Baurecht

Wettbüro, Vergnügungsstättenbebauungsplan, Nutzungsuntersagung

Aktenzeichen  9 ZB 19.1612

Datum:
12.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9527
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 9 Abs. 2 b
BayBO Art. 76 S. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 3 K 17.971 2019-07-02 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 58.440 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für eine von ihm bereits vorgenommene Nutzungsänderung von einem Laden in ein Wettbüro. Nachdem der Bauantrag zunächst zurückgestellt wurde und zum 3. November 2016 der Bebauungsplan Nr. 306 A – „Teile der Nördlichen Altstadt und E.er Neustadt“ der Beklagten in Kraft getreten war, nach dessen Festsetzung Vergnügungsstätten aller Art nicht zulässig sind, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25. April 2017 den Bauantrag des Klägers ab und untersagte zugleich die Nutzung des Ladens als Wettbüro. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 2. Juli 2019 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Nutzungsänderung nicht genehmigungsfähig sei, weil sie den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 306 A nicht entspreche. Die Nutzungsuntersagung sei rechtmäßig, weil für das genehmigungspflichtige Wettbüro keine Baugenehmigung vorliege, sich der Kläger nicht auf Bestandsschutz berufen könne und auch sonst keine Ermessensfehler vorlägen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) oder Vorliegens eines Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen.
1. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
a) Der Kläger ist danach der Ansicht, die beantragte Nutzungsänderung sei genehmigungsfähig, weil das Bauvorhaben in einem faktischen Kerngebiet, zumindest aber in einem gewerblich geprägten Teil eines faktischen Mischgebiets liege und der Bebauungsplan Nr. 306 A der Beklagten wegen Nichteinhaltung der Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 2b BauGB sowie wegen Abwägungsmängeln unwirksam sei. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils ergeben sich hieraus aber nicht. Da der Kläger die Rügemöglichkeit des § 215 Abs. 1 BauGB nicht genutzt hat, ist der Umfang der Inzidentkontrolle eines Bebauungsplans nach Ablauf der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB auf die nicht von dieser Vorschrift erfassten stets beachtlichen Mängel beschränkt (vgl. BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 9 ZB 16.1987 – juris Rn. 6).
aa) Der Vortrag, der Bebauungsplan Nr. 306 A, genüge den Anforderungen des § 9 Abs. 2b BauGB nicht, führt nicht zum Erfolg.
Der Vergnügungsstättenbebauungsplan der Beklagten bedarf – wie jeder Bebauungsplan – einer städtebaulichen Rechtfertigung. Eine solche fehlt, wenn die Nutzungsbeschränkungen nicht der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung (vgl. § 1 Abs. 3 BauGB) zu dienen bestimmt sind. Der Bebauungsplan Nr. 306 A wäre daher nicht von der Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 2b BauGB gedeckt, wenn für seinen Erlass keine städtebaulichen Gründe benannt werden (vgl. VGH BW, U.v. 12.3.2020 – 8 S 1542/18 – juris Rn. 47). Dies ist hier aber nicht der Fall. Denn die Beklagte hat hier auf eine auffällige Häufung von Vergnügungsstätten im Südteil der G.straße auf engem Raum abgestellt (Begründung zum Bebauungsplan Nr. 306 A, Nr. 5.2, S. 13), dieses Gebiet als gewerblich geprägtes Mischgebiet charakterisiert (Begründung Nr. 5.2, S. 12) und nicht nur allgemeine, d.h. nicht gebietsbezogene, politische Erwägungen zum Ausschluss von Vergnügungsstätten angeführt. Ausgehend von dem allgemeinen städtebaulichen Erfahrungssatz, dass sich Vergnügungsstätten negativ auf ihre Umgebung auswirken können (vgl. BVerwG, B.v. 4.9.2008 – 4 BN 9.08 – juris Rn. 8), hat die Beklagte hierzu konkrete Feststellungen für ihren Stadtbereich und städtebauliche Überlegungen angestellt, die in ein städtebauliches Einzelhandelskonzept und in Leitlinien eines Vergnügungsstättenkonzepts eingeflossen sind. Die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 306 A dienen damit dem Ziel, Beeinträchtigungen i.S.d. § 9 Abs. 2b Nr. 1 und 2 BauGB zu steuern und zu verhindern. Einer Gemeinde ist es zudem im Rahmen des § 1 Abs. 3 BauGB grundsätzlich nicht verwehrt, auf Bauanträge mit der Aufstellung eines Bebauungsplans zu reagieren, der diesen die materielle Rechtsgrundlage entzieht (vgl. BayVGH, U.v.29.1.2015 – 9 N 15.213 – juris Rn. 40; U.v. 27.6.2019 – 1 N 16.220 – juris Rn. 21). Dass dies im Rahmen des § 9 Abs. 2b BauGB anders zu beurteilen sein sollte, ist weder ersichtlich noch im Zulassungsvorbringen dargelegt.
