Baurecht

Zulässigkeit einer Einbeziehungssatzung

Aktenzeichen  15 N 16.1840

Datum:
5.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30422
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1
BauGB § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

Greift eine Einbeziehungssatzung auf entferntere, nicht unmittelbar an den Bebauungszusammenhang anschließende Bereiche zurück, kann die erforderliche Prägung durch die bestehenden baulichen Nutzungen allenfalls dann noch in Betracht gezogen werden, wenn beispielsweise topographische Besonderheiten einen solch großzügigen Anschluss noch als einleuchtende Fortschreibung des Baubestands erscheinen lassen (vgl. VGH München, BeckRS 2019, 4348 Rn. 32 m.w.N.). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die am 24. März 2016 bekannt gemachte Einbeziehungssatzung zur 2. Erweiterung der Ortsabrundungssatzung für den Ortsteil N* … vom 20. Juli 1978 der Antragsgegnerin ist unwirksam.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Normenkontrollantrag gemäß § 47 VwGO hat Erfolg.
Der Antrag ist zulässig.
Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO statthaft; die Antragstellerin ist auch antragsbefugt. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der seit 1. Januar 1997 geltenden Fassung kann jede natürliche Person einen Antrag auf Überprüfung der Gültigkeit von Satzungen stellen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Infolge der Angleichung des Wortlauts dieser Vorschrift an die von § 42 Abs. 2 VwGO für die Klage aufgestellten Anforderungen für die Geltendmachung der Verletzung eigener Rechte (vgl. dazu näher BVerwG, U.v. 10.3.1998 – 4 CN 6 /97 – NVwZ 1998, 740 = juris Ls 2 und Rn. 10 bis 13) genügt an dieser Stelle die Feststellung, dass die Antragstellerin befugt ist, eine Baugenehmigung oder einen Bauvorbescheid für ein im Satzungsgebiet gelegenes Vorhaben anzufechten (so BVerwG, U.v. 22.9.2010 – 4 CN 2/10 – BVerwGE 138, 12 = juris Rn. 19 für den Fall einer – deklaratorischen – Klarstellungssatzung gemäß § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB; dieses Argument beansprucht erst recht im Rahmen des hier vorliegenden Antrags gegen eine – konstitutive – Einbeziehungssatzung nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB Geltung).
Der Antrag wurde innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach der Bekanntmachung der Satzung gestellt.
Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Die streitgegenständliche Satzung erfüllt nicht die von § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB aufgestellten Voraussetzungen. Danach kann die Gemeinde durch Satzung einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind. Daran fehlt es in einem wesentlichen Teil des Geltungsbereichs der streitigen Satzung, hier der im Südosten des Ortsteils N* … einbezogenen Teilfläche des Grundstücks FlNr. 757 (Gemarkung O* …*) .
Zwar kommt wegen der Möglichkeit, Außenbereichsflächen einzubeziehen, auch eine nur von einer Seite her vermittelte Prägung durch die im Ortsteil nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB vorhandene Bebauung in Betracht. Allerdings müssen schon nach dem Wortlaut der gesetzlichen Ermächtigung die in den Blick genommenen Flächen in der Regel unmittelbar an den Bebauungszusammenhang anschließen. Greift eine Einbeziehungssatzung auf entferntere Bereiche zurück, kann die erforderliche Prägung durch die bestehenden baulichen Nutzungen allenfalls dann noch in Betracht gezogen werden, wenn beispielsweise topographische Besonderheiten einen solch großzügigen Anschluss noch als einleuchtende Fortschreibung des Baubestands erscheinen lassen (vgl. BayVGH, U.v. 13.3.2019 – 15 N 17.1194/1195 – NVwZ-RR 2019, 847 = juris Rn. 32 m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind bei der – den Anlass für die Satzung sowie die Ausdehnung ihres Umgriffs gebenden – etwa 10.000 m² großen Teilfläche am Nordende des Grundstücks FlNr. 757 (Gemarkung O* …*) nicht (mehr) gegeben. Im Rahmen der an den Gegebenheiten des Einzelfalls orientierten Bewertung ist zunächst festzustellen, dass die östliche Grenze des fraglichen, fast quadratischen Bereichs auf ihrer gesamten Länge erst in rund 100 m Entfernung von der dort zudem verhältnismäßig kleinteiligen Bebauung im Ortsteil N* … beginnt. Dazwischen liegen – von Osten her gesehen – die als Wiese genutzten nördlichen Teilflächen des im Eigentum der Antragstellerin befindlichen Grundstücks FlNr. 795 (Gemarkung O* …*) mit einer Gesamtgröße von über 7.200 m² und der, vom Steigweg nach Süden abzweigende und zwischen den beiden genannten Grundstücken von Nord nach Süd verlaufende, befestigte Weg mit der FlNr. 756 (Gemarkung O* …*); die zuletzt genannte Flurnummer ist laut Eintragung in den Katasterkarten knapp 8 m breit. Im Norden grenzt der Steigweg an die einbezogene Teilfläche der FlNr. 757. Daran schließt sich – auf den FlNr. 802 und 753 (Gemarkung O* …*) – eine ausgedehnte landwirtschaftliche Hofstelle an, deren südlichen Abschluss das Wohnhaus mit der Nummer 6 bildet. Diese Bebauung auf der Nordseite des Steigwegs greift hier rund 35 m nach Westen aus, die einbezogene Teilfläche des Grundstücks 757 reicht demgegenüber rund 70 m weiter in den bisher landwirtschaftlich genutzten Außenbereich. Bei den dargestellten Größen- und Lageverhältnissen kann nicht mehr von einer entsprechenden Prägung der fraglichen Fläche der FlNr. 757 durch die im Norden nur teilweise und im Osten praktisch gar nicht anschließenden bebauten Bereiche gesprochen werden.
Da die Aufstufung der Teilfläche des Grundstücks FlNr. 757 zentrales Ziel der verfahrensgegenständlichen Planung war, erfasst die festgestellte Fehlerhaftigkeit die Satzung im Ganzen. Angesichts dessen kommt es auch nicht mehr darauf an, ob die weiteren gegen die Satzung erhobenen Einwände der Antragstellerin zutreffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
§ 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO verpflichtet die Antragsgegnerin, die Ziffer I. der Entscheidungsformel ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre.


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