Baurecht

Werkvertragliche Gewährleistungsansprüche bei unwirksamer Abnahmeklausel

Aktenzeichen  28 U 3042/17 Bau

Datum:
24.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BauR – 2019, 530
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 242, § 254, § 280, § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1, Abs. 3
AGBG § 9
ZPO § 291, § 412

 

Leitsatz

1 Rügt der Besteller einer Werkleistung einen ihm bekannten Mangel erst nach einem Nutzungszeitraum von 13 Jahren, kommt nach dem Rechtsgedanken der §§ 242, 254 BGB eine Reduzierung des Kostenvorschussanspruchs nach den Grundsätzen des “Abzugs neu für alt” in Betracht.  (Rn. 84 – 91) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die frühere Erhebung einer Kostenvorschussklage für sich allein reicht nicht für die Annahme eines Abrechnungsverhältnisses aus. (Rn. 103 – 113) (redaktioneller Leitsatz)
3 Hat die Verwenderin einer unwirksamen Abnahmeklausel es selbst zu vertreten, dass die Gewährleistungsfrist nicht zu laufen begann, kommt eine Verwirkung jedenfalls mangels eines Umstandsmoments grundsätzlich nicht in Betracht. (Rn. 114 – 117) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

11 O 15138/16 2017-08-09 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Berufung der Parteien wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 09.08.2017, Az.: 11 O 15138/16 in Ziffer III. aufgehoben und in Ziffer I. dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 119.157,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
– aus 40.000,00 € seit dem 02.09.2016,
– aus weiteren 2.015,03 € seit dem 07.11.2016,
– aus weiteren 40.000,00 € seit dem 23.11.2016,
– aus weiteren 2.142,00 € seit dem 23.11.2016,
– aus weiteren 35.000,00 € seit dem 10.07.2017 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.085,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus diesem Betrag seit dem 02.09.2016 zu bezahlen.
2. Die weitergehenden Berufungen der Parteien werden zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 37% und die Beklagte 63%. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 25% und die Beklagte 75%.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn sie nicht vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe

I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses für die Beseitigung von Schallschutzmängeln an den beiden in den Gebäuden C. -Straße 8 und 12 in M. verbauten Aufzügen nebst Privatsachverständigenkosten und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die seit dem Bezug des ersten Käufers im Juli 2003 von der Fa. H. Immobilienbetreuung GmbH verwaltet.
Die Beklagte hat die Wohnungseigentumsanlage C.-Straße 6-12 in M. in den Jahren 2003/2004 errichtet und mit inhaltlich gleichlautenden Formularkaufverträgen an die Käufer und derzeitigen Eigentümer veräußert.
Im Verkaufsprospekt (auszugsweise vorgelegt als Anlage K 13) hat die Beklagte das Objekt u.a. wie folgt beschrieben:
„Direkt am Park bauen wir insgesamt vier Häuser in anspruchsvoller Architektur mit Stadtwohnungen der Spitzenklasse.“
In dem Objekt hat die Beklagte auch 18 von der Stadt geförderte Wohnungen nach dem „München Modell“ errichtet.
Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist in den jeweiligen Kaufverträgen unter Ziffer IV. 2. b (Anlage K 1) wie folgt geregelt:
„Die im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteile und Anlagen werden unabhängig von vorstehender Ziffer 2.a) vom Verwalter unter Hinzuziehung eines vereidigten Sachverständigen unter Errichtung eines gemeinschaftlichen Protokolls übernommen und abgenommen. Der Verwalter wird hierzu vom Käufer beauftragt und bevollmächtigt; er ist hierbei von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. „Zur Bestellung des Erstverwalters enthält Ziffer VIII. 2. der jeweiligen Kaufverträge folgende Regelung:
„In Anlage 4 der Grundlagenurkunde ist die Gemeinschaftsordnung enthalten.“
Der Verkäufer behält sich das Recht vor, den ersten Verwalter zu bestellen. Der Käufer erteilt je unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB
a) dem Verkäufer die Vollmacht, den Verwalter auszuwählen, zu bestellen und den Verwaltervertrag für die Dauer von höchstens fünf Jahren ab Bezugsfertigkeit der ersten Wohnung abzuschließen.
b) dem künftigen Verwalter Vollmacht in dem in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen Umfang. „In den Jahren 2003/2004 erfolgten Begehungen durch den Verwalter zusammen mit einem Sachverständigen zur teilweisen Abnahme des Gemeinschaftseigentums und der Außenanlagen, die vom Verwalter auch unterschrieben worden sind.
Hinsichtlich der Bauverpflichtung der Beklagten verweist Ziffer II. 2. der jeweiligen Kaufverträge u.a. auf die Baubeschreibung (auszugsweise vorgelegt als Anlage B 3).
Ziffer 1.6.5. der Baubeschreibung lautet:
„Zulässige Schalldruckpegel haustechnischer Anlagen In Aufenthaltsräumen dürfen haustechnische Wasserversorgungs- und Abwasseranlagen gemeinsam keinen Schalldruckpegel von > 35 dB verursachen. Einzelne, kurzzeitige Spitzen sind möglich. Die übrigen Geräusche haustechnischer Anlagen dürfen 35 dB (A) nicht überschreiten, sofern es sich um Dauergeräusche ohne auffällige Einzeltöne handelt.“
Bei den beiden in den Anwesen C. Straße 8 und 12 verbauten Aufzügen handelt es sich jeweils um Seilaufzüge ohne Triebwerksraum, welche in das Treppenhaus integriert sind. Die Fahrschiene und der Aufzugsmotor sind an der einschaligen Treppenraumwand befestigt.
Im Haus C. Straße 12 grenzt an die Treppenraumwand ein zur Innentreppe offenes Zimmer in der oberen Ebene der Wohnung des Eigentümers W. In der im 4. OG gelegenen unteren Ebene der Wohnung des Eigentümers W. grenzt der weitläufige Wohnbereich an die Treppenraumwand (= Aufzugschachtwand) an.
