Baurecht

Zulässigkeit des Anbaus an ein Reihenhaus

Aktenzeichen  M 8 K 15.1023

Datum:
18.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34 Abs. 1
BauNVO BauNVO § 22 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Die Grundsätze der Doppelhausrechtsprechung sind auch bei Hausgruppen heranzuziehen und bei einem Anbau an ein Reihenhaus zugrunde zu legen. (redaktioneller Leitsatz)
Die Zulässigkeit einer Bebauung als Doppelhaus setzt einen wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze voraus. Danach bindet dieser Verzicht die benachbarten Grundeigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessensausgleichs ein, wodurch die Baufreiheit zugleich erweitert und beschränkt wird. Die Rücksichtnahmeverpflichtung schließt eine grenzständige Bebauung aus, wenn sie den bisher durch das Doppelhaus gezogenen Rahmen überschreitet.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 25. Februar 2015 bleibt in der Sache ohne Erfolg, da die angefochtene Baugenehmigung keine nachbarschützenden Rechte des Klägers verletzt, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gem. Art. 59 und Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO zu prüfen waren, § 113 Abs. 1 VwGO. Die Prüfung im Hauptsacheverfahren hat die im Eilverfahren (Az. M 8 SE 15.858) getroffene vorläufige Einschätzung hinsichtlich der geltend gemachten Rechtsverletzung des Klägers durch die angefochtene Baugenehmigung vollumfänglich bestätigt.
I.
Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B. v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dabei ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung zudem nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (BayVGH, B. v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren aber nicht zu prüfen war, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtsschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung des Vorhabens zu suchen (vgl. BVerwG, B. v. 16.1.1997 – 4 B 244/96, NVwZ 1998,58 – juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 14.10.2008 – 2 CS 08/2132 – juris Rn. 3).
Da es sich bei dem streitgegenständlichen Vorhaben um keinen Sonderbau im Sinne von Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt, war die Baugenehmigung im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren mit dem eingeschränkten Prüfungsmaßstab des Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO zu erteilen und die Übereinstimmung des Vorhabens mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB zu prüfen.
II.
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens bestimmt sich vorliegend im Hinblick auf das vorhandene, gemäß § 173 BBauG und § 233 Abs. 3 BauGB übergeleitete Bauliniengefüge nach § 30 Abs. 3 BauGB und im Übrigen, da keine weitergehenden bauplanungsrechtlichen Festsetzungen vorhanden sind, nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Danach ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
Vorliegend ist allein umstritten, ob sich der streitgegenständliche Anbau möglicherweise deshalb nicht einfügt, weil er sich für den Kläger als rücksichtslos bzw. unzumutbar darstellt und damit gegen das im Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthaltene bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verstößt (vgl. U. v. 5.12.2013 – 4 C 5.12, BVerwGE 148, 290 – juris), was nach Ansicht der Kammer vorliegend nicht der Fall ist.
Ein derartiger Verstoß gegen das nachbarschützende Rücksichtnahmegebot kommt im Hinblick auf den mit dem Anbau verbundenen baulichen Versatz im Verhältnis zu den übrigen Reihenhäusern als Hausgruppe in Betracht. Die streitgegenständliche Baugenehmigung mit dem genehmigten baulichen Versatz verletzt aber nicht das Rücksichtnahmegebot in seiner besonderen Ausprägung der Grundsätze der sog. Doppelhausrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U. v. 5.12.2013 – 4 C 5.12, BVerwGE 148, 290 – juris).
In seinem Urteil vom 5. Dezember 2013 hat das Bundesverwaltungsgericht geklärt, dass die von ihm aufgestellten Grundsätze zur Doppelhausrechtsprechung zu § 22 Abs. 2 BauNVO auch im in offener Bauweise bebauten unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB grundsätzlich zur Anwendung kommen können (4 C 5/12 – juris Rn. 12). Ein Doppelhaus im Sinn des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO ist eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden. Kein Doppelhaus bilden dagegen zwei Gebäude, die sich zwar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze noch berühren, aber als zwei selbststände Baukörper erscheinen. Ein Doppelhaus verlangt ferner, dass die beiden Haushälften in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden (BVerwG, U. v. 5.12.2013 – 4 C 5/12 – juris Rn. 13 m. w. N.). Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich betont, dass diese Begriffsbestimmung den Begriff des Doppelhauses im Sinne bauplanungsrechtlicher Vorschriften bezeichnet und damit auch für den unbeplanten Innenbereich von Bedeutung ist (BVerwG, U. v. 5.12.2013 a. a. O.).
