Baurecht

Vorliegen eines Bebauungszusammenhangs

Aktenzeichen  M 1 K 15.1798

Datum:
15.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34 Abs. 1 S. 1, § 35 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 7

 

Leitsatz

Zur „Bebauung“ iSd § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB gehören grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt zu werden pflegen, wie beispielsweise zu Freizeitzwecken genutzte Wochenendhäuser, Gartenhäuser oder in einem weiteren Sinne „Nebenanlagen“ zu einer landwirtschaftlichen, (klein-)gärtnerischen oder sonstigen Hauptnutzung, sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen ein die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellen (vgl. BVerwG BeckRS 2015, 49460). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die als Untätigkeitsklage (§ 75 Satz 1 und 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der begehrten Baugenehmigung (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Gegenstand der Klage ist der Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Änderung der Nutzung des auf Teilflächen der Grundstücke FlNr. 13, 311/1 und 383 der Gemarkung … bestehenden Gebäudes Nr. 1 (Lagerhalle/-raum im Erdgeschoss, zwei Ferienwohnungen im Obergeschoss) in Werkstatt- und Büroräume nebst Anbau eines Carports sowie eines Lager- und Abstellraums, die er am … Januar 2015 bei der Beklagten beantragt hat.
Die beantragte Nutzungsänderung ist bauplanungsrechtlich gemäß § 35 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 des Baugesetzbuches (BauGB) unzulässig (Art. 59 Abs. 1 Nr. 1 der Bayerischen Bauordnung – BayBO). Das zur Nutzungsänderung nachgesuchte Gebäude Nr. 1 liegt außerhalb des Bebauungszusammenhangs des … Stadtteils … und damit im Außenbereich (1.). Als nicht privilegiertes Außenbereichsvorhaben beeinträchtigt das Vorhaben öffentliche Belange (2.).
1. Auf Grundlage der im Augenschein vom 15. Juli 2016 gemachten Feststellungen gelangt die Kammer zu der Überzeugung, dass das mit Bauantrag vom … Januar 2015 vom Kläger zur Nutzungsänderung nachgesuchte Gebäude nicht Bestandteil eines Bebauungszusammenhangs im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB ist, sondern im Außenbereich (§ 35 BauGB) liegt.
Die Anwendung des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB setzt einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil voraus. Die Tatbestandsmerkmale „im Zusammenhang bebaut“ und „Ortsteil“ sind dabei kumulativer Natur (vgl. aktuell BVerwG, U. v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 – juris Rn. 11). „Ortsteil“ im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Ein „Bebauungszusammenhang“ ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt (vgl. rechtsgrundsätzlich BVerwG, U. v. 6.11.1968 – 4 C 2.66 – BVerwGE 31, 20 ).
Maßgeblich ist vorliegend allein, ob das zur Nutzungsänderung nachgesuchte Gebäude Nr. 1 auf einem Grundstücksteil belegen ist, der noch am Bebauungszusammenhang des Stadtteils … teilnimmt.
In der Rechtsprechung ist geklärt, nach welchen Kriterien die Abgrenzung des Bebauungszusammenhangs im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zum Außenbereich (§ 35 BauGB) zu erfolgen hat. Danach ist – wie ausgeführt – für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs ausschlaggebend, ob und inwieweit eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört (vgl. BVerwG, U. v. 6.11.1968 a. a. O.). Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist einzelfallbezogen zu entscheiden. Darüber, wo die Grenze des Bebauungszusammenhangs verläuft, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten erschöpfend würdigenden Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts zu befinden (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – juris Rn. 11 m. w. N.). Denn bei der Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich geht es darum, inwieweit ein Grundstück zur Bebauung ansteht und sich aus dem tatsächlich Vorhandenen ein hinreichend verlässlicher Maßstab für die Zulassung weiterer Bebauung nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche gewinnen lässt. Die (be-)wertende Betrachtung der konkreten tatsächlichen Verhältnisse kann sich angesichts dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen Kriterien nur nach optisch wahrnehmbaren Merkmalen richten. Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper (vgl. aktuell BVerwG, B. v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – juris Rn. 5 f.). Dabei sind die Gründe für die Genehmigung des Bestands unerheblich. Auch Gebäude, die nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB im Außenbereich privilegiert sind, können zur Entwicklung eines im Zusammenhang bebauten Urteils gegebenenfalls beitragen. Es kommt dabei regelmäßig weder auf die Zweckbestimmung noch die Entstehungsgeschichte der vorhandenen Bebauung an (vgl. BVerwG, B. v. 2.4.2007 – 4 B 7.07 – juris Rn. 4).
Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist mithin nicht jede beliebige bauliche Anlage. Den Bebauungszusammenhang selbst herstellen oder zu seiner Entwicklung beitragen können nur Bauwerke, die aufgrund ihrer optischen Wahrnehmbarkeit und eines gewissen städtebaulichen Gewichts geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen. Zur „Bebauung“ im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gehören grundsätzlich also nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt zu werden pflegen, wie beispielsweise zu Freizeitzwecken genutzte Wochenendhäuser, Gartenhäuser oder in einem weiteren Sinne „Nebenanlagen“ zu einer landwirtschaftlichen, (klein-)gärtnerischen oder sonstigen Hauptnutzung, sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen ein die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellen (vgl. BVerwG, U. v. 30.6.2015 a. a. O. juris Rn. 15). Dass sie als bauliche Anlagen im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB zu qualifizieren sind, ändert nichts an dieser Beurteilung (vgl. BVerwG, B. v. 2.8.2001 – 4 B 26.01 – juris Rn. 5).
Dies zugrunde gelegt, nimmt das streitgegenständliche Vorhaben nicht mehr am Bebauungszusammenhang des Stadtteils … teil. Dieser endet nördlich der …-straße und östlich der … Straße an der Nordgrenze der vorhandenen Bebauung mit den Hauptgebäuden …-straße …, … und … auf den Grundstücken FlNr. 13 und 16. Dabei handelt es sich um zwei große landwirtschaftliche Hofstellen, die auf dem Grundstück FlNr. 13 zwischenzeitlich allerdings in ganz überwiegenden Teilen einer gewerblichen und freiberuflichen Nutzung zugeführt worden ist. Bei dem nördlich des Hauptgebäudes …-straße …, … auf dem Grundstück FlNr. 383 und bei dem nördlich des Hauptgebäudes …-straße … auf dem Grundstück FlNr. 16 belegenen beiden Gebäuden handelt es sich um landwirtschaftliche Nebengebäude in Gestalt von Holzstadeln/-schuppen, die teilweise auch als private Haus- und Hofwerkstätten genutzt werden. Insbesondere das auf dem Grundstück FlNr. 383 nördlich des Hauptgebäudes …-straße …, … nächstgelegene Nebengebäude vermag dabei dem streitbefangenem Vorhaben keinen Bebauungszusammenhang zu vermitteln, da es als Baulichkeit, die ihrer Art nach nur vorübergehend für den Aufenthalt von Menschen dient, nach dem vorstehend Erläuterten kein die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellt. Gleiches gilt für die teilweise gepflasterten, teilweise befestigten Bereiche (genutzt als Hofflächen, Flächen für Stellplätze und Privatwege sowie Außengewerbeflächen) auf den Grundstücken FlNr. 13, 311/1 und 383 sowie dort ebenfalls vorhandene Einfriedungen. Diesen fehlt sämtlich – sowohl einzeln als auch in ihrer Gesamtheit betrachtet – die maßstabsbildende Kraft zur Begründung eines bodenrechtlich relevanten, für die Siedlungsstruktur prägenden Elements. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es sich bei ihnen (wohl) um bauliche Anlagen im Sinne des § 29 BauGB handelt.