Die Klägerin hat zwei schalltechnische Privatgutachten betreffend die Häuser C.-Straße 8 und 12 erholt und hierfür 2.015,03 € sowie 2.142,00 € bezahlt (Anlagen K 10,12).
Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.7.2016 (Anlage K 7) hat die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis 31.8.2016 zur Mängelbeseitigung an beiden Aufzügen aufgefordert.
Mit Beschluss der Eigentümerversammlung ist der Verwalter beauftragt und bevollmächtigt worden, im Namen der WEG die Ansprüche wegen der unzulässigen Geräuschbelästigungen beim Betrieb der Aufzüge gegenüber dem Bauträger gerichtlich durchzusetzen.
Die Klägerin behauptet, dass der Betrieb der beiden Aufzüge unzulässige Geräuschbelästigungen verursache. Dies hätten die durchgeführten Schallmessungen in den Anwesen Hausnummer 8 und 12 ergeben. In der Wohnung des Miteigentümers W. im 4. OG des Hauses Nr. 12 seien beim Betrieb des Aufzugs Geräusche mit 37 – 41 Dezibel (A) bzw. 35 Dezibel (A) gemessen worden. Auch im Haus Nr. 8 hätten Schallmessungen in der oberen Ebene der Wohnung im 4. OG sowie in der Wohnung im 3. OG ergeben, dass der Mindestschallschutz nicht eingehalten sei.
Es würden sowohl die Anforderungen an den Mindestschallschutz (< 30 Dezibel (A)) als auch die Anforderungen an den erhöhten Schallschutz gemäß Beiblatt zu DIN 4109 (< 25 Dezibel (A)) nicht erfüllt.
Die Beklagte habe vorliegende nicht nur den Mindestschallschutz, sondern erhöhten Schallschutz geschuldet. Dies ergebe sich aus den Anpreisungen der Beklagten im Verkaufsprospekt.
Um den von der Beklagten geschuldeten Sollanforderungen zu genügen, müssten die Aufzüge umgebaut und umgerüstet werden in Aufzüge mit Hydraulikantrieb.
Hierfür könne die Klägerin von der Beklagten Kostenvorschuss in Höhe von156.000,00 € netto zzgl. 29.640,00 € Mehrwertsteuer fordern.
Eine wirksame Abnahme des Gemeinschaftseigentums liege nicht vor, da die entsprechende Klausel in den Kaufverträgen unwirksam sei.
Die Beklagte schulde weiterhin die erstmalige mängelfreie Herstellung des Gemeinschaftseigentums nach heutigen Anforderungen.
Trotz fehlender Abnahme sei ein Kostenvorschussanspruch gegeben, da sich die Beklagte als Verwenderin der unwirksamen Abnahmeklausel nicht darauf berufen könne, dass sich der Vertrag noch im Erfüllungsstadium befinde.
Der Anspruch sei weder verjährt noch verwirkt.
Einen Abzug neu für alt müsse sich die Klägerin nicht gefallen lassen.
Die Klägerin beantragte erstinstanzlich zuletzt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu bezahlen 190.000,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz
– aus 40.000,00 € seit dem 02.09.2016 – aus weiteren 2.015,03 € seit Zustellung der Klageerweiterung vom 04.11.2016,
– aus weiteren 40.000,00 € seit Zustellung der zweiten Klageerweiterung und
– aus weiteren 2.142,00 € seit Zustellung dieser zweiten Klageerweiterung,
– aus weiteren 105.842,97 € seit 10.07.2017 – sowie vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 2.085,95 € nebst Zinsen i.H.v. 5%-Punkten aus diesem Betrag seit dem 02.09.2016.
Die Beklagte beantragte,
Klageabweisung.
Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Die gesetzliche und vertraglich vereinbarte 5-jährige Gewährleistungszeit sei schon lange abgelaufen.
Die bereits 2003/2004 durch den Verwalter vorgenommene Abnahme sei wirksam. Gegen Ziffer IV. 2.b des Erwerbervertrags sei nichts einzuwenden. Der Verwalter werde nach der notariellen Vereinbarung vom Käufer selbst und nicht von der Beklagten beauftragt/bevollmächtigt. Der Verwalter habe den Sachverständigen selbst ausgesucht, die Beklagte habe damit nichts zu tun gehabt.
Jedenfalls liege eine konkludente Abnahme durch Wohnungsbezug und Kaufpreiszahlung vor.
Im Übrigen seien etwaige Ansprüche der Klägerin verwirkt. Der Beklagten würden nach über 13 Jahren erhebliche Nachteile entstehen, da ihre Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Planer und der ausführenden Firma längst abgelaufen seien. Der Klägerin wäre es ein Leichtes gewesen, angebliche Schallschutzmängel bereits vor Ablauf der 5-jährigen Gewährleistungsfrist zu rügen. Nach Ablauf der 10-jährigen Aufbewahrungsfrist habe die Beklagte so gut wie alle Unterlagen über das abgewickelte Bauvorhaben entsorgt, darunter die der Aufzugsanlage.
Die Beklagte bestreitet die Mangelhaftigkeit der Aufzüge. Es liege keine unzulässige Geräuschbelastung vor. Die zulässigen Schallschutzwerte würden nicht überschritten. Gemäß Ziffer 1.6.5. der Baubeschreibung für haustechnische Anlagen sei ein Schallschutz von 35 Dezibel (A) vereinbart worden.
Nachdem die Aufzüge seit über 13 Jahren in Betrieb seien, sei ein Abzug „Neu für Alt“ in Höhe von mindestens 70.000,00 € vorzunehmen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts, insbesondere des Inhalts der vertraglichen Vereinbarungen, der Mängelbehauptungen der Klägerin, der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme und der Prozessgeschichte wird vollumfänglich auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 156.000,00 € nebst Verzugszinsen (beantragt waren zuletzt rechnerisch 185.842,97 €) für die Beseitigung von Schallschutzmängeln an den beiden Aufzügen verurteilt. Des Weiteren sprach das Landgericht der Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der Kosten eines Privatgutachtens in der beantragten Höhe von 2.015,03 € sowie 2.142,00 € und vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.085,95 €, jeweils zzgl. Verzugszinsen zu. Im Übrigen wies es die Klage ab.
Nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie mündliche Anhörung des Sachverständigen und seines Beirats kam das Landgericht zu der Überzeugung, dass die beiden streitgegenständlichen Aufzüge mangelhaft seien, da sogar der Mindestschallschutz von 30 Dezibel überschritten sei, ungeachtet der Tatsache, dass die Beklagten einen höheren Schallschutz schuldeten. Die Beklagte schulde keinesfalls weniger als den Mindestschallschutz. Eine wirksame Fristsetzung zur Mangelbeseitigung liege vor.
Das Landgericht sprach der Klägerin die Nettokosten zu, die nach den Schätzungen des Sachverständigen für einen Komplettaustausch der beiden Aufzüge anfallen, auf eine Sanierung der bestehenden Aufzüge, mit welcher der Mindestschallschutz mit hoher Wahrscheinlichkeit erreicht werden könne, müsse sich die Klägerin nicht einlassen, denn die Beklagte schulde einen über den Mindestschallschutz hinausgehenden Schallschutz. Dies schließt das Landgericht aus den Anpreisungen der Beklagten im Verkaufsprospekt und aus der Optik der jetzt verbauten Aufzüge. Verjährung sei nicht eingetreten, da die Klausel in den Bauträgerkaufverträgen zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums wegen unangemessener Benachteiligung der Käufer unwirksam sei, weshalb die Verjährung nicht zu laufen begonnen habe. Die Klausel sei bereits deswegen unwirksam, weil sie lediglich eine Abnahme durch den bevollmächtigten Verwalter vorsehe und keinen Widerruf dieser Bevollmächtigung durch den Käufer, ebenso wenig sei eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den Käufer vorgesehen. Mangels Abnahmewillen liege auch keine Abnahme der Käufer durch Bezug oder Kaufpreiszahlung vor. Eine Verwirkung des klägerischen Anspruchs verneinte das Landgericht. Insbesondere ergebe sich dies nicht daraus, dass Gewährleistungsansprüche der Beklagten gegen ihre Nachunternehmer bereits verjährt seien. Die Beklagte habe als Verwenderin der unwirksamen Abnahmeklausel den fehlenden Anlauf der Gewährleistungfrist selbst zu vertreten. Der Kostenvorschussanspruch bestehe im vorliegenden Fall bereits vor Abnahme.
Im Einzelnen wird für Umfang und Begründung des Ersturteils auf dessen Tenor und Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt mit dem Ziel, eine Abänderung des Ersturteils dahin zu erreichen, dass die Beklagte auch zur Zahlung der auf den zugesprochenen Kostenvorschuss entfallenden Mehrwertsteuer in Höhe von 29.640,00 € verurteilt wird.
Die Klägerin meint, dass das Erstgericht die Zuerkennung der Mehrwertsteuer übersehen habe.
In der Klageschrift und auch in der Klageerweiterung seien Bruttobeträge beansprucht worden, dies habe die Klägerin auch nach der Sachverständigenanhörung in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht. Es sei allgemein anerkannt in Literatur und Rechtsprechung, dass eine nicht vorsteuerabzugsberechtigte Wohnungseigentümergemeinschaft im Rahmen eines Kostenvorschusses auch die Mehrwertsteuer beanspruchen könne.
Die Klägerin beantragt,
Das Endurteil des Landgerichts München I vom 09.08.2017 wird auf die Berufung der Klägerin abgeändert und neu gefasst wie folgt:
„Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu bezahlen 189.797,03 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
– aus 40.000,00 € seit dem 02.09.2016 – aus weiteren 2.015,03 € seit dem 07.11.2016,
– aus weiteren 40.000,00 € seit dem 23.11.2016,
– aus weiteren 2.142,00 € seit dem 23.11.2016 und
– aus weiteren 105.640,00 € seit dem 10.7.2017 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.085,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten aus diesem Betrag seit dem 02.09.2016.“
Die Klägerin beantragt im Hinblick auf die Berufung der Beklagten:
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Vorsorglich beantragt die Klägerin, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Die Beklagte beantragt
die Zurückweisung der Berufung der Klägerin.
Die Beklagte beantragt im Wege ihrer eigenen Berufung, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils vom 09.08.2017 kostenpflichtige Klageabweisung.
Ziel der Berufung der Beklagten ist die Aufhebung des Ersturteils und Klageabweisung.
Wie bereits erstinstanzlich, wendet die Beklagte die Anspruchsverjährung ein. Die Beklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts, da sich das Landgericht nicht mit dem Sachvortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 30.6.2017 und der neueren Rechtsprechung des BGH befasst habe, wonach der geltend gemachte Anspruch aufgrund des seit geraumer Zeit bestehenden Abrechnungsverhältnisses zwischen den Parteien verjährt sei. Die Klägerin habe bereits am 14.7.2008 eine Vorschussklage wegen eines Serienmangels an den Balkonen der Wohnanlage eingereicht, die Beklagte sei entsprechend verurteilt worden, wofür Beweis durch Vorlage der Anlage B 7 und hilfsweise Aktenbeiziehung angetreten wird. Hierdurch habe das Erfüllungsstadium geendet, seitdem bestehe ein Abrechnungsverhältnis, die 5-jährige Verjährungsfrist habe zu laufen begonnen. Bei Einreichung der Klageschrift am 2.9.2016 sei bereits seit Jahren Anspruchsverjährung eingetreten. Andernfalls würde eine Gewährleistung niemals zu laufen beginnen, das könne nicht rechtens sein.
