Baurecht

Zustellung einer Ausfertigung der Baugenehmigung an Nachbarn, Ersetzung der Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung, Wohnungseigentümergemeinschaft als Nachbar, Geltendmachung baurechtlicher Nachbarrechte durch Sondereigentümer, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (verneint)

Aktenzeichen  9 ZB 19.331

Datum:
14.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 916
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 66 Abs. 2 S. 4
VwGO §§ 60, 74 Abs. 1
WEG §§ 1 Abs. 2, 13 Abs. 1

 

Leitsatz

Wohnungseigentümer (§ 1 Abs. 2 WEG) zählen zu den Nachbarn im Sinn des Art. 66 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 1 BayBO, wenn sie baurechtliche Nachbarrechte aus eigenem Recht geltend machen können, weil der Behörde bei ihrer Entscheidung über die Baugenehmigung auch der Schutz der nachbarlichen Interessen des Sondereigentums aufgetragen ist.

Verfahrensgang

AN 9 K 17.2212 2018-11-14 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, wendet sich gegen die Baugenehmigung für eine Nutzungsänderung auf einem benachbarten Grundstück.
Die Beigeladene beantragte am 29. Mai 2017 bei der Beklagten eine Nutzungsänderung ihres Wohnhauses in eine Einrichtung für eine schulische Mittagsbetreuung. An das Vorhabengrundstück grenzt südöstlich das Grundstück FlNr. …12, Gemarkung E* … an, auf dem sich sechs Mehrfamilienhäuser mit jeweils mehreren Eigentumswohnungen befinden, deren Eigentümer die Klägerin bilden. Die Beklagte erteilte die Baugenehmigung mit Bescheid vom 9. August 2017 und machte den verfügenden Teil der Genehmigung mit Rechtsbehelfsbelehrungund Hinweisen in ihrem Amtsblatt vom 23. August 2017 bekannt. Auf das Einwendungsschreiben des Klägerbevollmächtigten vom 14. August 2017 hin wurde – ausweislich eines handschriftlichen Aktenvermerks vom 29. August 2017 – einer Kanzleimitarbeiterin telefonisch mitgeteilt, dass in dieser Angelegenheit „Klage … erforderlich“ sei. Die Mitarbeiterin habe versichert, dass sie dies dem Bevollmächtigten ausrichten werde.
Die Klägerin hat am 23. Oktober 2017 Klage erhoben und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, unter Verweis darauf, dass ihre Vertreter erst am 16. Oktober 2017 Kenntnis von der Genehmigung erlangt hätten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. November 2018 als unzulässig abgewiesen. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei abzulehnen, weil die Klagefrist nicht unverschuldet versäumt worden sei. Ausweislich der Aktennotiz sei der Kanzlei des Bevollmächtigten mitgeteilt worden, dass eine Klage erforderlich sei, was nur Sinn ergebe, wenn die Baugenehmigung bereits ergangen sei. Darüber hinaus habe die Klägerin damit rechnen müssen, dass eine Baugenehmigung ergehen werde und dass die Möglichkeit einer öffentlichen Zustellung eröffnet sei. Mit ihrem Zulassungsantrag verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg. Es bestehen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
1. Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
a) Danach hat die Klägerin nicht ernstlich in Zweifel gezogen, dass das Verwaltungsgericht ihre Klage wegen Nichteinhaltung der Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu Recht als unzulässig abgewiesen hat. Auf Fragen der Begründetheit kommt es daher nicht an.
Soweit die Klägerin vorbringt, die Monatsfrist (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO) habe mangels ordnungsgemäßer Bekanntgabe der Baugenehmigung nicht zu laufen begonnen (vgl. dazu BVerwG, U.v. 18.4.1997 – 8 C 43.95 – BVerwGE 104, 301 = juris Rn. 15 ff.), überzeugt dies nicht. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die (mangels Zustimmung) erforderliche Zustellung an die Nachbarn (Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO a.F., Abs. 1 Satz 4 n.F.) durch die öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden konnte (Art. 66 Abs. 2 Satz 4 HS. 1 BayBO). Mit den Sondereigentümern war eine hinreichende Anzahl von 20 Nachbarn (im Sinn des Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO a.F., Abs. 1 Satz 4 n.F.) und damit von Beteiligten gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG (Art. 66 Abs. 2 Satz 1 BayBO) im gleichen Interesse beteiligt (vgl. dazu auch BayVGH, U.v. 22.11.2021 – 9 B 18.986 – juris Rn. 23 ff.).
