Baurecht

Zulässige Grenzbebauung, Errichtung von Abstellräumen und einer Stütz- und Gartenmauer, Prüfungsumfang im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, Augenschein.

Aktenzeichen  9 CS 21.3052

Datum:
1.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 4478
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 6 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 und 3

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 9 S 21.1658 2021-10-27 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich als Grundstückseigentümerin gegen Nr. 1 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 3. August 2021, mit der der Beigeladenen auf der Grenze ihres benachbarten Grundstücks im Wege einer Tektur die Errichtung von Abstellräumen und einer 2 m hohen Stütz- und Gartenmauer genehmigt wurde.
Das Verwaltungsgericht hat ihren Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der dagegen erhobenen Klage abgelehnt. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen, summarischen Prüfung werde diese Klage voraussichtlich erfolglos bleiben, weil die angefochtene Baugenehmigung rechtmäßig sei und insbesondere nicht auf der Verletzung einer Norm beruhe, die im Baugenehmigungsverfahren prüfpflichtig und dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt ist. Verstöße gegen das Abstandsflächenrecht seien nicht ersichtlich. So handele es sich bei den genehmigten Abstellräumen um eine nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO privilegierte Anlage, deren maximal zulässige Höhe von 3 m eingehalten werde. Auch die geplante Stütz- und Gartenmauer sei eine im Sinne von Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO zulässige Grenzbebauung, die keine Abstandsflächen auslöse. Sie unterschreite die zulässige Maximalhöhe von 2 m und unterliege keinerlei gesetzlicher Längenvorgabe. Auch das Rücksichtnahmegebot sei nicht verletzt, weil das geplante Bauwerk keine erdrückende oder abriegelnde Wirkung entfalte.
Mit der eingelegten Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel weiter. Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags macht sie im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht sei von unvollständigen und unzutreffenden Tatsachenfeststellungen ausgegangen und habe das materielle Recht fehlerhaft angewendet, indem es versäumt habe, die für die rechtliche Begründung notwendigen Schlüsse aus ihrem Vorbringen zu ziehen. Sie hat beantragt,
1. den Beschluss des VG Ansbach vom 27.10.2021 aufzuheben,
2. die aufschiebende Wirkung gegen den Baugenehmigungsbescheid der Antragsgegnerin vom 3.8.2021 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat mitgeteilt, die Beschwerdebegründung erschöpfe sich ohne weiteren Tatsachenvortrag darin, die bereits bekannte Rechtsauffassung der Antragstellerin darzulegen. Sie sehe deshalb von einer weiteren Stellungnahme ab. Einen Antrag hat sie nicht gestellt.
Die Beigeladene verteidigt den angefochtenen Beschluss und hat beantragt,
die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kennzeichnet, hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin auf vorläufigen Rechtsschutz (§ 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 VwGO) zu Recht abgelehnt, weil die Klage im Hauptsacheverfahren voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Die angefochtene Baugenehmigung verstößt nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die zumindest auch dem Schutz der Antragstellerin zu dienen bestimmt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Senat nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses und sieht von einer weiteren Begründung ab. Lediglich ergänzend bleibt im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen folgendes zu bemerken:
Die Antragstellerin ist der Auffassung, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht den von ihr ausdrücklich beantragten Augenschein zur Feststellung der Verhältnisse vor Ort nicht durchgeführt und damit gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen sowie die gebotene Amtsermittlung unterlassen. Eine Ortsbesichtigung wäre ihrer Ansicht nach erforderlich gewesen, weil die Baugenehmigung die tatsächlichen (Höhen-)Verhältnisse vor Ort unzutreffend darstelle, ein Umstand, den sie mangels Betretungsmöglichkeit des Grundstücks der Beigeladenen jedoch nicht durch Vorlage von Lichtbildern habe dokumentieren können.
