Baurecht

Zulässigkeit einer Asylbewerberunterkunft in allgemeinem Wohngebiet

Aktenzeichen  M 1 SN 16.1023

Datum:
17.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 31 Abs. 2, § 246
BauNVO BauNVO § 4 Abs. 2 Nr. 3, § 15 Abs. 1

 

Leitsatz

Im allgemeinen Wohngebiet sind Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein zulässig und widersprechen daher nicht dem Charakter dieses Baugebiets. (redaktioneller Leitsatz)
Einwendungen, die auf mögliches rechtswidriges Verhalten einzelner Asylbewerber abzielen, bleiben bei der Prüfung des Gebotes der Rücksichtnahme von vornherein außer Betracht, denn solche Verhaltensweisen sind keine von baulichen Anlagen ausgehenden Belästigungen oder Störungen im Sinne von § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO. Das öffentliche Baurecht gewährt keinen Milieuschutz. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Der Streitwert wird auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Baugenehmigung des Antragsgegners zur Errichtung eines Wohnpavillons für Asylbewerber auf dem Grundstück FlNr. 175/5 Gemarkung …
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 181/12 Gemarkung …, das mit einem Wohnhaus bebaut ist. Dieses grenzt westlich an ein weiteres Wohnhaus und östlich an die …-straße. Jenseits dieser Straße, vom Wohnhaus des Antragstellers südöstlich gelegen, befindet sich das ca. 2.265 m² große Grundstück FlNr. 175/5, das im Eigentum der Gemeinde … steht. Der Bebauungsplan Nr. 2 „…“ der Gemeinde … in der Fassung der 3. Änderung von 1986 setzt für das Gebiet östlich und westlich der …-straße als Gebietsart „Allgemeines Wohngebiet“ fest. In der am 2. Januar 2007 bekannt gegebenen 40. Änderung dieses Bebauungsplans sind östlich der FlNr. 175/5 auf den benachbarten Grundstücken Baugrenzen festgesetzt, während für das Grundstück FlNr. 175/5 keine Baugrenzen eingetragen sind. Weiter sieht der Bebauungsplan u. a. Festsetzungen zur Geschossigkeit, zur überbaubaren Grundstücksfläche, zu Flächen für und zur Anzahl von Stellplätzen, zu Flächen, die von Bebauung freizuhalten sind sowie zur äußeren Gestaltung der baulichen Anlagen hinsichtlich Dachform und Dachneigung vor.
Der Antragsgegner beantragte unter dem 8. Dezember 2015 beim Landratsamt Rosenheim (Landratsamt) die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohnpavillons für die Aufnahme von Asylbewerbern auf dem Grundstück FlNr. 175/5. In dem beantragten zweigeschossigen, aus Wohncontainern bestehenden Bauvorhaben mit einer Gesamtlänge von 29,91 m, einer Breite von 14,57 m und einer Höhe von 6,53 m sollen 48 Asylbewerber untergebracht werden. Zudem beantragte der Antragsteller die Abweichung von örtlichen Bauvorschriften, da das Bauvorhaben baubedingt ein Satteldach aus grauem Trapezblech mit einer Neigung von 6,5° habe. Das Bauvorhaben diene dem Allgemeinwohl und sei zeitlich begrenzt. Vom Wohnhaus des Antragstellers liegt das Bauvorhaben ca. 20 bis 40 m entfernt.
Der vom Landratsamt zu diesem Bauvorhaben am 11. Dezember 2015 beteiligte Antragsteller unterschrieb die ihm vorgelegten Bauvorlagen nicht und erhob mit undatiertem, beim Landratsamt am 28. Dezember 2015 eingegangenem Schreiben Einwendungen.
Am 19. Januar 2016 schloss die Gemeinde … mit dem Antragsgegner einen Vertrag zur Verpachtung des Grundstücks FlNr. 175/5 für die Dauer von fünf Jahren zur Unterbringung von Asylbewerbern in nicht fest verbauten Unterkünften (u. a. Wohncontainern) und erteilte am gleichen Tag zum Bauvorhaben des Antragsgegners und zu den beantragten Abweichungen ihr Einvernehmen. Ferner stimmte sie den für dieses Bauvorhaben erforderlichen Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksflächen zu.