Der Einwand der Klägerin, dass nur sie selbst, nicht jedoch einzelne Sondereigentümer die Rechte einer Wohnungseigentümergemeinschaft und damit Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums geltend machen könnten, verfängt nicht. Vielmehr hat die Beklagte bei der Bestimmung der Nachbarn im Sinn des Art. 66 Abs. 2 Satz 1 BayBO zu Recht auch die Wohnungseigentümer einbezogen. Maßgeblich ist dabei, wessen Grundeigentum in nachbarrechtlich relevanter Weise im Einwirkungsbereich des Bauvorhabens liegt; soweit ein Grundstück belastenden Auswirkungen ausgesetzt sein kann, ist eine potentielle Betroffenheit ausreichend (vgl. BayVGH, U.v. 22.11.2021 – 9 B 18.986 – juris Rn. 25; B.v. 28.9.2021 – 9 ZB 21.901 – juris Rn. 8 jew. m.w.N.; vgl. auch Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand Juli 2021, Art. 66 Rn. 195). Es begegnet danach keinen Bedenken, hier auch die einzelnen Wohnungseigentümer (§ 1 Abs. 2 WEG) der angrenzenden Anlage zu berücksichtigen. Diese können sich zwar aufgrund der im Bauplanungsrecht gebotenen grundstücksbezogenen Betrachtungsweise nicht mit Erfolg auf die Beeinträchtigung ihres ideellen Anteils am gemeinschaftlichen Eigentum oder auf die Verletzung nachbarschützender Vorschriften bezogen auf das Gesamtgrundstück berufen (BayVGH, B.v. 12.7.2012 – 2 B 12.1211 – juris Rn. 21 m.w.N.; B.v. 12.9.2005 – 1 ZB 05.42 – juris LS 2 und Rn. 13; vgl. auch Kremer, jurisPR-ÖffBauR 8/2019 Anm. 5 m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Sondereigentümer können aber baurechtliche Nachbarrechte aus eigenem Recht (§ 13 Abs. 1 WEG) geltend machen, sofern der Behörde bei ihrer Entscheidung über die Baugenehmigung auch der Schutz der nachbarlichen Interessen des Sondereigentums aufgetragen ist (BayVGH, B.v. 12.7.2012 – 2 B 12.1211 – a.a.O. Rn. 22 m.w.N.; B.v. 22.3.2010 – 15 CS 10.352 – juris Rn. 10; vgl. auch BVerwG, B.v. 20.8.1992 – 4 B 92.92 – juris Rn. 9). Dies ist hier der Fall, weil konkrete Beeinträchtigungen des Wohnungseigentums in Form unzumutbarer Lärmbeeinträchtigungen durch die Benutzer der geplanten Einrichtung sowie durch den An- und Abfahrtsverkehr im Raum stehen. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei der Bestimmung der Nachbarn und damit der Beteiligten (Art. 66 Abs. 2 Satz 1 BayBO) die Sondereigentümer einbezogen hat (vgl. dazu auch Busse/Kraus, BayBO, Stand Juli 2021, Art. 66 Rn. 94, 144). Darauf, dass im Bauantrag nur die Klägerin als Nachbarin bezeichnet wurde, nicht dagegen die Wohnungseigentümer, kommt es nicht an.
Dem steht auch die Regelung des Art. 66 Abs. 3 Satz 2 HS 1 BayBO nicht entgegen, wonach in Fällen, in denen Eigentümer des Nachbargrundstücks eine Eigentümergemeinschaft nach dem Wohnungseigentumsgesetz ist, die Vorlage des Lageplans und der Bauzeichnungen an den Verwalter genügt. Der Wortlaut erfasst lediglich Absatz 1 Satz 1, nicht dagegen die Bestimmungen des Absatzes 2. Dem entsprechend gilt auch die Zustimmung eines Verwalters gemäß Art. 66 Abs. 3 Satz 2 HS 2 BayBO nicht ohne Weiteres als Zustimmung der einzelnen Wohnungseigentümer. Dieser ist, was das Sondereigentum betrifft, gerade kein gemeinsamer Vertreter im Sinn des Art. 66 Abs. 2 Satz 3 BayBO (vgl. BayVGH, U.v. 22.11.2021 – 9 B 18.986 – juris Rn. 28).
Entgegen dem Einwand der Klägerin setzt eine öffentliche Zustellung nicht voraus, dass die Bauaufsichtsbehörde Nachbarn, die in gleichem Interesse betroffen sind, vorher auffordert, einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen (Art. 66 Abs. 2 Satz 3 HS 1 BayBO). Dem Wortlaut kann keine solche Anforderung entnommen werden. Sie ließe sich auch mit dem Sinn und Zweck der Regelung, der Verringerung des Verwaltungs- und Kostenaufwands sowie der Verfahrensentlastung und -vereinfachung (vgl. LT-Drs. 12/13482, S. 63; BayVGH, U.v. 22.11.2021 – 9 B 18.986 – juris Rn. 29), kaum vereinbaren. Schließlich wurde von der Klägerin auch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Entscheidung der Beklagten, die Baugenehmigung nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO öffentlich bekannt zu machen, ermessensfehlerhaft sein könnte. Bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung reicht der Entlastungszweck durch eine öffentliche Bekanntmachung anstelle einer Individualzustellung regelmäßig für die Wahl dieser Verfahrensvariante aus (vgl. BayVGH, U.v. 22.11.2021 – 9 B 18.986 – a.a.O. m.w.N.; B.v. 3.2.1997 – 2 CS 96.3563 – BayVBl. 98, 151).
