Baurecht

Zwischenwertbildung bei immissionsschutzrechtlicher Änderungsgenehmigung für Biogasanlage

Aktenzeichen  M 1 K 15.4424

Datum:
14.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 140179
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BImSchG § 3 Abs. 1
BImSchG § 5 Abs. 1
BImSchG § 16 Abs. 1
Geruchsimmissions-Richtlinie
TA Luft
TA Lärm

 

Leitsatz

1 Für Grundstücke in einem Dorfgebiet gilt, dass deren Eigentümer in verstärktem Umfang verpflichtet sind, Gerüche hinzunehmen, die mit dem Betrieb von landwirtschaftlichen Nutzungen wie Biogasanlagen verbunden sind (ebenso BayVGH BeckRS 2012, 47546). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Berechnungen auf der Basis der Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) stellen im Sinne einer konservativen Prognosesicherheit ein komfortables „Worst-Case“-Szenario dar (BayVGH BeckRS 2012, 58526), welches es rechtfertigt zur Bewertung eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsanspruchs eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, die auch eine Zwischenwertbildung zulässt (ebenso BayVGH BeckRS 2016, 45994). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3 Für die Höhe des Zwischenwerts ist die konkrete Schutzbedürftigkeit der von den Gerüchen betroffenen Flächen maßgeblich. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts Landsberg am Lech vom 11. September 2015 verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom … September 2014 auf Erteilung einer immissionsschutz-rechtlichen Änderungsgenehmigung erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und der Beklagte zur Hälfte. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Über die Klage konnte ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
II.
Die zulässige Klage ist nur im Hilfsantrag begründet. Der Kläger hat gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO einen Anspruch auf erneute Bescheidung seines Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Hierbei ist der Antrag vom … September 2014 in der Form zugrunde zu legen, die er in der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2016 durch den Verzicht des Klägers auf den Nachtbetrieb der Biogasanlage erhalten hat. Das Gericht geht davon aus, dass der Hilfsantrag – ebenso wie der Hauptantrag – neben einem Verpflichtungsausspruch auch das Begehren des Klägers zur Aufhebung von Nr. 1 des Versagungsbescheids vom 11. September 2015 umfasst (§ 88 VwGO).
Das immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtige Änderungsvorhaben (1.) ruft keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinn von § 3 Abs. 1 BImSchG für die Nachbarschaft hervor (2.) und widerspricht auch nicht dem immissionsschutzrechtlichen Vorsorgeprinzip (3.). Unter anderem aufgrund der vom Landratsamt noch durchzuführenden standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, war der Beklagte deshalb nach den Grundsätzen zum sogenannten „steckengebliebenen Verfahren“ unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids zu verpflichten, über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden (4.).
1. Das beantragte Vorhaben bedarf einer Änderungsgenehmigung nach § 16 Abs. 1 BImSchG, da es dem Immissionsschutzrecht unterliegt und gegenüber der ursprünglich genehmigten Biogasanlage eine wesentliche Änderung darstellt. Zwar war die Biogasanlage des Klägers im Jahr 2007 baurechtlich genehmigt worden, doch stellt die Anlage bei der nunmehr beantragten jährlichen Produktionskapazität von 2.300.000 Normkubikmetern Rohgas eine Anlage nach Nr. 8.6.3.2 des Anhangs 1 zur 4. Verordnung zur Durchführung des BImSchG (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen – 4. BIm-SchV) und damit eine nunmehr immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage dar. Das gilt aufgrund der beantragten Feuerungswärmeleistung von jedenfalls mehr als 1 MW gemäß Nr. 1.2.2.2 dieses Anhangs auch für den beantragten Biogasmotor. Die Wesentlichkeit der beantragten Änderung im Sinn von § 16 Abs. 1 BImSchG unterliegt im Hinblick auf den Umfang der zusätzlich beantragten jährlichen Produktionskapazität keinem Zweifel.
2. Das beantragte Änderungsvorhaben ruft keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG für die Nachbarschaft hervor und widerspricht damit weder § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG noch § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Das gilt sowohl für geruchsbezogene Immissionen (2.1) als auch für die von dem Vorhaben ausgehenden Geräusche (2.2).
