Baurecht

Werklohn für Abbrucharbeiten – Unterscheidung zwischen Detailpauschalvertrag und Globalpauschalvertrag

Aktenzeichen  28 U 945/19 Bau

Datum:
17.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 52364
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VOB/B § 2 Abs. 6, § 2 Abs. 8 Nr. 2
BGB § 133, § 150 Abs. 2, § 157

 

Leitsatz

Verfahrensgang

2 O 1965/18 2019-02-12 Endurteil LGTRAUNSTEIN LG Traunstein

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 12.02.2019, Az. 2 O 1965/18, abgeändert:
Die Klage ist – soweit sie Gegenstand des Berufungsverfahrens ist – dem Grunde nach gerechtfertigt.
2. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten restlichen Werklohn für Abbrucharbeiten.
Die Beklagte beauftragte die Klägerin am 11.01.2017 mit Erbringung von Abbrucharbeiten samt Folgemaßnahmen bei der in den sechzigern Jahren errichteten Ferienanlage „B.“ in H. zum „Pauschalpreis“ von 1,075 Millionen Euro. Mit Schlussrechnung vom 20.12.2017 (Anlage K6) machte die Klägerin weitere 649.664,90 Euro geltend, da erhebliche Leistungen jenseits der pauschalierten Leistungen erbracht worden seien, welche die Beklagte unter Verweis auf die Pauschale aber nicht zahlte.
Das Landgericht Traunstein wies mit Endurteil vom 12.2.2019 die Klage ab, da sich in den geltend gemachten zusätzlichen Kosten das Pauschalrisiko realisiert habe; zudem seien Zusatzangebote nicht angenommen worden, so dass § 2 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B einer Vergütung entgegenstünde.
Die Klägerin hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass der Vertrag fehlerhaft ausgelegt worden sei und Zusatzarbeiten nicht unter die vereinbarten Pauschalleistungen fielen. Auch seien Zusatzaufträge seitens der Beklagten gewollt und geduldet worden.
Die Klägerin beantragt,
1. Das Endurteil des Landgerichts Traunstein wird insoweit aufgehoben, als es die Beklagte nicht verurteilt, an die Klägerin 633.656,55 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.01.2018 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 633.656,55 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9-%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.01.2018 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass mit dem Vertrag vom 11.1.2017 ein umfassender Pauschalvertrag geschlossen worden sei und sich das Pauschalrisiko zu Lasten der Klägerin realisiert habe.
Auf die weiteren Einzelheiten im Urteil des Landgerichts Traunstein vom 12.2.2019, den Hinweis des Senats vom 4.6.2019 und die Berufungsschriftsätze wird Bezug genommen. Der Senat hat am 17.9.2019 mündlich verhandelt; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
II.
Soweit das Urteil des Landgerichts angegriffen wurde, erweist sich die zulässige Berufung dem Grunde nach als begründet, weshalb der Senat durch Zwischenurteil über den Grund (§ 304 Abs. 1 ZPO) das Bestehen des klägerischen Anspruchs aussprechen kann.
1. Eine Entscheidung durch Zwischenurteil gemäß § 304 Abs. 1 ZPO ist prozessual möglich.
Ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs setzt einen bezifferten Antrag, Streitigkeit des erhobenen Anspruchs nach Grund und Betrag, Entscheidungsreife des Rechtsstreits über den Grund des geltend gemachten Anspruchs und die Wahrscheinlichkeit des zumindest teilweise Bestehens des geltend gemachten Anspruchs voraus (zu Einzelheiten Zöller-Feskorn, ZPO, 32. Auflage 2018, § 304 Rnr. 2 ff.).
Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Zahlungsansprüche über mehr als 600.000 Euro geltend. Der Anspruch ist dem Grund und der Höhe nach streitig, da die Parteien den am 11.1.2017 geschlossenen Vertrag in Richtung der Reichweite der Pauschale unterschiedlich auslegen.
Der Streit ist dem Grunde nach entscheidungsreif. Die Auslegung des Vertrags ergibt, dass kein Globalpauschalvertrag geschlossen wurde, sondern ein Detailpauschalvertrag; der Klägerin stehen damit hinreichend wahrscheinlich Ansprüche gemäß § 2 Abs. 8 Nr. 2 i. V. m. § 2 Abs. 6 VOB/B für geleistete Abbrucharbeiten zu, die vertraglich nicht erfasst werden.