b) Das Zulassungsvorbringen der Klägerin weckt auch keine ernstlichen Zweifel daran, dass das Verwaltungsgericht ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht abgelehnt hat, weil sie nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Frist gehindert war (§ 60 Abs. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat das Verschulden zum einen auf die telefonische Mitteilung über den Erlass des Baugenehmigungsbescheides gestützt. Zum anderen hat es dargelegt, dass eine mögliche Unkenntnis der Klägerin angesichts ihrer Beteiligung im Verwaltungsverfahren und der öffentlichen Bekanntmachung der Baugenehmigung schuldhaft war.
Verschuldet ist die Versäumung einer Frist im Sinn des § 60 Abs. 1 VwGO immer dann, wenn ein Beteiligter die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und sachgemäß Prozessführenden geboten ist (objektive Voraussetzung) und die ihm (subjektiv) nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war (Buchheister in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 60 Rn. 8; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 60 Rn. 9, jew. m.w.N.). Ein Verschulden des gesetzlichen oder gewillkürten Vertreters, einschließlich des Prozessbevollmächtigten, ist gemäß § 173 i.V.m. § 51 Abs. 2 ZPO bzw. § 85 Abs. 2 ZPO als eigenes Verschulden des durch diesen vertretenen Beteiligten anzusehen (Buchheister, a.a.O. Rn. 9; Hoppe, a.a.O. Rn. 11 f., jew. m.w.N.). Hilfskräfte eines Prozessbevollmächtigten, etwa das Büropersonal eines Rechtsanwalts, fallen dagegen nicht unter § 85 Abs. 2 ZPO. Für deren Fehler kann aber auch ein Verschulden des Bevollmächtigten selbst verantwortlich sein, das sich der Vertretene wiederum zurechnen lassen muss, etwa im Zusammenhang mit der Büroorganisation, der Auswahl der Mitarbeiter oder der Überwachung von Geschäftsabläufen (vgl. Czybulka/Kluckert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 60 Rn. 47 m.w.N.).
aa) Nach diesen Maßstäben verfängt die Kritik im Zulassungsvorbringen daran, dass das Verwaltungsgericht im Ergebnis ein Verschulden im Sinn des § 60 Abs. 1 VwGO aufgrund der telefonischen Mitteilung am 29. April 2017 bejaht hat, nicht.
Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar dargelegt, dem in der Behördenakte befindlichen Vermerk könne entnommen werden, dass – als Reaktion auf das Einwendungsschreiben vom 14. August 2017 – eine Kanzleimitarbeiterin des Bevollmächtigten der Klägerin am 29. August 2017 telefonisch davon in Kenntnis gesetzt worden ist, dass eine Klage erforderlich sei, woraufhin diese erklärt habe, die Information weiterzuleiten. Gründe, an der inhaltlichen Richtigkeit der Telefonnotiz zu zweifeln, wurden im Zulassungsverfahren nicht dargelegt. Allein der Umstand, dass diese formlos gefertigt wurde, genügt dafür nicht. Im Zulassungsvorbringen wurde auch nicht in Abrede gestellt, dass das Telefonat mit dem entsprechenden Inhalt stattgefunden hat.
Soweit der Bevollmächtigte vorträgt, er habe sich zu diesem Zeitpunkt im Sommerurlaub befunden und von der telefonischen Mitteilung, wonach eine Klage erforderlich sei, nichts erfahren, genügt dies ebenfalls nicht, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung hervorzurufen. Es fehlt an der Darlegung der näheren Umstände aus der Sphäre des Bevollmächtigten, etwa dazu, ob er in zulässiger Weise Aufgaben auf Mitarbeiter delegiert sowie durch eine hinreichende Organisation sichergestellt hat, dass derartige Mitteilungen zuverlässig und zeitnah weitergeleitet werden (vgl. dazu Hoppe, a.a.O. Rn. 18 ff.).