2.1 Der Kläger hat durch die Vorlage des am … April 2014 erstellten und am … November 2014 ergänzten Geruchsgutachtens schlüssig und nachvollziehbar belegt, dass von seinem Vorhaben keine für die Nachbarschaft schädlichen Geruchseinwirkungen ausgehen. Für den im Bebauungsplan mit der Gebietsart allgemeines Wohngebiet westlich der H.-Straße festgesetzten Bereich erreichen die Geruchswerte nach der im Gutachten vorgenommenen Ausbreitungsberechnung auch auf den unmittelbar an die H.-Straße angrenzenden Grundstücken keine Geruchshäufigkeit von mehr als 0,09 (9% der Jahresstunden, vgl. S. 46 – Abb. 17 – d. Gutachtens), weshalb selbst bei einer Heranziehung der GIRL in der Fassung der Bund-/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz vom 29. Februar 2008 (ergänzt am 10.9.2008) der dort für Wohngebiete genannte Beurteilungswert von 0,10 (10% der Jahresstunden) eingehalten wird (vgl. Nr. 3.1 Satz 2 – Tabelle 1 GIRL).
Auch für den im Bebauungsplan mit Dorfgebiet festgesetzten Bereich östlich der H.-Straße und südwestlich des Vorhabengrundstücks sind nach den -ebenfalls schlüssig und nachvollziehbar dargelegten – Ergebnissen des Geruchsgutachtens keine für die Nachbarschaft schädlichen Geruchseinwirkungen zu erwarten. Zwar wird auf beinahe allen Grundstücken in diesem Bereich der Beurteilungswert für Wohngebiete von 0,10 (10% der Jahresstunden) erreicht und auch überschritten. Im östlichen Randbereich des Grundstücks FlNr. 671/3, das die geringste Entfernung zum Vorhaben des Klägers aufweist, wird sogar der Beurteilungswert von 0,16 (16% der Jahresstunden) erreicht, was zu einer Überschreitung des in Nr. 3.1 Satz 2 (Tabelle 1) der GIRL für Dorfgebiete angegebenen Immissionswert von 0,15, also 15% der Jahresstunden führen würde. Dennoch ist auch nicht deshalb zu erwarten, dass von dem Vorhaben für diese benachbarten Grundstücke schädliche Geruchseinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG ausgehen. Zum einen ist die Geruchsimmissionsrichtlinie GIRL keine Rechtsquelle, sondern ein technisches Regelwerk, dessen Werte auf den Erkenntnissen und Erfahrungen von Experten beruhen und das insoweit die Bedeutung eines antizipierten generellen Sachverständigengutachtens hat (BVerwG, B.v. 5.8.2015 – 4 BN 28.15 – BRS 83 Nr. 43 – juris Rn. 5). Die GIRL kann im Einzelfall als Orientierungshilfe herangezogen werden, auch wenn sie in Bayern nicht als Verwaltungsvorschrift eingeführt wurde (BayVGH, B.v. 3.5.2015 – 15 CS 15.1576 – UPR 2017, 32 – juris Rn. 13, m.w.N.). Deshalb besteht keine Bindungswirkung und auch kein Vorrang dieser Richtlinie vor anderen Bewertungsmethoden (BayVGH, B.v. 16.7.2014 – 15 CS 13.1910 -juris Rn. 25; B.v. 14.7.2014 – 22 ZB 14.798 – juris Rn. 21). Ferner ist, von der Wirksamkeit der Festsetzung Dorfgebiet im Bebauungsplan ausgehend, aufgrund der Möglichkeit einer Zwischenwertbildung gemäß der Begründung und den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 GIRL (hierzu BayVGH, B.v. 3.5.2016 – 15 CS 15.1576 – UPR 2017, 32 – juris Rn. 14) im Einzelfall auch bei einer Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze um 1% der Jahresstunden nicht von schädlichen Geruchseinwirkungen auszugehen.