In seinem Urteil vom 5. Dezember 2013 hat das Bundesverwaltungsgericht zudem entschieden, dass die von ihm entwickelten Grundsätze zu § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO über das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme auch im unbeplanten Innenbereich zur Anwendung kommen (4 C 5/12 – juris Rn. 20 ff.). Insoweit ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Grundsätze der Doppelhausrechtsprechung auch bei Hausgruppen heranzuziehen sind. Eine Hausgruppe im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO besteht aus mindestens drei auf benachbarten Grundstücken stehenden Gebäuden, die durch Aneinanderbauen an den gemeinsamen Grundstücksgrenzen zu einer Einheit zusammengefügt werden und deren Kopfhäuser einen seitlichen Grenzabstand einhalten (BayVGH, U. v. 11.12.2014 – 2 BV 13.789 – juris Rn. 25 m. w. N.). Eine Hausgruppe im klassischen Sinn ist eine Gruppe von Reihenhäusern. Für die Frage, wann bei einem Anbau an eine Hausgruppe noch von der erforderlichen Einheit im Sinne des Doppelhausrechtsprechung auszugehen ist, kann auf die zum Doppelhaus entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden (BayVGH, U. v. 11.12.2014 a. a. O.,
Rn. 27).
Vorliegend handelt es sich um eine entsprechende Reihenhausanlage im Sinne einer Hausgruppe im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO, wobei nach dem Lageplan davon auszugehen ist, dass die nähere Umgebung des Vorhabens, die im Norden und Osten vom …-Weg, im Westen von der … Straße und im Süden von der Grünfläche vor dem …weg eingegrenzt wird, mit weiteren Hausgruppen unter 50 m Länge bebaut und damit durch eine offene Bauweise geprägt ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundeverwaltungsgerichts setzt die Zulässigkeit einer Bebauung als Doppelhaus einen wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze voraus (BVerwG, U. v. 5.12.2013 – 4 C 5/12 – juris Rn. 22). Danach bindet dieser Verzicht die benachbarten Grundeigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessensausgleichs ein, wodurch die Baufreiheit zugleich erweitert und beschränkt wird. Einerseits wird durch die Möglichkeit des Grenzanbaus die bauliche Nutzbarkeit der Grundstücke erhöht, was aber durch den Verlust seitlicher Grenzabstände an der gemeinsamen Grenze, die Freiflächen schaffen und dem Wohnfrieden dienen, erkauft wird (BVerwG, U. v. 5.12.2013 – 4 C 5/12 – juris, Rn. 22 m. w. N.). Diese Interessenlage rechtfertigt es, dem Bauherrn eine Rücksichtnahmeverpflichtung aufzuerlegen, die eine grenzständige Bebauung ausschließt, wenn er den bisher durch das Doppelhaus – oder wie vorliegend durch die Hausgruppe – gezogenen Rahmen überschreitet. Das Bundesverwaltungsgericht hat insoweit ausdrücklich festgehalten, dass diese Rücksichtnahmeverpflichtung im beplanten und unbeplanten Bereich identisch ist, da zwar die Rücksichtnahmepflichten im beplanten Gebiet auf einer planerischen Konzeption beruhen, wohingegen sich im Bereich des § 34 Abs. 1 BauGB die Beschränkungen der Baufreiheit aus der Umgebungsbebauung ergeben, was aber inhaltlich keinen Unterschied begründe (BVerwG, U. v. 5.12.2013 – 4 C 5/12 – juris Rn. 22).
