Baurecht

Zum Begriff des Bebauungszusammenhangs und der Außenbereichsinsel im Innenbereich

Aktenzeichen  M 11 K 15.2582

Datum:
7.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34, § 35
BayBO BayBO Art. 68 Abs. 1 S. 1, Art. 71 S. 1, Art. 71 S. 4

 

Leitsatz

Für die Frage, ob ein Bebauungszusammenhang im Sinne von § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB vorliegt, ist nicht allein entscheidend, ob die tatsächlich vorhandene Bebauung einen solchen Bebauungszusammenhang bildet; vielmehr muss auch die Fläche, auf der das geplante Vorhaben realisiert werden soll, noch ein Teil dieses Zusammenhangs sein, von ihm noch geprägt werden.  (redaktioneller Leitsatz)
Der Bebauungszusammenhang als tatsächlich aufeinanderfolgende, eben zusammenhängende Bebauung wird dann unterbrochen, wenn die Abfolge durch große Baulücken oder größere Freiflächen unterbrochen wird. Daher steht eine von Bebauung umgebene, innerörtliche Fläche mit ihrer Umgebung dann nicht mehr im Bebauungszusammenhang, wenn sie so groß ist, dass sich ihre Bebauung nicht als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung aufdrängt. In diesen Fällen spricht man von einer so genannten Außenbereichsinsel im Innenbereich. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamtes Bad Tölz – Wolfratshausen vom 1. Juni 2015 verpflichtet, den Klägern den mit Antrag vom 9. Oktober 2014 beantragten Vorbescheid zu erteilen.
II.
Der Beklagte und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat Erfolg.
Die zulässige Klage ist im Hauptantrag begründet. Die Kläger haben einen Anspruch auf die Erteilung des beantragten Vorbescheids, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, Art. 71 Satz 1, Satz 4 i. V. m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BayBO.
Der Bebauungsplan der Beigeladenen, § 30 Abs. 1 BauGB bzw. dessen Festsetzungen stehen dem Vorhaben nicht entgegen, weil der Bebauungsplan unwirksam ist (nachfolgend unter 1.). Das Vorhabensgrundstück ist in bauplanungsrechtlicher Hinsicht an § 34 BauGB, nicht an § 35 BauGB zu messen (2.). Es fügt sich in die Eigenart der näheren Umgebung ein gemäß § 34 BauGB (3.).
1. Der Bebauungsplan „SO Hotel am Kurpark“, dessen Festsetzungen dem Vorhaben entgegen stehen würden, ist unwirksam.
Ob der Bebauungsplan wegen der von der Klägerseite geltend gemachten nicht ordnungsgemäßen Öffentlichkeitsbeteiligung, §§ 13a Abs. 2 Nr. 1, 13 Abs. 2 und Abs. 3 sowie 3 Abs. 2 BauGB, unwirksam ist, oder es ihm an der städtebaulichen Erforderlichkeit gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB fehlt, kann offen bleiben.
Denn jedenfalls leidet der Bebauungsplan an einem beachtlichen Abwägungsmangel gemäß § 1 Abs. 7 BauGB. Die Beigeladene hat die Belange der Kläger grundsätzlich verkannt bzw. überhaupt nicht zur Kenntnis genommen und es sich bei der Abwägung insofern zu einfach gemacht.
Die Beigeladene hat weder das maßgebliche Abwägungsmaterial im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der klägerischen Grundstücke unter Berücksichtigung der von der Beigeladenen vorgenommenen bzw. beabsichtigten Sondergebietsfestsetzung in der von § 2 Abs. 3 BauGB verlangten Art und Weise zutreffend ermittelt und zutreffend bewertet, noch hat sie die gegenläufigen privaten Belange der Kläger‚ ihre Grundstücke auch unter Geltung der Planung der Beigeladenen noch wirtschaftlich sinnvoll nutzen zu können‚ mit den öffentlichen Belangen an der Sondergebietsfestsetzung Gesundheit/Hotel und den damit einhergehenden Nutzungen nicht in angemessener Weise abgewogen, und ist damit den Anforderungen des Abwägungsgebots nach § 1 Abs. 7 BauGB (vgl. hierzu: Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger‚ BauGB‚ Stand: 121. EL Mai 2016‚ § 1 Rn. 185 ff., zu den privaten Belangen insbesondere Rn. 195ff.) nicht gerecht geworden.