Wie ebenfalls bereits erstinstanzlich vorgetragen, sei der Anspruch verwirkt, da die Klägerin sich in Kenntnis der Geräuschentwicklung 13 Jahre Zeit gelassen habe, bis die angeblich mangelhaften Aufzüge gerügt worden seien. Für die Kenntnis wird Beweis durch Vernehmung der Zeugen H. und D. angeboten. Die Erhebung der Klage, nachdem die Gewährleistungsansprüche der Beklagten gegen den Aufzugbauer längst abgelaufen seien, sei missbräuchlich. Ebenso wenig gehe es an, dass die Klägerin, nachdem die Aufzüge seit 13 Jahren in Betrieb seien, den Einbau von zwei neuen Aufzügen beanspruchen könne.
Die Beklagte rügt, dass das Landgericht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Klägerin einen Anspruch auf besonderen Schallschutz habe. Die Beklagte schulde einen Schallschutz von 35 dB (A) bei Dauergeräuschen, dieser Wert werde nach dem Sachverständigengutachten lediglich nur ganz kurzfristig beim Anfahren und Lösen der Bremsen nicht erreicht und ansonsten unterschritten. Es sei unter Beweis gestellt worden, dass es sich um eine durchschnittlichen Anforderungen entsprechende Wohnanlage handle. Nach den Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung könne mit den von ihm beschriebenen Mängelbeseitigungsmaßnahmen mit Kosten in Höhe von ca. 40.250,00 € netto pro Aufzug der normale Schallschutz erreicht werden. Die Klägerin habe daher allenfalls einen Anspruch in Höhe von 80.500,00 € netto. Die Beklagte bietet zum Beweis der Tatsache, dass einzelne Überschreitungen der Schallschutzwerte bei einer Gesamtbetrachtung unberücksichtigt blieben und die Aufzüge deshalb schallschutztechnisch nicht zu beanstanden seien, die Erholung eines weiteren Sachverständigengutachtens an.
In jedem Fall sei ein Abzug „neu für alt“ vorzunehmen, welchen die Beklagte angesichts der 13-jährigen Benutzung der beiden Aufzüge mit 70.000,00 € ansetzt, wofür ebenfalls Sachverständigengutachten angeboten wird.
In Ergänzung des tatsächlichen Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Mit Verfügung vom 7.12.2017 (Bl. 139/149 d.A.) hat der Senat den Parteien einen Vergleichvorschlag unterbreitet. Ein Vergleich ist nicht zustandegekommen. Der Senat hat in der Sitzung vom 24.4.2018 zur Sache verhandelt. Für das Ergebnis der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 24.4.2018 Bezug genommen.
II.
Die zulässigen Berufungen der Klägerin und der Beklagten haben jeweils nur zum Teil Erfolg. Im Übrigen waren sie zurückzuweisen.
Auf die Berufung der Klägerin war dieser die Mehrwertsteuer auf den Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung zuzusprechen, allerdings war dieser Kostenvorschussanspruch auf die Berufung der Beklagten der Höhe nach gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidung zu reduzieren.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte wegen der Schallschutzmängel an den beiden streitgegenständlichen Aufzügen gemäß §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 1, 3 BGB ein Anspruch auf Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung in Höhe von 115.640,00 € brutto sowie gem. §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Zahlung von Privatsachverständigenkosten in Höhe von 2.015,03 € und in Höhe von 2.142,00 €, ferner ein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 2.085,95 € zu, jeweils zuzüglich Prozesszinsen gemäß § 291 ZPO -wie tenoriert – zu.
Im Einzelnen:
A – Kostenvorschussanspruch
I. Mangelhaftigkeit der Aufzüge 1. Vertragssoll
Die Beklagte schuldet der Klägerin einen über den Mindestschallschutz von 30 Dezibel (A) hinausgehenden höheren Schallschutz von 25 Dezibel (A).
Der Senat teilt die diesbezüglich durch das Landgericht vorgenommene und ausführlich begründete Vertragsauslegung.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist im Einzelfall durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln, welcher Luftschallschutz geschuldet ist. Im Rahmen der Auslegung sind sämtliche Umstände zu berücksichtigen, auch soweit sie sich aus Unterlagen und Umständen ergeben, die nicht Vertragsgegenstand geworden sind. Soweit sich keine Gesichtspunkte für ein bestimmtes Schallhemmmaß ergeben, wird ein „üblicher Qualitäts- und Komfortstandard“ geschuldet. Dabei sind allerdings die Mindestwerte der DIN 4109 nicht heranzuziehen, weil sie lediglich Mindestanforderungen zur Vermeidung unzumutbarer Belästigungen regeln. Anhaltspunkte können dagegen aus den Regelwerken die Schallschutzstufen II und III der VDI-Richtlinie 4100 aus dem Jahre 1994 oder das Beiblatt 2 zur DIN 4109 liefern (Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage 2014, 11. Teil, Rn. 323 m.w.N.).
b) Vorliegend ist der Baubeschreibung (Anlage B 3), auf die in den Bauträgerkaufverträgen Bezug genommen wird und welche unter Ziffer 1.6.5 den zulässigen Schalldruckpegel haustechnischer Anlagen zum Thema hat, für den zulässigen Schalldruckpegel der Aufzüge nichts zu entnehmen. Satz 1 dieser Ziffer bezieht sich auf haustechnische Wasserversorgungs- und Abwasseranlagen, während Satz 2 sich zwar auf die übrigen Geräusche haustechnischer Anlagen bezieht, und hierfür einen maximalen Schalldruckpegel von 35 dB (A) angibt, allerdings ist dies nur einschlägig, wenn es sich um Dauergeräusche handelt. Bei den durch die beiden Aufzüge verursachten streitgegenständlichen Geräuschen handelt es sich jedoch ersichtlich nicht um Dauergeräusche, sondern um Geräusche, welche jeweils durch einzelne Betriebsvorgänge der Aufzüge (Fahr- und Bremsgeräusche und Geräusche beim Öffnen und Schließen der Aufzugtüren) verursacht werden.
Nach der DIN 4109 beträgt der maximal zulässige Schalldruckpegel in schutzbedürftigen Räumen 30 dB (A), hierbei handelt es sich, wie oben ausgeführt, aber lediglich um den Mindeststandard.