Schließlich vermag auch die (ehemalige Tennen-)Auffahrt an der Nordseite der ehemaligen Hofstelle auf FlNr. 13, die bis an die Nordgrenzen des streitbefangenen Gebäudes herausreicht, keinen Bebauungszusammenhang zu vermitteln. Zwar kann ein Bebauungszusammenhang gegenüber dem Außenbereich im Einzelfall auch über die letzte vorhandene Bebauung hinausreichen und sich dabei durch Geländeeinschnitte, Wege oder ähnliches abgrenzen, so dass unbebaute Randbereiche davon mit umfasst werden (vgl. grundlegend BVerwG, U. v. 12.9.1980 – 4 C 75.77 – juris). Dies setzt aber voraus, dass besondere topographische oder geographische Umstände vorliegen, die dazu führen, dass die freie Fläche an dem erforderlichen Eindruck der Zusammengehörigkeit und der baulichen Geschlossenheit teilnimmt. Einen solchen besonderen Umstand begründet die vorgenannte Tennenauffahrt – wie im Übrigen auch die Bodenbefestigungen und Einfriedungen – nicht. Es handelt sich dabei sämtlich um dienende und zumeist der aufgegebenen landwirtschaftliche Nutzung zu- und untergeordnete Elemente in Gestalt der Aufschüttung für die funktional nicht mehr erforderliche und jederzeit auch beseitigbare Tennenauffahrt, der Bodenbefestigungen und der Einfriedungen, die mit (natürlichen) Geländebesonderheiten im Sinne des Vorstehenden nicht vergleichbar sind. Dies gilt auch bei einer Zusammenschau aller baulichen Anlagen im Norden der beiden großen Hofstellengebäude …-straße …, … und …
Endlich vermögen auch die sonstigen, auf dem Grundstück FlNr. 383 bestehenden, mit Bescheid vom 9. September 2014 im Zuge der sog. „Reaktivierung des …-hofs“ neu zugelassenen landwirtschaftlichen Haupt- und Nebengebäude dem streitbefangenen Vorhaben keinen Bebauungszusammenhang zu vermitteln. Diese Gebäude liegen zum einen bereits deutlich weiter nordöstlich im Außenbereich und haben zum anderen, was die Ställe betrifft, auch durch ihren städtebaulichen Charakter als landwirtschaftliche Nebengebäude, die im Außenbereich belegen sind, für die Vermittlung eines Bebauungszusammenhangs zu den hier betrachtungsrelevanten Hauptgebäuden …-straße …, … und … hin keine ausreichend prägende Wirkung (vgl. BVerwG, B. v. 6.3.1992 – 4 B 35/92 – juris). Die landwirtschaftliche Bebauung auf dem Grundstück FlNr. 383 ist so weitflächig angeordnet und von den südlich vorhandenen Hauptgebäuden auf den Grundstücken FlNr. 13 und 16 so weit entfernt situiert, dass sich ihre städtebauliche Struktur nach Auffassung der Kammer nicht mehr als zwangslose Fortsetzung der vorhandenen Innenbereichsbebauung auf diesen Grundstücken darstellt. Auch die großflächige Pferdekoppel im Süden des Grundstücks FlNr. 383 und die sie umgebenden Freiflächen stellen dabei keine die Siedlungsstruktur prägenden Elemente dar und vermögen daher – auch in Zusammenschau mit den mit Bescheid vom 9. September 2014 auf diesem Grundstück zugelassenen Gebäuden – nach Süden hin keinen Bebauungszusammenhang zu vermitteln. Die unbebauten Flächen, die zwischen den bebauten Grundstücksteilen liegen, nehmen nach dem von der Kammer im Augenschein gewonnenen Gesamteindruck der örtlichen Bebauungssituation nicht am auf den Grundstücken FlNr. 13 und 16 bis zur Nordgrenze der dortigen Hauptgebäude …-straße …, … und … bestehenden Bebauungszusammenhang teil, da infolge der Frei- und Nutzflächen vor allem auf dem Grundstück FlNr. 383 der Eindruck der Zusammengehörigkeit und Geschlossenheit zur Bebauung auf dem Grundstück FlNr. 383 deutlich verlorengeht. Gleiches gilt – erst recht – mit Blick auf die noch deutlich weiter im Norden und Nordosten gelegenen Außenbereichsgebäude östlich der …-straße (Vereinsheim, …-/…-halle).