Der Beigeladenen ist bei der Ermittlung und Bewertung der von der Planung berührten privaten Eigentumsbelange ein rechtlich erheblicher Fehler unterlaufen, der zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans führt.
Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind die öffentlichen und die privaten Belange bei der Aufstellung der Bauleitpläne gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das setzt eine zutreffende Ermittlung und Bewertung der für die Abwägung erheblichen Belange voraus. Mängel bei der Ermittlung und Bewertung sind beachtlich, wenn sie wesentliche Punkte betreffen und wenn der Mangel offensichtlich und von Einfluss auf das Ergebnis des Verfahrens ist (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB). Andere Mängel im Abwägungsvorgang sind nur erheblich, wenn sie offensichtlich sind und Einfluss auf das Abwägungsergebnis hatten (§ 214 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 BauGB).
Nach diesem Maßstab ist die auch bzw., genauer gesagt, hauptsächlich die Grundstücke der Kläger erfassende Festsetzung eines Sondergebietes Gesundheit und Hotel zu beanstanden, weil die Beigeladenen die Auswirkungen der Festsetzung auf das Eigentumsrecht der Kläger (und anderer Betroffener, z. B. den Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. 1328/7, das nach den Feststellungen im gerichtlichen Augenschein ausschließlich zum Wohnen genutzt wird und in gutem Zustand ist) nicht sorgfältig genug ermittelt und nicht zutreffend bewertet hat. Dieser Mangel im Abwägungsvorgang ist rechtlich erheblich (beachtlich).
Ziel des Bebauungsplans ist laut seiner Begründung, dem „dringenden Bedarf an Investitionen zur Umsetzung touristischer bzw. gesundheitlicher Projekte im Rahmen der Wiedernutzbarmachung und Entwicklung von Brachflächen bzw. Grundstücke der Innenlage Rechnung“ zu tragen. Die Planung mit dem Bebauungsplan „SO Hotel am Kurpark“ ist dabei eingebettet in weitere Bauleitplanverfahren der Beigeladenen, die dem gleichen oder ähnlichen Zielen dienen (vgl. die entsprechende Darlegung im Schreiben der Beigeladenen vom 06.07.2016). Dieses Ziel ist gemessen an der Planungshoheit der Beigeladenen auch grundsätzlich nicht zu beanstanden. Jedoch ist die Beigeladene gehalten, sich mit den von den Klägern vorgebrachten Umständen, dass die Grundstücksnutzung, die durch Bebauungsplan festgeschrieben werden soll, wirtschaftlich nicht tragfähig ist, konkret auseinanderzusetzen; die Beigeladene darf sich dazu nicht, wie sie es hervorgehend aus der Begründung des Bebauungsplans getan hat, auf allgemeine Behauptungen zu wirtschaftlichen Chancen, die ihre Festsetzungen bieten, verlassen. Auch wenn der Beigeladenen zuzugeben ist, dass die Bedingungen in ihrem Gemeindegebiet nicht in jeder Hinsicht mit dem Sachverhalt, der der vom Klägerbevollmächtigten genannten Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (U. v. 29.05.2009 – 1 N 07.3063 -, juris) zugrunde liegt, vergleichbar ist, ist es gleichwohl erforderlich, dass sich die Beigeladene mit diesen Erwägungen, die jedenfalls nicht völlig von der Hand zu weisen sind, sondern jedenfalls abwägungserhebliche Belange darstellen, auseinanderzusetzen. Ob diese Auseinandersetzung in der Einholung konkreter Gutachten bestehen muss, ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht erheblich. Denn jedenfalls genügen die angestellten Überlegungen und Behauptungen den Anforderungen ebenso wenig wie der Verweis in der Begründung des Bebauungsplans auf die Standortüberprüfung für Hotelprojekte in … durch die Beratungsfirma „… GmbH“ aus … von 2009. Diese von der Beigeladenen im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Studie ist erstens nicht aktuell und hat zweitens mit dem Geltungsbereich des hier einschlägigen Bebauungsplans nichts zu tun.