Soweit der Kläger sich darauf beruft, die städtebauliche Funktion ergebe sich aus der vorhandenen Bebauung, die auch Maßstab für die Zulässigkeit von Vorhaben i.S.d. § 34 BauGB sei, ist eine nicht genehmigte und nicht genehmigungsfähige Nutzung gleichwohl auszuscheiden, wenn sich die zuständige Behörde nicht mit deren Vorhandensein abgefunden hat (vgl. BVerwG, U.v. 6.11.1968 – IV C 31.66 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 29.1.2016 – 15 ZB 13.1759 – juris Rn. 12 m.w.N.). Hier hat die Beklagte mit Bescheid vom 25. April 2017 eine Nutzungsuntersagung erlassen, nachdem der Antrag auf Nutzungsänderung zunächst zurückgestellt wurde. Nach Umzug des Wettbüros zum 15. November 2011 und Bekanntwerden der ungenehmigten Nutzung an diesem, heutigen Standort, auf den allein für die baurechtliche Beurteilung abzustellen ist, hat die Beklagte zudem unmittelbar mit Schreiben vom 6. August 2012 reagiert und das Bauvorhaben von Anfang an negativ beurteilt (vgl. Schreiben vom 21. Februar 2013, Behördenakte Bl. 29). Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beklagte mit der Existenz des Wettbüros des Klägers abgefunden hat, lassen sich daraus nicht entnehmen.
Das Verwaltungsgericht hat auch zutreffend darauf abgestellt, dass Beeinträchtigungen i.S.v. § 9 Abs. 2b Nr. 1 oder Nr. 2 BauGB noch nicht vorliegen müssen, um einen Vergnügungsstättenbebauungsplan aufstellen zu können. Vielmehr kann die Beklagte auch schon im Vorfeld vorsorgend einen Bebauungsplan aufstellen, um derartige Auswirkungen erst gar nicht entstehen zu lassen (vgl. BayVGH, B.v. 18.4.2017 – 9 ZB 15.1846 – juris Rn. 10). Planerische Zielsetzung der Beklagten ist hier der Schutz schutzwürdiger Anlagen im Plangebiet (vgl. Begründung des Bebauungsplans Nr. 306 A, Nr. 5.2), der Erhalt und die Aufwertung des Gebiets, die Verhinderung eines „Trading-Down“-Effekts (Begründung Nr. 3) sowie die Lenkung von Vergnügungsstätten auf städtebaulich verträgliche städtische Teilräume (vgl. Beschluss des Stadtrats zum Vergnügungsstättenkonzept vom 23. Juli 2015, Nr. II. 3.). Das Zulassungsvorbringen, das allein auf den Teilbereich des Gebiets mit dem vom Kläger betriebenen Wettbüro abstellt, ist insoweit nicht geeignet, die Entscheidung der Beklagten in Frage zu stellen. Einer Begründung zu konkreten städtebaulichen Problemen des vom Kläger betriebenen Wettbüros bedarf es darüber hinaus nicht (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2017 – 9 CS 17.962 – juris Rn. 20).
bb) Die vom Kläger angeführten Abwägungsmängel führen ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit des Vergnügungsstättenbebauungsplans Nr. 306 A der Beklagten.
