Baurecht

Wechsel des Adressaten einer Baugenehmigung

Aktenzeichen  9 ZB 15.734

Datum:
23.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
RÜ2 – 2017, 239
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 50 Abs. 1, Art. 64 Abs. 3 S. 1, Art. 68 Abs. 2 S. 3
BayVwVfG Art. 42 S. 1

 

Leitsatz

Der Wechsel des Adressaten einer Baugenehmigung durch Zustellung an den Bauherrn und Bauantragsteller führt zu einer Neuregelung und nicht zu einer bloßen Berichtigung der ursprünglich erlassenen Baugenehmigung, auch wenn der Inhalt der Bescheide im Übrigen identisch ist. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 9 K 13.2002 2015-02-26 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und zu 2 zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich als Nachbarin gegen „die Baugenehmigung der Beklagten vom 24. Oktober 2013 bzw. 18. November 2013 für die Errichtung einer Produktionshalle mit Drive-In-Schalter, Verwaltung und Verkauf“.
Der Bescheid vom 24. Oktober 2013 wurde von der Beklagten an die Beigeladene zu 1 adressiert. Der – mit Ausnahme des Adressaten und des Datums – gleichlautende Bescheid vom 18. November 2013 wurde an die Beigeladene zu 2 adressiert, die auch (Bau-) Antragstellerin ist. Die Beigeladene zu 1 gab die an sie adressierte Baugenehmigung vom 24. Oktober 2013 mit Schreiben vom 10. Dezember 2013 an die Beklagte zurück.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage wegen fehlenden Rechtschutzbedürfnisses (Baugenehmigung vom 24.10.2013) sowie wegen Versäumung der Klagefrist (Baugenehmigung vom 18.11.2013) als unzulässig abgewiesen. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Klägerin.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Klägerin beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
1. Dem Zulassungsvorbringen, der zweite Bescheid vom 18. November 2013 stelle mangels Neuregelung keine neue Baugenehmigung dar, sondern sei die Berichtigung des bereits fristgerecht angefochtenen Ursprungsbescheids vom 24. Oktober 2013, ist nicht zu folgen.
a) Die Beklagte hat die Baugenehmigung vom 24. Oktober 2013 gerade nicht berichtigt, sondern am 18. November 2013 einen neuen – inhaltlich gleichlautenden – Bescheid mit neuem Datum sowie neuem Bescheidsadressaten erlassen und diesen der Beigeladenen zu 2 als Bauantragstellerin und Bauherrin (sowie Grundstückseigentümerin) zugestellt (Art. 68 Abs. 2 Satz 3 BayBO). Erst mit der Zustellung der Baugenehmigung vom 18. November 2013 an die Beigeladene zu 2 wurde diese Baugenehmigung wirksam, mit der Folge, dass nicht nur die Baufreigabewirkung eintrat, sondern zugleich die sich aus der Baugenehmigung ergebende Pflichtenstellung der Beigeladenen zu 2 als im Antrag auf Baugenehmigung vom 22. Dezember 2011 (Eingang) bezeichnete Bauantragstellerin und verantwortliche Bauherrin – erstmals zutreffend – bestimmt wurde (Art. 49, Art. 50 Abs. 1, Art. 64 Abs. 3 Satz 1, Art. 68 Abs. 2 Satz 3 BayBO). Der Wechsel des Adressaten führt demnach hier zu einer Neuregelung, auch wenn der Inhalt der Bescheide im Übrigen identisch ist. Denn die Baugenehmigung stellt zugunsten des Bauherrn nicht nur fest, dass dem Bauvorhaben nach dem zur Zeit der Entscheidung geltenden und geprüften öffentlichen Recht keine Hindernisse entgegenstehen, sondern sie bestätigt zugleich die Pflichtenstellung des Bauherrn auch nach Baugenehmigungserteilung wie etwa zur Beachtung der festgelegten Nebenbestimmungen, zur Verantwortlichkeit für die Ausführung des Vorhabens und zur Kostentragung.
b) Von Vorstehendem abgesehen lagen die Voraussetzungen für die Berichtigung einer offenbaren Unrichtigkeit der Baugenehmigung vom 24. Oktober 2013 auch in objektiv-rechtlicher Hinsicht nicht vor. Denn an einer „Unrichtigkeit“ im Sinn des Art. 42 Satz 1 BayVwVfG fehlt es, wenn der Behörde bei ihrer Willensbildung ein Fehler unterlaufen ist. Dabei genügt für die Unanwendbarkeit des Art. 42 Satz 1 BayVwVfG bereits, dass bei einem Fehler die Möglichkeit von Mängeln in der Willensbildung nicht auszuschließen ist (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 42 Rn. 8; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Auflage 2016, § 42 Rn. 7, jeweils m.w.N.). So liegt es hier. Die Beklagte hatte in der Baugenehmigung vom 24. Oktober 2013 und der Kostenrechnung vom selben Tag jeweils die Beigeladene zu 1 zum Bescheidsadressaten bestimmt und damit nach außen erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass die Beigeladene zu 1 Begünstigte und Verpflichtete der Baugenehmigung vom 24. Oktober 2013 sein sollte. Behördlicher Wille und Erklärung stimmten danach überein. Die Nennung der Beigeladenen zu 2 als (Bau-) Antragstellerin im Betreff der Baugenehmigung vom 24. Oktober 2013 zeigt zwar, dass die von der Beklagten verfügte Adressatenstellung der Beigeladenen zu 1 wegen eines Rechtsirrtums oder mangelnder Sachaufklärung offenbar verfehlt war, nicht aber, dass die Beklagte die Beigeladene zu 1 zum Adressaten der Baugenehmigung vom 24. Oktober 2013 bestimmt hat, ohne dies zu wollen.