Die Festsetzung Dorfgebiet zur Art der baulichen Nutzung im Bebauungsplan ist nicht obsolet. Unabhängig vom Einwand des Landratsamtes, dass bis zu dieser Festsetzung im Jahr 1996 im ursprünglichen Bebauungsplan allgemeines Wohngebiet festgesetzt gewesen sei, ist jedenfalls seit 1996 dort Dorfgebiet festgesetzt. In der Begründung hierzu wird als Grund für die hieraus im Vergleich zum weiter westlich gelegenen Wohngebiet herabgesetzte Schutzwürdigkeit auf die damalige Rinderhaltung auf den Nachbargrundstücken des Klägers hingewiesen (Nr. 7.4 d. Begründung), ferner auf die unterschiedlichen Wohnqualitätsansprüche in einem Dorf- und in einem Wohngebiet. Das ist aus damaliger Sicht ebenso nachvollziehbar wie aus heutiger Sicht. Zudem lassen sich der Landwirtschaft dienende Gebäude auf den drei noch freien Grundstücke FlNr. 670, 671/3 und 671/5 im Bereich des festgesetzten Dorfgebiets insbesondere dann verwirklichen, wenn diese Flächen zusammengefaßt und von einem einheitlichen landwirtschaftlichen Gesamtbetrieb in Anspruch genommen werden. Dass das jedenfalls nicht ausgeschlossen ist, hat auch die Beweiserhebung durch Einnahme des Augenscheins gezeigt. Deshalb kann entgegen der Auffassung des Landratsamts im Schreiben vom 14. September 2016 diesbezüglich nicht von einer „auslaufenden Restnutzung“ dieser verbleibenden Freiflächen „ohne städtebauliches Gewicht“ gesprochen werden. Für die Nachbargrundstücke südlich und westlich des Vorhabengrundstücks gilt daher noch immer die Festsetzung Dorfgebiet, weshalb deren Eigentümer in verstärktem Umfang verpflichtet sind, Gerüche hinzunehmen, die mit dem Betrieb von landwirtschaftlichen Nutzungen wie Biogasanlagen verbunden sind (BayVGH, B.v. 15.11.2010 -15 CS 10.2131 – BauR 2012, 542 (LS) – juris Rn. 18).
Hinzu kommt, dass Berechnungen auf der Basis der GIRL ein im Sinne einer konservativen Prognosesicherheit komfortables „Worst-Case“-Szenario darstellen (BayVGH, B.v. 15.10.2012 – 1 ZB 12.1021 u.a. juris – Rn. 21 mit Verweis auf NdsOVG, U.v. 25.7.2002 – 1 LB 980/01 – NVwZ-RR 2003, 24). Dies rechtfertigt es, zur Bewertung eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsanspruchs im vorliegenden Fall eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, die auch eine Zwischenwertbildung zulässt (BayVGH, B.v. 3.5.2016 – 15 CS 15.1576 – UPR 2017, 32 – juris Rn. 14 mit Hinweis auf Begründung und Auslegungshinweise zu Nr. 3.1 GIRL). Zwar wäre hier der Immissionswert nach Nr. 3.1 GIRL um 1% der Jahresstunden überschritten. Hierbei handelt es sich aber nicht um einen feststehenden, schematisch anzuwendenden Wert. Vielmehr ist auch vorliegend nach entsprechender Einzelfallprüfung eine solche Zwischenwertbildung zulässig (vgl. Begründung und Auslegungshinweise zu Nr. 1 GIRL, „Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich“ Abschnitt „Immissionswerte“, sowie zu Nr. 3.1 GIRL, „Zuordnung der Immissionswerte“).
Für die Höhe des Zwischenwerts ist die konkrete Schutzbedürftigkeit der von den Gerüchen betroffenen Flächen maßgeblich. Befindet sich ein den Geruchsbelastungen ausgesetztes Wohngebäude im Randgebiet zum Außenbereich, ist ein Zwischenwert zwischen Dorfgebiet und Außenbereich möglich, was zu einem Immissionswert von bis zu 0,20 führen kann (vgl. Begründung und Auslegungshinweise zu Nr. 3.1 GIRL, „Zuordnung der Immissionswerte“). Denn der Außenbereich dient dazu, nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierte Vorhaben wie hier das Vorhaben des Klägers nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB unterzubringen, weshalb Eigentümer von Wohngebäuden im Randgebiet zum Außenbereich jederzeit mit der Ansiedlung solcher Betriebe rechnen müssen und ihr Schutzanspruch deswegen gemindert ist (BayVGH, B.v. 3.5.2016 a.a.O. Rn. 14). Dies gilt auch für – wie im vorliegenden Fall gegeben – noch unbebaute Grundstücke, für die ein Bebauungsplan die Errichtung von Wohnhäusern zulässt. Die Zwischenwertbildung ist hier auch deshalb angemessen, weil die Überschreitung des Immissionswerts der GIRL für Dorfgebiete um 1% Jahresstunden nur in einem Randbereich des am nächsten zu dem Vorhaben des Klägers gelegenen Grundstücks (FlNr. 671/3) auftritt (vgl. zur Angemessenheit einer Zwischenwertbildung auch OVG LSA, U.v. 24.3.2015 – 2 L 184/10 – juris Rn. 96). Das Grundstück FlNr. 671/3 liegt ferner am Rande des Dorfgebiets zum Außenbereich.