Die Anforderungen an den Abwägungsvorgang ergeben sich aus den verfahrensrechtlichen Vorgaben des § 2 Abs. 3 BauGB, sowie – materiell-rechtlich – aus § 1 Abs. 7 BauGB, wonach bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.2016 – 4 CN 2.16 – Rn. 12).
Im Rahmen der hier vorzunehmenden Inzidentkontrolle ist jedoch ein bloßer Mangel im Abwägungsvorgang nicht ausreichend, um von einer Unwirksamkeit des betroffenen Bebauungsplans ausgehen zu können; vielmehr bedarf es eines Mangels im Abwägungsergebnis (vgl. BayVGH, U.v. 22.9.2015 – 1 B 14.1652 – juris Rn. 20). Dazu genügt es nicht, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Planung bei einer fehlerfreien Abwägung anders ausgefallen wäre und ein möglicher Abwägungsfehler damit im Sinne des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 BauGB auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist (vgl. OVG NW, U.v. 12.12.2013 – 10 A 332/08 – juris Rn. 105). Ein relevanter Fehler im Abwägungsergebnis ist vielmehr erst dann anzunehmen, wenn eine fehlerfreie Nachholung der erforderlichen Abwägungsentscheidung schlechterdings nicht zum selben Ergebnis führen könnte, weil andernfalls der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen würde, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht, mithin die Grenzen der planerischen Gestaltungsfreiheit überschritten würden (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – juris Rn. 15). Eine derart unausgewogene Planung ist hier aber nicht ersichtlich. Zwar führt das Zulassungsvorbringen verschiedene – nach Ansicht des Klägers abwägungsrelevante und nicht berücksichtigte – Belange an, wie das Bestandsinteresse des Klägers, die Belange wettinteressierter Personen, insbesondere solcher mit Mobilitätseinschränkungen, sowie einen Zielkonflikt zum Glücksspielrecht. Anhaltspunkte dafür, dass das Abwägungsergebnis schlechterdings nicht haltbar ist (vgl. VGH BW, U.v. 22.10.2018 – 8 S 647/13 – juris Rn. 82), ergeben sich hieraus aber nicht. Vielmehr stellen der Schutz vor einem „Trading-Down“-Effekt, vor allem wegen der Lage im Sanierungsgebiet (vgl. Begründung des Bebauungsplans Nr. 306 A, Nr. 2) und der Erhalt von Mischnutzungen, die Etablierung eines gehobenen Einzelhandels, die Stärkung der Innenstadt durch Wohnnutzung und eine Verbesserung der Aufenthaltsqualität (vgl. Begründung Nr. 3) legitime Planungsziele dar, die nicht von vornherein ungeeignet sind, die vom Kläger genannten Abwägungsbelange zu überwinden. Die Bevorzugung des einen Belangs unter notwendiger Zurückstellung des anderen Belangs ist regelmäßig nicht fehlerhaft (vgl. BayVGH, U.v. 24.9.2015 – 9 N 12.2303 – juris Rn. 21).
b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen auch nicht hinsichtlich der Nutzungsuntersagung.
