Baurecht

Werbeanlagen im allgemeinen Wohngebiet

Aktenzeichen  AN 9 K 18.01730

Datum:
23.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 10626
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 31 Abs. 2, § 34 Abs. 1, Abs. 2
BauNVO § 4, § 15
BayBO Art. 8 S. 1, 2
VwGO § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3-7, § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 1
GKG § 52 Abs. 1

 

Leitsatz

Es besteht kein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO für Werbeanlagen, wenn diese aufgrund ihres erhöhten Standorts, ihrer Größe und ihrer Auffälligkeit durch die meist bunten Werbeanlagen eine Unruhe in das Wohngebiet tragen, und zudem zu befürchten ist, dass diese Werbeanlagen als Bezugsfall für weitere Werbeanlagen oder andere gewerbliche Nutzungen dienen können. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 15. August 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, diese hat deshalb keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung unter Aufhebung dieses Bescheids.
Das geplante Vorhaben, das heißt die beiden geplanten Werbeanlagen, liegen bauplanungsrechtlich in einem Bereich, für den kein qualifizierter Bebauungsplan vorhanden ist. Das Gericht geht aber insbesondere nach dem durchgeführten Augenschein davon aus, dass das Baugrundstück und die nähere Umgebung ein faktisches allgemeines Wohngebiet i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO darstellen. Das Gericht grenzt dabei die hier maßgebliche Umgebung i.S.d. § 34 BauGB auf das Gebiet östlich der … Straße, südlich des Grundstücks FlNr. …, westlich der Bahnlinie und nördlich des Grundstücks FlNr. … ein. Dabei scheidet eine Einbeziehung der Grundstücke westlich der … Straße allein deshalb aus, weil am westlichen Rand der … Straße das Stadtgebiet von … endet und das Stadtgebiet von … beginnt. Den Abschluss nach Norden und Osten bilden die Bahnlinie bzw. das dieser vorgelagerte unbebaute und begrünte Grundstück FlNr. … Nach Süden geht das Gericht davon aus, dass das gewerblich bzw. industriell genutzte Grundstück FlNr. … nicht mehr zum Bebauungszusammenhang mit dem Baugrundstück gehört. Der Klägervertreter ist dabei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die nähere Umgebung zur Bestimmung des Baugebiets insoweit zu berücksichtigen ist, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder beeinflusst. Insofern ist aber davon auszugehen, dass zum einen die Wirkungen der geplanten Werbeanlagen von dem südlich gelegenen Grundstück FlNr. … praktisch nicht mehr wahrgenommen werden, da die nördliche gelegene Werbeanlage durch das Gebäude …straße Nr. … bis … verdeckt und nach Süden abgeschirmt wird, während die an der Südwand dieses Gebäudes geplante Werbeanlage durch den südlich angrenzenden Wohnblock … Straße Nr. … bis … verdeckt bzw. abgeschirmt wird. Im Übrigen wäre auch eine Auswirkung einer unbeleuchteten statischen Werbeanlage auf ein angrenzendes, durch eine Mauer, einen massiven Zaun bzw. eine Begrünung abgeschirmtes und durch weitere Grundstücke davon getrenntes Grundstück praktisch nicht feststellbar. Auch eine Auswirkung der gewerblichen Tätigkeit auf dem Grundstück FlNr. … auf das Baugrundstück ist nach Auffassung des Gerichts hier nicht gegeben, da das genannte Gewerbegrundstück wie beschrieben baulich und optisch vom Baugrundstück abgegrenzt ist, die Produktion in geschlossenen Hallen stattfindet, und selbst von dem im nördlichen Grundstücksbereich gelegenen PKW-Parkplatz infolge der Abschirmung durch Mauer bzw. Zaun und Begrünung keine relevante Auswirkung auf das Baugrundstück ausgehen dürfte. Im Übrigen spricht gerade die hier völlig unterschiedliche Bebauungs- und Nutzungsstruktur anhand der klaren, baulich und optisch deutlichen Abgrenzung zwischen dem Gewerbegrundstück im Süden einerseits und der nördlich angrenzenden Wohnbebauung andererseits dafür, dass es sich hier um zwei unterschiedliche Baugebiete handelt.
Nach den im hier maßgeblichen Bereich vorhandenen Nutzungen liegt hier mindestens ein allgemeines Wohngebiet i.S.d. § 4 BauNVO, wenn nicht sogar ein reines Wohngebiet i.S.d. § 3 BauNVO vor. Aber auch in einem allgemeinen Wohngebiet wäre die Werbeanlage nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO nur ausnahmsweise zulässig. Die Klägerin hat aber keinen Anspruch auf Erteilung einer solchen Ausnahme für die zwei begehrten Werbeanlagen, da diese aufgrund ihres jeweils erhöhten Standorts, ihrer Größe und ihrer Auffälligkeit durch die meist bunten Werbeanlagen eine Unruhe in das Wohngebiet tragen, und zudem zu befürchten ist, dass diese Werbeanlagen als Bezugsfall für weitere Werbeanlagen oder andere gewerbliche Nutzungen dienen. Auch ist im Hinblick nördlich des Wohngebäudes vorgesehene freistehend auf Stützen geplante Werbeanlage eine Beeinträchtigung der Wohnnutzung insofern zu erwarten, als diese in relativ geringem Abstand zu den Fenstern im Erdgeschoss errichtet wird und, auch wenn es sich um die Rückseite handelt, ein Gefühl der Enge erzeugen kann, zumal sie den bisher freien Blick auf die begrünte Vorgartenzone behindert und diese Vorgartenzone, die sich hier entlang der … Straße vor den beiden Wohnblöcken durchgehend vorhanden ist, stören würde. Eine ähnliche Wirkung kann von der als Bezugsfall herangezogenen Werbeanlage unmittelbar an der Südgrenze des Grundstücks FlNr. … nicht angenommen werden, da diese abgesetzt vom dort vorhandenen Wohngebäude entlang der Grundstücksgrenze und unmittelbar vor der auf dem südlich angrenzenden Grundstück errichteten 2 m hohen Mauer und den dahinter gelegenen Garagen errichtet wurde, somit weder die Vorgartenzone stört, noch den Blick auf diese behindert.
Damit kann offen bleiben, ob die nordwestlich des Wohngebäudes freistehend errichtete Werbeanlage auch deshalb bauplanungsrechtlich unzulässig ist, weil sie außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche errichtet wird und eine Befreiung davon nicht in Anspruch genommen werden kann. Dies gilt auch für die Frage, ob die dort festgesetzten Baugrenzen in Folge der teilweisen davon abweichenden Bebauung noch wirksam sind oder nicht. Im Übrigen wird im Hinblick auf die freistehende Werbeanlage nordwestlich des Gebäudes auf die Begründung des angefochtenen Bescheids insofern verwiesen, als dort ein Verstoß nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 WAS als Ablehnungsgrund angeführt wird.
Soweit es um die Frage eines Verstoßes gegen Art. 8 Satz 1 und 2 BayBO geht, folgt das Gericht den Ausführungen im Ergänzungsbescheid vom 8. Oktober 2018 und verweist auf diesen.
Damit war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO.
Der Streitwert wurde gemäß § 52 Abs. 1 GKG festgesetzt, wobei die Kammer in ständiger Rechtsprechung für Großflächenwerbetafeln im Euroformat jeweils 5.000,00 EUR Streitwert, somit für zwei Anlagen hier 10.000,00 EUR annimmt.


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