Dieser Vortrag verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gilt zwar der Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO), allerdings kommt den Mitwirkungspflichten des Antragstellers bzw. der Antragstellerin hier eine besondere Bedeutung zu. Im Hinblick auf die Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes und die Notwendigkeit einer raschen Entscheidung gebietet der Untersuchungsgrundsatz nach herrschender Meinung in der Regel nur eine summarische Prüfung der bei der vom Gericht zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigenden öffentlichen und privaten Interessen wie auch der Sach- und Rechtslage in der Hauptsache. Unbestreitbar ergeben sich aus der Eilbedürftigkeit Einschränkungen für die Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung. Die Entscheidung ergeht deshalb aufgrund der von den Beteiligten vorgelegten oder sonst sofort oder doch innerhalb im Hinblick auf die größere oder geringere Eilbedürftigkeit der Entscheidung in angemessener Zeit verfügbaren („präsenten“) Beweismittel von glaubhaft gemachten Tatsachen und/oder auch nur überwiegenden Wahrscheinlichkeiten (vgl. W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 80 Rn. 125 m.w.N.).
Gemessen daran gab es für das Verwaltungsgericht keinen Anlass, ausnahmsweise von der Regel abzuweichen und einen Augenschein durchzuführen. Abgesehen davon, dass die Antragstellerin ausweislich der Akten mehrere Fotografien vorgelegt hat, die das Verwaltungsgericht allerdings zu Recht als „eher wenig ergiebig“ bezeichnet hat, weil auf ihnen weder die tatsächliche Höhe bestehender Bauteile noch eventuell vorhandene Höhenunterschiede der Grundstücke erkennbar sind, wurde mit der streitgegenständlichen Tektur gem. Art. 59 Satz 1 Nr. 1.b) BayBO die Errichtung eines Abstellraums mit Pultdach und einer Wandhöhe von 3 m sowie einer 2 m hohen Stütz- und Gartenmauer an der Grundstücksgrenze genehmigt (bezogen auf die Höhenangaben im ursprünglichen Genehmigungsbescheid vom 7. März 2017, mit denen sich die Beschwerde nicht auseinandersetzt). Zutreffend hat bereits das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass dies den Vorgaben in Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 BayBO entspricht. Sollte das Bauvorhaben, dessen Mauern nach den Angaben der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren mittlerweile in voller Höhe errichtet sind, gleichwohl in tatsächlicher Hinsicht von der erteilten Genehmigung abweichen und vor allem die zulässige Maximalhöhe überschreiten, bestünde zwar unter Umständen Anspruch auf ein (abermaliges) bauaufsichtliches Einschreiten der zuständigen Behörde. Allerdings läge auch dann keine Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Baugenehmigung vor, die die im vorliegenden Verfahren begehrte, eilige Anordnung rechtfertigen würde. Soweit die Antragstellerin geltend macht, an der Grenze des Baugrundstücks sei die natürliche Geländeoberfläche aufgeschüttet worden, weshalb sie sich einer „durchgehenden Grenzbebauung von ca. 2,5 m bzw. 3,5 m ausgesetzt“ sehe, ist auch dieses Vorbringen nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht ausreichend glaubhaft gemacht und substantiiert. Eine entsprechende, frische Aufschüttung ist weder auf den vorgelegten Fotografien erkennbar, noch erschließt sich, weshalb es der Antragstellerin nicht möglich gewesen sein sollte, eine entstandene Erhöhung mithilfe von Lichtbildern, die von ihrem eigenen Grundstück aus aufgenommen wurden, darzustellen und plausibel zu machen.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin liegt auch kein Verstoß gegen das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme vor. Ihr Vorbringen, bereits das aufgrund der ursprünglichen Baugenehmigung vom 7. März 2017 errichtete Vorhaben beeinträchtige insbesondere durch einen erheblich auskragenden Anbau die Belichtung und Besonnung ihres Grundstücks erheblich, insoweit sei zu Unrecht allein auf zulässige Grenzbebauung abgestellt worden, verfängt schon deshalb nicht, weil Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ausschließlich Nr. 1 des Bescheids vom 3. August 2021 ist, mit der mittels einer Tektur die Genehmigung zum Bau der Abstellräume und der Grenzmauer erteilt wurde. Auch die im Übrigen vermisste gärtnerische Anlage und der Unterhalt des Grundstücks sind hier nicht Streitgegenstand.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladene hat sich im Beschwerdeverfahren geäußert und einen Antrag gestellt und. Es entspricht deshalb der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhält (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG in Verbindung mit Nrn. 9.7.1, 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013 und entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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