aa) Wie das Verwaltungsgericht – entgegen dem Zulassungsvorbringen – zu Recht ausgeführt hat, ist der Erlass einer Nutzungsuntersagung grundsätzlich schon dann gerechtfertigt ist, wenn – wie hier – ein genehmigungspflichtiges Vorhaben ohne Baugenehmigung ausgeführt wird (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2021 – 9 CS 20.2376 – juris Rn. 13; B.v. 19.5.2016 – 15 CS 16.300 – juris Rn. 21 m.w.N.). Die vom Kläger angeführte, bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zum dortigen Landesrecht, wonach eine endgültige Nutzungsuntersagung tatbestandlich nicht nur die formelle, sondern auch die materielle Baurechtswidrigkeit voraussetzt, hat dieser ausdrücklich aufgeben (vgl. VGH BW, U.v. 9.11.2020 – 3 S 2590/18 – juris Rn. 59). Unabhängig von der Frage eines Bestandsschutzes hat das Verwaltungsgericht – zutreffend – ferner darauf abgestellt, dass eine rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht untersagt werden darf, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2021 a.a.O.) und eine solche offensichtliche Genehmigungsfähigkeit verneint.
bb) Ermessensfehler werden vom Zulassungsvorbringen nicht substantiiert dargelegt. Die beantragte Nutzungsänderung ist, da sie den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 306 A der Beklagten widerspricht, nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Der Kläger kann sich auch nicht auf einen Vertrauensschutz berufen, weil das Bauvorhaben mangels Genehmigung keinen Bestandsschutz genießt (vgl. VGH BW, U.v. 9.11.2020 – 3 S 2590/18 – juris Rn. 83 ff.), die Beklagte sich nach Bekanntwerden der nicht genehmigten Nutzungsänderung am heutigen Standort nicht mit der Existenz des Wettbüros des Klägers abgefunden hat, sondern unmittelbar – zunächst in Form einer Zurückstellung und dann mittels der angefochtenen Nutzungsuntersagung – tätig geworden ist und zudem bauaufsichtliche Befugnisse keiner Verwirkung unterliegen (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 9 ZB 15.2323 – juris Rn. 17; U.v. 28.6.2012 – 9 B 10.2532 – juris Rn. 22 f.; B.v. 28.12.2016 – 15 CS 16.1774 – juris Rn. 33). Die vom Kläger angeführte unklare glücksspielrechtliche Regelungssituation entbindet ihn schließlich nicht davon, eine baurechtlich erforderliche Genehmigung zu beantragen und einzuholen, zumal die Baugenehmigung – nach Aufgabe der Schlusspunkttheorie (vgl. BayVGH, GrS 1/1992 – 1 B 90.3063 – BayVBl. 1993, 370) – unabhängig von etwaigen glücksspielrechtlichen Erlaubnissen erteilt wird (vgl. Art. 59 Satz 1 BayBO).
2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Die im Zulassungsantrag aufgeworfenen Fragen, lassen sich, wie die vorstehenden Ausführungen unter 1. zeigen, ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren klären. Die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Kläger genügt nicht, besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 28.4.2020 – 9 ZB 18.1493 – juris Rn. 26).
a) Die vom Kläger angeführten besonderen Schwierigkeiten im Verhältnis gemeindlicher Bauleitplanung zum Glücksspielrecht, insbesondere dem Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV), erschließen sich schon aufgrund des unterschiedlichen Rechtskreises nicht. Denn mit dem Glücksspielstaatsvertrag regeln die Länder die Veranstaltung, die Durchführung und die Vermittlung von öffentlichen Glücksspielen (§ 2 Abs. 1 GlüStV), während die gemeindliche Bauleitplanung Ausfluss des kommunalen Selbstverwaltungsrechts ist (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV, Art. 83 Abs. 1 Satz 1 BV, § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB) und die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe des Baugesetzbuchs vorbereitet und leitet (vgl. § 1 Abs. 1 BauGB). Im Übrigen legt das Zulassungsvorbringen auch nicht dar, dass die Regelungen des GlüStV überhaupt eine der städtebaulichen Entwicklung dienende Funktion hätten (vgl. BayVGH, B.v. 26.6.2020 – 9 CS 16.2218 – juris Rn. 21 m.w.N.), unabhängig davon, dass damit im Zusammenhang stehende einzelne Belange nach § 1 Abs. 6 Nr. 3 und 11 BauGB im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sein können (vgl. NdsOVG, U.v. 19.9.2020 – 1 KN 71/18 – juris Rn. 38 ff.).