2. Nichts anderes folgt aus der von der Klägerin für ihre Rechtsansicht in Bezug genommenen Kommentarstelle zur „Bestimmtheit (des Verwaltungsakts) hinsichtlich des Adressaten“ (zitiert nach Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage 2012, § 37 Rn. 9).
Danach ist Adressat derjenige, an den sich der Verwaltungsakt nach seinem objektiven Erklärungswert richtet, wobei dieser nicht mit der Person identisch sein muss, an die sich die Behörde tatsächlich richten müsste. Insoweit ergibt sich aus der Bestimmung des Adressaten durch die Beklagte zweifelsfrei, dass die Baugenehmigung vom 24. Oktober 2013 an die Beigeladene zu 1 gerichtet war, auch wenn sie sich an die Beigeladene zu 2 hätte richten müssen. Insbesondere ergeben sich aus der Bescheidsbegründung keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Baugenehmigung vom 24. Oktober 2013 nicht an die Beigeladene zu 1 richten wollte, zumal diese von denselben Personen vertreten wird wie die Beigeladene zu 2. Wie bereits ausgeführt wurde, zeigt die Nennung der Beigeladenen zu 2 als (Bau-) Antragstellerin im Betreff der Baugenehmigung vom 24. Oktober 2013 lediglich, dass die von der Beklagten verfügte Adressatenstellung der Beigeladenen zu 1 verfehlt war, nicht aber, dass die Beklagte die Beigeladene zu 1 zum Adressaten der Baugenehmigung vom 24. Oktober 2013 bestimmt hat, ohne dies zu wollen.
Soweit in der genannten Kommentierung weiter ausgeführt wird, der Adressat müsse auch nicht identisch sein mit der Person, die im Adressfeld des Schreibens angegeben ist, sind beispielhaft Vertreter, Bevollmächtigte u.s.w. genannt. Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Die Beigeladene zu 1 wurde im Baugenehmigungsverfahren weder als Vertreterin noch als Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 2 benannt. Aus der Kommentierung in der hierzu angeführten Fußnote 14, wonach zu prüfen ist, „ob der Verwaltungsakt dem materiellen Adressaten ordnungsgemäß bekannt gegeben worden ist (§ 41)“, ergibt sich nichts anderes.
Dass beim Auseinanderfallen von formellem und inhaltlichem Adressaten dem Verwaltungsakt eindeutig zu entnehmen sein muss, wer von beiden inhaltlich bzw. der Sache nach Adressat sein soll, verhilft dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg, weil inhaltlicher und formeller Adressat hier nicht auseinanderfallen. Die Baugenehmigung vom 24. Oktober 2013 nennt nur einen Adressaten, die Beigeladene zu 1. Dass richtigerweise die Beigeladene zu 2 zum Adressaten der Baugenehmigung zu bestimmen gewesen wäre, ändert hieran nichts.
Von Vorstehendem abgesehen folgte aus einer gleichwohl angenommenen zweifelhaften Bestimmtheit hinsichtlich der Adressatenstellung für die Beklagte erst Recht die Notwendigkeit, eine neue Baugenehmigung zu erlassen.
3. Eine andere rechtliche Bewertung ergibt sich schließlich nicht daraus, dass die Beklagte mit der – nicht gegenständlichen – Änderungsgenehmigung vom 13. August 2014 an den Baugenehmigungsbescheid vom 24. Oktober 2013 angeknüpft hat.
Zum einen war die Klagefrist gegen die der Klägerin am 23. November 2013 zugestellte, mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:versehene Baugenehmigung vom 18. November 2013 im Zeitpunkt des Änderungsbescheids vom 13. August 2014 bereits verstrichen. Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Versäumung der Klagefrist und der fehlerhaften Anknüpfung im Änderungsbescheid vom 13. August 2014 an die zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr existente Baugenehmigung vom 24. Oktober 2013, die die Beigeladene bereits mit Schreiben vom 10. Dezember 2013 zurückgegeben hatte (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2006 – 15 ZB 06.424 – juris Rn. 4 m.w.N.), besteht deshalb nicht.
Zum anderen ergab sich für die Klägerin erkennbar bereits aus dem Schreiben der Beklagten vom 18. November 2013, mit dem der Klägerin am 23. November 2013 eine Ausfertigung der Baugenehmigung vom 18. November 2013 zugestellt wurde, dass die Beklagte keine Berichtigung der Baugenehmigung vom 24. Oktober 2013 vornahm, sondern dass am 18. November 2013 ein „erneuter Baugenehmigungsbescheid“ erlassen wurde. Hiervon ging die Klägerin zunächst selbst aus. Denn sie ließ mit Schreiben an die Beklagte vom 27. November 2013 ausführen, mit der Klage werde nunmehr „richtigerweise auf eine erst unter dem 18.11.2013 ergangene Baugenehmigung Bezug zu nehmen sein“. Dem ist die Klägerin ausweislich der Feststellungen des Verwaltungsgerichts im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aber innerhalb der Klagefrist nicht nachgekommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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