Baurecht

Zulässigkeit eines Lehrbienenstands im Außenbereich

Aktenzeichen  RN 6 K 15.1462

Datum:
14.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34, § 35 Abs. 1 Nr. 1 u. Nr. 4

 

Leitsatz

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid des Landratsamts … vom 26.8.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1) Wer als Nachbar eine Baugenehmigung anficht, kann damit nur Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung gegen die zu prüfenden nachbarschützenden Vorschriften verstößt. Nachbar ist dabei nur derjenige, der ein eigenes dingliches Recht an einem Grundstück hat, das von dem Vorhaben tatsächlich und rechtlich betroffen sein kann, also insbesondere der Eigentümer des angrenzenden Grundstücks. Zu den nachbarschützenden Vorschriften gehört auch das partiell nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme konkret begründet, hängt im Wesentlichen von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Für den Anspruch eines Nachbarn ist es dagegen nicht maßgeblich, ob die Baugenehmigung in vollem Umfang und in allen Teilen rechtmäßig ist, insbesondere ob die Vorschriften über das Verfahren eingehalten wurden.
Unter Beachtung dieser Maßstäbe verletzt die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung in einen Lehrbienenstand mit Schulungsraum keine nachbarschützenden Vorschriften.
2) Vorliegend spricht vieles dafür, dass die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung rechtmäßig ist. Planungsrechtlich richtet sich die Zulässigkeit des Vorhabens des Beigeladenen nach § 35 BauGB, weil es weder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans i. S.v. § 30 BauGB noch innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile i. S.v. § 34 BauGB liegt.
Nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB sind Vorhaben unter anderem dann privilegiert im Außenbereich zulässig, wenn sie wegen ihrer besonderen Anforderungen an die Umgebung oder wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen. Soweit nicht bereits die Voraussetzungen einer berufsmäßigen Imkerei vorliegen und sie daher dem Begriff der Landwirtschaft i. S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB unterfallen, fallen Bienenhäuser regelmäßig unter die Vorschrift des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, weil Bienenhaltung nur im Außenbereich die notwendige Futtergrundlage findet, im Hinblick auf die Bestäubung der Blüten nur im Außenbereich realisiert werden kann und weil von der Bienenhaltung Nacheile und Gefahren für die Umgebung ausgehen können (BVerwG, U.v. 13.12.1974 – 4 C 22.73 – juris).
Allerdings ist in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt, ob sich diese Privilegierung auch auf einen Lehrbienenstand erstreckt. Teilweise wird vertreten, dass im Hinblick darauf, dass Vorhaben auf das Erforderliche zu beschränken seien, nur bauliche Anlagen erfasst seien, die der unmittelbaren Unterbringung der Bienen dienten (VG München, U.v. 28.3.2012 – M 9 K 11.3453 – juris). Eine so einschränkende Auslegung wird allerdings nach Auffassung des entscheidenden Gerichts dem Sinn der Privilegierung nicht gerecht.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass von derzeit in Deutschland tätigen etwa 100.000 Imkern mit etwa 800.000 Bienenvölkern rund 95% Freizeitimker sind, deren Ausbildung in der Regel durch Imkervereine erfolgt (vgl. Wikipedia, Internetlexikon: Imker). Diese sind zur Vermittlung der erforderlichen Fachkenntnisse auf Lehrbienenstände angewiesen, an denen praktische Kenntnisse vermittelt werden können. Daneben gehört aber zur Aus- und Weiterbildung von Imkern auch die Vermittlung theoretischer Kenntnisse, die zweckmäßigerweise in einem Unterrichtsraum erfolgt. Dabei erscheint eine räumliche Nähe auch des Unterrichtsraums zu den Bienenvölkern schon im Hinblick auf eine praxisnahe Gestaltung des theoretischen Unterrichts bzw. auf den engen Sachzusammenhang zwischen praktischer und theoretischer Ausbildung zweckmäßig, da sie zum Beispiel die Heranziehung von Anschauungsmaterial im theoretischen Unterricht erheblich erleichtert. Umgekehrt führt die Zulassung eines den jeweiligen Bedürfnissen angepassten Unterrichtsraums an einem Lehrbienenstand nicht zu einer unverhältnismäßigen Erweiterung des Vorhabens und damit zu einer allenfalls unerheblichen zusätzlichen Belastung des Außenbereichs. Demgegenüber wäre es praxisfremd, einheitliche Schulungsmaßnahmen räumlich in einen praktischen Teil vor Ort und einen theoretischen Teil an einem planungsrechtlich im Innenbereich gelegenen Ort aufzuspalten. Dem entsprechen auch die fachlichen Stellungnahmen des Fachberaters für Bienenzucht in Niederbayern an der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau vom 5.12.2014 und vom 26.6.2015.