b) Soweit der Kläger eine fehlende tatsächliche Ansiedelungsmöglichkeit für Vergnügungsstätten in den Toleranzzonen geltend macht, weil die Investitionskosten zu hoch seien oder keine geeigneten Räumlichkeiten gefunden werden könnten, werden dadurch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufgezeigt. Ein Bebauungsplan ist nicht erforderlich, wenn seiner Verwirklichung auf unabsehbare Zeit rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Weg stehen (vgl. BVerwG, U.v. 18.3.2004 – 4 CN 4.03 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 28.7.2020 – 9 N 16.2497 – juris Rn. 21). Dies beurteilt sich jedoch anhand städtebaulicher Aspekte; ob private Eigentümer beabsichtigen, in den Toleranzzonen Räumlichkeiten oder Grundstücke für Vergnügungsstätten zur Verfügung stellen oder solche selbst errichten zu wollen, entzieht sich der Einflussnahme der planenden Gemeinde. Anhaltspunkte dafür, dass den Toleranzzonen die städtebauliche Eignung für die Errichtung von Vergnügungsstätten fehlt, lassen sich dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen.
c) Schließlich zeigt auch der Vortrag, der Kläger habe das Wettbüro zwar ohne Baugenehmigung betrieben, was aber jahrelang bauaufsichtlich toleriert worden sei, weil sein Vorhaben planungsrechtlich zulässig gewesen sei, keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf. Abgesehen davon, dass der Kläger das Wettbüro am heutigen, für die Genehmigungsfrage allein maßgeblichen Standort schon nicht jahrelang unbeanstandet betrieben hat, weil die Beklagte bereits im Schreiben vom 6. August 2012 von einer ungenehmigten Nutzungsänderung nach dem Umzug vom 15. November 2011 ausging, unterliegen bauaufsichtliche Befugnisse nicht der Verwirkung (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 9 ZB 16.23223 – juris Rn. 17). Die Frage, ob das Bauvorhaben planungsrechtlich zulässig gewesen sei, ist anhand der Rechtslage vor Erlass des Bebauungsplans zu beurteilen und für sich gesehen nicht rechtlich schwierig. Auf die Frage, ob eine formell illegale Anlage bzw. Nutzung überhaupt Bestandsschutz genießen kann, wenn sie zu einem namhaften Zeitpunkt materiell-rechtlich legal war (vgl. VGH BW, U.v. 9.11.2020 – 3 S 2590/18 – juris Rn. 85; BayVGH, U.v. 17.10.2006 – 1 B 05.1429 – juris Rn. 24; Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand Oktober 2020, Art. 76 Rn. 117 f.), geht das Zulassungsvorbringen nicht ein.