Der Senat teilt darüber hinaus die Auslegung des Landgerichts, wonach sich aus den Anpreisungen der Wohnungen im Verkaufsprospekt (Anlage K 13) ergibt, dass die Käufer davon ausgehen durften, dass die Wohnungen über mehr als den Mindestschallschutz verfügen. Ebenso zutreffend schließt das Landgericht dies aus der Optik der verbauten Aufzüge. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte in dem Objekt auch 18 von der Stadt geförderte Wohnungen errichtet hat, nachdem die Beklagte die aus vier Häusern bestehende Anlage insgesamt mit Attributen wie „anspruchsvolle Architektur mit Stadtwohnungen der Spitzenklasse“ beworben hat (Anlage K 13).
Aus dem Beiblatt 2 zur DIN 4109 ergibt sich als Vorschlag für einen erhöhten Schallschutz ein Schalldruckpegel von höchstens 25 dB (A). Der Senat geht mit dem Landgericht davon aus, dass dies dem durch die Beklagte geschuldeten Schallschutz entspricht. Soweit die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung zum Beweis der Tatsache, dass die streitgegenständlichen Aufzüge vor 13 Jahren durchaus im Wohnungsbau Verwendung fanden, die Erholung eines Obergutachtens anbietet, war ein solches nicht zu erholen. Die Behauptung der Beklagten als wahr unterstellt, schuldete die Beklagte der Klägerin nach den obigen Ausführungen zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Vertragssoll dessen ungeachtet Aufzüge, welche den Anforderungen an einen erhöhten Schallschutz entsprechen, was bei den verbauten Aufzügen, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, nicht der Fall ist.
Auch dem in ihrer Berufungsbegründung gestellten Antrag der Beklagten auf Erholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass einzelne Überschreitungen der Schallschutzwerte in einer Gesamtbetrachtung unberücksichtigt bleiben und die streitgegenständlichen Aufzüge deshalb letztlich schallschutzrechtlich nicht zu beanstanden seien, war nicht nachzukommen.
Die Frage ist bereits durch den gerichtlichen Sachverständigen beantwortet. In seinem schriftlichen Gutachten ist er nach Durchführung von Schalldruckmessungen zu dem Gesamtergebnis gekommen, dass sich die Behauptungen der Klägerin bestätigt haben. In seiner mündlichen Anhörung gab er auf Frage an: „Das ist ohne Belang, wenn man einmal über die 30 dB kommt. Dann ist das Ganze mangelhaft.“
2. Vorliegen eines Mangels
Unter Zugrundelegung dieses Vertragssolls hat die erstinstanzlich durchgeführte Beweisaufnahme die Mangelhaftigkeit der beiden Aufzüge erwiesen.
a) Bereits der Mindeststandard ist nach den Messungen des gerichtlichen Sachverständigen beim Betrieb der beiden Aufzüge in sämtlichen untersuchten Räumen nicht erfüllt.
Es handelt sich dabei auch nicht um nur einzelne Überschreitungen der Schallschutzwerte, vielmehr wurden Werte über 30 dB (A) in sämtlichen Empfangsräumen gemessen, wobei diese Werte teilweise durch Fahrgeräusche und teilweise durch Anfahrt/Lösen bzw. Einfallen der Bremse verursacht wurden (vgl. S. 17 des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen Dr. H., Bl. 64 d.A.).
b) Soweit die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung zum Beweis der Tatsache, dass mit den verbauten Aufzügen auch erhöhte Schallschutzwerte eingehalten werden können, die Erholung eines Obergutachtens beantragt hat, war dieses nicht zu erholen.
Ein Obergutachten kann das Gericht ausnahmsweise einholen bei besonders schwierigen Fragen. Wenn mehrere Gutachten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen und der Richter ohne einleuchtende, logisch nachvollziehbare Begründung nicht dem einen den Vorzug geben kann, muss er die abweichenden tatsächlichen Grundlagen und/oder Wertungen herausarbeiten und versuchen, durch weitere Aufklärung, mündliche Erläuterung, ggf. durch Erholung eines Obergutachtens den Widerspruch aufzuklären (Thomas/Putzo, § 412 ZPO, Rn. 3 m.w.N.).
Ein derartiger Fall liegt nach dem schalltechnischen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. (Bl. 56/78 d.A.) und dessen Anhörung in der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 10.7.2017 (Bl. 96/102 d.A.) nicht vor, insbesondere sind keine Widersprüche zu den durch die Klägerin erholten Privatsachverständigengutachten des Akkustikbüros S. und B. (Anlagen K 5,11) erkennbar. Aus dem Sachvortrag der Beklagten ergeben sich ebenso wenig Anhaltspunkte für eine besonders schwierige Fragestellung, welche die Kompetenz des gerichtlichen Sachverständigen übersteigen würde bzw. für Widersprüche zu anderen Gutachten.
II. Fristsetzung zur Mängelbeseitigung
Die Klägerin hat der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 28.7.2016 (Anlage K 7) fruchtlos Frist zur Mängelbeseitigung bis 31.8.2016 gesetzt.
III. Höhe des Kostenvorschusses
1. Anspruch auf Austausch
Die Klägerin kann von der Beklagten einen Austausch der beiden Aufzüge beanspruchen und muss sich nicht auf Nachbesserungsmaßnahmen verweisen lassen.
Gem. § 637 Abs. 3 BGB kann die Klägerin von der Beklagten für die zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Aufwendungen Vorschuss verlangen. Dies bedeutet, dass die Klägerin von der Beklagten den Betrag als Vorschuss beanspruchen kann, welcher erforderlich ist, um einen erhöhten Schallschutz von 25 Dezibel (A) zu realisieren. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, wonach die Klägerin einen Komplettaustausch der beiden Aufzüge beanspruchen kann.
Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat durch das gerichtliche Sachverständigengutachten die Erforderlichkeit eines Komplettaustauschs nachgewiesen.