2. Der Anspruch besteht dem Grunde nach. Die Auslegung des Vertrags ergibt, dass die VOB/B vereinbart wurde und eine Entsorgung der vom Privatgutachter nicht aufgefundenen Schadstoffe vom Pauschalvertrag nicht umfasst ist. Der Anspruch ist fällig und die Voraussetzungen des § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B liegen vor. Der Senat hat zu den einzelnen Voraussetzungen ausführlich hingewiesen, wobei die Beklagte lediglich zur Reichweite der Pauschale eine abweichende Gegenerklärung abgegeben hat; er nimmt daher zu den übrigen Voraussetzungen vollinhaltlich Bezug auf seinen Hinweis vom 4.6.2019.
Der Senat hält an seiner Einschätzung fest, dass der Vertrag als Detailpauschalvertrag auszulegen ist. Im Hinblick auf die Gegenerklärung der Beklagten sind folgende Ausführungen veranlasst:
a. Der Vertrag ist durch das Angebot der Klägerin vom 21.12.2016 und der Angebotsannahme der Beklagten vom 11.1.2017 zustande gekommen. Soweit die Annahme in einem Beiblatt „Erläuterungen“ enthielt, liegt hierin keine Änderung gem. § 150 Abs. 2 BGB.
(1) Das Vertragsangebot der Klägerin (§ 145 BGB) vom 21.12.2016, als „Pauschalangebot“ bezeichnet und auf Grundlage eines umfassenden Leistungsverzeichnisses der Beklagten erstellt, hat die Beklagte mit Schreiben vom 11.1.2017 in der „Variante drei“ angenommen (Anlage K 1).
Das Schreiben ist zwar mit „Auftrag“ betitelt. Dass damit eine Annahme gemeint ist folgt unmittelbar aus der im Schreiben enthaltenen Wendung „Aufgrund Ihres vorbezeichneten Angebotes erhalten Sie den Auftrag zur Ausführung“: Das anzunehmende Angebot wird bezeichnet und zur Grundlage des Auftrags gemacht.
(2) Die in der Annahmeerklärung enthaltenen „Erläuterungen“, teilweise auf einem separaten Beiblatt, stellen keine Änderungen i.S.d. § 150 Abs. 2 BGB dar.
In diesen Erläuterungen wies die Beklage u. a. auf einen Zeitplan hin sowie darauf, dass Grundlage des Angebots/Auftrags „die Ausschreibung IB Staller vom 9.11.2016“ [die Baubeschreibung der Beklagten, Anlage B 13] „einschließlich aller Anlagen und der orientierenden Schadstoffuntersuchung vom 22.07.2016 …“ und die „Festlegungen des Bietergesprächs vom 12.06.2016“ seien. Mit der Beklagten (Schriftsatz vom 10.7.2019, S. 3) geht der Senat davon aus, dass diese Erläuterungen keine Änderungen gem. § 150 Abs. 2 BGB enthalten; sie dienen allenfalls der erläuternden, gegebenenfalls ergänzenden Vertragsauslegung. Das gilt insbesondere für den Hinweis, wonach die Baubeschreibung Grundlage der Angebotsannahme sei. Im Rahmen der Ausschreibung gab die Beklagte für das Vertragssoll ein detailliertes Leistungsverzeichnis zur Konkretisierung der Baubeschreibung vor, das die Klägerin in ihrem Angebotsschreiben akzeptiert und zur Grundlage gemacht hatte (Anlage B1). Die Baubeschreibung selbst enthält lediglich allgemeine Rahmenbedingungen und Modalitäten – z. B. Lage der Baustelle, Zufahrtsmöglichkeiten; Nachbarschaft; Beweissicherung oder Baustelleneinrichtung -, die sich nicht im Leistungsverzeichnis und damit naturgemäß auch nicht im Angebot spiegeln. Die Beklagte wollte folglich mit ihrem Hinweis nur sicherstellen, dass diese Nebenabreden von Anfang an als Vertragsinhalt gelten sollten.
b. Die Auslegung des Pauschalvertrags ergibt, dass die Entsorgung der Schadstoffe, die nicht Gegenstand des Leistungsverzeichnisses sind, nicht vom Vertragssoll umfasst ist.
Gegenstand der Auslegung nach dem Empfängerhorizont ist in erster Linie das Angebot der Klägerin vom 21.12.2016 in der „Variante drei“ auf Basis des Leistungsverzeichnisses der Beklagten. Die Auslegung ergibt, dass die Klägerin den Abschluss eines Detailpauschalvertrags angeboten hatte und nicht – wie die Beklagte meint – den Abschluss eines Globalpauschalvertrags.