3. Die Rechtssache hat auch nicht die vom Kläger angeführte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2021 – 9 ZB 19.1397 – juris Rn. 23). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
a) Die Frage, ob § 9 Abs. 2b BauGB eine Rechtsgrundlage für einen Bebauungsplan bietet, der darauf abzielt, einen langjährigen bestehenden, ungenehmigten Betrieb zu verdrängen, obwohl rein faktisch keine Beeinträchtigungen feststellbar waren und sind, ist weder klärungsfähig noch klärungsbedürftig. Bei dem Betrieb des Klägers dürfte es sich am zur Genehmigung beantragten Standort, an dem sich der Betrieb seit 15. November 2011 befindet und für den nach dem Schreiben der Beklagten vom 6. August 2012 mit Unterlagen vom 15. Oktober 2012, bei der Beklagten eingegangen am 7. Januar 2013, ein Bauantrag gestellt wurde, welcher mit Bescheid vom 2. Juli 2013 nach Fassung des Aufstellungsbeschlusses für den Bebauungsplan Nr. 306 A der Beklagten zurückgestellt wurde, schon nicht um einen „langjährigen“ Betrieb handeln. Abgesehen davon ist geklärt, dass § 9 Abs. 2b BauGB nicht voraussetzt, dass tatsächlich Beeinträchtigungen vorliegen müssen; vielmehr kann die Beklagte einen Vergnügungsstättenbebauungsplan grundsätzlich auch aufstellen, um Beeinträchtigungen i.S.d. § 9 Abs. 2b Nr. 1 und 2 BauGB erst gar nicht entstehen zu lassen (vgl. BayVGH, B.v. 18.4.2017 – 9 ZB 15.1846 – juris Rn. 10; VGH BW, U.v. 12.3.2020 – 8 S 1542/18 – juris Rn. 50). Die Frage zielt im Übrigen darauf ab, ob und wie Bestandsschutzinteressen im Rahmen der Bauleitplanung zu berücksichtigen sind, was ebenfalls geklärt ist (vgl. BVerwG, B.v. 13.3.2017 – 4 BN 25.16 – juris Rn. 5). Dass im Rahmen der Bauleitplanung nach § 9 Abs. 2b BauGB andere Maßstäbe zu gelten hätten, legt das Zulassungsvorbringen nicht dar. Darüber hinaus ist der hier vorliegende Einzelfall nicht verallgemeinerungsfähig zu beantworten.
b) Die Frage nach der Überprüfung einer gemeindlichen Einschätzung, insbesondere bei Fehleinschätzungen in städtebaulichen Entwicklungskonzepten zu einer angeblich festgestellten „Mindernutzung“, ist nicht klärungsbedürftig. Der Umfang der gerichtlichen Überprüfung der Abwägungsentscheidung der planenden Gemeinde ist geklärt (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.2016 – 4 CN 2.16 – juris Rn. 12), wobei es im Rahmen der hier vorliegenden Inzidentkontrolle auf Mängel im Abwägungsergebnis ankommt (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – juris Rn. 15). Das Gebot gerechter Abwägung unterliegt dabei einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle und das Vorziehen und Zurücksetzen bestimmter Belange innerhalb des von § 1 Abs. 7 BauGB vorgegebenen Rahmens, wozu nach § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB auch die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung gehören, ist die „elementare planerische Entschließung“ der Gemeinde über die städtebauliche Entwicklung und Ordnung und kein im Einzelnen aufsichtlich oder gerichtlich nachprüfbarer Vorgang (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.1969 – IV C 105.66 – juris Rn. 29; BayVGH, U.v. 23.9.2019 – 15 N 16.1430 – juris Rn. 22; U.v. 10.5.2016 – 9 N 14.2674 – juris Rn. 34).
4. Schließlich liegt auch kein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
a) Der Kläger rügt, dass das Verwaltungsgericht seine Aufklärungspflicht verletzt habe und den durch seine Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, der darauf gerichtet war, „Beweis zu erheben über die Behauptung, dass sich im Bereich G.straße / … … Straße nicht in Folge des Bestandes an Vergnügungsstätten ein Trading-Down-Effekt heraus gebildet hat, der nur durch Reduzierung des Bestandes revidiert werden könnte, durch Einnahme eines gerichtlichen Augenscheins“, zu Unrecht abgelehnt hat. Die Ablehnung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerwG, B.v. 21.5.2013 – 8 B 85.12 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 20.5.2020 – 9 ZB 18.2585 – juris Rn. 13). Das rechtliche Gehör ist versagt, wenn ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird. Willkürlich ist ein Richterspruch aber nur, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Von einer willkürlichen Missdeutung kann insbesondere nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfG, B.v. 22.5.2015 – 1 BvR 2291/13 – juris Rn. 5 m.w.N.). Entsprechendes lässt sich dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen.