Mit Bescheid vom 5. Februar 2016, dem Antragsteller am 9. Februar 2016 zugestellt, erteilte das Landratsamt die beantragte Baugenehmigung und befristete sie auf fünf Jahre ab Nutzungsaufnahme. Zugleich erteilte es eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Baugrenzen, der Dachform und der Dacheindeckung. Als Auflage wurde u. a. aufgenommen, dass die erforderlichen drei Kfz-Stellplätze auf Dauer der jeweiligen Nutzungseinheit zuzuordnen seien. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, das Bauvorhaben entspreche den in Art. 60 Satz 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) als Prüfungsumfang festgelegten öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Als Anlage für soziale Zwecke mit wohnähnlicher Nutzung widerspreche es nicht der Zweckbestimmung des als allgemeinem Wohngebiet festgesetzten Baugebiets. Hinweise auf eine konkrete Gebietsunverträglichkeit lägen im konkreten Fall nicht vor. Unterkünfte für Flüchtlinge und Asylbegehrende würden, vor allem auch im Gemeindegebiet …, dringend benötigt, eine andere Unterkunftsmöglichkeit könne nicht rechtzeitig bereitgestellt werden. Die gesetzlichen Abstandsflächen seien eingehalten. Von den Festsetzungen im Bebauungsplan hinsichtlich der Baugrenzen, der Dachform und Dacheindeckung habe im Einvernehmen mit der Gemeinde eine Befreiung erteilt werden können, weil die Abweichung städtebaulich vertretbar sei, die Grundzüge der Planung nicht berührt würden und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sei.
Der Antragsteller erhob am … März 2016 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage gegen diese Baugenehmigung (M 1 K 16.1020). Am gleichen Tag beantragte er,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Baugenehmigung des Landratsamts Rosenheim vom 5. Februar 2016 anzuordnen.
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, er sei in ihn schützenden Drittrechten verletzt, insbesondere hinsichtlich der Befreiungen und Abweichungen von den Festsetzungen im Bebauungsplan zur Dachneigung und Dacheindeckung, zu den Baugrenzen, zur Geschossigkeit der Gebäude sowie zu den vorzusehenden Stellplätzen. Die Befreiungen und Abweichungen seien städtebaulich nicht vertretbar, die Grundzüge der Planung seien berührt. Nachbarliche Interessen seien unberücksichtigt geblieben. Auf eine dem Bebauungsplan und der Begründung hierzu zu entnehmende Absicht des Planungsgebers einer auch drittschützenden Funktion der Festsetzungen des Bebauungsplans komme es nicht an. Das Bauvorhaben verstoße aufgrund seiner Ausmaße und Zweckbestimmung gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Es drohe eine die umgebende Bebauung erdrückende Wirkung. Eine Asylbewerberunterkunft widerspreche der Eigenart des Wohngebiets und bilde dort einen Fremdkörper. Auch seien die zu besorgenden Verhaltensweisen der im Bauvorhaben Unterzubringenden für ihn unzumutbar, sein nachbarliches Sicherheitsbedürfnis sei bauplanungsrechtlich relevant. Andere Unterbringungsmöglichkeiten habe es gegeben. Sein Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiege das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Baugenehmigung, da die Klage offensichtlich erfolgreich sein werde.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung verneint er im Wesentlichen die Verletzung drittschützender Vorschriften und trägt ergänzend vor, über das hier nicht verletzte Rücksichtnahmegebot hinaus gewähre das Bauplanungsrecht keinen Milieuschutz.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist in der Sache ohne Erfolg.
In Fällen, in denen die gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dem Grundsatz nach gegebene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wie im vorliegenden Fall durch ein Bundesgesetz ausgeschlossen ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 212a Abs. 1 Baugesetzbuch – BauGB), kann das Gericht der Hauptsache gemäß § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag des Nachbarn die aufschiebende Wirkung der innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtzeitig erhobenen Klage anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht in einer dem Charakter des summarischen Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprechenden Weise die Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen, wobei als Indiz die bereits überschaubaren Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens berücksichtigt werden können.
Nach diesen Grundsätzen bleibt der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ohne Erfolg, da seine Klage gegen die Baugenehmigung vom 5. Februar 2016 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Das kraft Gesetzes nach § 212a Abs. 1 BauGB bestehende öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung einer Baugenehmigung muss daher auch nicht ausnahmsweise zurücktreten.
Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung haben Nachbarn nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung der Baugenehmigung weiter voraus, dass der Nachbar durch sie zugleich in seinen Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dies ist nur dann der Fall, wenn die zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung führende Norm zumindest auch dem Schutz der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat (BVerwG, U. v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – BauR 1981, 354 – juris; BayVGH, B. v. 2.9.2013 – 14 ZB 13.1193 – juris Rn. 11).
Aufgrund der im vorliegenden Verfahren nur vorzunehmenden summarischen Überprüfung ist eine Rechtsverletzung des Antragstellers durch die Baugenehmigung aller Voraussicht nach nicht gegeben. Er kann sich weder erfolgreich auf die Verletzung eines Anspruchs auf Gebietserhaltung bzw. auf Gebietsprägungserhaltung noch auf eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme berufen.
1. Ein Gebietserhaltungsanspruch des Antragstellers wird durch die angefochtene Baugenehmigung nicht verletzt.
Der Bebauungsplan Nr. 2 „…“ setzt für das Gebiet beidseits der …-straße als Art der baulichen Nutzung „Allgemeines Wohngebiet“ gemäß § 4 Baunutzungsverordnung (BauNVO) fest. Eine solche Baugebietsfestsetzung in einem Bebauungsplan ist nachbarschützend (BVerwG, U. v. 16.9.1993 – 4 C 28.390 – BVerwGE 94, 151 – juris Rn. 9 ff., 15; BayVGH, U. v. 28.6.2012 – 2 B 10.788 – juris Rn. 24), weshalb ein Eigentümer eines in diesem Gebiet liegenden Grundstücks die Beachtung der Gebietsart bei der Erteilung einer Baugenehmigung innerhalb dieses Gebiets beanspruchen kann (Gebietserhaltungsanspruch).
Allerdings wird ein solcher Anspruch des Antragstellers durch die von ihm angefochtene Baugenehmigung nicht verletzt. Gemeinschaftsunterkünfte sind Anlagen für soziale Zwecke mit wohnähnlichem Charakter (vgl. BayVGH, B. v. 9.12.2015 – 15 CS 15.1935 – juris Rn. 19; VGH BW, B. v. 6.10.2015 – NVwZ 2015, 1781 – juris Rn. 8), die in Baugebieten nach den §§ 2 bis 7 BauNVO allgemein zulässig sind oder als Ausnahme zugelassen werden können und gemäß § 246 Abs. 11 BauGB in der Regel zugelassen werden sollen (vgl. BayVGH, B. v. 21.3.2016 – 2 ZB 14.1201 – juris Rn. 4 zum reinen Wohngebiet). Im allgemeinen Wohngebiet sind solche Anlagen gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein zulässig und widersprechen daher nicht dem Charakter dieses Baugebiets. Bauplanungsrechtlich stellen solche Anlagen deshalb auch keine Fremdkörper in einem allgemeinen Wohngebiet dar.
2. Die erteilten Befreiungen und Abweichungen von Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Baugrenzen, der Geschossigkeit sowie der Dachform und Dacheindeckung verletzen den Antragsteller ebenfalls nicht in seinen Rechten. Hier fehlt es bereits am Vorliegen drittschützender Bestimmungen.
2.1 In der Befreiung des Bauvorhabens von der Pflicht zur Einhaltung der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen liegt keine Drittrechtsverletzung.
Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern (Nr. 1) oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (Nr. 2) oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde (Nr. 3) und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Hinsichtlich des Nachbarschutzes im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB ist grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit wird oder von nicht drittschützenden Festsetzungen. Weicht ein Bauvorhaben von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans ab, hat der Dritte einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB. Geht es folglich um die Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung eines Bebauungsplans, kommt es nicht nur darauf an, ob die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist, sondern auch darauf, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB im konkreten Fall erfüllt sind. Im Falle des Abweichens von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung eines Bebauungsplans hat der Nachbar lediglich ein subjektiv öffentliches Recht auf Würdigung seiner nachbarlichen Interessen; unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung die Rechte des Nachbarn verletzt, ist dabei nach den Maßstäben des Gebots der Rücksichtnahme zu beantworten. Für den Nachbarn bedeutet dies, dass er ein Bauvorhaben, für das eine Befreiung erteilt wurde, in diesem Fall nur dann mit Erfolg angreifen kann, wenn dieses ihm gegenüber rücksichtslos ist (BVerwG, B. v. 8.7.1998 – 4 B 64.98 – NVwZ-RR 1999, 8 – juris Rn. 5 f.; BayVGH, B. v. 3.2.2012 – 14 CS 11.2284 – juris Rn. 37 f.).