Zwar hat der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten potentielle Verbesserungsmaßnahmen an den verbauten Aufzügen dargelegt. Bei seiner mündlichen Anhörung hat er jedoch angegeben, dass der erhöhte Schallschutz mit den von ihm beschriebenen Maßnahmen nicht zu erreichen sei. Nachdem die Beklagte der Klägerin nach den obigen Ausführungen jedoch gerade diesen erhöhten Schallschutz schuldet, beschränkt sich der Kostenvorschussanspruch der Klägerin nicht auf die Kosten möglicher Sanierungsmaßnahmen.
2. Kosten des Austauschs
Die erstinstanzliche Beweisaufnahme hat Austauschkosten für beide Aufzüge in Höhe von insgesamt 156.000,00 € netto ergeben.
Diese Feststellung des gerichtlichen Sachverständigen wird durch die Berufung nicht angegriffen.
3. Mehrwertsteuer auf Kostenvorschuss
Auf die Berufung der Klägerin ist dieser dem Grunde nach die auf den Kostenvorschussbetrag entfallende Mehrwertsteuer zuzusprechen.
Ist der Besteller nicht vorsteuerabzugsberechtigt, umfasst der Vorschussanspruch auch die Umsatzsteuer, denn diese ist Teil der Aufwendungen, die der Besteller im Rahmen der Selbstvornahme tätigen muss (BeckOK, BGB, § 637 Rn. 12 – beckonline, Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage 2014, 6. Teil, Rn. 217).
Vorliegend ist die Klägerin unstreitig nicht vorsteuerabzugsberechtigt.
4. Reduzierung des Kostenvorschussanspruchs der Klägerin Auf die Berufung der Beklagten ist der Kostenvorschussanspruch der Klägerin in Höhe von 185.640,00 € brutto nach dem Rechtsgedanken der §§ 242, 254 BGB um 70.000,00 € auf 115.640,00 € brutto zu kürzen.
a) Dies beruht auf der Erwägung, dass es die Klägerin, obschon nach ihrem eigenen Sachvortrag mit Schriftsatz vom 15.1.2018 „die Wohnungseigentümer, deren Wohnräume direkt an den Aufzugschacht angrenzen, in den vergangenen Jahren sehr stark unter den vom Aufzug ausgehenden Geräuschen gelitten haben“, über einen Nutzungszeitraum der beiden Aufzüge von ca. 13 Jahren bis zur Mängelrüge vom 28.7.2016 (Anlage K 7) verabsäumt hat, die Schallschutzmängel der Aufzüge zu rügen.
Der Senat stellt hiermit die durch den Bundesgerichtshof in seinen Urteilen vom 17.5.1984, Az. VII ZR 169/82 und vom 13.9.2001, Az. VII ZR 392/00 begründete Rechtsprechung, wonach ein „Abzug neu für Alt“ jedenfalls dann nicht in Betracht kommt, wenn die Vorteile des Auftraggebers ausschließlich auf einer Verzögerung der Mängelbeseitigung beruhen und sich der Auftraggeber jahrelang mit einem fehlerhaften Werk begnügen musste und wonach der Unternehmer dadurch, dass der Vertragszweck nicht sogleich, sondern erst später im Rahmen der Gewährleistung erreicht wird, keine Besserstellung erfahren soll, nicht in Frage.
b) Ebenso ist dem Senat bewusst, dass es sich in dem vorliegend zu entscheidenden Fall nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien nicht um die Konstellation handelt, dass sich der Mangel erst verhältnismäßig spät ausgewirkt hat und der Auftraggeber bis dahin keine Gebrauchsnachteile hinnehmen musste. Für solche Fälle hat der BGH in seinem Urteil vom 17.5.1984, Az. VII ZR 169/82 offengelassen, ob ein Vorteilsausgleich vorzunehmen ist, jedoch ausgeführt, dass es nach Treu und Glauben geboten sein könnte, die mit der Nachbesserung erzielte längere Lebensdauer sowie den ersparten Instandhaltungsaufwand anspruchsmindernd zu berücksichtigen.
Nach dem Urteil des BGH vom 13.9.2001, Az. VII ZR 392/00 ist in derartigen Fällen eine Vorteilsanrechung „zu erwägen“.
c) Bei wertender Betrachtung ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass der Beklagten keine Verzögerung der Nachbesserung zur Last zu legen ist, da sie während eines ca. 13- jährigen Nutzungszeitraums der Aufzüge durch die Klägerin nicht zur Nachbesserung bzw. zum Austausch der Aufzüge aufgefordert wurde. Die Beklagte war nicht verpflichtet, der Klägerin ohne diesbezügliche Mängelrüge von sich aus eine Nachbesserung bzw. einen Austausch der Aufzüge anzubieten, allein aufgrund des Umstandes, dass der Beklagten einerseits ihre vertraglichen Verpflichtungen und anderseits die Art der von ihr in den beiden Häusern der Klägerin verbauten Aufzüge bewusst war bzw. sein musste. Der Gesetzgeber hat sich in § 635 BGB für das Erfordernis eines Nacherfüllungsverlangens des Bestellers als Voraussetzung für einen Nacherfüllungsanspruch entschieden. Der vorliegend durch die Klägerin geltend gemachte Kostenvorschussanspruch steht zum Nacherfüllungsanspruch in einem Stufenverhältnis, was zur Folge hat, dass der Besteller dem Unternehmer grundsätzlich Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben hat, bevor er sekundäre Mängelrechte geltend macht (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 77. Auflage 2018, § 634 BGB, Rn. 11 m.w.N.).
d) Ebenso ist im Rahmen der wertenden Betrachtung unter Zugrundelegung des eigenen Sachvortrags der Klägerin in deren Schriftsatz vom 15.1.2018, wonach „die Wohnungseigentümer, deren Wohnräume direkt an den Aufzugschacht angrenzen, in den vergangenen Jahren sehr stark unter den vom Aufzug ausgehenden Geräuschen gelitten haben“ zu berücksichtigen, dass der Klägerin die Schallschutzmängel der Aufzüge bekannt waren. Die Klägerin hätte folglich – eine entsprechende mehrheitliche Beschlussfassung der Wohnungseigentümer vorausgesetzt – eine Mängelrüge erheben können. Auf die Gründe dafür, warum die Schallschutzmängel der Aufzüge über einen derart langen Zeitraum nicht gerügt wurden, kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht an, jedenfalls liegen diese im Verantwortungsbereich der Klägerin und nicht in dem der Beklagten.
