich zu diesem Zeitpunkt bereits feststehen würde, dass die geplanten Flutpolder nicht verwirklicht werden können, könnte dies zur Rechtswidrigkeit der vorläufigen Flächensicherung führen. Hiervon ist in Bezug auf die Flutpolder „E …“ und „W …“ aber derzeit nicht auszugehen. Obwohl von Klägerseite durchaus Gesichtspunkte vorgetragen werden, die gegen eine Verwirklichung der geplanten Polder sprechen könnten, steht angesichts des noch frühen Planungs- und Verfahrensstadiums keinesfalls offensichtlich fest, dass diese sich in der durchaus komplexen Gesamtabwägung im Rahmen des Planungsverfahrens gegenüber der Vielzahl teilweise noch zu ermittelnder und in gleicher Weise zu berücksichtigender Belange durchzusetzen vermögen, die mit einigem Gewicht für eine Realisierung der Flutpolder sprechen. Insbesondere kann zugunsten der Verwirklichung der Flutpolder nach den derzeitigen Planungen auf die intensiven naturwissenschaftlich-technischen Untersuchungen der TU … aus den Jahren 2012 und 2014 verwiesen werden, in deren Rahmen die verfahrensgegenständlichen Flächen als geeignete Standorte identifiziert wurden. Die Beklagtenseite hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass der von Klägerseite behauptete zu erheblichen Beeinträchtigungen führende Grundwasseranstieg als Folge des Polderbaus zum jetzigen Zeitpunkt gerade nicht feststeht. Allein der Umstand, dass sich im weiteren Verlauf des Planungs- und Zulassungsprozesses möglicherweise herausstellen könnte, dass sich die Flutpolder etwa wegen ungünstiger Grundwasserverhältnisse doch nicht oder nicht in der zunächst vorgesehenen Weise realisieren lassen, steht der vorläufigen Sicherung eines grundsätzlich für Flutpolder geeigneten Bereichs nicht entgegen (vgl. zum Ganzen auch VG München, U.v. 14.6.2016 – M 2 K 15.3776 – juris Rn. 22; VG München, U.v.14.6.2016 – M 2 K 15.3620 – juris Rn. 25, 27).
d) Weitere Rechtsfehler der Bekanntmachung, die die Klägerin in ihren Rechten verletzen könnten, sind nicht ersichtlich.
aa) Auf Art. 14 GG bzw. Art. 103 BV kann sich die Klägerin nicht berufen. Sie ist als Gemeinde Grundrechtsverpflichtete und daher nicht Grundrechtsträgerin (vgl. nur BayVGH, B. v. 21.9.2015 – 22 ZB 15.1095 – juris Rn. 48 m.w.N.). Überdies wäre ein durch die vorläufige Sicherung bewirkter Eingriff in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit gerechtfertigt, da er eine verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG darstellt. Anhaltspunkte für eine Verletzung einfachgesetzlicher Rechte der Klägerin als Eigentümerin sicherungsbetroffener Grundstücke sind nicht erkennbar.
bb) Die vorläufige Sicherung der Überschwemmungsgebiete für den Flutpolder stellt auch keine unzulässige Einschränkung der kommunalen Planungshoheit der Klägerin dar. Die gemeindliche Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 11 Abs. 2 BV) vermittelt eine wehrfähige Rechtsposition gegen fremde Fachplanungen nur, wenn das Vorhaben nachhaltig eine bestimmte Planung der Gemeinde stört oder wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung entzieht oder erheblich gemeindliche Einrichtungen beeinträchtigt (BVerwG, U. v. 6.11.2013 – 9 A 9.12 – juris Rn. 19 m.w.N.; BVerwG, B. v. 2.8.2006 – 9 B 9.06 – juris Rn. 6 m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht ersichtlich.
Die vorläufige Sicherung betrifft nur einen vergleichsweise geringen, im östlichen Randbereich gelegenen Teil des Gemeindegebiets, so dass der Klägerin weite Teile des Gemeindegebiets für die Verwirklichung städtebaulicher Planungen verbleiben. Nach Angaben der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung sind von der vorläufigen Sicherung etwa 20 ha des Gemeindegebiets betroffen, das insgesamt 30,52 km² umfasst. Der Bereich des Gemeindegebiets der Klägerin, der von der vorläufigen Sicherung betroffen ist, wird außerdem von der Bundesautobahn A … durchquert und grenzt nach Osten unmittelbar an die G …, so dass die städtebaulichen Gestaltungsmöglichkeiten der Klägerin insoweit ohnehin bereits sehr eingeschränkt waren und die vorläufige Flächensicherung der für den Flutpolder „E …“ benötigten Flächen die Entwicklungspotentiale nicht erheblich weiter einschränkt. Auch mit Blick auf die Möglichkeit, gemäß § 78 Abs. 2 bis 5 WHG Ausnahmen von den Beschränkungen durch die vorläufige Flächensicherung zu gewähren, ist der Klägerin im Ergebnis keinesfalls die Möglichkeit weiterer städtebaulicher Entwicklung genommen.
Im Bereich der verfahrensgegenständlichen Flächen verfolgt die Klägerin außerdem derzeit weder konkrete Planungen noch liegen dort bedeutende gemeindliche Einrichtungen. Die in der Klagebegründung erwähnte Absicht der Klägerin, auf dem nicht im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstück Fl.-Nr. …25 Gemarkung … die bauleitplanerischen Voraussetzungen für die Errichtung einer Photovoltaikanlage zu schaffen, wurde zwischenzeitlich offenbar aufgegeben (vgl. Schreiben der Klägerin vom 24.2.2015 an das LRA 2 … ). Im Übrigen hatten sich nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung die insoweit geltend gemachten bauleitplanerischen Absichten vor Erlass der Allgemeinverfügung auch noch nicht weiter konkretisiert und sich insbesondere noch nicht in einem entsprechenden Planaufstellungsbeschluss manifestiert. Vorausgesetzt, dass das Vorhaben der öffentlichen Energieversorgung dienen sollte, hätte sich angesichts der Privilegierung von Vorhaben im Außenbereich, die der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Wärme und Wasser dienen, vgl. § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB, möglicherweise auch die Frage der Erforderlichkeit einer Bauleitplanung für ein solches Vorhaben gestellt, vgl. § 1 Abs. 3 BauGB. Selbst wenn aber durch die vorläufige Flächensicherung bezüglich des Grundstück Fl.-Nr. …25 Gemarkung … eine konkrete kommunale Planung konterkariert würde, wäre die damit verbundene marginale Einschränkung der kommunalen Planungshoheit angesichts der überragenden Bedeutung des Hochwasserschutzes ohne weiteres als verhältnismäßig anzusehen.


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