(1) Die Baupraxis unterscheidet – mit Modifikationen – hinsichtlich des nicht kodifizierten Pauschalvertrags zwei Grundtypen, die reine Detailpauschale, mit der das Masserisiko pauschaliert wird und den Globalpauschalpreisvertrag, bei der das Leistungssoll allein funktional umschrieben und der Unternehmer das vollständige Risiko zur Erreichung des Bausolls trägt (zu Einzelheiten vgl. Beck OK VOB/B, Preussner/Kandel/ Jansen, 34. Edition, Stand 31.1.2019, § 2 Abs. 2 VOB/B Rnr. 43, § 2 Abs. 7 Rnr. 6 ff.). Typisches Charakteristikum des Detailpauschalvertrags ist die positionsbezogene Leistungsbestimmung, wobei nur geschuldet ist, was in der Leistungsbeschreibung ausdrücklich als Hauptleistungsposition benannt ist; für die Abrechnung findet in Abweichung von § 2 Abs. 2 VOB/B kein Aufmaß statt. Da das Leistungsverzeichnis abschließend ist, trägt der Unternehmer das Mengenrisiko und der Besteller das Vollständigkeitsrisiko. Beim (erweiterten oder totalen) Globalpauschalpreisvertrag werden dem Unternehmer Pläne zur Verfügung gestellt, die als funktionale Leistungsbeschreibung das Bausoll vorgeben. Wird auf Grundlage solcher Pläne ein Angebot kalkuliert und abgegeben, übernimmt der Unternehmer das Kalkulationsrisiko.
(2) Der Senat hat keine Zweifel, dass das Angebot vom 21.12.2016 auf Abschluss eines Detailpauschalvertrags gerichtet war.
Bei der erforderlichen Auslegung nach dem Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bereits die Auslegung nach dem Wortsinn und Sinn und Zweck des Angebots (Ziff. aa) ergibt, dass ein Detailpauschalvertrag gewollt war. Bestätigt wird dies durch die Umstände des Vertragsschlusses und der mit den unterschiedlichen Arten der Pauschalverträge verfolgten Risikoverteilung (Ziff. bb).
1. Eine am Wortlaut sowie am Sinn und Zweck des Angebots ausgerichtete Auslegung des Angebots nach dem Empfängerhorizont ergibt, dass die Klägerin lediglich einen Detailpauschalvertrag angeboten hat.
Aus dem Detailgrad des Leistungsverzeichnisses, den Unterschieden innerhalb des Leistungsverzeichnisses und der Bezugnahme auf die Analytik der Voruntersuchung folgt die Einordnung als Detailpauschalvertrag.
[1] Bereits aus dem Detailgrad bzw. Detailtiefe des Leistungsverzeichnisses folgt, dass ein Detailpauschalvertrag geschlossen wurde.
Das Angebot wird als „Pauschalangebot“ umschrieben und setzt ein über achtzigseitiges Leistungsverzeichnis um. Neben der Baustelleneinrichtung und Stundenlohnarbeiten werden in sieben separaten Ziffern unterschiedliche Bauziele aufgelistet – u. a. Abbruch Bungalow, Hauptgebäude, Betriebsleiterwohnung u.w. -, die einem Titel des Leistungsverzeichnisses zugeordnet sind und das Leistungsverzeichnis zählt die für das Bauziel erforderlichen Einzelleistungen präzise auf. Die Beklagte als Bestellerin hat die Klägerin nicht unter Verwendung einer funktionalen Beschreibung zur Angebotsabgabe aufgefordert, z. B. dem Abbruch der Bungalows, sondern sich entschieden, eine ausdifferenzierte und viele Seiten umfassende Aufschlüsselung der erwarteten einzelnen Leistungen aufzuzählen; genau diese differenzierte Leistungsbeschreibung war die klägerische Kalkulationsgrundlage. Je detaillierter ein Leistungsverzeichnis ist, desto eher besteht die Vermutung, dass das Vertragssoll aus der Leistungsbeschreibung folgt. Hätte die Beklagte ein Angebot zum Abschluss eines Globalpauschalpreisvertrag einholen wollen, hätte sie – der Baupraxis entsprechend – ein funktionelles Bauziel vorgegeben und die Klägerin beispielsweise aufgefordert, für den Abbruch der 48 Bungalows, einen Preis pro Bungalow zu benennen; ein Leistungsverzeichnis wäre in solchen Fällen schlicht überflüssig.