Der Aussage, es sei eine Klage erforderlich, konnte aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts – entgegen dem Vorbringen im Zulassungsantrag – mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, dass die Baugenehmigung bereits erteilt wurde, selbst wenn dies nicht ausdrücklich Gegenstand der telefonischen Mitteilung gewesen sein sollte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Anruf als behördliche Reaktion auf das Einwendungsschreiben im Verwaltungsverfahren erfolgte. Aus Sicht eines Betroffenen kann die Notwendigkeit, Einwendungen im Wege der Klage verfolgen zu müssen, nur so verstanden werden, dass das Verwaltungsverfahren durch Erlass des Bescheides seinen Abschluss gefunden hat. Darauf, dass durch einen derartigen telefonischen Hinweis keine Bekanntgabe der Baugenehmigung bewirkt werden kann, kommt es nicht an. Ausreichend ist, dass die gebotene und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen wurde, weil die notwendige Reaktion unterblieb. Verbleibende Unsicherheiten hätte der Bevollmächtigte, etwa durch eine Nachfrage bei der Behörde, ausräumen können. Der diesbezügliche Einwand, „der Versuch eines Rückrufs bei der Bauaufsichtsbehörde der Beklagten“ sei „jeweils durch Nichtannahme“ gescheitert, ist nicht hinreichend substantiiert. Es fehlt jegliche Darlegung, welche Maßnahmen im Einzelnen zur Klärung ergriffen wurden und warum diese nicht zum Erfolg geführt haben.
bb) Das Verwaltungsgericht hat daneben auch zu Recht die erst nach Ablauf der Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO erlangte Kenntnis von der öffentlichen Bekanntmachung der Baugenehmigung im Amtsblatt der Beklagten – unabhängig von der telefonischen Mitteilung am 29. August 2017 – als verschuldet angesehen.
Grundsätzlich kann bei bloßer Unkenntnis der öffentlichen Bekanntmachung einer Baugenehmigung oder in Fällen, in denen Betroffene vortragen, mit einer solchen Bekanntgabe nicht gerechnet zu haben, nicht davon ausgegangen werden, dass Fristen unverschuldet versäumt wurden und dass ihnen deshalb Wiedereinsetzung zu gewähren ist (vgl. BayVGH, U.v. 22.11.2021 – 9 B 18.986 – juris Rn. 39). Dies gilt erst recht, wenn diese – wie hier – im Baugenehmigungsverfahren beteiligt worden sind und keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, derentwegen sie an einer Kenntnisnahme gehindert gewesen waren. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es der Gesetzgeber in den Fällen des Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO grundsätzlich für zumutbar hält, dass sich Nachbarn im öffentlichen Verkündungsblatt der zuständigen Bauaufsichtsbehörde informieren; im Übrigen sind Kläger, die von einem laufenden Baugenehmigungsverfahren Kenntnis haben, tendenziell bessergestellt, als ein Nachbar ohne entsprechendes Wissen (vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2021 – 9 ZB 21.901 – juris Rn. 12 f.).
Die im Zulassungsverfahren dagegen erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Die Voraussetzungen für eine öffentliche Bekanntmachung nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO lagen vor (vgl. oben a)), so dass die Klägerin und ihr Bevollmächtigter damit rechnen mussten, dass von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht wird. Soweit dies im Zulassungsverfahren in Abrede gestellt wird, liegt dem eine unzutreffende Rechtsauffassung zugrunde. Die Bauaufsichtsbehörde war – mangels besonderer Umstände – nicht verpflichtet, die Baugenehmigung zusätzlich der Klägerin oder ihrem Bevollmächtigten zuzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2021 – 9 ZB 21.901 – a.a.O. Rn. 14). Soweit im Zulassungsantrag geltend gemacht wird, es liege eine „arglistig zielbewusste Verheimlichung“ vor, steht dies im Widerspruch zur Tatsache, dass eine öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt der Beklagten erfolgte.
2. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten (§ 124a Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sind von der Klägerin weder vorgetragen noch ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da sich die Beigeladene im Zulassungsverfahren nicht geäußert hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO)


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