Demnach liegt eine bauliche Einheit vor, wenn die einzelnen Gebäude einen harmonischen Gesamtkörper bilden, der nicht den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus vermittelt. Voraussetzung ist insoweit zwar nicht, dass die einzelnen Häuser gleichzeitig und deckungsgleich errichtet werden müssen. Ein einheitlicher Gesamtbaukörper kann auch noch vorliegen, wenn z. B. aus gestalterischen Gründen die gemeinsame vordere und/oder rückwärtige Außenwand des einheitlichen Baukörpers durch kleine Hervor- und Rücksprünge aufgelockert wird (BayVGH, U. v. 11.12.2014 – 2 BV 13.789 – juris Rn. 27 m. w. N.). Zu fordern ist jedoch, dass die einzelnen Gebäude zu einem wesentlichen Teil (quantitativ) und in wechselseitig verträglicher und harmonischer Weise (qualitativ) aneinandergebaut sind (BayVGH, U. v. 5.12.2014 a. a. O. m. w. N.). Im System der offenen Bauweise ordnet sich ein aus mehreren Gebäuden zusammengefügter Baukörper nur ein, wenn das Abstandsgebot an der gemeinsamen Grundstücksgrenze auf der Grundlage der Gegenseitigkeit überwunden wird. Zugunsten der Erhöhung der baulichen Nutzbarkeit wird auf Grenzabstände verzichtet, die Freiflächen schaffen und dem Wohnfrieden dienen. Diese enge Wechselbeziehung begründet ein nachbarliches Austauschverhältnis, das nicht einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht werden darf. In welchem Umfang vor diesem Hintergrund ein vorderer oder rückwärtiger Versatz möglich ist, ohne das nachbarliche Austauschverhältnis aus dem Gleichgewicht zu bringen oder die „harmonische Beziehung“, in der die einzelnen Gebäude zueinander stehen müssen, in Frage zu stellen, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (BayVGH, U. v. 5.12.2014 a. a. O. m. w. N.). Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird mit dem Erfordernis des wechselseitig verträglichen und abgestimmter Aneinanderbauens nicht gefordert, dass die ein Doppelhaus bildenden Gebäude vollständig oder im Wesentlichen deckungsgleich aneinandergebaut werden müssen (BVerwG, U. v. 24.2.2000 – 4 C 12/98 – juris Rn. 22). Die beiden „Haushälften“ können auch zueinander versetzt oder gestaffelt an der Grenze errichtet werden, sie müssen jedoch zu einem wesentlichen Teil aneinandergebaut sein. Dabei betont das Bundesverwaltungsgericht, dass sich der Umfang, in dem die beiden Haushälften an der Grenze zusammengebaut sein müssen, jedoch weder abstrakt-generell noch mathematisch-prozentual festlegen lässt und die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind (BVerwG, U. v. 24.2.2000 – 4 C 12/98 – juris Rn. 22). Kein Doppelhaus entsteht danach, wenn ein Gebäude gegen das andere an der gemeinsamen Grundstücksgrenze so stark versetzt wird, dass sein vorderer oder rückwärtiger Versprung den Rahmen einer wechselseitigen Grenzbebauung überschreitet, den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus vermittelt und dadurch einen neuen Bodennutzungskonflikt auslöst.
In quantitativer Hinsicht sind bei der Beurteilung der Verträglichkeit des Aneinanderbauens insbesondere die Geschoßzahl, die Gebäudehöhe, die Bebauungstiefe und -breite sowie das durch diese Maße im Wesentlichen bestimmte oberirdische Brutto-Raumvolumen zu berücksichtigen. In qualitativer Hinsicht kommt es u. a. auch auf die Dachgestaltung und die sonstige Kubatur des Gebäudes an. Ein einheitlicher Baukörper kann jedenfalls dann nicht mehr angenommen werden, wenn sich auch nur eines der genannten quantitativen Merkmale bei den jeweiligen Gebäuden um mehr als die Hälfte unterscheidet (vgl. BayVGH, U. v. 11.12.2014 – 2 BV 13.789 – juris, Rn. 27 a. E. unter Hinweis auf OVG NRW, U. v. 26.6.2014 – 7 A 2725/12 – juris). Letztere quantitative Grenze kann nach Ansicht der erkennenden Kammer jedoch nur als Obergrenze für den Regelfall herangezogen werden und steht unter dem Vorbehalt der jeweiligen Umstände des Einzelfalls. Insbesondere kann in Anwendung der Hälfte-Regel wegen der vom Bundesverwaltungsgericht betonten Maßgeblichkeit der Umstände des Einzelfalls (BVerwG, U. v. 24.2.2000 – 4 C 12/98 – juris Rn. 22) nicht eine Bejahung des Vorliegens eines Aneinanderbauens in wechselseitig verträglicher Art und Weise dergestalt erfolgen, dass etwa bei einem gemeinsamen Grenzanbau von 10,00 m ein einseitiger zusätzlicher Grenzanbau bis zu 5,00 m Tiefe die bauliche Einheit generell unberührt ließe.