Im vorliegenden Fall gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Festsetzung von Baugrenzen auf dem Vorhabengrundstück zum Schutz einzelner Nachbarn im Bebauungsplangebiet unterlassen wurde. Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche vermitteln Drittschutz nur dann‚ wenn sie nach dem Willen der Gemeinde als Planungsträgerin diese Funktion haben sollen. Ein nachbarlicher Interessenausgleich und damit der Schutz von Nachbarn sind hiermit nur ausnahmsweise bezweckt. Eine solche ausnahmsweise drittschützende Zielrichtung muss sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Bebauungsplan‚ seiner Begründung oder aus sonstigen Unterlagen der planenden Gemeinde (Gemeinderatsprotokolle etc.) ergeben (vgl. BayVGH, B. v. 23.11.2015 – 1 CS 15.2207 – juris Rn. 8). Für einen solchen Drittschutz ist hier jedoch nichts erkennbar. Der maßgebliche Bebauungsplan enthält über das Fehlen der Festsetzung von Baugrenzen auf dem Vorhabengrundstück hinaus keinen Hinweis, insbesondere nicht in seiner Begründung, dass hieraus anderen Grundstückseigentümern ausnahmsweise Drittschutz zukommen sollte. Ein Anhaltspunkt dafür, dass sich die Gemeinde bei der Festsetzung der Baugrenzen von Nachbarinteressen hat leiten lassen, liegt nicht vor. Auch bezüglich der Festsetzungen im Bebauungsplan zur Geschossigkeit der Gebäude im Planungsumgriff ist ein solches Ziel nicht erkennbar.
2.2 Das gilt im gleichen Maß auch für die Festsetzungen zur äußeren Gestaltung baulicher Anlagen im Bauplanungsumgriff. Weder hinsichtlich der Dachneigung noch der Dacheindeckung sind Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass es Ziel der Gemeinde gewesen wäre, durch diese Festsetzungen auch Nachbarinteressen zu schützen oder dem Antragsteller ein von ihm behauptetes Recht auf eine optisch und ästhetisch vertretbare Bauweise auf anderen, benachbarten Grundstücken zu verschaffen. Hinsichtlich des vom Antragsteller eingewandten Verstoßes des Bauvorhabens gegen Vorschriften zur Bereitstellung von Stellplätzen (Art. 47 BayBO) besteht ebenfalls keine Drittschutzfunktion dieser Festsetzung.
3. Auch die Verletzung eines Gebietsprägungserhaltungsanspruchs im Hinblick auf dem Umfang des Bauvorhabens (vgl. hierzu BVerwG, B. v. 13.5.2002 – 4 B 86.01 – BauR 2002, 1499 – juris Rn. 7; BayVGH, B. v. 9.12.2015 – 15 CS 15.1935 – juris Rn. 20) ist bei summarischer Prüfung nicht anzunehmen. Die Bestimmung des § 15 Abs. 1 BauNVO vermittelt – neben der Wahrung des Rücksichtnahmegebots – einen Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung eines Baugebiets, was in § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO Ausdruck findet. Anhaltspunkte für einen Widerspruch des Vorhabens zur Eigenart des allgemeinen Wohngebiets aufgrund seines Umfangs oder seiner Zweckbestimmung bestehen nicht. Wenn § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO bestimmt, dass ein Vorhaben im Einzelfall auch unzulässig ist, wenn es wegen seines Umfangs der Eigenart eines bestimmten Baugebiets widerspricht, so geht die Vorschrift davon aus, dass im Einzelfall Quantität in Qualität umschlagen kann, dass also die Größe einer baulichen Anlage die Art der baulichen Nutzung erfassen kann (vgl. BVerwG, U. v. 16.3.1995 – 4 C 3/94 – NVwZ 1995, 899 – juris Rn. 17; B. v. 9.12.2015 – 15 CS 15.1935 – juris Rn. 20).
Dergleichen ist hier schon unter Berücksichtigung einer Höhenentwicklung von lediglich 6,53 m auch bei einer Gesamtlänge des Vorhabens von ca. 30 m und einer Breite von ca.15 m nicht ersichtlich. Zu berücksichtigen ist hierbei ferner die Entscheidung des Baugesetzgebers, im Hinblick auf die Unterbringung von Asylbegehrenden in den Absätzen 8 ff. der Sonderregelungen in § 246 Abs. 8 ff. BauGB Sonderbestimmungen zur Abweichung von den bauplanungsrechtlichen Vorschriften in erheblichem Umfang vorzusehen. Auch das spricht bei summarischer Prüfung gegen die Annahme einer Verletzung des Gebietsprägungserhaltungsanspruchs des Antragstellers.