2.2 Der Kläger hat durch Verzicht auf die zunächst beabsichtigten Betriebsabläufe der Varianten-Kombinationen 1 +3, 1 +4 und 1 +5 während der Nachtzeit sowie unter Ergänzung des Schallschutzgutachtens vom … Juli 2013 durch das Gutachten vom … Oktober 2016 im Nachgang zur mündlichen Verhandlung belegt, dass von seinem Änderungsvorhaben auch keine schädlichen Geräuscheinwirkungen für die Nachbarschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG zu erwarten sind. Zwar war in dem vom Kläger vorgelegten Schallschutzgutachten vom … Juli 2013 dargelegt worden, dass bei einem Fahrverkehr zur Einbringung der Ernte sowie hinsichtlich der beiden Fahrsilos „Süd“ und „West“ in den Variantenkombinationen 1+3, 1+4 und 1+5 nachts die Immissionsrichtwerte an fast allen Immissionsorten überschritten werden. Jedoch kann nach dem nunmehr vorgelegten Schallschutzgutachten vom … Oktober 2016 davon ausgegangen werden, dass die Immissionsrichtwerte für ein allgemeines Wohngebiet von 45 dB(A) tags für die Wohnbebauung westlich der H.-Straße und für ein Dorfgebiet von 60 dB(A) tags östlich der H.-Straße eingehalten werden können, nachdem der Betrieb insoweit auf die Tagzeit reduziert wurde.
Die Überschreitung der Immissionsrichtwerte der TA Lärm am Immissionsort IP 1 um 7 dB(A) an 4 Tagen/Jahr und am Immissionsort IP 4 um 1 dB(A) an 6 Tagen/Jahr kann durch Anwendung der Regelung in Nr. 6.3 TA Lärm für „seltene Ereignisse“ kompensiert werden. Die nach dieser Regelung zulässigen Immissionsrichtwerte von 70 dB(A) tags werden nach den auch insoweit schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben im Schallschutzgutachten vom … Oktober 2016 nicht überschritten. Auch die Beschreibung im Gutachten, in welcher Art und Weise die notwendigen Fahrten am Tag durchgeführt werden (insbesondere die Fahrbewegungen bei Einbringung der Ernte im Rahmen einer 4-Tages-Aktion und zwei 3-Tages-Aktionen im Jahr, vgl. S. 9 ff. d. Gutachtens) ist nachvollziehbar und wurde weder vom Beklagten noch von der Beigeladenen substantiiert bestritten. Dafür, dass diese Angaben zu den notwendigen Fahrten nicht realisierbar und praktikabel sein sollen, wie es das Landratsamt im Schreiben vom 14. September 2016 vorträgt, liegen keine Anhaltspunkte vor.
3. Schließlich steht auch der Vorsorgegrundsatz noch § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG der vom Kläger beantragten Genehmigungserteilung nicht entgegen, weder auf Grund des vom Beklagten eingewandten Tierhaltungsbetriebs südöstlich des Vorhabens noch auf Grund einer Gefahr etwaiger Platzgerüche der Silagen.