Insbesondere leidet der Bebauungsplan jedoch an einem Abwägungsfehler bezogen auf die privaten Belange der Kläger. Eine Abwägung dieser mit den von der Beigeladenen für ihre Planung verfolgten Interessen hat überhaupt nicht stattgefunden. Weder in der Begründung des Bebauungsplans noch in sonstigen Unterlagen werden die Belange der Kläger überhaupt angesprochen. Das ist angesichts der Bedeutung dieser privaten Belange nicht abwägungsgerecht. Sowohl bei einer räumlichen Betrachtung des Geltungsbereichs des Bebauungsplans, an dem die klägerischen Grundstücke, wie aus dem bei den eingereichten Bauvorlagen befindlichen Lageplan hervorgeht, einen erheblichen Anteil (aus dem Lageplan abgegriffen nicht viel weniger als die Hälfte) haben, wie auch bei einer sachlichen Betrachtung, was den Klägern unter Geltung des Bebauungsplans an Nutzungen (nur) noch möglich ist in Kombination mit den tatsächlichen Umsetzungsschwierigkeiten (dazu sogleich), liegt es auf der Hand, dass die privaten Belange der Kläger nicht nahezu völlig übergangen werden dürfen. Die einzige irgendwie feststellbare Befassung mit den Belangen der Kläger enthält das im Verfahren von den Klägern vorgelegte Antwortschreiben der Beigeladenen vom 18. März 2016 auf die im Aufstellungsverfahren abgegebene Stellungnahme der Kläger. In diesem Schreiben finden sich jedoch lediglich Allgemeinplätze, die sich mit den konkreten privaten Belangen der Kläger überhaupt nicht auseinandersetzen; vielmehr wird lediglich auf Nr. 6.1 der Begründung des Bebauungsplans verwiesen, in der sich jedoch ebenfalls überhaupt keine Aussage findet, die zeigt, dass die privaten Belange der Kläger von der Beigeladenen wenigstens erkannt geschweige denn ordnungsgemäß mit den Belangen, welche die Beigeladene mit ihrer Planung verfolgt, abgewogen worden wären. Dabei liegt auf der Hand, dass unter Berücksichtigung der sehr restriktiven Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung im Sondergebiet (B. Textliche Festsetzungen, dort Nr. 1.1 und 1.2) nur eine ganz geringe Variationsbreite an möglichen Nutzungen verbleibt. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass das Vorhabensgrundstück vorher nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans gelegen war, so dass sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 BauGB beurteilt hätte, woran die existierende Darstellung eines Sondergebiets „Kur“ im Flächennutzungsplan nichts geändert hätte, ist bereits dadurch die Verwertbarkeit des Grundeigentums der Kläger massiv eingeschränkt. Dazu kommen noch die von den Klägern dargelegten praktischen Umsetzungsschwierigkeiten: Etwa die Schwierigkeit, wegen der verschiedenen Eigentümer der Grundstücke ein gemeinsames Hotelprojekt zu verwirklichen oder auf der anderen Seite die Schwierigkeit, für den Fall einer fehlenden Einigung der Grundstückseigentümer untereinander mehrere kleinere Projekte verwirklichen zu können, oder die Schwierigkeit, wegen des den Geltungsbereich des Bebauungsplans durchschneidenden Biotops einschließlich des bestehenden Veränderungsverbots für die Hinterliegergrundstücke überhaupt eine sinnvolle Nutzung zusammen mit den an der L.-straße gelegenen Grundstücken zu finden. Spätestens in Kombination führen diese Umstände dazu, dass die privaten Belange der Kläger wegen der auf der Hand liegenden Einschränkungen der Kläger in der Verwertbarkeit ihres Grundeigentums hätten nachvollziehbar oder überhaupt mit den Belangen, die für die vorgenommene Planung sprechen, abgewogen werden müssen. Das hat die Beigeladene nicht getan. Ein Beispiel für die nahezu vollständige Verkennung der privaten Belange der Kläger ist die Aussage in der Klageerwiderung der Beigeladenen vom 6. Juli 2016, dort Seite 3 letzter Absatz, wo darauf verwiesen wird, dass die Beigeladene hinsichtlich der Zulässigkeit von Gaststätten oder Arztpraxen „keine Probleme“ sehe. Beide Nutzungen sind nach der Festsetzung zur Art der Nutzung im Sondergebiet jedoch überhaupt nicht zulässig; bei den Arztpraxen könnte zumindest noch versucht werden, diese unter die in B. Nr. 1.2 festgesetzten Nutzungsarten zu subsumieren, was aber im Ergebnis rechtlich nicht trägt angesichts der Striktheit der Festsetzung zur Art der Nutzung im Sondergebiet unter Berücksichtigung des Umstands, dass „Arztpraxis“ eben nicht genannt ist. Eine Nutzung z. B. als Gaststätte ist schließlich jedenfalls allgemein unzulässig und auch nicht befreiungsfähig, da nicht ersichtlich ist, wie eine im Sondergebiet nicht festgesetzte und damit ausgeschlossene Nutzung nicht die Grundzüge der Planung, § 31 Abs. 2 BauGB, berühren sollte.