Das streitbefangenem Vorhaben liegt deshalb nicht in einem Bereich, der als Baulücke erscheint und sonach auch nicht innerhalb eines Bebauungszusammenhangs i. S. v. § 34 Abs. 1 BauGB. Es tritt nach den im Augenschein gewonnenen Erkenntnissen deutlich hervor, dass der hier maßgeblich zur Bestimmung des Bebauungszusammenhangs zu betrachtende Siedlungsbereich im Norden der …-straße und im Osten der … Straße mit den Hauptgebäuden …-straße …, … und … in nördlicher Richtung seinen Abschluss findet und im Anschluss der durch von ausgedehnten Freiflächen umrahmte und allein landwirtschaftlich genutzte Außenbereich beginnt. Hinzu kommt, dass die …-straße aufgrund ihrer geringen Breite und eher niedrigen verkehrlichen Frequentierung keine trennende Wirkung besitzt. Mithin erstreckt sich der Außenbereich, der östlich der …-straße in Gestalt landwirtschaftlich genutzter Wiesen anzutreffen ist, auch westlich dieser Straße auf das Grundstück FlNr. 383.
Es kann deshalb dahinstehen, ob es, etwa nach dem allgemeinen Rechtsgedanken des auch im Verwaltungsrecht geltenden Rechtsgrundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB entsprechend; vgl. z. B. BVerwG, U. v. 11.10.2012 – 5 C 22.11 – juris Rn. 25), eine äußerste Grenze für die grundsätzliche Unbeachtlichkeit der Entstehungsgeschichte vorhandener Bebauung bei der Frage der Beurteilung des Bebauungszusammenhangs (vgl. BVerwG, B. v. 2.4.2007 a. a. O. juris Rn. 4) geben kann, wenn das Vorhaben, auf das man sich zur Herstellung des Bebauungszusammenhangs beruft, zugleich mit dem zur Nutzungsänderung anstehenden Vorhaben erst beantragt und im Rahmen eines einheitlichen landwirtschaftlichen Nutzungskonzepts genehmigt wurde, dieses Konzept nach den aktuellen Bekundungen des Klägers jedoch nicht mehr vorrangig umgesetzt werden soll, sondern nunmehr mit weiteren Anträgen vom Mai 2016 die Nutzungsänderung in einen – ohnehin auch nur unter engen Voraussetzungen bauplanungsrechtlich privilegiert im Außenbereich zulässigen (vgl. BayVGH, B. v. 18.2.2013 – 1 ZB 11.1389, juris) – Pensionspferdebetrieb angestrebt wird.
2. Das Vorhaben unterfällt nicht § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB (a.). Als nicht privilegiertes (sonstiges) Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB beeinträchtigt die zur Genehmigung nachgesuchte Nutzungsänderung öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB, da es die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten lässt (b).
a. Das Vorhaben dient nicht (mehr) dem landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers, wie ihn die Beklagte mit Bescheid vom 9. September 2014 zugelassen hat. Eine im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dienende Funktion hat ein Vorhaben (nur) dann, wenn es dem Betrieb unmittelbar zu- und untergeordnet ist und durch diese Zu- und Unterordnung auch äußerlich erkennbar geprägt wird. Hieran fehlt es, wenn es nach seiner Zweckbestimmung nicht überwiegend im Rahmen der landwirtschaftlichen Betriebsführung genutzt werden soll. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB bietet keine Handhabe dafür, einen landwirtschaftlichen Betrieb unter erleichterten Voraussetzungen um einen von der landwirtschaftlichen Nutzung unabhängigen gewerblich-kaufmännischen Betriebsteil zu erweitern (vgl. z. B. BVerwG, B. v. 4.11.2008 – 4 B 44/08 – juris Rn. 7). So liegt der Fall auch hier. Die beantragte Nutzungsänderung würde zu einer gänzlichen Abkoppelung des streitbefangenen Gebäudes von der privilegierten landwirtschaftlichen Tätigkeit des Klägers im Sinne des der Baugenehmigung vom 9. September 2014 zugrunde liegenden Konzepts in Gestalt einer mitgezogenen Ferienwohn- und Lagernutzung führen.