[2] Für einen Detailpauschalvertrag sprechen zudem die erheblichen Differenzierungen des Leistungsverzeichnisses nach Gebäudetypen.
Trotz des identischen funktionalen Bauziels „Abbruch und Entsorgung“, werden unterschiedliche Leistungen für unterschiedliche Gebäude gefordert. Dies kann nur bedeuten, dass die Einzelleistungen für den Vertragsinhalt im Vordergrund stehen und eine Risikoverteilung für unterschiedliche Entsorgungsarten gewollt war. Eine Leistungsdifferenzierung lässt sich nur mit einem Detailpauschalvertrag in Einklang bringen. Für den Empfängerhorizont auf Seiten der Beklagten ist nicht das Bauziel entscheidend, sondern die präzisen und sich unterscheidenden Einzelleistungen.
[a] So werden u. a. unter der Position 1.3 die Einzelleistungen aufgeschlüsselt, die für den Abbruch des Hauptgebäudes erforderlich sind. Unter 1.3.180 heißt es, dass im Pauschalpreis die ordnungsgemäße sortenreine Verwertung der gesamten mineralischen Bausubstanz versprochen wird.
[b] In Richtung der Betriebsleiterwohnung (Position 1.4 des Leistungsverzeichnisses) werden präzise die erwarteten Baustoffe (Stahlbeton, Beton, Mauerwerk, Putz, Isolierungen u.w.) aufgelistet oder Bestandteile (Türen, Fenster u.w.) benannt. Sodann werden die schadstoffbelasteten Bauteile unter Verweis auf die „Analytik der Voruntersuchung“ aufgezählt und nach dieser Aufzählung heißt es unmittelbar einschränkend „Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Maßgeblich sind die besichtigten Verhältnisse vor Ort“. Bei den dann aufgezählten weiteren Leistungen wird die Entsorgung festgelegt, aufgeschlüsselt nach erwarteten Schadstoffen, z. B. Holz der Schadstoffklasse A4.
[c] Dem verständigen Empfänger fällt unmittelbar u. a. die Unterscheidung des Abbruchs des Hauptgebäudes und der Betriebsleiterwohnung in Richtung des Umfangs der versprochenen Entsorgung auf. Unter der Position 1.3.180 [Hauptgebäude] wird die umfassende Verwertung der nichtmineralischen Bausubstanz genannt sowie der Eigentumsübergang der nicht für die Auffüllung geeigneter mineralischer Bausubstanzen. Demgegenüber heißt es unter der Position 1.4 [Betriebsleiterwohnung] in der Unterziffer 20, dass eine schadstoffbelastete Separierung – nicht Verwertung – geschuldet wird unter Verweis auf die konkreten Verhältnisse vor Ort. Nach der Separierung wird in Folgeziffern für konkrete Schadstoffe – u. a. Hausanschlussschacht, grüne Flexplatte Asbest, A4 Holz – eine bestimmte Art der Entsorgung zugesichert.
[3] Die Differenzierungen – als Indiz für einen Detailpauschalvertrag – zeigen sich nicht nur im Verhältnis der unterschiedlichen Gebäude zueinander. Auch innerhalb einzelner Gebäude differenziert das Leistungsverzeichnis den Umfang der Entsorgung:
So wird im Rahmen der Festlegungen für die Betriebsleiterwohnung [Position 1.4, s. o. Ziff. b] in Ziff. 1.4.20 einerseits die Separierung von schadstoffbelastetem Material als Leistung aufgeführt, andererseits aber auch der komplette Rückbau samt der Verwertung der Toiletten/Sanitäranlagen oder die Verwertung aller Fenster, Türen u.w. Durch die unterschiedlichen Vorgaben wird deutlich, dass die Beklagte in ihren Leistungsanforderungen unterschiedliche Leistungen für das Bauziel „Verwertung“ erwartet und einerseits pauschaliert, andererseits aber Einzelleistungen benennt.