Gemessen an diesen Grundsätzen liegt auch nach Errichtung des vom Beigeladenen geplanten Anbaus noch ein einheitlicher Baukörper vor, welcher das nachbarliche Austauschverhältnis nicht aus dem Gleichgewicht bringt und die harmonische Beziehung der Gebäude zueinander nicht in Frage stellt. Im Erdgeschoss soll die westliche Außenwand des streitgegenständlichen Anwesens um 3,25 m Richtung Westen versetzt werden, so dass sie bündig an die versetzte westliche Außenwand des Anwesens …-Weg 38 anschließt. Entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze zum Kläger besteht bereits im Bestand eine 1,25 m tiefe Wand. Diese wird auf dem streitgegenständlichen Grundstück im Zuge des Anbaus um 2,00 m Richtung Westen verlängert. Bislang waren die beiden benachbarten Anwesen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze auf einer Länge von ca. 9,40 m im Erdgeschoss aneinandergebaut (ohne die verlängerte Kommunwand ca. 8,30 m). Die Verlängerung um 2,00 m mit einer Höheentwicklung von 3,55 m bleibt deutlich hinter den Maßen des bisherigen Bestands zurück bzw. überschreitet diese um deutlich weniger als deren Hälfte. Im Obergeschoss soll die bisherige westliche Außenwand um ca. 1,25 m Richtung Westen versetzt werden und dort bündig mit der bereits im Bestand vorhandenen südlichen Kommunwand abschließen. Der erdgeschossige Anbau soll ein nicht begehbares Flachdach erhalten. Insgesamt stellt sich der streitgegenständliche Anbau in quantitativer und qualitativer Hinsicht gegenüber dem bisherigen Bestand derart untergeordnet dar, dass der Charakter der durch die Reihenhäuser gebildeten Hausgruppe noch gewahrt wird, so dass unter dem Gesichtspunkt der Doppelhausrechtsprechung keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots gegeben ist.
Bei der Entscheidung war auch zu berücksichtigen, dass die Reihenhausanlage als Hausgruppe von Anfang an mit einem Versatz von 2 m an der West- und Ostseite der einzelnen Reihenhäuser errichtet worden war, also keine absolute Profilgleichheit gegeben ist. Hinzu kommt, dass bereits beim Gebäude Nr. 34 in der Tiefe dieses Versatzes ein Anbau auf der Westseite erfolgt ist. Dieser mag zwar mit Zustimmung des jeweiligen Nachbarn genehmigt und errichtet worden sein, wohingegen vorliegend gerade vom Kläger keine Zustimmung erteilt wurde. Gleichwohl unterscheidet sich der Anbau für die hier relevante Fragestellung, ob ein im Rahmen des wechselseitigen Austauschverhältnisses verträglicher Anbau vorliegt, nicht allein aufgrund der Nachbarzustimmungen, die für die nach der Rechtsprechung relevanten Kriterien nicht von Bedeutung sind. Ziel der Kriterien ist gerade die Beantwortung der Frage, bis zu welchem Umfang der Bauherr als Mitglied des wechselseitigen Austauschverhältnisses einseitig, d. h. ohne die Zustimmung des Nachbarn, Änderungen an der Hausgruppe oder dem Doppelhaus vornehmen kann.
Die erkennende Kammer hat insofern entgegen dem klägerischen Vorbringen im Schriftsatz vom 14. April 2016 bereits im Eilverfahren sowie auch im Rahmen der Prüfung der Hauptsache berücksichtigt, dass der Kläger dem streitgegenständlichen Anbau nicht zugestimmt hat. Dabei hat sie allerdings klargestellt, dass eine nicht gegebene Nachbarzustimmung keine Auswirkung auf die materiell-rechtliche Frage einer Verletzung des wechselseitigen Austauschverhältnisses hat. Diese Frage ist alleine anhand der oben aufgeführten Kriterien zur Verträglichkeit des Aneinanderbauens im Sinne der Doppelhausrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu beurteilen. Die fehlende Nachbarzustimmung hat lediglich zur Folge, dass kein Rechtsbehelfsverzicht des Klägers vorliegt.