Nach Auffassung des Senats ist es daher im vorliegenden Fall nach dem Rechtsgedanken der §§ 242, 254 BGB geboten, den Kostenvorschussanspruch der Klägerin quotal zu kürzen und die Klägerin in einer vom Senat geschätzten Höhe von 70.000,00 € an den Kosten des Austauschs der Aufzüge zu beteiligen
IV. Verjährung
Die Verjährungseinrede verhilft der Berufung der Beklagten nicht zum Erfolg, der eingeklagte Kostenvorschussanspruch ist nicht verjährt.
1) Dauer
Die Verjährungsfrist beträgt hinsichtlich der Bauleistung gem. § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB bzw. gem. Ziffer V.2. der notariellen Bauträgerkaufverträge (Anlage K 1) 5 Jahre.
2) Beginn
Die Verjährung der streitgegenständlichen Mängelansprüche hat noch nicht zu laufen begonnen.
a) Keine wirksame Abnahme
Die Verjährung beginnt gem. § 634 a Abs. 2 BGB mit der Abnahme.
Gem. Ziffer V. 2. der Bauträgerkaufverträge (Anlage K 1) wurde vertraglich vereinbart, dass die Verjährungsfristen des § 634 a BGB für das Gemeinschaftseigentum mit der Abnahme durch den Verwalter beginnen. Ziffer IV.2 a der Bauträgerkaufverträge sieht hierfür die Hinzuziehung eines vereidigten Sachverständigen durch den Verwalter vor, wobei der Verwalter hierzu vom Käufer unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB beauftragt und bevollmächtigt wird.
Gem. Ziffer VIII.2. der Bauträgerkaufverträge hat der Bauträger das Recht, den Erstverwalter zu bestellen und einen Verwaltervertrag für die Dauer von höchstens 5 Jahren ab Bezugsfertigkeit der ersten Wohnung abzuschließen.
Hieraus folgt, dass der Bauträger einen Erstverwalter bestellen kann, der mit ihm wirtschaftlich oder rechtlich verbunden ist, was wiederum im Hinblick auf die Abnahme für die Erwerber die Gefahr begründet, dass ein solcher Verwalter die Voraussetzungen der Abnahmefähigkeit des Gemeinschaftseigentums nicht neutral prüft, sondern zugunsten des Bauträgers verfährt, wodurch dieser entscheidenden Einfluss auf die Abnahme nehmen könnte. Aus diesem Grund hält eine vom Bauträger in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Erwerbsvertrages verwendete Klausel, die die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch einen mit einem Bauträger wirtschaftlich oder rechtlich verbundenen Erstverwalter ermöglicht, nach nahezu einhelliger Auffassung der Inhaltskontrolle am Maßstab von § 9 AGBG bzw. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand (BGH, Beschluss vom 12.9.2013, Az. VII ZR 308/12).
Unter Zugrundelegung dieser Prämisse ist die Regelung in Ziffer IV. 2 a i.V.m Ziffer V. 2 der Bauträgerkaufverträge gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung der Erwerber entgegen den Geboten von Treu und Glauben unwirksam.
Dies hat zur Folge, dass die in den Jahren 2003 und 2004 unstreitig erfolgte teilweise Abnahme des Gemeinschaftseigentums unwirksam war und einen Beginn der Verjährung nicht zur Folge hatte.
b) Keine konkludente Abnahme
Eine konkludente Abnahme durch Ingebrauchnahme und Kaufpreiszahlung ist nicht erfolgt.
Wegen der irrigen Vorstellung, es sei vom Abnahmevertreter abgenommen worden, fehlt es am notwendigen Erklärungsbewusstsein der Wohnungseigentümer (Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 6. Auflage 2018, Teil B, Rn. 598 h m.w.N.).
c) Abrechnungsverhältnis
Soweit die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung einwendet, dass das Landgericht nicht berücksichtigt habe, dass der geltende gemachte Anspruch aufgrund des seit geraumer Zeit zwischen den Parteien existierenden Abrechnungsverhältnisses verjährt sei, dringt sie hiermit nicht durch.
Die Beklagte begründet dieses Abrechnungsverhältnis mit der Einreichung einer Zahlungsklage wegen diverser Mängel des Gemeinschaftseigentums im Jahre 2010 (Anlage B 5) und einer Vorschussklage wegen eines Serienmangels an den Balkonen im Jahre 2008 (Anlage B 7), bezieht sich auf die Urteile des BGH vom 8.7.2010, Az. VII ZR 171/08 und vom 19.1.2017, Az. VII ZR 301/13 und folgert daraus, dass spätestens mit Entstehung dieses Abrechnungsverhältnisses die Gewährleistungszeit zu laufen begonnen habe.
Diese Annahme wird vom Senat nicht geteilt.
aa) In seinem Urteil vom 8.7.2010 hatte der Bundesgerichtshof zu der bis 31.12.2001 gültigen Rechtslage entschieden, dass Gewährleistungsansprüche des Bestellers bereits vor der Abnahme geltend gemacht werden können und auch in diesem Fall der Verjährungsregelung des § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. unterliegen, d.h., dass die Verjährungsfrist erst zu laufen beginnt, wenn die Abnahme erfolgt oder endgültig verweigert wird. Zwar beginne die Verjährungsfrist unter Umständen für längere Zeit nicht zu laufen, obwohl Gewährleistungsansprüche entstanden seien, was aber nicht dem vom Gesetzgeber mit der Regelung verfolgten Zweck widerspreche.