Die Entsorgung bestimmter Abbruchstoffe – Sanitär, Fenster – wird pauschaliert, durch die Wendungen „komplett … verwerten“ und „alle … zu verwerten“. Im Unterschied hierzu wird bei dem schadstoffbelasteten Material zunächst eine Sortierung – „Separierung“ – erwartet und gerade keine pauschale Verwertung. In den Folgeziffern 1.4.50 ff. findet sich dann eine präzise Auflistung der erwarteten Kontamination und der Entsorgungsleistung, wie z. B. in 1.4.70 Zulage A4 Holz „sämtliche … Hölzer … sind als A4 Holz zu entsorgen“. Eine solche Klassifizierung von Schadstoffen in einem Angebot muss aber eine Bedeutung haben, andernfalls die Beschreibung sinnentleert wäre. Da der Kostenaufwand für die Entsorgung von kontaminiertem Material allein von der Schadstofftypisierung abhängt, macht die Beklagte durch ihr Leistungsverzeichnis deutlich, dass unabhängig von der Art der Holzkontamination die Entsorgung bis zur Preisgruppe Kontamination A4 geschuldet ist. Die Klägerin sollte mithin das Risiko übernehmen, dass das gesamte vorhandene Holz diesen Kontaminationsgrad erreicht; das hat sie durch ihr Angebot akzeptiert.
Die Ansicht der Beklagten, dass in jedem Fall eine Verwertung geschuldet ist, findet im Wortlaut keine Stütze. Diese Lesart stünde im Widerspruch dazu, dass die Verhältnisse vor Ort maßgeblich sein sollen, dass die Verwertungsleistungen differenziert beschrieben werden und die zu Grunde gelegte Kontamination genannt wird.
[4] Auch die Bezugnahme auf die „Analytik der Voruntersuchung“ zeigt, dass die Beschreibung der Einzelleistungen für den Vertrag maßgeblich war.
Die Beklagte als Bestellerin erholte eine fachliche Einschätzung der Entsorgungslasten und hat im Leistungsverzeichnis hierauf ausdrücklich verwiesen. Zudem wurden unmittelbar die Ergebnisse der Untersuchung in den Einzelleistungen umgesetzt. So gelangte z. B. die Voruntersuchung zu dem Schluss, dass das Holz den Kontaminationsgrad A4 erreichen kann; spiegelbildlich hierzu wird in Ziff. 1.4.70 die Entsorgung des A4 kontaminierten Holzes als Leistung gefordert.
Für einen verständigen Besteller wird deutlich, dass die Beklagte in ihrem Leistungsverzeichnis die Risiken der Entsorgung anhand der Voruntersuchung eingeschätzt und zur Grundlage des Angebots gemacht hat; damit erfolgte eine Risikobeschränkung auf Grundlage der Ergebnisse der Voruntersuchung, was sich nur mit einem Detailpauschalvertrag in Einklang bringen.
2. Diese Auslegung nach dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck wird gestützt durch die Umstände des Vertragsschlusses, insbesondere der Vertragsanbahnung.
[1] Die Beklagte hat eine Untersuchung in Auftrag gegeben; in dem Untersuchungsbericht werden die Anknüpfungstatsachen hervorgehoben, die einer präzisen Einschätzung entgegenstanden und es wird die Vorläufigkeit der Feststellungen betont. Rechtsverhältnisse zum Sachverständigen bestehen nur seitens der Beklagten. Hieraus folgt, dass die Auftragsbestätigung nur die Altlasten betrifft, die in der Analytik der Voruntersuchung tatsächlich festgestellt wurden. Es ist kein plausibler Grund ersichtlich, warum die Klägerin das Risiko erheblicher Ungenauigkeiten der Einschätzung übernehmen hätte wollen. Diese betreffen allein das grundsätzlich den Eigentümer obliegende Entsorgungsrisiko; es gibt keine Anhaltspunkte, dass die Klägerin dieses Risiko übernehmen wollte.
Der Hinweis, die Klägerin hätte selbst ein Gutachten in Auftrag geben können, ist nicht zielführend. Die Beklagte hat die von ihr erholte Einschätzung zur Grundlage eines detaillierten Leistungsverzeichnisses gemacht und hierauf aufbauend wurden die Entsorgungsrisiken verteilt. Da aus Sicht der Klägerin als Empfängerin des Leistungsverzeichnisses eindeutig erkennbar war, dass sie allein die in der Untersuchung aufgezeigten konkreten Entsorgungsrisiken tragen sollte, bestand keine Veranlassung, die Ergebnisse der Voruntersuchung in Frage zu stellen oder ein eigenes Gutachten zu erholen.