Aufgrund der fehlenden Verbindlichkeit der GIRL sowie wegen der Möglichkeit der Zwischenwertbildung ist das vom Landratsamt im Zusammenhang mit dem Vorsorgegebot eingewandte „Ausschöpfen“ der Immissionswerte der GIRL gerade kein Umstand, der einen Verstoß gegen das Vorsorgegebot nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG im Sinne eines vorbeugenden Umweltschutzes (BVerwG, B.v. 22.5.2014 – 7 B 3.14 – Buchholz 406.25 § 17 BImSchG Nr. 5 -juris Rn. 9; U.v. 28.2.2002 – 4 CN 5.01 – BauR 2002, 1348 – juris Rn. 36) befürchten lässt. Nach dieser Bestimmung ist eine genehmigungsbedürftige Anlage so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird. Die Tatsache, dass sich die unbebauten geruchsbelasteten Grundstücke FlNr. 671/ 3 und 671/5 südlich und westlich des Vorhabensgrundstücks – wie der Augenschein ergeben hat – im Randgebiet zum Außenbereich befinden, während die Biogasanlage und die Fahrsilos des Klägers bereits in diesem Außenbereich stehen, lässt – wie oben gezeigt – eine Zwischenwertbildung zu diesen Grundstücken zu, die zu einem Immissionswert von bis zu 0,20 (20% der Jahresstunden) führt (vgl. BayVGH, B.v. 3.5.2016 – 15 CS 15.1576 – UPR 2017, 32 – juris Rn. 14). Dies zugrunde gelegt widerspricht das Vorhaben des Klägers selbst bei Berücksichtigung der von dem Tierhaltungsbetrieb südlich des Vorhabensgrundstücks ausgehenden Gerüche nicht dem Vorsorgegebot des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG. Den vom Landratsamt eingewandten Platzgerüchen kann durch Nebenbestimmungen im Genehmigungsbescheid (vgl. § 12 BImSchG) bezüglich der Silageabdeckungen und der Reinhaltung der Anlagen begegnet werden, sodass auch diese keinen Widerspruch des Vorhabens zum Vorsorgegebot begründen. In dem nicht obsolet gewordenen Dorfgebiet sprechen auch die vom Landratsamt im Schreiben vom 14. September 2016 eingewandten Mindestabstände nach TA Luft nicht für einen Verstoß des klägerischen Vorhabens gegen das Vorsorgegebot nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG.
4. Trägt der einzige von der Behörde herangezogene Ablehnungsgrund nicht und sind weitere Ablehnungsgründe nicht offensichtlich, hat der Kläger einen Anspruch auf Neuverbescheidung seines Antrags durch die Behörde unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (BayVGH, U.v. 18.9.2015 – 22 B 14.1263 – juris Rn. 31; U.v. 18.6.2014 – 22 B 13.1358 – BauR 2014, 1934 -juris Rn. 40; OVG NRW, U.v. 19.6.2007 – 8 A 2677/06 – NuR 2008, 55 – juris Rn. 40). In derartig gelagerten Fällen ist es nicht Aufgabe der Gerichte, ein „steckengebliebenes“ Genehmigungsverfahren an Stelle der Behörde durchzuführen. Vielmehr darf das Tatsachengericht trotz grundsätzlich gebundener Entscheidung davon absehen, die Sache spruchreif zu machen und es stattdessen gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO bei einer Verpflichtung des Beklagten zur Neuverbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts belassen. Das gilt auch für den Fall einer durch Verpflichtungsklage begehrten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung (BayVGH, U.v. 18.9.2015 a.a.O. Rn. 31, m.w.N.).
Im vorliegenden Verfahren ist das Vorhaben aufgrund der Leistung des beantragten Biogasmotors der Nr. 1.2.2.2 und der beantragten Produktionskapazität von Rohgas der Nr. 8.4.2.2 der Anlage 1 zum Umweltverträg lichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) zuzuordnen. Für diese in Spalte 2 mit „S“ gekennzeichneten Nummern ist im Rahmen einer standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls (§ 3c Satz 2 UVPG) festzustellen, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Diese Vorprüfung hat noch nicht stattgefunden. Ebenfalls noch keine Entscheidung im Rahmen der beantragten Änderungsgenehmigung ist von Seiten des Beklagten zur Erweiterung der vorhandenen Silageanlagen sowie zur Errichtung und zum Betrieb einer weiteren Fahrsiloanlage getroffen worden, ferner auch nicht zur Errichtung und zum Betrieb einer Substrattrocknungsanlage.
5. Da die Klage nur im Hilfsantrag erfolgreich und im Übrigen abzuweisen war, waren die Kosten des Verfahrens gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO zwischen Kläger und Beklagtem verhältnismäßig zu teilen. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich somit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, ist es angemessen, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).


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