Weiter führt der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung aus, dass der Verjährungsbeginn nicht zwingend an die Abnahme geknüpft sei. Die Verjährung beginne auch dann, wenn der Besteller die Entgegennahme des Werkes als Erfüllung der Vertragsleistung ablehnt, indem er die Abnahme endgültig verweigert, was nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen sei.
In seinem oben zitierten Urteil vom 19.1.2017 hat der Bundesgerichtshof für die aktuelle Rechtslage entschieden, dass der Besteller Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst ab Abnahme des Werks mit Erfolg geltend machen kann. Der Besteller kann berechtigt sein, Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB ohne Abnahme geltend zu machen, wenn er nicht mehr die (Nach-)Erfüllung des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Allein das Verlangen eines Vorschusses für die Beseitigung eines Mangels im Wege der Selbstvornahme genügt dafür nicht. In diesem Fall entsteht ein Abrechnungsverhältnis dagegen, wenn der Besteller ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenzuarbeiten zu wollen.
bb) Entgegen der Annahme der Beklagten ergibt sich aus diesem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19.1.2017 gerade nicht, dass das Erfüllungsstadium mit der Einreichung von Vorschussklagen in den Jahren 2008 bzw. 2010 geendet hat.
Unter Tz. 45 seines Urteils vom 19.1.2017, Az. VII ZR 301/13 führt der Bundesgerichtshof vielmehr aus, das dann, wenn der Besteller nach § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1, 3 BGB einen Vorschuss für die zur Beseitigung des Mangels im Wege der Selbstvornahme erforderlichen Aufwendungen verlangt, der Erfüllungsanspruch des Bestellers nicht erlischt. Unter Tz. 46 wird sodann ausgeführt, dass ein Kostenvorschussverlangen ausnahmsweise dann zu einem Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis führen kann, wenn der Besteller den (Nach-)Erfüllungsanspruch aus anderen Gründen nicht mehr mit Erfolg geltend machen kann. Dies wird etwa für den Fall bejaht, dass der Besteller endgültig und ernsthaft eine (Nach-)Erfüllung ablehnt, selbst für den Fall, dass die Selbstvornahme nicht zu einer mangelfreien Herstellung des Werkes führt.
In einem weiteren Urteil vom 19.1.2017, Az. VII ZR 193/15 wiederholt der Bundesgerichtshof diese Rechtsauffassung. In seinem Urteil vom 19.1.2017, Az. VII ZR 235/15 bejaht der Bundesgerichtshof ein solches Abrechnungsverhältnis schließlich dann, wenn der Unternehmer das Werk als fertiggestellt zur Abnahme anbietet und der Besteller nur noch Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes geltend macht oder die Minderung erklärt.
cc) Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind weder dem Sachvortrag der Beklagten in der ersten Instanz noch in der Berufungsbegründung hinreichende tatsächlichen Anhaltspunkte für die Entstehung eines Abrechnungsverhältnisses zu entnehmen. Vielmehr beschränkt sich die Beklagte darauf, dies aus der Erhebung von Kostenvorschussklagen in den Jahren 2008 bzw. 2010 zu schlussfolgern, was nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für sich allein gerade nicht für die Annahme eines Abrechnungsverhältnisses ausreicht.
Auf die fehlende Abnahme wiederum kann sich die Beklagte, als Verwenderin der unwirksamen Abnahmeklausel, wie das Landgericht zutreffend unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.5.2016, Az. VII ZR 171/15 ausgeführt hat, nicht berufen. Auf die Ausführungen des Landgerichts auf Seite 11 seines Ersturteils wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
V. Verwirkung
Die streitgegenständlichen Mängelansprüche wegen der beiden Aufzüge sind nicht verwirkt.
Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen werde. Die Verwirkung ist ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens. Der Verstoß gegen Treu und Glauben liegt in der illoyalen Verspätung der Rechtsausübung (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 76. Auflage 2017, § 242 BGB, Rn. 87).
Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung darüber, ob das Zeitmoment erfüllt ist, da es jedenfalls am Umstandsmoment fehlt.
Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass es die Beklagte als Verwenderin der unwirksamen Abnahmeklausel selbst zu vertreten hat, dass die Gewährleistungsfrist nicht zu laufen begann. Sie musste folglich damit rechnen, dass die Klägerin hiervon Rechtskenntnis erlangt und etwaige Gewährleistungsansprüche auch noch nach Ablauf der im Falle einer rechtswirksamen Abnahme maßgeblichen Verjährungsfrist von 5 Jahren geltend macht. Hieran ändert es auch nichts, wenn – wie die Beklagte behauptet und unter Zeugenbeweis stellt – die Geräuschentwicklung der Aufzüge schon seit Jahren bekannt gewesen sein sollte, weshalb die Vernehmung der durch die Beklagte hierfür benannten Zeugen J. H. und E. D. nicht zu erfolgen hatte. Im Übrigen entspricht dies dem eigenen Sachvortrag der Klägerin, wonach die Wohnungseigentümer, deren Wohnräume an den Aufzugsschacht direkt angrenzen, in den vergangenen Jahren sehr stark unter den Aufzuggeräuschen gelitten hätten, weshalb davon auszugehen ist, dass der entsprechende Sachvortrag der Beklagten unstreitig ist.
B – Privatgutachterkosten, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Zinsen
Die Klägerin hat gegen die Beklagte, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, einen Anspruch auf Erstattung der für die beiden Privatgutachten aufgewandten Kosten in Höhe von 2.015,03 € und 2.142,00 € sowie der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.085,95 € als Mangelfolgeschaden sowie Prozesszinsen gem. § 291 BGB wie tenoriert.
Der Höhe nach wurden diese Postionen durch die Berufung der Beklagten nicht angegriffen.
III.
Die Kostenverteilung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Anhaltspunkte, die eine Zulassung der Revision nahelegen könnten, ergeben sich weder aus dem Sachvortrag der Parteien noch aus den Umständen.


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