Soweit der Kläger im Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 14. April 2016 vorträgt, dass die Höhe des streitgegenständlichen Anbaus nicht der Höhe der Anbauten auf den anderen Grundstücken entspreche, ändert dies nichts am Ergebnis der in quantitativer Hinsicht gegebenen Verträglichkeit des Anbaus. Hierbei hat die erkennende Kammer auch die Höhenentwicklung bis zu 3,55 m berücksichtigt und festgestellt, dass der streitgegenständlichen Anbau auch gemessen an der oben angeführten Hälfte-Regel des Bayrischen Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 11. Dezember 2014 (vgl. BayVGH, U. v. 11.12.2014 – 2 BV 13.789 – juris, Rn. 27 a. E. unter Hinweis auf OVG NRW, U. v. 26.6.2014 – 7 A 2725/12 – juris) den bisherigen Bestand um deutlich weniger als deren Hälfte überschreitet. Dabei hat die erkennende Kammer entsprechend ihrer Ansicht – die Hälfte-Regel könne wegen der vom Bundesverwaltungsgericht betonten Maßgeblichkeit des Einzelfalls (BVerwG, U. v. 24.2.2000 – 4 C 12/98 – juris Rn. 22) lediglich eine Obergrenze darstellen – für ihre Beurteilung der Verträglichkeit des streitgegenständlichen Anbaus auch darauf abgestellt, dass sich dieser auch insgesamt in qualitativer und quantitativer Hinsicht gegenüber dem bisherigen Bestand weit untergeordnet darstellt und somit auch die konkreten Umstände des vorliegenden Falles berücksichtigt.
Von Bedeutung war schließlich, dass der Kläger derzeit selbst auf der Grundlage der ihm erteilten Baugenehmigung vom 22. Oktober 2014 eine vergleichbare Erweiterung Richtung Westen vornimmt, so dass sich der streitgegenständliche Anbau im Ergebnis für ihn als ein qualitativ vergleichbarer Versatz darstellt, der der Hausgruppe seit 1961 eigen ist.
III.
Ohne Bedeutung für die Frage der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Baugenehmigung ist der Sachvortrag zur Nutzung bzw. Nichtnutzung der Kommunwand, da die Baugenehmigung insoweit gem. Art. 68 Abs. 4 BayBO unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt wird und hieraus resultierende Rechtsstreitigkeiten vor den Zivilgerichten auszutragen sind.
IV.
Eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften des Bauordnungsrechts, insbesondere eine Verletzung des Abstandsflächenrechts des Art. 6 BayBO durch den Baugenehmigungsbescheid vom 25. Februar 2015 ist, wie der Kläger bereits selbst zutreffend ausgeführt hat, mangels diesbezüglicher Feststellungswirkung des Bescheids ausgeschlossen. Im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BayBO prüft die Bauaufsichtsbehörde lediglich die Übereinstimmung des Vorhabens mit den Vorschriften des Bauplanungsrechts und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften, beantragte Abweichungen sowie andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird.
Eine nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO zu prüfende Abweichung gem. Art. 63 BayBO i. V. m. Art. 6 BayBO von den Abstandsflächen wurde weder beantragt noch erteilt. Eine Verletzung drittschützender Normen kommt jedoch nur insoweit in Betracht, als die Feststellungswirkung der bauaufsichtlichen Erlaubnis reicht. Das ist jedoch allein davon abhängig, in welchem Verfahren das angegriffene Vorhaben genehmigt wurde (BVerwG Beschluss v. 16.1.1997 Az. 4 B 244/96, NVwZ 1998, 58 – juris).
Im Übrigen darf das genehmigte Vorhaben als verträglicher Anbau an die Hausgruppe gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO grenzständig errichtet werden, womit eine Verletzung des drittschützenden Abstandsflächenrechts ohnehin ausscheidet.
V.
Da kein Verstoß der Baugenehmigung vom 25. Februar 2015 gegen drittschützende Vorschriften vorliegt, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass dieser seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf Euro 7.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG – i. V. m. Ziff. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes Euro 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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