3) Letztlich kann die Frage einer Privilegierung des Lehrbienenstands aber dahingestellt bleiben, da jedenfalls eine Verletzung des Klägers in nachbarschützenden Rechten nicht vorliegt.
3.1 Soweit sich der Kläger auf die Gefahr einer Lärmbeeinträchtigung beruft, fehlt es schon an einem substantiierten Sachvortrag. Der Lehrbienenstand befindet sich in einem Abstand von mehr als 250 m zum Anwesen des Klägers. Dass von der genehmigten Nutzung eines Schulungsraums im Gebäudeinnern eine unzumutbare Beeinträchtigung für den Kläger hervorgerufen werden könnte, kann bei dieser Entfernung ausgeschlossen werden, ohne dass es dazu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung bedurft hätte. Auch für eine Störung durch ein erhöhtes Verkehrsaufkommen ist nichts ersichtlich. Zum einen erscheint auch hier in Anbetracht der Entfernung eine Überschreitung des dem Kläger Zumutbaren ausgeschlossen, zum anderen wäre ein Zielverkehr zum Bienenlehrstand auch für die praktischen Unterrichtseinheiten erforderlich.
3.2 Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers hält das entscheidende Gericht auch keine Betriebsbeschreibung für nötig. Dass die vom Beigeladenen vorgesehenen Schulungen zur Tagzeit stattfinden, ergibt sich bereits aus dem Bauantrag. Im Übrigen folgt bereits aus der Baugenehmigung als „Lehrbienenstand“ und der Bezeichnung als „Schleuder- und Schulungsraum“, dass hier nicht der Betrieb eines Vereinsheims von der erteilten Baugenehmigung erfasst ist.
3.3 Ein anderes Ergebnis folgt schließlich auch nicht aus den Befürchtungen des Klägers, dass über die genehmigte Nutzung hinaus eine (ungenehmigte) Nutzung durch andere Vereine erfolgen werde bzw. sich aus der genehmigten Nutzung ein Erweiterungsbedarf ergebe. Eine solche Entwicklung ist nicht Bestandteil der Baugenehmigung und damit auch nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.
II.
Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO vollumfänglich abzuweisen. Es entsprach nicht der Billigkeit, dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser keinen Antrag gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
III.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Rechtsmittel: Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg schriftlich zu stellen (Haidplatz 1, 93047 Regensburg oder Postfach 110165, 93014 Regensburg).
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Ludwigstraße 23, 80539 München oder Postfach 340148, 80098 München) einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Der Antragsschrift sollen jeweils 4 Abschriften beigefügt werden.
Hinweis auf Vertretungszwang: Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich alle Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt bereits für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird, die aber noch beim Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder die anderen in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich auch durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; Einzelheiten ergeben sich aus § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 7.500,– € festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Nr. 9.7.1.
Rechtsmittelbelehrung
Rechtsmittel: Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,– EUR übersteigt, oder wenn die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg (Haidplatz 1, 93047 Regensburg oder Postfach 110165, 93014 Regensburg) einzulegen. Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.


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