b. Das Vorhaben beeinträchtigt als sonstiges Vorhaben i. S. d. § 35 Abs. 2 BauGB jedenfalls öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB. Diese Regelung soll einer Zersiedlung des Außenbereichs entgegenwirken. Auch die Ausweitung eines Ortsteils über den Bebauungszusammenhang hinaus in den Außenbereich beeinträchtigt als Vorgang einer siedlungsstrukturell zu missbilligenden Entwicklung öffentliche Belange in diesem Sinne. Denn der öffentliche Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB wird bereits dann berührt, wenn erstmals außerhalb des Innenbereichs ein Bauvorhaben verwirklicht werden soll, das den Anfang einer Splittersiedlung darstellen kann (vgl. grundlegend BVerwG, U. v. 9.6.1976 – IV C 42.74 – juris). Dies gilt auch für eine (sei es mit oder ohne bauliche Änderungen am Bestand einhergehende) Nutzungsänderung, weil damit der grundsätzlich von Siedlungstätigkeit freizuhaltende Außenbereich stärker als zuvor „beansprucht“ wird (vgl. BVerwG, U. v. 9.6.1974 a. a. O.).
Die Unvereinbarkeit des Vorhabens des Klägers mit einer geordneten Siedlungsstruktur folgt daraus, dass das gewerbliche Vorhaben im Außenbereich eine jedenfalls nicht genau übersehbare negative Vorbildwirkung besitzt und es daher seine unabweisbare Konsequenz sein könnte, dass in nicht verlässlich eingrenzbarer Weise weitere unprivilegierte Bauten im Außenbereich entstehen werden.
Eine solche Vorbildwirkung könnte das streitbefangene Vorhaben zum einen insbesondere für die weitere Nutzung der klägerischen Gebäude auf dem Grundstück FlNr. 383 besitzen. Derzeit erweist sich die dort zukünftig (auch) angestrebte Nutzung als Pensionspferdebetrieb mit Blick auf die Frage der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB als ungeklärt, so dass eine Zulassung des hier streitbefangenen Vorhabens auch für zukünftige, in ihrer Privilegierung gegebenenfalls ebenfalls fragliche bauliche Nutzungen eine negative Vorbildwirkung auslösen könnte. Eine solche könnte sich zum anderen auch und gerade für das unmittelbar östlich benachbarte Grundstück FlNr. 16 ergeben, wenn dort beispielsweise das bestehende nördliche Nebengebäude (Holzstadel/-schuppen) zur Disposition gestellt und ein nicht landwirtschaftlicher Neubau mit einer ähnlichen Nutzung wie der streitbefangenen angestrebt würde.
Der Tatbestand des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB setzt dabei im Übrigen nicht voraus, dass – als Folge der Zulassung des insoweit öffentliche Belange beeinträchtigenden Vorhabens – ein uneingeschränkter Rechtsanspruch auf Zulassung weiterer Vorhaben entsteht. Es genügt vielmehr, dass die Gründe, die weiteren Vorhaben entgegengehalten werden könnten, an Überzeugungskraft einbüßen würden, wenn das jetzt beantragte Vorhaben nicht aus eben den Gründen versagt würde, mit der Genehmigung also ein Bezugsfall geschaffen würde. Mit der Versagung der Genehmigung soll bereits „den Anfängen gewehrt“ werden (vgl. BVerwG, B. v. 2.9.1999 – 4 B 27.99, juris Rn. 6). So liegt der Fall im Lichte der vorstehend erläuterten negativen Vorbildwirkung für die Grundstücke FlNr. 383 und 16 auch hier.
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 10.000 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG – i. V. m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).


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