Das Verwaltungsgericht hat unter anderem angeführt, dass der Beweisantrag nicht entscheidungserheblich sei. Dies entspricht der Rechtsprechung, wonach die Festsetzungen eines Vergnügungsstättenbebauungsplans dem Ziel dienen müssen, Beeinträchtigungen i.S.v. § 9 Abs. 2b Nr. 1 oder Nr. 2 BauGB zu steuern bzw. zu verhindern, derartige Beeinträchtigungen aber nicht bereits vorliegen müssen, sondern die Beklagte auch schon im Vorfeld vorsorgend einen Bebauungsplan aufstellen kann, um derartige Auswirkungen erst gar nicht entstehen zu lassen (vgl. BayVGH, B.v. 18.4.2017 – 9 ZB 15.1846 – juris Rn. 10; VGH BW, U.v. 12.3.2020 – 8 S 1542/18 – juris Rn. 50). Auf die weiteren vom Verwaltungsgericht angeführten Ablehnungsgründe kommt es damit nicht mehr an.
b) Soweit der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht hätte auf eine sachdienliche Antragstellung hinwirken müssen, bleibt der Antrag ebenfalls erfolglos.
Die Vorsitzende hat nach § 86 Abs. 3 VwGO zwar die Pflicht, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken, Rechtsberatung ist ihr aufgrund ihrer Neutralitätspflicht aber verboten. Sie darf daher nicht für einen Beteiligten Partei ergreifen und ihm den Weg zum effektivsten Rechtsschutz weisen. Wie ein Beteiligter einen Prozess führt, ist letztlich seine Sache. Die in § 86 Abs. 3 VwGO normierte Pflicht beinhaltet – richtig verstanden – keine Beratungs-, sondern Formulierungshilfe (vgl. BVerwG, B.v. 27.6.2007 – 4 B 25.07 – juris Rn. 7). Ihrer bedurfte der Kläger aber nicht, da dem Beweisantrag keine Unklarheiten anhafteten. Das Zulassungsvorbringen verweist insoweit auf § 88 VwGO, wonach das Verwaltungsgericht an die Fassung der Anträge nicht gebunden ist, zeigt aber nicht auf, dass der gestellte Beweisantrag nicht auslegungsfähig gewesen wäre.
Abgesehen davon ist für gegebenenfalls gebotene Hinweise die rechtliche Beurteilung des Gerichts maßgebend (vgl. BVerwG, B.v. 23.10.1998 – 2 B 137.97 – juris Rn. 10). Das Verwaltungsgericht ist hier davon ausgegangen, dass Beeinträchtigungen i.S.v. § 9 Abs. 2b Nr. 1 oder Nr. 2 BauGB nicht bereits vorliegen müssen. Dem Zulassungsvorbringen lässt sich nicht entnehmen, wie – ausgehend vom Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts – dementsprechend ein Hinweis auf sachdienliche Antragstellung hätte aussehen sollen.
Im Übrigen soll die Bestimmung des § 86 Abs. 3 VwGO verhindern, dass die Rechtsverwirklichung der Beteiligten an Unerfahrenheit, Unbeholfenheit oder mangelnden Rechtskenntnissen scheitert (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.1995 – 6 B 39.95 – juris Rn. 9). Sie gilt daher nur eingeschränkt gegenüber anwaltlich vertretenen Klägern, die nicht einmal auf die Möglichkeit der Stellung eines förmlichen Beweisantrags hingewiesen werden müssen (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 86 Rn. 85). Dass dies hier beim Kläger, der gleich von zwei Bevollmächtigten vertreten wird, die beide auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht anwesend waren, anders beurteilt werden müsste, ist weder ersichtlich noch dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat zudem weder eine Pflicht, vor der Entscheidung auf seine vorläufige Rechtsauffassung hinzuweisen, noch eine Pflicht mitzuteilen, dass der klägerische Vortrag für nicht schlüssig gehalten wird, die Rechtsauffassung des Klägers nicht geteilt wird oder ein Beweisantrag gestellt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 14.1.2021 – 9 ZB 18.1744 – juris Rn. 18).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.1.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
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