Diese Mängel im Abwägungsvorgang sind nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beachtlich (rechtlich erheblich). Sie betreffen mit den privaten Belangen der größten Grundeigentümer im Plangebiet einen wesentlichen Punkt der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials (vgl. BVerwG, U. v. 09.04.2008 – 4 CN 1/07 -, juris Rn. 19 und 22). Die Mängel sind offensichtlich, weil sie sich ohne weiteres aus den Bebauungsplanakten ergeben.
Die Mängel waren auch von Einfluss auf das Ergebnis des Verfahrens. Es besteht die „konkrete Möglichkeit“ (vgl. BVerwG, B.v. 29.01.1992 – 4 NB 22/90 -, juris Rn. 17), dass das Ergebnis des Verfahrens, d. h. das Abwägungsergebnis, ohne die aufgezeigten Fehler anders ausgefallen wäre. Es liegt nahe, dass eine Berücksichtigung der privaten Belange der Kläger zu anderen Festsetzungen geführt hätte; vor allem ist anzunehmen, dass die Beigeladene in den Bebauungsplan Festsetzungen aufgenommen hätte, die den Klägern eine etwas größere Bandbreite an möglichen Nutzungsarten gestatten.
2. Das somit wegen der Unwirksamkeit des Bebauungsplans nicht mehr an § 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. den Festsetzungen zu messende Vorhaben beurteilt sich hinsichtlich der abgefragten bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit nicht nach § 35 BauGB, sondern nach § 34 BauGB.
Der Standort des Vorhabens befindet sich innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile der Beigeladenen und ist daher nach § 34 Abs. 1 Satz 1 sowie Abs. 2 BauGB zu beurteilen.
§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB fordert zunächst einen Bebauungszusammenhang. Dieser liegt vor, wenn das Baugrundstück tatsächlich von Bebauung umgeben ist. Hierbei zählt jedoch nicht jede bauliche Anlage mit, sondern es werden grundsätzlich nur solche Bauwerke als maßstabsbildend in die Betrachtung einbezogen, die dem dauernden Aufenthalt von Menschen dienen (vgl. nur BVerwG, B.v. 08.11.1999 – 4 B 85/99 -, juris Rn. 7; B.v. 10.07.2000 – 4 B 39/00 -, juris Rn. 5). Ist die Umgebung des Baugrundstücks – wie hier – nicht durchgehend bebaut, sondern weist auch unbebaute Flächen auf, entscheidet deren Zahl, Lage und Größe darüber, ob noch eine zusammenhängende Bebauung vorhanden ist. Das Bundesverwaltungsgericht stellt insoweit darauf ab, ob trotz vorhandener Baulücken der Eindruck von Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt wird (vgl. statt vieler BVerwG, U. v. 19.09.1986 – 4 C 15/84 -, BVerwGE 75, 34 (36 f.) = NVwZ 1987, 406; B.v. 02.08.2001 – 4 B 26/01 -, juris Rn. 7). Bei dieser wertenden Betrachtung (BVerwG, U. v. 06.11.1968 – IV C 2/66 -, BVerwGE 31, 20 (21) = BayVBl 1969, 316; B.v. 08.11.1999 a. a. O.) spielen auch die Topographie der näheren Umgebung, beispielsweise eine eventuell trennende Wirkung von Straßen und die Art der Umgebungsbebauung (z. B. einzelne Gebäude auf großen Grundstücken oder geschlossene Bebauung) eine Rolle. Nach der die Umstände des Einzelfalles berücksichtigenden, wertenden Betrachtung liegt danach hier ein Bebauungszusammenhang vor. Insbesondere liegt nicht – wie vom Beklagten mittlerweile angenommen – eine so genannte „Außenbereichsinsel im Innenbereich“ vor; würde letzteres zutreffen, hätte der Bebauungsplan der Beigeladenen nicht, wie geschehen, nach § 13a BauGB als Bebauungsplan der Innenentwicklung im vereinfachten Verfahren ergehen dürfen.
Das Vorhabensgrundstück nimmt an einem bestehenden Bebauungszusammenhang teil.