[2] Die Beklagte argumentiert, die Untersuchung sei offensichtlich nur eine grobe Einschätzung und könne daher offensichtlich keine taugliche Grundlage für die Erstellung eines seriösen Angebots sein. Die Klägerin müsse daher das Risiko der ungenauen Untersuchung tragen.
Der Senat folgt dem nicht. Für die Beklagte war die Untersuchung eine ausreichende Grundlage (s. o.), um auf dieser Basis ein Leistungsverzeichnis zu erstellen, da die Ergebnisse der Untersuchung eingeflossen sind. Für die Beklagte waren die Ungenauigkeiten nicht maßgeblich, was unmittelbar aus der präzisen Umsetzung folgt.
Soweit sich später herausgestellt hat, dass die Ergebnisse der Untersuchung ggf. mangelhaft waren, ist dieser Umstand nicht Teil der Risikosphäre der Klägerin. Wie bereits im Hinweis des Senats ausgeführt, folgt das aus den wechselseitigen Vertragsverhältnissen. Wenn der Privatsachverständige – ggf. entgegen den Regeln der Technik – bestimmte Altlasten übersehen hat, ist das möglicherweise eine Pflichtverletzung des Sachverständigen. Vorliegend wäre dann eine eventuell mangelhafte Untersuchung im Interesse der Beklagten, da – wie tatsächlich – ein zu geringer Umfang an festgestellten Schadstoffen zu einer niedrigen Schätzung von Abbruchkosten führt. Solche Mängel belasten damit aber dann allein die Klägerin, die aber wiederum in keiner Beziehung zum Sachverständigen steht.
Schließlich bleibt auch offen, was die Klägerin denn erreichen hätte können, wenn sie tatsächlich die Ergebnisse der Voruntersuchung durch Erstellung eines „Gegen“gutachtens hinterfragt hätte. Denn dann hätte sich eine erheblichere Kontamination gezeigt, die zur Hinfälligkeit des Leistungsverzeichnisses geführt hätte. Die Klägerin sollte aber genau auf dieser Grundlage ein Angebot erstellen. Die Beklagte kann in einem Bieterverfahren jedoch nicht ernsthaft das Ziel verfolgen, die jeweiligen Bieter sämtlich zur Einholung eigener Gutachten anzuhalten bzw. deren Einholung zur Voraussetzung einer Angebotsabgabe zu machen; dann hätte jeder Bieter das Leistungsverzeichnis der Beklagten überarbeiten müssen; die abgegebenen Angebote wären nicht mehr vergleichbar, was jedes Bieterverfahren konterkariert. Die Aufforderung, ein Angebot auf Basis eines Leistungsverzeichnisses zu erstellen, das aus einer „analytischen Voruntersuchung“ entwickelt wurde, bedeutet für einen verständigen Empfänger, dass diese Untersuchung zu Grunde zu legen ist.
[3] Das Argument, die Klägerin verfüge als Fachfirma über Sonderwissen, verfängt nicht. Die Beklagte hätte ohne weiteres allein ein funktionales Bauziel vorgeben und dann auf die Expertise der Klägerin vertrauen können. Sie hat sich aber dagegen entschieden und der Klägerin ganz konkrete Leistungen abverlangt. Eben diese Leistungen wurden dann der Preiskalkulation zu Grunde gelegt. Ausgehend vom genannten Argument macht die Erholung eines Gutachtens keinen logischen Sinn. Zudem belegt die vorliegende Untersuchung die erheblichen Schwierigkeiten, das Entsorgungsrisiko zu beziffern, da dort nur ein Bruchteil der Altlasten festgestellt werden konnte. Zu behaupten, eine Fachfirma sei kompetenter als ein Sachverständiger, überzeugt den Senat daher nicht. Auch hier gelten obige Erwägungen zu den Konsequenzen eigener Untersuchungen entsprechend.
(3) Die Argumentation des Erstgerichts mit dem Wesen des Pauschalvertrags überzeugt nicht.
Hierbei wird bereits nicht ausreichend berücksichtigt, dass kein funktionaler Globalpauschalvertrag geschlossen wurde, sondern ein Detailpauschalvertrag. Die Differenzierung der Baupraxis nach funktionalen Bauzielen und konkreten Leistungsbeschreibungen und der hiermit verfolgten Risikoverteilung wurde seitens des Landgerichts nicht hinreichend gewürdigt.
Auf die Berufung der Klägerin ist daher das landgerichtliche Urteil im tenorierten Umfang dem Grunde nach abzuändern.


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