4. Auch ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liegt nicht vor.
4.1. Nach Überprüfung der genehmigten Pläne hat das Vorhaben keine erdrückende Wirkung und verletzt unter diesem Gesichtspunkt nicht das nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zu beachtende nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme.
Die Bestimmungen über das Maß der baulichen Nutzung sind grundsätzlich nicht nachbarschützend. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Vorhaben infolge seines Nutzungsmaßes den Nachbarn durch eine „abriegelnde“ oder „erdrückende Wirkung“ unzumutbar beeinträchtigt. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BayVGH, B. v. 20.7.2010 – 15 CS 10.1151 – juris Rn. 18). Als Beispiele sind zu nennen ein zwölfgeschossiges Gebäude in Entfernung von 15 m zum zweigeschossigen Nachbarwohnhaus (vgl. BVerwG, U. v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – DVBl 1981, 928 – juris Rn. 33 f.) oder eine 11,5 m hohe Siloanlage im Abstand von 6 m zu einem Wohnanwesen (BVerwG, U. v. 23.5.1986 – 4 C 34/85 – DVBl 1986, 1271 – juris Rn. 2 und 15). Bei gleicher Geschoßhöhe wird eine erdrückende Wirkung grundsätzlich nicht in Betracht kommen (BayVGH, B. v. 20.7.2010 a. a. O.; BVerwG, U. v. 30.9.1983 – 4 C 18/80 – NJW 1984, 250 – juris Rn. 11).
Nach diesen Maßstäben ist ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme aufgrund einer erdrückenden oder Riegelwirkung des Vorhabens hier nach summarischer Prüfung zu verneinen. Dafür liegt das lediglich 6,53 m hohe Bauvorhaben zu weit vom Anwesen des Antragstellers entfernt. Zudem verläuft zwischen seinem Haus und dem Bauvorhaben die …-straße. Die Entfernung seines Anwesens von mindestens 20 m zum Bauvorhaben steht der Annahme einer erdrückenden Wirkung zulasten des Antragstellers entgegen. Im Hinblick auf die oben genannten Fälle, in denen die höchstrichterliche Rechtsprechung eine erdrückende Wirkung angenommen hat, scheidet auch im Hinblick auf die Größe des umbauten Raumes des Bauvorhabens nach summarischer Prüfung ein Rücksichtnahmeverstoß gegenüber dem Antragsteller aus.
4.2. Auch im Hinblick auf die vom Antragsteller befürchteten Beeinträchtigungen seines Anwesens durch das Verhalten der im Bauvorhaben untergebrachten Asylbewerber ist ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu verneinen. Seine Einwendungen, die auf mögliches rechtswidriges Verhalten einzelner Asylbewerber abzielen, bleiben von vornherein außer Betracht. Er kann sich nicht mit städtebaulichen Mitteln gegen von ihm als störend empfundene Verhaltensweisen der Asylsuchenden wehren, gegen die er nur im jeweiligen Einzelfall mit Hilfe des zivilen Nachbarrechts oder mit Maßnahmen des öffentlichen Polizei- und Ordnungsrechts vorgehen könnte (VG München, U. v. 17.11.2015 – M 1 K 15.3452 – juris Rn. 31; OVG Berlin, B. v. 2.6.1987 – 2 S 38/87 – NVwZ 1988, 264, 265). Solche Verhaltensweisen sind keine von baulichen Anlagen ausgehenden Belästigungen oder Störungen im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO. Das öffentliche Baurecht gewährt keinen Milieuschutz.
5. Die zusätzlich zur summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten vorzunehmende Interessenabwägung bestätigt die Ablehnung des Antrags. Der Gesetzgeber hat mit der Vorschrift des § 212a Abs. 1 BauGB Bauvorhaben gegenüber Drittbelangen ein gesteigertes Durchsetzungsvermögen verliehen. Ein Grund für ein Abweichen von dieser gesetzlichen Entscheidung ist nicht ersichtlich.
6. Der Antrag war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und § 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. Nr. 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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