Dies folgt bereits aus den, dem Bauantrag beigefügten Bauvorlagen, insbesondere dem Lageplan vom 20. November 2011 und wird durch die Feststellungen des Gerichts im durchgeführten Augenschein bestätigt.
Zu berücksichtigen ist, dass die nähere Umgebung des Vorhabensgrundstücks von überwiegend großen Gebäuden auf vergleichsweise eher großzügig geschnittenen Grundstücken gekennzeichnet ist. Dies gilt zunächst für das Grundstück Fl. Nr. 1328/2. Das gilt ebenso für das Gebäude auf dem Grundstück Fl. Nr. 1328/7, bei dem es sich um ein Wohngebäude handelt. Ebenso gilt das insbesondere für die Gebäude und Grundstücke auf den östlich angrenzenden Flächen. Dabei kommt es zunächst nicht darauf an, ob die auf Fl. Nr. 1336/6 verlaufende L.-straße trennende oder verbindende Wirkung hat, wobei der Eindruck eher für letzteres spricht. Denn auch nur die Bebauung nördlich der L.-straße betrachtet, liegt ein Bebauungszusammenhang des Vorhabensgrundstücks mit der es umgebenden Bebauung vor. Die konkrete Art der Umgebungsbebauung hat für die Betrachtung, ob hier ein unbeplanter Innenbereich oder ein Außenbereich im Innenbereich vorliegt, die Folge, dass bei dieser Beurteilung kein zu kleinräumiger Maßstab angelegt werden kann. Vielmehr folgt daraus, dass die beschriebene Art der Umgebungsbebauung bereits deutlich für die Annahme einer Innenbereichslage spricht. Zu berücksichtigen ist ebenso, dass es sich bei dem Vorhabensgrundstück um eine zweifelsohne innerhalb der geschlossenen Ortslage der Beigeladenen gelegene Fläche handelt. Bei der gebotenen wertenden Betrachtung ist der Vorhabensstandort Teil der umliegenden Bebauung.
Der Vorhabensstandort ist auch nicht Teil einer so genannten „Außenbereichsinsel im Innenbereich“.
Für die Frage, ob ein Bebauungszusammenhang im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB vorliegt, ist nicht allein entscheidend, ob die tatsächlich vorhandene Bebauung einen solchen Bebauungszusammenhang bildet; vielmehr muss auch die Fläche, auf der das geplante Vorhaben realisiert werden soll, noch ein Teil dieses Zusammenhangs sein, von ihm noch geprägt werden. Der Bebauungszusammenhang als tatsächlich aufeinanderfolgende, eben zusammenhängende Bebauung wird dann unterbrochen, wenn die Abfolge durch große Baulücken oder größere Freiflächen unterbrochen wird (vgl. mit zahlreichen Nachweisen und Beispielen aus der Rechtsprechung Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 34 Rn. 21 ff.). Daher steht eine von Bebauung umgebene, innerörtliche Fläche mit ihrer Umgebung dann nicht mehr im Bebauungszusammenhang, wenn sie so groß ist, dass sich ihre Bebauung nicht als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung aufdrängt (BVerwG, U. v. 17.02.1984 – 4 C 55/81 -, juris Rn. 13). In diesen Fällen spricht man von einer so genannten Außenbereichsinsel im Innenbereich.
Eine solche „Außenbereichsinsel“ liegt hier jedoch tatsächlich nicht vor. Für die Frage, ab wann eine so genannte „Außenbereichsinsel“ anzunehmen ist, gibt es naturgemäß keine eindeutigen Daten. Als Grenzen, bei deren Erreichen ein Bebauungszusammenhang unterbrochen ist, werden in der Rechtsprechung beispielsweise angenommen, dass das nächste Haus mehr als 120 m entfernt liegt (VGH Mannheim, U. v. 08.07.1986 – 8 S 2815/85 -, BRS 46, Nr. 81, S. 187; OVG Greifswald, U. v. 05.07.2001 – 3 L 197/00 -, NordÖR 2002, 18 (19)) oder dass die unbebaute Freifläche mehr als 20.000 m² aufweist (BVerwG, U. v. 01.12.1972 – IV C 6/71 -, BVerwGE 41, 227 (234) = BayVBl 1973, 358; VGH Mannheim, U. v. 10.05.1996 – 5 S 393/95 -, VBlBW 1996, 381; U. v. 29.07.1999 – 5 S 1916/07 -, NVwZ-RR 2000, 481). Bei der – wie oben schon ausgeführt – hier anzustellenden wertenden Betrachtung im konkret zu beurteilenden Einzelfall können solche Maßangaben naturgemäß nur grobe Anhaltspunkte bilden. Jedoch sind unter Zugrundelegung dieser ungefähren Größenangaben die Anforderungen an eine so genannte „Außenbereichsinsel im Innenbereich“ im vorliegenden Fall bei Weitem nicht erfüllt. Dazu kommt noch, dass auch eine darüber hinausgehende Bewertung des Einzelfalles zum selben Ergebnis führt.
Im Einzelnen:
Das Gericht geht entsprechend den Feststellungen im Augenschein davon aus, dass der tatsächlich vorhandene Bebauungszusammenhang jedenfalls von Westen kommend bis an die östliche Außenwand des Gebäudes auf Fl. Nrn. 1328/4 und der nördlich anschließenden Gebäude einerseits sowie von Osten kommend bis an die westliche Außenwand des Gebäudes auf Fl. Nr. 1329 und der nördlich anschließenden Gebäude reicht.
Die dazwischen liegende Fläche stellt keine Unterbrechung des vorhandenen Bebauungszusammenhangs dar. Die auf dem Grundstück Fl. Nr. 1328/2 noch vorhandenen beiden (im Wesentlichen abbruchreifen) Gebäude mögen dabei außer Betracht bleiben. Die folgenden beiden Umstände sprechen aber entscheidend dagegen, die gesamte Fläche, die in etwa dem Umgriff des unwirksamen Bebauungsplans entspricht und die insgesamt groß genug wäre für die Annahme einer Außenbereichsinsel, tatsächlich als solche zu werten:
Erstens durchtrennt das Biotop entsprechend den Feststellungen im gerichtlichen Augenschein diese Gesamtfläche; für die entsprechende topographische Trennungswirkung kommt es dabei weniger auf das Biotop als solches an, sondern mehr darauf, dass im Bereich des Biotops eine von Grundstück Fl. Nr. 1328/2 zum nördlich liegenden Grundstück Fl. Nr. 1326 eine stark ausgeprägte Geländekante vorhanden ist, die zusammen mit dem nahezu undurchdringlichen Biotop die Fläche an den nördlichen Grenzen der Grundstücke Fl. Nr. 1328/2 und 1328/7 von der dahinter liegenden unbebauten Fläche auf Fl. Nr. 1326 abgrenzt.
Zweitens ist außerdem das nördlich dem Vorhabensgrundstück stehende Wohngebäude auf Fl. Nr. 1328/7 zu berücksichtigen. Anders als die Gebäude auf dem Grundstück Fl. Nr. 1328/2 ist dieses ohne weiteres zu berücksichtigen. Dieses Gebäude erscheint nicht als Außenbereichsvorhaben, sondern bezieht sich auf das die westlich angrenzende durchgehende Bebauung. Dafür spricht auch, dass dieses Wohnhaus durch seine Bauweise sich gerade nach Westen hin „öffnet“ und nicht abgrenzt.
Die Hangkante an der östlichen Grenze des Grundstücks Fl. Nr. 1328/2 zu der östlich angrenzenden Bebauung ist dagegen keine das Grundstück Fl. Nr. 1328/2 nach Osten hin abgrenzende topographische Grenze. Zwar fällt das Gelände auch hier steil ab, jedoch gerade nicht auf der ganzen östlichen Grenze des Grundstücks Fl. Nr. 1328/2, sondern nur im vorderen Bereich der Grundstücke Fl. Nr. 1328/2 und 1329 zur L.-straße hin.
Am Vorliegen eines Ortsteils bestehen keine Zweifel.
Daher liegt hier eine Innenbereichslage vor.
3. Das Vorhaben fügt sich ohne weiteres und insofern zwischen den Beteiligten wohl auch unstreitig in die nähere Umgebung ein § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
Wie die Feststellungen im gerichtlichen Augenschein ergeben haben, gibt es insbesondere östlich des Vorhabensgrundstücks, aber auch westlich und südlich davon eine Vielzahl von Wohnbauvorhaben, die in ihrem Nutzungsmaß dem Vorhaben gleichkommen oder dieses übertreffen.
Nach alledem ist der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 154 Abs. 3 Hs. 1 VwGO sowie § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayer-straße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwig-straße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf Euro 90000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG – i. V. m. Nr. 9.1.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2013, Beilage 2).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes Euro 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayer-straße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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